Angelika/Mike Schilli |
Lost Coast die Dritte
Regenchaos in Kalifornien
Superbloom
Topp-Produkt: Selfie-Spiegel für die Systemkamera
Corona doch noch erwischt
Zollerklärung bei der Einreise
Nanny-State Kalifornien
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Michael Altgediente Rundbriefleser wissen, was die "Lost Coast" ist, nämlich der abgelegene Küstenstreifen 300km nördlich von San Francisco, schon fast bei Eureka. Nicht einmal der Highway 1, der entlang der gesamten Westküste verläuft, geht hier durch, zu bergig und unzugänglich ist die Gegend dort (Rundbrief 08/2004, Rundbrief 10/1998). Gerade deshalb zieht's uns immer wieder dorthin, denn hier wohnt ein besonderer Menschenschlag, oberflächlich betrachtet vielleicht etwas abweisend und eigenbrötlerisch, aber bei genauem Hinsehen sehr herzlich und hilfsbereit.
Um nach Shelter Cove zu gelangen, muss der abenteurhungrige Tourist von dem kleinen Städtchen Garberville, das am Highway 101 liegt, etwa 40km über eine Hügelkette hinunter zum Ozean fahren. Unten angekommen muss man sich mit dem Angebot dort zurechtfinden, man kann nicht mal schnell noch in die nächste größere Stadt zum Einkaufen oder in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Bei jeder Unternehmung gilt es, diese 40km lange kurvige Strecke zurück in die Zivilisation zu überwinden. Es gibt im Ort genau ein Lokal mit angeschlossener Brauerei und genau einen Supermarkt, von der Art, die man in Amerika "Mom-and-Pop"-Store nennt. Der "General Store" am Ortseingang von Shelter Cove ist zwar klein aber erstaunlich gut sortiert, von Gemüse und Brot über Angelzeug gibt es dort alles was man zum täglichen Leben braucht. Gut, die Waren dort sind leicht teurer als in der Großstadt, aber nicht unverschämt sondern der Distanz angemessen.
Was die Versorgung betrifft, gibt es in Shelter Cove zwar Strom und Internet, allerdings nur an einigen Stellen schwachen Mobiltelefonempfang. So hatten wir zum Beispiel auf der gesamten Anfahrt über die Hügelkette keinerlei Verbindung, aber zum Glück kann man sich mangels Alternativen dort nicht verfahren. Heizen und kochen tun die meisten Anwohner dort unten mit Gas, das sie in großen Haustanks im Garten speichern, und zum Auffüllen kommt alle Monate der Gaslaster.
Da kaum Touristen nach Shelter Cove finden, ist man an dem sagenhaften meilenlangen Strand aus schwarzem Sand und Kieseln oft ganz allein und findet allerlei angespültes Meeresgetier, wie die sonst eher seltenen Seeigel und Seesterne. Alle halbe Stunde kamen uns rucksackbepackte Globetrotter entgegen, die auf dem sagenumwobenen "Pacific Trail" südwärts liefen, auf Mehrtagestouren, die man nur bei Ebbe machen kann.
Mit unserem "Brummi" genannten Honda Fit fuhren wir diesmal auch zu entlegeneren Dörfern an kleinen Gebirgsstraßen entlang der Küste, und besonders eine mit Schlaglöchern und amateurhaften Ausbesserungen gesähte Küstenstraße südlich von Cape Mendocino hatte es uns angetan. Derlei Touren erfordern allerdings gutes Sitzfleisch, denn teilweise kann man wegen der Schlaglöcher nicht schneller als 40km/h fahren, und hin und wieder geht es sogar über ungeteerte Sandpisten. Wir verbrachten eine tolle Woche, aber dann brach ein Regensturm los, der, für Kalifornien absolut unfassbar, sogar ein paar Zentimeter Schnee herhaute.
