![]() |
Angelika/Mike Schilli |
Corona Winter
Arztnotizen jetzt einsehbar
Erst Defund, dann Refund the Police
School Board Recall
Walgreens
Komoot, die Wander- und Radel-App
Topp-Produkt: Pizza-Stahl
|
Angelika Die Hoffnung auf ein Weihnachten ohne Corona in San Francisco hat sich leider nicht erfüllt. Obwohl die Zahl der Neuinfizierten immer noch relativ niedrig ist, steigt sie in San Francisco durch Omikron doch stetig an. Zur Zeit haben wir im Schnitt 11 neue Fälle pro 100.000 Einwohner in der Stadt. Da die Impfbereitschaft in San Francisco und Umgebung sehr hoch ist, lassen sich viele auch den Booster geben. Der ist mittlerweile für alle Personengruppen in den USA ab einem Alter von 16 Jahren freigegeben.
Die zuständige amerikanische Gesundheitsehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) empfiehlt einen Abstand von 6 Monaten für die Impfstoffe Biontech/Pfizer und Moderna zwischen vollständiger, abgeschlossener Erstimpfung mit zwei Dosen, und dem Booster. Michael und ich haben beide unsere Auffrischimpfung bereits erhalten. Wir buchten einfach einen Termin bei der Drogeriekette "Walgreens" und schwupp-di-wupp gab es das dritte Spritzlein in den Arm. Das Ganze ging relativ unproblematisch vonstatten. Wir machten jeweils einen Termin über die Webseite von Walgreens aus. Dazu mussten wir nur unseren Namen, unsere Adresse, und unser Geburtsdatum angeben.
Weiter wurde gefragt, wann wir die erste und zweite Impfung und mit welchen Impfstoff erhalten hatten. Dann konnten wir Termine auswählen. Obwohl die CDC das Mischen von Impfstoffen erlaubt, bot die Webseite von Walgreens aber nur Termine mit dem gleichen Impfstoff an. Das war uns auch recht. Ich ging zum Walgreens bei uns um die Ecke, denn dort gab es Pfizer/Biontech. Michael musste ein wenig weiter zum Walgreens im Castro-Viertel. Vor der Impfung mussten wir noch ein Formular ausfüllen, das Allergien und aktuelle Covidsymptome abfragte, und schließlich eine Unterschrift verlangte.
Unsere Krankenversicherung zahlt übrigens die Impfung vollständig. Hat man keine Krankenversicherung, ist die Impfung trotzdem kostenfrei. Die Boosterimpfung wurde dann in unsere weiße offizielle CCD-Impfkarte eingetragen. Die Karte ist im Papierformat und gleicht sehr einer Karteikarte. Wir hatten nach der Boosterimpfung beide leichte Symptome, wie nach der zweiten Erstimpfungserie. Ich war schlapp und ermattet. Michael hüstelte leicht herum und hatte Kopfschmerzen. Der Spuk war aber nach einem Tag vorbei. In San Francisco haben bis Mitte Dezember 68% der über 65-Jährigen den Booster erhalten, 50% der 50-64-Jährigen, 44% der 35-49-Jährigen und 29% der 16-34-Jährigen (Offizielle Statistik).
Auch bei uns in der Schule geht das Impfen der Kinder fleißig voran. Fast alle sind schon vollständig geimpft. Meine Schüler waren total glücklich, dass sie endlich auch an der Reihe waren. Ich hoffe wirklich für sie, dass es nicht wieder neue Restriktionen gibt wegen Omikron.
Angelika Neulich hatte ich einmal wieder eine Routineuntersuchung bei meiner Frauenärztin und staunte nicht schlecht, als ich hinterher auf dem Patientenportal online ihre Notizen von unserem Gespräch lesen konnte. Ich dachte zunächst, dass sie vielleicht auf den falschen Knopf gedrückt hätte, denn normalerweise hatte ich keinen Zugang zu diesen Anmerkungen, sondern kann über das Portal nur Rezepte, Laborberichte usw. einsehen oder meine Ärztin per E-Mail kontaktieren oder auch Termine ausmachen.
Ich dachte nicht weiter darüber nach und vergaß die ganze Sache wieder, bis ich vor einigen Wochen beim Augenarzt war, der mir dann anschließend einen Link schickte, damit ich mich bei seinem ureigenen Patientenportal anmelden konnte, um seine Notizen über meinen Besuch einzusehen. Hmm, dachte ich mir, das muss ein neues Gesetz sein und fragte nach. Und tatsächlich, der neue, im Jahr 2018 verabschiedete sogenannte "21st Century Cures Act" enthält einen Passus, der es Ärzten untersagt, dass elektronisch aufgenommene Notizen dem Patienten vorenthalten werden.
