Angelika/Mike Schilli |
Tahiti
Steuern und Sozialversicherungen in den USA
Religionsfreiheit
Möbel
Neuer Fernseh
Fitness-Studio
Rätsellösung
Fotostunde
Bürgermeisterwahl in San Francisco
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Dann ging's um Fünf mit einem Boot auf die Nachbarinsel Moorea, wo unser Bungalow wartete. Wir mussten uns etwas länger als die anderen gedulden, bis wir einziehen konnten, aber wir kriegten den ganz draußen im Ozean, juchu (siehe Pfeil)! Die meiste Zeit lungerten wir nur auf der kleinen Terasse herum, wo man schön zum Lesen im Schatten sitzen konnte und immer ein leichter warmer Wind wehte (Abbildung 4).
Englisch wird zwar überall gesprochen, wo Touristen sich im allgemeinen aufhalten, aber sobald man sich abseits der ausgetretenen Pfade begibt, tönt einem schon mal ein "Je ne parle pas Anglais!" entgegen. Wir haben ja beide für mindestens fünf Jahre in der Schule Französisch gelernt, stellten aber mit Entsetzen fest, dass wir keinen vollständigen Satz mehr rausbrachten. Ich selbst hatte ja in Französisch in der Schule bekanntlich immer einen Vierer mit Tendenz zum Fünfer, insofern machte ich mir von Anfang an keine großen Hoffnungen. Aber es ging auch so ganz gut, mit "Bonjour", "Merci", "Je voudrais ..." und "L'addition s'il vous plait" schlugen wir uns durch. Auch die ganze Lebensart ist ganz unamerikanisch, im Supermarkt muss man seine Einkäufe wieder selbst einpacken, die Geschäfte machen eineinhalb Stunden Mittagspause und, ob man etwas kauft oder nicht, ist den Damen und Herren dort unten, die sich meistens nur mit Tüchern umwickeln und in Badelatschen herumschlappen, völlig schnurz.
Eines Tages unterhielten wir uns vor dem Hotel auf Deutsch, da sprach uns ein Fremdenführer an, der so ungefähr in unserem Alter war, also so um die 24, hehe. Er stammte, wie sich herausstellte, aus Oldenburg! Wir fragten, ob's denn hier für die Einheimischen nicht sehr teuer wäre, schließlich kosten sechs kleine Flaschen Bier dort fast 10 Dollar (in Amerika übrigens auch). Er meinte, die Sachen im Supermarkt seien zwar teuer, aber sonst biete die Natur ja alles, man kann jederzeit mit einer Harpune fischen gehen, eine halbe Stunde, schon hat man ein kostenloses Abendessen. Die Kokosnüsse, die von den Palmen fallen, kann man aufklauben und essen. Und ein Haus besteht dort nur aus einem Wellblechdach, das gibt's entsprechend billig. Und der Strand ist für alle da (Abbildung 5), ganz mit schneeweißem Sand. Wir haben Schulklassen gesehen, die Schwimmunterricht im Ozean hatten -- da würde sogar ich gerne wieder zur Schule gehen!
Eines Tages mieteten wir uns ein Auto, um die Insel zu erkunden. Das war etwas teuer (180 Dollar für zwei Tage, in Amerika zahlt man vielleicht 100), aber als ich das Auto sah, bekam ich beinahe einen Lachkrampf: Ein Daewoo, ein koreanisches Auto, mit vielleicht 40 PS (Abbildung 6), bei dem wir jedesmal, wenn ich die Kupplung drückte, Angst haben mussten, es würde auseinander brechen.
Auf Moorea (der Name bedeutet übrigens "gelbe Eidechse" in der Eingeborenensprache und spielt auf eine alte Sage an) gibt's eine besondere Ananas-Art, die nur auf dem fruchtbaren Vulkanboden wächst, kleiner als die hawaiianische Ananas, ist sie ganz süß und wir kamen sogar mal an einer Plantage vorbei, auf der aber weit und breit niemand arbeitete. Man erklärte uns, die Tahiti-Ananas wäre nicht für den Export bestimmt, nur für den lokalen Gebrauch (Abbildung 7).