Bei unserem Besuch war es diesmal ungewöhnlich kalt. Trotz direkter Küstennähe sanken die Temperaturen während unseres Aufenthalts auf 0 Grad Celsius, das ist ebenfalls ein Rekord für Kalifornien. Als ein paar Regentropfen als Schnee herunter kamen, der wegen der Kälte sogar liegen blieb, überschlugen sich Zeitungen und Nachrichtensender mit Meldungen! Ebenfalls typisch für Kalifornien reichte dies für ein totales Verkehrschaos.
Prompt wurde die einzige Verbindungsstraße zurück zur Zivilisation wegen Sturmschäden zeitweise gesperrt, und niemand konnte mehr runter nach Shelter Cove oder rauf in die Zivilisation des nördlichen Kaliforniens. Die einzige Wirtschaft im Ort hatte am nächsten Tag nur eine Bedienung, die darauf hinwies, dass die Fischgerichte auf der Karte mangels frischem Fisch leider heute nicht erhältlich wären. Und als ich dann einen Burger bestellte, wurde mir mitgeteilt, dass ich darauf zwar Avocado aber leider keinen Speck haben könnte, denn der war ebenfalls aus. Wir mögen's rustikal!
Als wir nach einer Woche Urlaub wieder heimfahren wollten, kam das nächste Problem: Zwar war die Verbindung von Shelter Cove zum Haupt-Highway 101 nun zeitweise wieder offen, aber auf dem Haupt-Highway 101, der einzigen Verbindung Richtung Süden, führten ein paar umgestürzte Bäume, Strommasten und deswegen quergestellte LKWs zu einer Totalsperrung Richtung Süden. Tagelang konnte man aus dem Norden nicht mehr runter in die San Francisco Bay Area fahren, außer man war gewillt, Schneeketten anzulegen und über abenteuerliche kleine Gebirgspässe rüber nach Osten zum I-5 zu zuckeln, was die 4-Stunden-Tour auf acht Stunden verlängert hätte.
Wir hatten für eine Woche über AirBnB eine Butze im Ort gebucht, und eigentlich geplant, am Samstag nach San Francisco zurückzufahren. Unser Vermieter, der zwar nicht vor Ort war aber die Situation in den Nachrichten verfolgt hatte, schlug uns vor, doch einfach abzuwarten, bis sich die Lage normalisiere, und bot uns großzügig an, doch kostenlos ein, zwei Tage länger im Haus zu bleiben.
Interessant war auch, dass die Kommunikation der staatlichen Straßenwartungsbehörden ausschließlich über Twitter und Facebook erfolgte. Wir schrieben uns auf der Facebook-Gruppe für Shelter Cove ein und dort berichteten Waghalsige von ihren abenteuerlichen und gescheiterten Überquerungsversuchen auf dem Pass zurück zum Highway 101. "Caltrans", die bundesstaatliche Behörde für Straßenverkehr in Kalifornien, berichtete auf Twitter mit Fotos über die Sperrungen des 101 und empfahl, die Lage zu beobachten und abzuwarten.
Am Sonntagmorgen tat sich dann für uns ein günstiges Zeitfenster auf, das Wetter hatte aufgeklart, Google hatte die Strecke auf dem 101 mit einer kleinen Umleitung freigegeben, und mutige Fahrer berichteten, dass auch der Pass raus aus Shelter Cove und rüber über den Hügel trotz einiger umgefallener Bäume und eisiger Stellen passierbar war. Jetzt oder nie, dachten wir, fuhren los, und es war dann ganz passabel. Ich fuhr unseren Honda Fit mit Sommerreifen langsam über die paar eisigen Stellen oben auf dem Pass und hielt zweimal rechts an, um Pickup-Trucks mit Ballonreifen vorbeizuwinken und durchbrettern zu lassen. Wie sich die Leser denken können, hätte ich solche Fahrzeuge unter normalen Bedingungen natürlich gnadenlos geschnupft aber das waren keine normalen Bedingungen!
