(Angelika) Vorletztes Wochenende war hier einmal wieder ein Feiertag, der sogenannte "Labor Day" ("Tag der Arbeit"), an dem auch Michael frei hatte. Und so haben wir uns gleich ein Auto gemietet, um das verlängerte Wochenende zu nutzen. Wir sind an die "Lost Coast" ("Verlorene Küste") gefahren. Wie der Name schon verrät, ist dies nicht gerade der Küstenabschnitt, an dem sich die Menschenmassen tummeln und genau deshalb sind wir dort hingefahren. Die "Lost Coast" liegt hoch im Norden Kaliforniens. Genau dort nämlich, wo man anno dazumal den Highway 1 (Küstentraumstraße) nicht weiterbauen konnte, weil dieses Gelände zu unwegsam war und die Wetterbedingungen zu rauh. Zum Glück gab es später dann, als technisch dem Bau der Straße nichts mehr im Wege gestanden hätte, schon die Naturschützer, die dies zu verhindern wussten. Der einzige größere Ort an diesem Küstenabschnitt mit dem Namen "Shelter Cove" ist nur über eine 25 Meilen lange äußerst kurvige (es geht nämlich über die Berge) Straße mit ziemlich vielen Schlaglöchern zu erreichen, für die man ungefähr eine gute Stunde braucht (Turbofahrer und Bergschrat Michael schaffte es natürlich etwas schneller). Angekommen in Shelter Cove fühlt man sich gleich wie in einer ganz anderen, sehr unamerikanischen Welt: Kein McDonalds, keine Bank, keine Tankstelle, die Einwohner mit ihrer sonnengegerbten Haut sehen allesamt aus wie Seebären und man hat den Eindruck, jeder trifft sich abends in der einzigen Kneipe des Ortes, wo sich keiner darum schert, dass seit Anfang des Jahres in Kalifornien das Rauchen auch in Kneipen verboten ist. Wie gesagt, wir befinden uns am Ende der Welt, da gelten ganz eigene Gesetze (Günter, für dich alten Raucher wäre das das Paradies gewesen). Vor der Kneipe nehmen die Fischer die frischgefangenen Fische aus und über ihnen kreisen die Möwen und machen einen ohrenbetäubenden Lärm. Um einen herum tobt der Ozean, so weit das Auge reicht, Klippen und Strand mit schwarzem Sand, was ziemlich einzigartig für Kalifornien ist und dazu geführt hat, dass ich mich das ganze Wochenende mit der Frage gequält habe, wieso der Sand plötzlich schwarz wird, eine dieser Fragen, die man sowohl wissenschaftlich als auch philosophisch angehen kann. Nun, ich habe diese Frage nicht befriedigend beantworten können, aber ihr seht schon, die Landschaft lud zum stundenlangen auf-das Meer-schauen und seinen-Gedanken-nachhängen ein.
Es wäre also alles ganz wunderbar gewesen, hätten uns nicht gleich die Tücken der Zivilisation am Ankunftstag eingeholt. Unser Mietauto hatte nämlich einen platten Reifen, es steckte ein Nagel in ihm und es zischte ganz fürchterlich und in "nullkommanix" war der Reifen platt. Nun ist natürlich klar, dass einem ein solches Missgeschick nur passiert, wenn man sich am Ende der Welt ohne Tankstelle und Autowerkstatt befindet, ein hochheiliger Feiertag in Amerika ist, an dem selbst in Amerika vieles geschlossen ist und die Autoversicherung Schäden an Reifen nicht bezahlt. Zum Glück hatte aber Ed's Gas Station (es lebe die amerikanische Dienstleistungsgesellschaft) ein Einsehen mit uns. Nachdem wir den Ersatzreifen aufgezogen hatten, ein Not-Rad, das viel kleiner als der eigentliche Reifen war, und wieder die 25 Meilen über den Hügel zum nächstgrößeren Ort gefahren waren (diesmal langsam und gesittet), flickte Ed höchstpersönlich den Reifen. Ed hätte auch als Ganove in einem John Wayne Western mitspielen können, die Zigarette (man erinnere sich, wir befinden uns an einer Tankstelle, an der Rauchen wegen der Explosionsgefahr eigentlich strengstens verboten ist!) lässig im Mundwinkel reparierte er in Windeseile den Reifen und nahm für den ganzen Spaß nur 12 Dollar (sicher schwarz) und rettete damit unser Wochenende.
Nächstes Wochenende gehen wir dann schon wieder auf die Reise. Michael konnte von seinem 14-tägigen Jahresurlaub endlich eine Woche (ihr erinnert euch, er hatte Urlaubsstop wegen eines Projektes) nehmen und wir machen uns auf den Weg nach Hawaii. Dieses Mal fahren wir auf die Insel "Molokai", die am wenigsten touristisch und am ursprünglichsten sein soll. Wir werden dann im nächsten Rundbrief berichten, wie es war.