Das hätte ewig so weitergehen können, aber nach einer Woche mussten wir wieder zurück in die USA, die Arbeit wartete. Das ging gar nicht so einfach, denn im Gegensatz zu Angelika bin ich ja seit drei Jahren nicht ausgereist, aber unser Visum hatte sich ja zwischenzeitlich geändert, weil ich ja von Blaxxun zu AOL gewechselt bin. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, hätte nicht die Einwanderungsbehörde die fragwürdige Vorschrift, dass ein Visumstempel nur außerhalb des Landes in den Pass wandern darf, auch wenn der sonstige Papierkram längst erledigt ist. Ohne Visumstempel darf man dann zwar ausreisen, aber nicht mehr ein. Nachdem es in Tahiti keine amerikanische Botschaft gibt (die nächste ist in Fiji), nahm Angelika bei ihrem letzten Deutschlandbesuch im Winter dieses Jahres kurzerhand meinen Pass mit nach Deutschland mit, und die Botschaft in Frankfurt erneuerte -- oh Wunder -- den Stempel, obwohl der Passbesitzer gar nicht körperlich anwesend war: Sternstunden der Visumstechnik. Das war für den Einreisebeamten in Oakland aber dann zuviel: Jemand, der, aus Tahiti kommend, zwar ein in Deutschland erneuertes Visum aber keinen sonstigen US-Einreisestempel im Pass hatte -- verwirrt fragte er nach, und wir hoben an, mit einer riesigen Schlange zurückkehrender Urlauber im Rücken, die Geschichte der Visumserneuerung zu erzählen. Schließlich knallte der Beamte kopfschüttelnd seinen Stempel in den Pass und wir machten, dass wir weiterkamen -- uff! Einreisen in die USA -- immer wieder ein Abenteuer.
(Michael) Zurück im rauhen Alltag! Was ich schon immer mal loswerden wollte: Auch in Amerika zahlt man Steuern, und das nicht zu knapp! In Deutschland schielt jeder nach USA und jammert: Oh mei, oh mei, wie viel Steuern muss ich zahlen! Und wie kompliziert ist der Jahressteuerausgleich! Do driam is ois fui bessa und dausndmoi oafocha! Aber ich sage euch: Wer einmal ein 1040-Formular der amerikanischen Steuerbehörde IRS (Internal Revenue Service) ausgefüllt hat, wird nie wieder über die deutsche Steuer jammern. Zwar gibt sich die Behörde zeitgemäß und stellt die Formulare auf dem Internet bereit, von wo man sie runterladen und daheim ausdrucken kann, aber sieht man sich diese näher an, kommt man zu dem Schluss, dass das IRS extra Verrückte beschäftigt, die sich diese Monster ausdenken.
Unsere Steuersituation hier ist -- wegen dem Extra-Bakschisch aus dem Verkauf meiner Bücher in Deutschland -- mittlerweile so kompliziert, dass ich den Jahressteuerausgleich gar nicht mehr selber machen kann -- die Steuerberater in den USA sind auch zu doof, und nur Steuerfuchs Angelika blickt noch durch. Dazu müssen wir jedes Jahr ein Programm namens "TurboTax Home and Business" kaufen, das 80 Dollar kostet, alle Sonderregelungen kennt und das ebenfalls nur Angelika bedienen kann.