Bis auf ein paar Stellen, an denen auf dem Highway 101 gen Süden dann nur eine Spur offen war, und Caltrans-Angestellte den Verkehr mit "Stop/Slow"-Schildern vorbeilotsten, indem sie den Verkehr jeweils in eine Fahrtrichtung freigaben, während die Autos in der anderen warten mussten, kamen wir schnell durch und wohlbehalten wieder in der Bay Area an.
Angelika Kalifornien ist Kummer gewohnt, wenn es um Naturkatastrophen geht. Waldbrände, Erdbeben, Dürre stehen normalerweise auf der Tagesordnung. Ein Bundesstaat, der nicht nur zu den bevölkerungsreichsten zählt, sondern auch geografisch einiges zu bieten hat. Vom Ozean über Hochgebirge, Wüste, und reiches Agrarland ist für jeden etwas dabei. Die regenarmen Winter gaben in den letzten Jahren Anlass zur Sorge, denn extreme Trockenheit führt zu ständigen Waldbränden und nicht nur während der kalifornischen Feuersaison, normalerweise im September und Oktober. Jeder sehnte sich Regen herbei und dieses Jahr gab es den zur Abwechslung im Überfluss. Das führte aber gleich wieder zu erneuten katastrophenartigen Bedingungen, nämlich zu gewaltigen Überschwemmungen, Erdrutschen, umgestürzten Bäumen, Stromausfällen und Evakuierungen.
In Kalifornien scheint sich immer alles im Extremen abzuspielen. Es war im Winter ungewöhnlich kalt, wie Michael schon in seinem Bericht über Shelter Cove erwähnte. Es schneite also nicht nur im Gebirge sondern auch in niederen Gefilden. Da der durchschnittliche kalifornische Autofahrer schon bei normalen Regenfällen überfordert ist, brach bei den Winterstürmen das Chaos aus. Die Menschen in der Bay Area wurden geradezu angefleht, sich nicht in das Skigebiet am Lake Tahoe zu begeben, was normalerweise ein beliebtes Wochenendziel ist, denn die Schneemassen führten dort zu Straßensperrungen.
Einige ganz Schlaue folgten blind Google Maps oder Waze, um diese Sperrungen zu umgehen, lernten aber ziemlich schnell, dass weder Google noch Waze wissen, welche Straßen geräumt werden und welche nicht. Die Stürme zogen sich über Monate hin. Ein Unwetter jagte das nächste seit Dezember. Viele kleinere Landstraßen entlang der Küste brachen einfach weg, und in Santa Cruz, der fröhlichen Surfer- und Studentenstadt, die 117 Kilometer südlich von San Francisco liegt, konnten die Menschen in den überfluteten Straßen kayakfahren. In höheren Lagen rund um Los Angeles in den Bergen um San Bernardino waren die dort Ansässigen wochenlang eingeschneit.
Hier in San Francisco machte uns vor allen Dingen der starke Wind zu schaffen, der mit dem Regen kam. Unzählige Bäume fielen um, weil die Wurzeln keinen Halt mehr fanden im matschigen Untergrund und der Wind teilweise riesige Bäume einfach wie Streichhölzer umpustete. Auch der gewaltige Baum vor unserer Haustür gab auf und plumpste an Silvester einfach quer über die 24te Straße. Ein parkendes Auto, das der Kellnerin im Restaurant nebenan gehörte, zermatschte der Baum unter sich. Gott sei Dank passierte nichts Schlimmeres und keiner wurde dabei verletzt. Normalerweise ist auf dem Bürgersteig vor unserer Haustür nämlich immer sehr viel los, aber da es schüttete und Silvester war, hielt sich der Fußgängerstrom in Grenzen. Und typisch für San Francisco wurde eine Go-Fund-Me-Seite ins Leben gerufen, um der Kellnerin ein neues Auto zu kaufen.
