Angelika/Mike Schilli |
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(Angelika) In Kyoto mieteten wir uns in ein Ryokan ein - ein traditionelles japanisches Gasthaus. Gasthaus hört sich ja nun etwas zünftig an. Bei einem Ryokan handelt es sich aber mehr um die gehobene Variante. Man taucht dabei in das alte Japan ein.
Das Befolgen des Ausziehens der Schuhe ist im Ryokan ganz wichtig. Das eigene Zimmer besteht aus Tatami-Matten und einem niedrigen Tischchen, an dem sitzend die Mahlzeiten, die in einem Ryokan eine im Kimono bekleidete Dame in der Regel aufs Zimmer serviert, verspeist werden. Meistens gibt es sowohl japanisches Frühstück als auch Abendessen. Japanisches Frühstück besteht traditionell aus Fisch, Miso-Suppe, eingelegtem Gemüse, irgendeinem Eiergericht, Reis und oft Tofu. Zum Trinken gibt es schwarzen Tee. Häufig bekamen wir auch die kleinen Fischchen mit den Augen (Chirimen Jako), die mich immer so nett anschauten und mehr wie prähistorische Würmer aussahen.
Das Abendessen lässt sich am besten als japanische "High cuisine" (auf japanisch: Kaiseki) bezeichnen. Es folgt einer strengen Etikette: Die Frische der Zutaten und die Präsentation steht im Vordergrund. Das Essen wird liebevoll auf kleinen, sehr geschmackvollen Tellerchen und Gefäßen angerichtet und nacheinander serviert. Ihr müsst euch das so vorstellen, als ob es eine Vorspeise nach der anderen gibt. Zu den Gerichten gehören u.a.: Sashimi oder Sushi, Tempura, Miso-Suppe, gekochter oder gebratener Fisch, etwas Eingelegtes, Reis. Beim Kaiseki bewahrheitet sich: Das Auge isst mit.
Die aufmerksamen Leser unter euch fragen sich jetzt wahrscheinlich: Aber wo schläft man denn in einem Ryokan? Gibt es Betten, Kuschelmatratzen auf dem Fußboden? Nach dem Abendessen kommt die Kimono-Dame wieder, räumt den Tisch ab und die Sitzkissen zur Seite und breitet den Futon und die Decken auf den Tatami-Matten aus. Japanische Kopfkissen sind übrigens mehr auf der härteren Seite anzusiedeln. Die Füllung aus Gerste macht es möglich. Da schmerzten meine Ohren schon ein wenig. Morgens erscheint die Kimono-Dame vor dem Frühstück und verstaut Futon und Bettzeug wieder in einen dafür vorgesehenen Schrank. Mittagsschläfchen halten in einem Ryokan? Pustekuchen! Es sei denn man legt sich ohne Futon und Decke auf die Tatami-Matte, was ich nur für die ganz Müden und Hartgesottenen empfehle. Oft gibt es im Zimmer eine kleine Ecke mit Stühlen und Tisch im westlichen Stil.
Michael schaffte es aber, gleich am ersten Tag in unserem Ryokan die Stuhllehne von seinem Stuhl abzubrechen. Er haute den Stuhl zwar notdürftig wieder zusammen, aber am nächsten Tag ward er (der Stuhl, nicht Michael) nicht mehr gesehen (wir vermuteten ihn in der Reparatur), was die Anzahl der Stühle in unserem Zimmer auf Eins schrumpfen ließ. In traditionellen japanischen Zimmern findet man häufig einen Alkoven ("Tokonoma") mit arrangierten Kunstwerken oder Blumen. Der Japaner mag es dabei nicht, wenn der Tourist seine Koffer oder anderen Kram in dem Alkoven unterbringt. Ich gebe zu, dass man durchaus dazu neigt, weil es in japanischen Zimmern kaum Möbel gibt und wir oft verzweifelt versuchten, unsere Sachen irgendwie zu verstauen. Die Zimmer eines gehobenen Ryokans ermöglichen einem oft den Blick in einen japanischen Garten. Aber Vorsicht: Wollt ihr den Garten aus nächster Nähe betrachten, heißt es, in Holzpantoffeln ("Geta") einzusteigen.
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