Dabei teilt sich die Steuer -- vereinfacht gesprochen -- in zwei Komponenten auf: Die "Federal Tax", die eigentliche Einkommensteuer und die "State Tax", in unserem Fall, da wir ja im sonnigen Kalifornien wohnen, "California Tax" genannt. Wie wenn man in Bayern noch extra Steuern zahlen müsste! Sie ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Verkaufssteuer, die auch je nach Bundesstaat erhoben wird, aber erst im Laden einkassiert wird und bei Touristen immer wieder für Überraschungen sorgt, weil man an der Kasse mehr zahlt als auf dem Etikett angegeben. Nein, ich rede nur vom Jahressteuerausgleich. Jeder Bundesstaat hat übrigens seinen eigenen Bundesstaats-Steuersatz und es gibt auch Bundesstaaten (z.B. Texas), die gar keine bundesstaatsspezifische Einkommensteuer erheben. Die "Federal Tax" ist jedoch überall gleich hoch.
Mit einem aufwendigen Rechenprogramm und Computertechnik aus dem Weltraumzeitalter habe ich in Abbildung 9 mal illustiert, wie hoch der Gesamtsteuersatz in Kalifornien abhängig vom Jahresbruttoeinkommen ist. Die unterteilten Säulen zeigen, wieviel vom Steuersatz Bundes- und wieviel Bundesstaatssteuer ist. Beispiel: Verdient jemand, sagen wir, 75.000 Dollar im Jahr, beträgt der Steuersatz noch erträgliche 25% (wenn man verheiratet ist), aber Spitzenverdiener, die eine halbe Million und mehr ranschaffen, sind mit 45% dabei.
Was den Gehaltsabrechnungszettel hingegen freundlich erscheinen lässt, ist, dass es fast keine weiteren Abzüge gibt: Zahnarzt- und Krankenversicherung, die in Amerika teilweise getrennt laufen, zahlt bei einem guten Job fast vollständig der Arbeitgeber. Meist sind das sogenannte "Managed Care" Versicherungspläne, bei denen die Versicherung Verträge mit bestimmten Ärzten und Krankenhäusern hat, die sich verpflichten, für bestimmte Leistungen nur bestimmte Honorare zu kassieren. Dabei gibt es bei AOL und dem Versicherer United Healthcare drei Varianten: Bei der ersten zahlt man zum Beispiel selber keine Krankenkassenprämie, darf aber nur zu Vertragsärzten gehen -- in San Francisco kein Problem, da es Hunderte von Ärzten im "Network" gibt, ist man aber mal irgendwo in der Pampa und muss zum Arzt, ist es unwahrscheinlich, dass der nächste gerade mit der Versicherung zusammenarbeitet, bei der man versichert ist und man muss im Notfall alles aus eigener Tasche zahlen. Zahlt man hingegen im Monat 80 Dollar (für zwei Personen) dazu, sind bei uns auch Fälle abgedeckt, in denen wir notfalls zu einem Nicht-Vertragsarzt gehen müssen, allerdings mit einer Selbstbeteiligung. Unser Plan heißt "Point-of-Service", da wir immer zunächst den Hausarzt, unseren "Primary Care Physician" kontaktieren müssen, der dann, falls notwendig, die Genehmigung erteilt, dass wir zum Spezialisten gehen können. Es gibt noch einen dritten Plan (Preferred-Provider-Network, PPO), der etwa das Doppelte kostet und der es dem Patienten gestattet, ohne Konsultation beim Hausarzt sofort zu jedem Arzt auf einer "bevorzugten Liste" des Versicherers zu gehen. Bei jedem der Pläne müssen für jeden Arztbesuch beim Hausarzt 10 Dollar entrichtet werden, 20 Dollar für den Spezialisten und 50 Dollar für die Notfallambulanz im Krankenhaus.