Ansonsten zerbrachen einige Fensterscheiben der Wolkenkratzer in Downtown San Francisco, und die Teile flogen dann aus schwindelerregender Höhe herab, was natürlich saugefährlich war. Aber wie durch ein Wunder traf es niemanden, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass die Innenstadt von San Francisco seit Jahren immer noch wie ausgestorben ist. Man fragt sich dann schon, wie es sein kann, dass Wolkenkratzer so flimsige Fenster haben, dass diese bei einem Sturm zersplittern. Die Fenster zerbarsten nämlich nicht nur in älteren Wolkenkratzern sondern auch im relativ neuen Salesforce-Gebäude. Aber das lernte ich schon vor vielen Jahren in meinem Erdbebentraining bei den Feuerwehrleuten. Wolkenkratzer haben nur ab einem bestimmten Stockwerk Sicherheitsglas. Deshalb rieten die Ersthelfer dazu, im Falle eines Erdbebens an den Eingängen der Wolkenkratzer Schutz zu suchen, um nicht von umherfliegenden Trümmern getroffen zu werden, denn Wolkenkratzer werden angeblich besonders erdbebensicher gebaut. Ob man darauf vertrauen kann, wage ich allerdings mittlerweile zu bezweifeln.
Angelika Der viele Regen bringt natürlich so einiges Positives mit sich. Die natürlichen Wasserspeicher in Kalifornien sind seit langem wieder einmal voll. Wir hoffen deswegen auf eine weniger destruktive Waldbrandsaison, weil der Boden und die Landschaft ordentlich durchfeuchtet wurden. Und die Natur zieht zur Zeit alle Register.
Nicht nur sind die kalifornischen Hügel endlich einmal wieder saftig grün und nicht mehr grau-beige, sondern auch die Wildblumen sprießen aus der Erde und scheinen wettzueifern, wer das schönste Orange, Gelb oder Lila hervorzaubern kann. Ganze Landstriche sind übersät mit diesen Blumen, die die Hügel gelb und orange einfärben. Das Phänomen dieser üppigen Blüte nach einer stärkeren Regenzeit nennt man hier "Superbloom" (also: Superblüte), ein visuelles Schauspiel, das kaum durch Fotos einzufangen ist.
In meinen Osterferien sind wir nach Los Angeles runter gebraust. Schon entlang der Autobahn erfreuten wir uns an den grünen Hügeln und der Blumenpracht. Dann machten wir aber noch einen Ausflug von Los Angeles aus ins Landesinnere in die Nähe der Stadt Lancaster, und fuhren den "Antelope Valley California Poppy Reserve Park" an. In den Park kamen wir zwar nicht rein, weil schon eine lange Autokarawane vor dem Park Schlange stand. Aber die angrenzenden Felder, Wiesen und Hügel um den Park herum boten ein ähnliches Schauspiel. Wie der Name des Parks schon verrät, gibt es dort den kalifornischen Goldmohn ("California Poppy") in Hülle und Fülle.
Diese knallorange Mohnblume, unter Botanikern "Eschscholzia Californica" genannt, ist seit 1903 die Staatsblume Kaliforniens. Recht passend, wie ich finde, denn der kalifornische Mohn schimmert nicht nur orange-golden in Anlehnung an das Gold, was vor langer Zeit in Kalifornien gefunden wurde, sondern die Pflanze ist auch ein rechter Überlebenskünstler. Die Samen überleben auch bei Dürre lange im Boden und warten geduldig auf ihren großen Auftritt. Gibt es dann Regen, blühen sie schnell und die beindruckenden Blumenmeere entstehen. Die Pflanze ist übrigens giftig. Essen sollte man die Blüten also besser nicht in rauen Mengen. Auf jeden Fall konnte ich mich gar nicht sattsehen an diesem Farbenspiel. Übrigens sollte man sich nicht wie eine Naturbanause benehmen und sich mitten in das Blumenmeer zum Fotografieren setzen oder auf den Pflanzen herumtrampeln, sondern vom Weg aus seine Erinnerungsfotos schießen.