Da heutzutage fast jeder Arzt seine Gesprächsnotizen gleich in den Computer oder ein Tablet eintippt, müssen diese nun seit April diesen Jahres auch dem Patienten zur Verfügung gestellt werden. Ich finde das lobenswert, denn schließlich geht es ja um einen selber. Ich möchte nicht wissen, wieviele Ärzte jetzt mehr über ihre Ausdrucksweise nachdenken. Es gibt schon Vorschläge auf dem Internet, wie man bestimmte Sachen nicht wertend sondern neutraler formuliert. Ein gängiger Ausdruck unter Medizinern ist laut einschlägigen Foren "Poor Historian" (also: schlechter Historiker), wenn ein Patient Dinge bezüglich seiner Gesundheit nicht mehr weiß. Der Alternativvorschlag ist: "Kann sich nicht erinnern." Wobei "Poor Historian" schon sehr viel lustiger ist.
Michael Als Rundbriefleser wisst ihr, dass San Francisco in letzter Zeit Probleme damit hat, die explosionsartig hochgeschnellte Kriminalitätsrate in den Griff zu bekommen. Niemand, der einigermaßen bei Verstand ist, bezweifelt, dass der astronomische Zuwachs an Auto- und Hauseinbrüchen in San Francisco der Tatsache geschuldet ist, dass Täter wissen, dass sie straffrei ausgehen. Staatsanwalt Boudin, der sich, einer ganz und gar kaputten politischen Ideologie folgend, selbst bei Fällen mit klarer Sachlage weigert, Anklage zu erheben, schiebt die Schuld auf die Polizei, die angeblich nicht genug Diebe verhaftet. Allerdings schiebt die Polizei die Schuld auf Boudin, der verhaftete Verbrecher sofort wieder laufen lässt. Zu allem Überfluss behauptet Boudin auch noch dreist in Pressekonferenzen, die Anzahl der Einbrüche sei rückläufig, was natürlich daran liegt, dass kein Bürger mehr seine Zeit damit verschwendet, auf der Polizeiwache herumzusitzen und einen Einbruch zu Protokoll zu geben. Als aber neulich der Nobelladen Louis Vuitton direkt in der Stadtmitte am hellichten Tag von einem organisierten Mob ausgeplündert wurde und Videos davon um die Welt flickerten, ging Boudin der Arsch auf Grundeis. Er versprach im Fernsehen, die Plünderer anzuklagen, was in neun Fällen dann tatsächlich erfolgte, aber seit vier Wochen ist Totenstille in der Presse darüber, was daraus geworden ist. Es steht zu vermuten, dass alle Verdächtigen bereits wieder auf freiem Fuß sind.
Und niemand, der klar im Kopf ist, wundert sich, warum San Francisco im Jahr 2020 mehr Drogen- als Covid-Tote hatte. Es gab 697 Fälle in San Francisco, die an einer Überdosis starben. 257 Menschen starben an Covid. Woher die hohe Zahl an Drogentoten? Das liegt daran, dass in heruntergekommenen Vierteln wie dem Tenderloin Drogendealer dank unserem untätigen Staatsanwalt straffrei Fentanyl verkaufen, eine Crack-ähnliche Billigdroge mit verheerenden Folgen.
Trotz dieser verheerenden Bilanz folgen Boudins Anhänger ihrem Guru noch immer wie die Schafe, und verdoppeln weiter ihren Einsatz, obwohl das Spiel längst verloren ist. Ich reibe mir regelmäßig verwundert die Augen, wenn ich mir die geradezu sektenartige Starrsinnigkeit dieser Gefolgsleute anschaue, die in Online-Foren, sobald irgendjemand was gegen Boudin sagt, wie die Pilze hochschießen und das Parteiprogramm wie bei einer Gehirnwäsche herunterleiern.