Alles in allem ist die finanzielle Abwicklung für den Patienten teilweise sehr nervenaufreibend, die meisten Ärzte versuchen doch irgendwie mehr als die festgelegten Sätze zu verlangen, worauf die Krankenversicherung einfach den festgelegten Satz zahlt, worauf die Geldeintreiber der Arztpraxen (Billing Services) wiederum Mahnungen an die Patienten ausschicken, und sie teilweise mit rüden Worten darauf aufmerksam machen, dass es letztlich in der Verantwortung des Patienten liegt, die Rechnung voll zu bezahlen, worauf der Patient zwischen Versicherung und Arztpraxis vermitteln muss usw. usf. -- zum Haareraufen! Wir hatten mal einen Fall, in dem so ein Streit über 80 Dollar sich über ein Jahr hinzog. Schließlich stellte sich heraus, dass der Geldeintreiber der Arztpraxis den Fall bei der falschen Versicherung eingereicht hatte, aber bis der Fall geregelt war, musste ich sicher fünf mal anrufen und total bescheuerten Sachbearbeitern erklären, wie sie ihre Arbeit zu erledigen hätten, ich kam mir vor wie im Kindergarten.
Eine Sozialversicherung gibt's noch, die "Social Security Tax", die 6.2% vom Einkommen beträgt, bis zu 65.000 Dollar Jahresgehalt, und als Alters- und Invaliditätsversicherung herhält. Sie sichert allerdings nur eine minimale Rente auf Sozialhilfeniveau, und niemand, der bei klarem Verstand ist, verlässt sich auf sie, jeder legt privat Geld zur Seite, um den Ruhestand finanziell abzusichern. Der Staat bietet mit dem sogenannten 401K-Plan steuerliche Vorteile an, man kann also das Geld relativ steuerfrei zurücklegen. Witzigerweise ruht so fast das ganze amerikanische Ruhestandsgeld in Aktienfonds, bei einem Crash des Aktienmarkts bräche das gesamte amerikanische Rentenversicherungssystem zusammen wie ein Kartenhaus. Aber in den letzten dreißig Jahren oder so ist's mit den Aktien immer nur aufwärts gegangen und so rechnet jeder damit, dass es auch die nächsten dreißig Jahre so weitergeht.
Auch eine staatliche Krankenversicherung gibt's: Man zahlt 1.45% vom Bruttolohn und dann springt die sogenannte "Medicare" ab dem Rentenalter (65, 67 für diejenigen, die nach 1960 geboren sind) ein. Außerdem stellt Medicare für Sozialhilfeempfänger, die chronisch krank sind, die notwendigsten Leistungen bereit. Sonst gibt's keine Pflichtversicherung für den Krankheitsfall, was zur Folge hat, dass ein Drittel der Amerikaner keine Krankenversicherung haben und, falls sie ernsthaft krank werden, wirklich betteln gehen können -- was man auf den Straßen zur Genüge sieht.
(Michael) Ach ja, und Kirchensteuer gibt's keine, da Staat und Religion streng getrennt sind. Wenn ich in der Arbeit erzähle, dass in Deutschland die Kirchensteuer automatisch vom Gehalt abgezogen wird, wenn man nicht explizit aus der Kirche austritt, ernte ich ungläubiges Staunen. Amerika behandelt übrigens auch alle Religionen gleich. Eine meiner Lieblings-Fernsehsendungen sind die Übertragungen eines Fernsehpredigers namens Benny Hinn.
(Michael) Womit wir immer noch Schwierigkeiten haben, ist, passende Möbel für unsere Wohnung zu finden. Es gibt hier in Amerika zwei Stilrichtungen: Einmal den rustikalen mit Vier-Meter-Eichen-Schrankwand und Ledercouch oder Sachen der Marke Billig-Klump. Ich neige ja eher zu letzterem, wohingegen Angelika auch gerne mal schönere Sachen um sich hat. Wir leben ja noch immer von heute auf morgen, weil wir nie wissen, ob wir nicht urplötzlich mal überstürzt abreisen müssen und dann hätten wir den ganzen Krempel teuer zu verschiffen. Halt, eine Stilrichtung habe ich noch vergessen: Den 1000-Dollar-Schrank-aber-die-Türen-gehen-nicht-richtig-zu-Stil, der besonders in neumodischen Yuppie-Geschäften vertrieben wird. So ist es uns bis jetzt nicht gelungen, ein dringend benötigtes Regal zu kaufen -- doch es ist Hoffnung in Sicht: Im Frühjahr 2000 soll in Berkeley ein riesiger IKEA aufmachen! Mann, ich kann's nicht erwarten.