Nach dem Erleben dieses Naturphänomens hatten wir Hunger, und ich fand ein Restaurant in der Nähe mit guten Bewertungen. Wir fuhren etwa 15 Minuten auf schnurgeraden Straßen durch eine verlassene Gegend, die uns mehr an Vororte von Las Vegas als an Kalifornien erinnerte, und erreichten den kleinen Ort "Antelope Acres". Und siehe da, in dem 2800-Einwohner-Ort gibt es das Restaurant "Iron Cactus". Zunächst mussten wir allerdings den Eingang hinter nicht gerade einladend wirkenden getönten Scheiben finden. Aber drinnen war dann alles urgemütlich mit den typisch amerikanisch gepolsterten "Booths", also Tischnischen oder Séparées. Wir aßen leckere saftige Burger mit den besten frittierten Zwiebelringen, die ich jemals gegessen habe.
Michael Heutzutage reicht ja eigentlich die Handykamera für ordentliche Fotos und Videoaufnahmen, aber ein Perfektionist wie ich schaut immer mit der Lupe drauf und braucht deshalb Profiqualität. Wie's der Teufel will, bekam Angelika zum Geburtstag eine dieser ultramodernen "Systemkameras" geschenkt, wie man die spiegellosen Spiegelreflexkameras auf Deutsch nennt, der Amerikaner sagt weniger prätentiös "Mirrorless Camera" dazu. Diese Sony a7iii macht zusammen mit einem guten (aber teuren!) Objektiv atemraubende Fotos und Videos, und ich darf sie auch hin und wieder nutzen, um meine Youtube-Videos zu drehen.
Leider haben die Sony-Ingenieure, die diese Kamera entworfen haben, etwas zu kurz gedacht, und schlichtweg vergessen, dass manche Leute das Teil im Selfie-Modus betreiben, also die Kamera auf sich selbst richten, und da ist es doch ganz praktisch, wenn man sich während der Aufnahme auf einem Kontroll-Display sehen kann, damit man nicht seinen eigenen Kopf abschneidet und die ganze Szene laut fluchend nochmal neu drehen muss. Das Display an der Rückseite der Sony a7iii lässt sich nun zwar ausklappen und herumschwenken, allerdings nicht so, dass man es von der Vorderseite aus sehen könnte. Klarer Hirnfurz der Sony-Ingenieure.
Egal, zum Glück hat sich nun ein cleverer Tüftler einen Aufsatz für den Blitzschuh ausgedacht, ein prismaförmiges Plastikgehäuse, das einen durch das vorderseitige Guckloch sichtbaren Spiegel im 45-Grad-Winkel enthält, durch den man von der Kameravorderseite das hinten ausgeklappte Kontroll-Display mit der laufenden Aufnahme sehen kann! Brilliant!
Bei Ebay gab's das Teil für überschaubare $12.95 portofrei, und ich kann nun während der Aufnahme perfekt sehen, ob mein Kopf richtig im Bildausschnitt liegt, ganz ohne Kameramann. Was für eine Arbeitserleichterung! Topp-Produkt!
Angelika Nachdem wir schlappe zwei Jahre und neun Monate durchgehalten und uns nicht mit Corona infiziert hatten, erwischte es uns beide im Dezember 2022 dann doch noch, trotz zweier Auffrischimpfungen. Eigentlich dachte ja jeder, Corona ist fast vorbei. Wir waren dann auch davon überzeugt, dass wir es nicht mehr bekommen würden oder es schon hatten, ohne es bemerkt zu haben. Dann kam die Weihnachtsfeier mit meinen Arbeitskollegen. Sie fand in einem Restaurant statt, und zwei Tage später klagte Michael über Halsschmerzen.