Nun ist aber die überforderte Bürgermeisterin London Breed neulich komplett im Fernsehen ausgerastet, wohl weil in etwas mehr als einem Jahr Wahlen anstehen, um auf die verheerenden Zustände in der Stadt hinzuweisen, und kündigte an, diese nicht länger zu tolerieren. Sie benutzte sogar das eigentlich unerlaubte Wort "Bullshit", um die Vorgänge zu kategorisieren, die (delikaterweise unter ihrer Leitung) zum völligen Zusammenbruch von Recht und Ordnung in der Stadt geführt hätten! Sie erwähnte Boudin dabei zwar nicht namentlich, wies aber darauf hin, dass sich seine politische Gruppierung auf unangenehme Maßnahmen gefasst machen könne.
Zu allem Überfluss erklärte sie auch noch einen "State of Emergency" über das Tenderloinviertel, wohl um staatliche Geldspritzen zum Aufstocken der Polizeipräsenz zu bekommen, obwohl es keine sechs Monate her ist, dass sie der Polizei mit dem damals populären Slogan "Defund the Police" die Mittel gekürzt hat, um sie angeblich schwarzen Minderheiten zukommen zu lassen. Nun will sie mehr Geld vom Staat, um das Rad zurückzudrehen. Die rechte Presse lacht sich scheckig.
Angelika Ich wollte noch ein wenig ergänzen, was Michael über das Tenderloinviertel geschrieben hat, denn schließlich habe ich dort jahrelang im Tenderloin Childcare Center gearbeitet. Das Viertel war schon immer eines mit einer besonders hohen Kriminalitätsrate in San Francisco und berüchtigt für Drogendeals, Prostitution, Stripclubs. Da es sich genau zwischen dem Rathaus und dem Union Square, also dem Innenstadteinkaufsviertel befindet, haben wir Besuchern von jeher davon abgeraten, eine Abkürzung durch das Viertel zu nehmen. Schon als ich dort vor vielen Jahren arbeitete wurden Drogen auf offener Straße gedealt und psychisch Kranke schmissen schon einmal Flaschen hinter einem her. Auch Schießereien waren an der Tagesordnung.
Mit den Kindern konnten wir nur Spielplätze besuchen, die eingezäunt und mit Personal versehen waren, wie das Tenderloin Recreation Center auf der Ellis St., das von der Stadt verwaltet wird. Die anderen offenen Spielplätze waren mit Drogendealern oder Spritzen übersät. Wenn wir mit den Kindern durchs Viertel liefen, gab es aber noch so etwas wie einen Ehrenkodex und die Drogenabhängigen versteckten ihre Spritzen schnell, wenn wir mit den Kindern an ihnen vorbei liefen. Das Viertel hat aber traditionell auch sehr viele Immigranten, die gerade in den USA angekommen sind, und die sich oft mit der ganzen Familie eine kleine Einzimmerwohnung teilen. Auch hat es eine hohe Konzentration von Gebäuden, in denen Alleinstehende sich ein Einzelzimmer mieten können. Viele Senioren ohne Familenanschluß und geringer Rente leben deshalb im Tenderloinviertel. Wir hatten oft ältere freiwillige Helfer in der Einrichtung, in der ich damals arbeitete, denen es Freude machte, die Oma-und Oparolle für die Kinder zu übernehmen. Auch gibt es viele gemeinnützige und soziale Einrichtungen im Tenderloin wie "Glide Memorial", "St. Anthony's".
Die neuere Droge "Fentanyl" scheint dem Viertel aber jetzt den Rest zu geben wie damals in den 80er die Crack-Cocaine-Krise. Fentanyl ist eigentlich ein starkes Schmerzmittel, das oft in der Schmerzbekämpfung in der Krebstherapie eingesetzt wird, aber schnell stark abhängig macht. Wird es überdosiert, tritt der Tod innerhalb weniger Minuten ein, während das Zeitfenster bei Heroin zum Beispiel 1-2 Stunden beträgt bei einer Überdosierung. In San Francisco fuhr man lange die Strategie saubere Spritzen zu verteilen, sowie das Gegenmittel Naloxone, das bei einer Fentanyl-Überdosis hilft. Das hat die Krise allerdings nicht gemildert und die Zahl der Drogentoten im Tenderloin stieg weiter an im Jahr 2021. Mittlerweile reicht es den Leuten, die mit ihren Familien im Tenderloin wohnen. Sie zogen neulich vors Rathaus, um bei unserer Bürgermeisterin London Breed vorzusprechen und ihrem Ärger Luft zu machen. Selbst ehemals Drogenabhängige aus den Tenderloin sagen, dass sie nie von der Droge losgekommen wären, wenn man ihnen nicht irgendwann nur die Wahl gegeben hätte zwischen Entzug oder Gefängnis. Viele im Viertel wären schon zufrieden, wenn wenigstens die Drogendealer zur Rechenschaft gezogen würden.