(Michael) Unser Fernseh' hatte nach drei Jahren einige schwere Macken, so beliebte es ihm, nur noch die Programme 7 bis 50 darzustellen. Nachdem in Amerika aber in den oberen Kanälen nur Schrott und Verkaufsshows kommen, während die interessanten Dinge in den unteren Kanälen (so auch unsere Lieblingsshow "Seinfeld") laufen, standen wir vor dem Dilemma, ihn reparieren zu lassen, was hier recht schwierig ist, da gute Handwerker rar sind, oder uns ganz der amerikanischen Wegwerfgesellschaft hinzugeben und einen neuen zu kaufen. Als Angelika in Portland war, nutzte ich die Gunst der Stunde, und fuhr die Elektronik-Supermärkte des Silicon-Valley nach dem günstigsten Angebot ab. Einmal, bei "The Good Guys" nahm der Verkäufer schon meinen Namen und Adresse entgegen, um darauf zu behaupten, der von mir georderte Fernseher wäre nicht vorrätig. Von dem supergünstigen Angebot wären heute nur 3 verfügbar gewesen, und zwar für alle Filialen im ganzen Silicon Valley. Das Modell könne erst in 3 Wochen geliefert werden, aber er würde mir gerne die teueren Modelle vorführen. Denkste Puppe, dachte ich und verließ den Laden.
Und sogar handeln kann man: Wenn man sagt, dass der Konkurrenzladen ein entsprechendes Angebot hat, wird der Laden, in dem man gerade ist, das Produkt immer genauso niedrig anbieten. Als ich dann beim "Circuit City" den Fernseher nach langwierigen Diskussionen endlich so billig bekam, wie er ausgeschrieben war, bot mir der Verkäufer eine verlängerte Garantie an. Hätte ich 100 Dollar mehr gezahlt, wäre die Garantiezeit auf 3 Jahre ausgedehnt worden. Als ich sagte, das wollte ich nicht, machte der Verkäufer ein verdrießliches Gesicht und fragte, ob ich mir das auch gut überlegt hätte, er würde nicht gerne sehen, dass mir die Kiste zusammenbräche, etc. aber ich blieb hart, so weit kommt's noch, dass ich eine Garantie für ein neues Produkt kaufe. Die Lieferung war übrigens kostenlos und der alte Fernseher wurde gleich mitgenommen. Und auch eine Preisgarantie gab's: Wenn es mir gelänge, innerhalb von 30 Tagen den Fernseher bei einem Konkurrenten oder auch im gleichen Laden billiger zu erspähen, zahlte mir "Circuit City" die Differenz plus 10% Bonus. Es gelang mir nicht. Bisher funktioniert alles wunderbar -- die 83cm Bildschirmdiagonale sind der reine Fernsehgenuß!