Zunächst bestand die Hoffnung, dass es sich nur um eine normale Erkältung handelte, denn sein Corona-Test war noch negativ, aber am nächsten Tag kamen schon das Fieber und der Husten. Die zwei Striche auf dem Teststreifen waren nicht mehr wegzureden. Mir ging es noch bombig, und ich versorgte den Kranken. Montagmorgen vor der Arbeit musste ich auch einen Test machen, um sicher zu gehen, dass ich nicht auch positiv war, denn ich arbeite ja an einer Schule. Wie gesagt, ich fühlte mich noch pudelwohl und machte mir in Ruhe meinen Kaffee am Morgen und packte dann mein Mittagessen für die Schule. Dann schielte ich auf meinen Test und musste mir doch etwas die Auge reiben, denn zwei rosa Striche funkelten mir schon nach etwa drei Minuten entgegen.
Also war auch ich positiv und packte mein Mittagessen wieder in den Kühlschrank, denn in die Schule durfte ich nicht mehr. Im Laufe des Tages verschlechterte sich dann mein Zustand zusehends und das Fieber kam. Ich muss sagen, dass ich ja schon öfter in meinem Leben krank war, aber Corona fühlte sich dann doch anders an. Ich hatte zum Beispiel noch nie solche Halsschmerzen. Die kamen bei mir aber erst am dritten Tag. Ich war so von der Rolle, dass ich Michael anbettelte, mich in die Notfallaufnahme zu fahren, und wer weiß, wie es dort in den USA zugeht, versteht, dass ich nicht mehr bei Sinnen war. Michael lehnte dies natürlich Gott sei Dank ab. Interessanterweise hatte ich überhaupt keinen Husten, während Michael sich von einer Hustenattacke zur nächsten durchkämpfte. Fünf Tage waren wir beide richtig krank und nach zwei Wochen war alles komplett überstanden. Nach ungefähr sieben Tagen war der Covidtest auch endlich wieder negativ und Weihnachten war gerettet.
Angelika Die letzten Male, die wir nach San Francisco aus Deutschland eingeflogen sind, fiel uns auf, dass wir keine Zollerklärung mehr im Flugzeug ausfüllen mussten. Da wir immer allerhand Geraffel mit im Gepäck haben, wenn wir aus Deutschland kommen, und diese Sachen auf dem Formular aufzulisten sind, waren wir zunächst etwas verwirrt. Informationen gab es darüber natürlich keine im Flugzeug. Amerikafüchse unter euch wissen sicher, dass jeder, also Touristen, Greencardbesitzer, und auch amerikanische Staatsbürger bei Einreise in die USA das sogenannte Formular mit dem schönen bürokratischen Namen "CBP Declaration Form 6059B" ausfüllen musste.
Auf diesem mussten nicht nur Waren, die man ins Land brachte, aufgeführt werden, sondern der Reisende hatte auch eine Reihe von Fragen zu beantworten, wie zum Beispiel, ob man Lebensmittel im Gepäck hat oder auf einer Farm war. Die Frage nach Früchten, Gemüse und Fleischwaren im Gepäck war ebenfalls zu verneinen. In der Regel nahm einem dann der Einwanderungsbeamte zunächst das Formular ab, haute, nachdem er sich das Formular angeschaut und vielleicht die ein oder andere Frage dazu gestellt hatte, einen Stempel auf dasselbige, und drückte es einem wieder zurück in die Hand. Eine beliebte Frage für Einreisende, die aus Deutschland kamen, war immer: "Haben Sie Wurstwaren dabei?" Dann holte man sein Gepäck und reichte auf dem Weg zum Ausgang einem weiteren Beamten das abgestempelte Formular wieder in die Hand.