(Michael) Da ich auch nicht mehr der Jüngste bin und angeblich, wie mir Angelika immer wieder einzureden versucht, Fett ansetze, habe ich mich eines samstags ins Auto gesetzt und kurzerhand beim Fitness-Center angemeldet. 24-Hour-Fitness heißt der Laden, eine Kette, die in vielen Städten der USA vertreten ist und, wie der Name sagt, 24 Stunden am Tag geöffnet ist. Man könnte also auch nachts um Drei Gewichte heben, wenn man das wollte, das war mir wichtig, haha. Ich bin ja fitnessmäßig überhaupt nicht auf dem Laufenden und es ist ja wirklich erstaunlich, wie computerisiert die Gerätschaften heutzutage sind. Im Center stehen Hunderte von Geräten rum, es gibt die guten alten Gymnastikfahrräder auf denen man rumstrampelt, aber die sind natürlich heute alle computergesteuert. Wenn man sich auf ein Gerät draufsetzt, muss man zunächst sein Alter und die gewünschte Herzfrequenz eingeben, dann strampelt man los und der Computer macht das Fahrradfahren gerade so schwer, dass der Puls, der mit raffinierter Technik über die Hände, die Griffe umfassen, gemessen wird, nach einer Aufwärmphase langsam ansteigt, die eingestellte Höchstmarke erreicht und die eingestellte Zeitspanne hält und nicht überschreitet. Auf den Skalen rattern dann, während man strampelt, unzählige Messwerte vorbei: Wieviele Kalorien pro Stunde man jetzt genau verbrennt, wieviele Meilen man schon gefahren ist usw. Weiter gibt's die Stepmaster, wo einem eine Rolltreppe entgegenkommt und man hochlaufen muss, auch alles computergesteuert. Stepper, wo man auf zwei Pedalen steht, und auch wie auf einer Treppe hochläuft, da kann man dem Computer richtige Gebirgstrecken vorgeben, wo steile Passagen sich mit flacheren abwechseln.
In der Aufnahmegebühr waren zwei Stunden mit einem "Personal Trainer" enthalten, das ist der neueste Gag in Amerika. Man geht nicht einfach ins Fitnessstudio, sondern nimmt sich einen Trainer, der sich exklusiv nur um einen selbst kümmert, der ausrechnet, bis zu welcher Herzrate die Gymnastik gesund ist und nach den Wünschen ("Ich hätte gerne einen flacheren Bauch und aufgepumpte Oberarme wie Til Schweiger"), ein Programm zusammenstellt, einen auf Schritt und Tritt begleitet und laufend Tipps abgibt, wie man einen effektiveren "Workout" hinlegt. Wenn man nicht auf der Straße joggen will, kann man im Fitnesscenter in einer Tretmühle laufen, da läuft ein Fließband mit voreingestellter Geschwindigkeit und auch Berg- und Talstrecken lassen sich dort einstellen. Als ich das erste Mal auf dem Band stand, war es mir zunächst zu langsam und ich drückte wie wild auf den "Schneller"-Knopf, freilich nicht wissend, dass das Band nur sehr langsam beschleunigt aber die Tastendrücke speichert. So wurde das Band immer schneller, ich begann schneller und immer schneller zu laufen, bis ich schließlich wie wild auf die "Langsamer"-Taste hämmern musste, damit's mich nicht aus der Tretmühle katapultierte. Während man auf den Maschinen herumwerkelt, lesen übrigens viele Leute Bücher oder hören Walkman, und auch Fernseher stehen überall herum. Die Beleuchtung gewährt den Passanten, die draußen auf der Straße vorbeigehen, ein lustiges Bild, lauter Leute, die in Tretmühlen und ähnlichem Gerät strampeln. Mein persönlicher Trainer heißt übrigens "Juan Carlos", ganz wie der König von Spanien und ist Mexikaner, von oben bis unten tätowiert, fand ich bombenwitzig. Und als er mir in der Gewichtehalle die ganzen Gerätschaften zeigte, begrüßten ihn die ganzen Muskelmänner dort, allesamt finster dreinschauende Bösewichte, denen ich nicht im Dunkeln begegnen möchte. Aber der kleine Michael hatte ga-ha-r kei-ne Angst, denn er hatte ja seinen persönlichen Trainer dabei, lalala! Zurück ins Funkhaus, Angelika, übernehmen Sie!
(Angelika) So, jetzt bin ich aber auch einmal dran. Zunächst will ich den glücklichen Gewinner unseres letzten Quizzes bekanntgeben. Wir gratulieren herzlich Martin Weishaupt, der zielsicher und schnell alle bewohnten Inseln Hawaiis benennnen konnte (Hawaii oder Big Island, Maui, Kauai, Molokai, Oahu, Lanai, Niihau) und sich somit ein echtes Surfer-T-Shirt von der Firma Quiksilver sicherte. Und auch dieses Mal wollen wir wieder eure Weltoffenheit auf die Probe stellen. Unsere Quizfrage lautet nämlich: Wie sagt man auf tahitianisch "danke"? Wer das Rätsel knackt, bekommt ein Geschenk ins Haus, das euch Silvester verschönern wird, denn schließlich ist es ja nicht mehr weit bis zum Jahr 2000 - oh, Schreck. Bis dahin muss ich aber noch zwei Abschlussprojekte für meine Fotokurse fertigstellen (für beide Kurse jeweils 10 Fotos, perfekt vergrößert, retouchiert und mit einem Passepartout versehen), zwei dieser "Meisterwerke" (hm ja) werden nämlich wieder von Januar bis Februar in den Hallen der Universität Berkeley Extension in San Francisco ausgestellt.
(Angelika) Mittlerweile werde ich dort nur noch als "Egglady" ("Eierdame") gehandelt, da sieben meiner Stillleben mit Eiern ausgestellt worden sind (ich hatte davon in dem letzten Rundbrief berichtet). Das Problem ist nur, dass ich meine Eierphase überwunden habe und auf Selbstportraits umgestiegen bin. Mal sehen, was sich daraus für ein Spitzname ergeben wird. Auch in meinem Monitorjob in der Dunkelkammer gehe ich nach wie vor auf. Es macht viel Spass und ist insofern ideal, als ich meine Fotografier- und Lehrleidenschaft verbinden kann. Natürlich gehe ich nach wie vor zweimal die Woche ins Tenderloin zu den Kindern (einige von euch haben danach in ihren Briefen gefragt), schließlich bin ich vor den Sommerferien zum Volunteer Nummer 1 gewählt worden, so etwas verpflichtet.
Ich bin also ziemlich beschäftigt. Ich glaube, 40 Stunden arbeiten könnte ich gar nicht mehr, dann würde ich das Fotografieren nicht mehr unterkriegen und das ist mittlerweile ein ziemlich wichtiger Bestandteil in meinem Leben geworden, ohne den ich nicht mehr sein will. Michael stöhnt schon immer, weil mir mittlerweile eine Kamera nicht mehr genug ist und ich mit einem größerem Format liebäugle, da solche Kameras ein größeres Negativ produzieren. Nur sind die auch dementsprechend teuer, sozusagen der Mercedes unter den Kameras.
(Angelika) San Francisco stand übrigens in den letzten Wochen ganz unter dem Einfluss der Bürgermeisterwahl und dazu gibt es einiges Interessantes anzumerken. Wie ihr vielleicht wisst, war und ist Willie Brown Bürgermeister von San Francisco. Er ist Mitglied der amerikanischen demokratischen Partei, was die liberalere, "linkere" Partei Amerikas ist. Nun muss man wissen, dass in San Francisco alle Kandidaten, die aufgestellt waren, der demokratischen Partei angehören, ein Republikaner (das ist die konservative Partei in Amerika, aber bitte nicht mit unseren Republikanern verwechseln) hätte in dem liberalen Klima der Stadt von vornherein keine Chance. Da viele Leute in San Francisco ziemlich unzufrieden mit Willie Brown waren, da er das Obdachlosenproblem und das Problem des öffentlichen Verkehrssystem mit dem Namen "MUNI" nicht in den Griff bekommen hat und außerdem als korrupt gilt, war die Stadt sehr im Wahlkampffieber.