Die letzten Male aber war alles anders. Der Beamte, dem wir unseren Pass zeigten, fragte nur, ob wir etwas mitgebracht hätten aus Deutschland. Ich erwähnte dann einige Sachen und der Beamte war zufrieden mit meiner Antwort. Ich recherchierte dann ein wenig und fand heraus, dass die meisten Flughäfen in den USA sich wegbewegen von den Papierdokumenten. Im Stil der EU will man sich mehr auf stichprobenartige Zollkontrollen verlassen, z.B. durch Spürhunde an den Gepäcklaufbändern, die unerlaubte Waren erschnüffeln, woraufhin Beamte die Betroffenen herausziehen und das Gepäck gründlich inspizieren. Mir soll es recht sein. Denn bei uns muss stets ich die Formulare ausfüllen, und ich kann mir wirklich etwas Besseres vorstellen, als nach zig Stunden in einem engen Flugzeug nach einem Kuli zu kramen, um Papierkram zu erledigen. Allerdings scheint es immer noch Fluggesellschaften zu geben, die das Formular im Flugzeug verteilen. Wie gesagt, die Informationen sind dazu dürftig und beruhen nur auf Erfahrungswerten.
Auch gibt es in San Francisco bei der Einwanderungsabfertigung am Flughafen die sogenannten Kioske nicht mehr, die mich stets zum Wahnsinn getrieben haben bei der Einreise. Hinter dem Wort Kiosk verbarg sich ein Terminal mit Monitor, an dem man elektronisch über den Monitor die Fragen der Zollerklärung beantwortete und seine Greencard und den Pass scannte. Dies sollte angeblich die Abfertigung bei der Einreise beschleunigen, aber die Maschinen waren ziemliches Klump und scannten oft nicht gescheit oder nahmen die Dokumente aus unerklärlichen Gründen nicht an. Daraufhin wurde der Beamte, den man nach den Kiosken aufsuchte, oft recht ungehalten, weil er dadurch Mehrarbeit hatte. Ganz zu schweigen davon, dass ich dann ein paar mal in der Schlange stehend doch wieder ein Papierzollformular auszufüllen hatte, weil die Kioske nicht funktionierten.
Neuerdings verlässt man sich auf allen internationalen amerikanischen Flughäfen auf Gesichtserkennung. Bei der Einreise, wenn der Pass zu zeigen ist, macht der zuständige Beamte ein Foto vom Gesicht, das dann mit den biometrischen Daten im Pass abgeglichen wird. Ein Foto wird vom jedem geschossen, der über 14 Jahre alt ist, also auch von amerikanischen Staatsbürgern. Hat man einen amerikanischen Pass, wird das Foto angeblich innerhalb von 12 Stunden aus der Datenbank wieder entfernt, während bei Einreisenden ohne amerikanischen Pass das Foto in die biometrische Datenbank der amerikanischen Behörde "Homeland Security" geht. Angeblich können amerikanische Staatsbürger das Foto ablehnen. Allerdings bleibt im Dunkeln, was dann passiert.
Und noch etwas verschwindet langsam durch die Digitalisierung: Der Stempel im Pass, den ausländische Einreisende bei der Einreise in die USA erhielten, braucht es in den meisten Fällen nicht mehr. Dieser gab an, wo man amerikanischen Boden betrat, in welcher Klasse der Reisende Einlass erhielt (zum Beispiel als Tourist) und wie lange der Aufenthalt im Land gewährt wurde. Unsere alten Pässe haben viele Seiten mit diesen Stempeln. Das Klackern der Stempel war das vertraute Geräusch, wenn wir in der Schlange bei den Einwanderungsschaltern am Flughafen standen. Schade eigentlich, denn auch andere Länder eliminieren die Einreisestempel. Ich habe noch einen uralten Reisepass mit DDR-Einreisestempeln. Ein wahrlich historisches Dokument.
Michael Ihr wisst ja bestimmt, dass die Rechtslage in den verschiedenen Bundesstaaten der USA zum Teil sehr unterschiedliche Formen annimmt. Unser Bundesstaat Kalifornien ist zum Beispiel sehr schnell dabei, Gesetze zu erlassen, die (angeblich) dem Schutz der Allgemeinheit dienen, weswegen konservative Stimmen ihm das Etikett "Nanny State" (Ammenstaat) geben.