Man muss nämlich wissen, dass die Bewohner von San Francisco sehr an ihrer Stadt hängen und die meisten sehr engagiert sind, wenn es um stadtspezifische Themen geht. Der Gegenkandidat Willie Browns hätte auch gute Chancen gehabt, wäre er nicht vor Jahren dem Alkohol etwas zu ergeben gewesen und hätte in diesen Gelagen ab und zu seine Hand gegen seine damalige Frau erhoben. Obwohl dieser Kandidat namens Clint Reilly seit 20 Jahren trocken ist und sein Gewaltproblem in den Griff bekam, ist es sehr schwer, mit diesem Ballast in Amerika zu gewinnen. Der Wähler verlangt ein makelloses Privatleben (deshalb auch die Aufregung über Clintons Affäre).
Jedenfalls war es zwei Wochen vor der Wahl ziemlich sicher, dass Willie Brown wohl doch gewinnen würde, als plötzlich der Supervisor (so etwas wie ein städtischer Abgeordneter) Tom Ammiano eine sogenannte "Write-In-Kampagne" (was so viel bedeutet wie "dazu schreiben") startete. Ich konnte damit zunächst wenig anfangen, habe aber durch intensives Nachfragen herausbekommen, was es damit auf sich hat. Da die Wahlzettel zwei Wochen vor der Wahl in der Regel schon gedruckt sind, kann man sich durch das "Write-In" doch noch zum wählbaren Kandidaten machen. Write-In heißt einfach, dass der Wähler die Möglichkeit hat, auf dem Stimmzettel einen Kandidaten, der nicht offiziell aufgeführt ist, handschriftlich dazuzuschreiben und für diesen Kandidaten seine Stimme abzugeben.
So geschah es im Falle Tom Ammianos und siehe da, er schaffte es, Willie Brown ernsthaft gefährlich zu werden, denn dieser hätte die absolute Mehrheit der Stimmen gebraucht, um zu gewinnen. Der gute Tom machte ihm einen Strich durch die Rechnung und so gibt es am 14. Dezember eine Stichwahl zwischen Tom Ammiano und Willie Brown. Tom Ammiano hat auch deshalb gute Chancen, da er aktiv von den Homosexuellen in San Francisco unterstützt wird, die in dieser Stadt ja bekanntlich politisch sehr aktiv sind. Tom Ammiano ist nämlich selber homosexuell. Nun muss man aber fairerweise sagen, dass auch Willie Brown sehr liberale Politik in punkto Homosexualität betreibt. Auch das gibt es nur in San Francisco: Ein Bürgermeister, der nicht aktiv die Homosexuellenbewegung unterstützt, hat null Chancen. Es bleibt also spannend.
Übrigens sind alle amerikanischen Wahlen an ganz normalen Wochentagen (Dienstag ist in der Regel Wahltag) und nicht wie bei uns sonntags. Keiner hat frei, so dass sich oft lange Schlangen vor den Wahllokalen während der Mittagspause bilden. Und da ich gerade dabei bin, möchte ich noch schnell mit einem weitverbreiteten Vorurteil aufräumen. Auch in Amerika dürfen nur amerikanische Staatsbürger wählen. Eine Greencard (unbegrenzte Arbeits-und Aufenthaltsgenehmigung) gibt einem nicht das Recht zu wählen, auch nicht auf kommunaler Ebene.
In letzter Zeit haben auch einige von euch immer wieder angefragt, wie lange wir jetzt eigentlich schon in San Francisco sind und wie lange wir denn noch bleiben wollen. Nun sind es schon drei Jahre, dass wir hier leben. Im Juli 2000 läuft unser AOL-Visum aus. Wir möchten auf jeden Fall eine Verlängerung beantragen, die dann für weitere drei Jahre gelten würde. Drückt uns die Daumen, dass wir noch ein wenig bleiben dürfen, uns gefällt es nämlich immer noch super!
So, nun wünschen wir euch allen eine besinnliche Vorweihnachtszeit. Hier noch einmal die Quizfrage: Wie sagt man auf tahitianisch "danke"? Wie immer gewinnt die erste richtige Einsendung!
Macht es gut und meldet euch zahlreich!
Angelika und Michael
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