Ein Beispiel aus letzter Zeit: Als alter Sparfuchs kaufe ich Milchprodukte fast immer im Aldi-ähnlichen Supermarkt "Trader Joes", und Butter, die in Amerika extrem teuer ist (Pfund etwa $10), kostete dort immer nur $3.50 pro halbes Pfund. Die Marke "Kerrygold" aus Irland kam als Import an und schmeckte hervorragend, und wurde auch ungesalzen verkauft, während sonst amerikanische Supermärkte hauptsächlich gesalzene Butter anbieten.
Nun war von einem Tag auf den anderen die Kerrygold-Butter aus dem Kühlregal verschwunden. Gut, dergleichen kommt hin und wieder wegen Lieferengpässen vor, kürzlich gab's mal keine Eier, oder Toilettenpapier während der Pandemie-Krise, und so kaufte ich halt zähneknirschend das etwas teurere amerikanische Produkt. Aber als auch nach Wochen die Kerrygold-Butter nicht nur im Trader Joes, sondern auch beim Ökosupermarkt Rainbow, Whole Foods und selbst dem Megamarkt Costco fehlte, beschloss ich, der Sache auf den Grund zu gehen.
Wie sich herausstellte, war in Kalifornien am 1.1.2023 ein neues Gesetz ("Assembly Bill 1200") in Kraft getreten, das die chemische Verbindung PFAS ("Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen") im Einwickelpapier essbarer Waren verbot. Die Kerrygold-Iren hatten das Teufelszeug in ihre silbernen und goldenen Verpackungen gemischt gehabt, und wegen des neuen Gesetzes kurzerhand die Lieferung ihrer Butter gestoppt. Laut Nachrichten soll die Butter im neuen Papiermantel aber bald wieder zum Verkauf ausliegen.
Ähnliches gilt für altmodische Glühlampen: Wie ihr in Abbildung 29 seht, liefert Amazon diese zwar gerne nach weniger restriktiven Bundesstaaten wie Kentucky aus, aber eben nicht nach Kalifornien.
Ein weiteres Aha-Erlebnis ist der Verkauf von Feuerzeugbenzin, sogenanntem Butan. Vor vier Jahren kam der übereifrige Politiker Grayson auf die Idee, ein Gesetz zu entwerfen, nach dem der Verkauf dieses Brennstoffs in Kalfornien zu regulieren sei -- angeblich nutzten viele Haschölproduzenten ihn zur illegalen Fabrikation ihrer Hippieprodukte. Das Gesetz wurde prompt mit einigen Änderungen (Grayson wollte auch noch eine Datenbank mit allen verkauften Butan-Fläschchen anlegen, das wurde aber abgelehnt) vom kalifornischen Senat angenommen und Gouverneur Newsom setzte seinen Fidibus darunter. Zwar schließt der Gesetzestext Nachfülldosen für Feuerzeuge und meinem Crème-brûlée-Brenner explizit von den Restriktionen aus, aber Amazon weigert sich (Abbildung 30) beharrlich, Nachfülldosen an unsere Adresse in San Francisco zu liefern. Auch muss man extrem lange suchen, bis man mal ein Flascherl im Supermarkt findet.
Als Mitte Februar in einem relativ ruhigen Wohnbezirk San Franciscos, dem sogenannten "Sunset" mit hauptsächlich asiatischer Bevölkerung, aus heiterem Himmel eine Wohnung explodierte, stellte sich heraus, dass der Mieter dort ein Drogenlabor betrieben hatte. Zum Vorschein kamen dicke Fässer mit Chemikalien sowie großtechnische Riesengasflaschen mit Butan. Verantwortliche der Nanny-State-Verordnungen namen verblüfft zur Kenntnis, dass kriminelle Drogenfabrikanten keine Fläschchen mit Feuerzeugbenzin ordern, sondern sich die Rohstoffe auf effizienteren Wegen besorgen. Man lernt nie aus!
Grüße aus der Zentrale des Irrenhauses:
Angelika und Michael
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