Angelika Dass es in San Francisco brodelt und die Bürger immer frustrierter werden, merkt man auch an der steigenden Anzahl der eingeleiteten Abberufungsverfahren aus politischen Ämtern. Ich habe ja schon vom Rückrufverfahren gegen Staatsanwalt Chesa Boudin berichtet (Rundbrief 11/2021). Letzte Woche flatterte uns dann eine Broschüre ins Haus, die uns über den nächsten Recall in San Francisco informierte: Dieses Mal sind 3 von 7 "School-Board-Mitgliedern" dran. Was verbirgt sich hinter einem "School Board"? Selbst die Übersetzung ins Deutsche ist nicht so einfach.
Die Übersetzungen "Schulvorstand" oder "-ausschuß" eines öffentlichen Schulbezirks kommen der Sache wahrscheinlich am nächsten. Schulpolitik ist in den USA sehr dezentralisiert, stärker noch als in Deutschland. Zwar müssen auch in den USA bestimmte Vorgaben des Bundesstaates oder des Staates erfüllt werden, aber die einzelnen Schuldistrikte mit den dazu gehörigen School Boards verfügen über weitreichende Befugnisse. So sind sie zum Beispiel verantwortlich für die Finanzen, wieviel für was ausgegeben wird, den Lehrplan, Einstellungen von Personal usw. In San Francisco setzt sich das School Board aus 7 Mitgliedern zusammen, die jeweils für 4 Jahre gewählt werden. Sie machen Schulpolitik für 130 Schulen mit 54.452 Schülern (Stand Oktober 2019). Allerdings gingen die Zahlen für eingeschriebene Schüler während der Pandemie stark zurück, was auch mit der Schulpolitik des School Boards zu tun hat. In Prinzip kann sich jeder Erwachsene, der in San Francisco wohnt, zur Wahl aufstellen lassen. Im School Board sitzen aber oft Lehrer oder Eltern mit schulpflichtigen Kindern.
Am 15. Februar findet die Wahl statt. Wenn ich wählen dürfte, würde ich alle drei zum Abruf gelisteten Mitglieder abwählen. Allerdings sind nur Erziehungsberechtigte, die ein Kind in einer öffentlichen Schule in San Francisco haben, wahlberechtigt. In San Francisco dürfen übrigens auch die Eltern an der School-Board-Wahl teilnehmen, die keine amerikanischen Staatsbürger sind.
Wieso sind viele Eltern aber in San Francisco so aufgebracht, dass sie das halbe School Board entfernen wollen? Vieles hat mit den Schulschließungen durch Corona zu tun. Die öffentlichen Schulen waren in San Francisco fast ein Jahr zu, und auch dann noch, als die Infektionszahlen in der Stadt längere Zeit sehr niedrig waren. Zwischenzeitlich hatten alle privaten Schulen in San Francisco wieder Präsenzunterricht angeboten, genau wie die öffentlichen Schulen in den Nachbarstädten. Was das Fass dann aber zum Überlaufen brachte, war, dass das School Board sich monatelang mit der Umbenennung der Schulen von San Francisco beschäftigte, aber keinen Plan ausarbeitete, die Kinder endlich aus dem Distanzunterricht zu holen. Was war passiert? Die Mitglieder des School Boards hatten die glorreiche Idee, 44 Schulen in San Francisco einen neuen Namen zu geben, weil die Persönlichkeiten, nach denen die Schulen benannt sind, sich nicht einwandfrei verhalten hatten und schwarze Flecken auf der weißen Weste hätten nach heutigen Standards.
Betroffen waren sogar solche Schulen, die die Namen bislang hoch verehrter Persönlichkeiten trugen: "Lincoln High", benannt nach Abraham Lincoln, der die Sklaverei abgeschafft hat, und "Dianne Feinstein Elementary School", benannt nach der noch amtierenden demokratischen Senatorin aus Kalifornien, Dianne Feinstein. Lincoln, so war die Begründung, war 1862 für die Exekution von 38 Dakota Indianern mitverantwortlich. Und Feinstein hat angeblich 1984, als Bürgermeisterin San Franciscos, eine "Confederate Flag" (Fahne der konföderierten Staaten), die vor dem Rathaus gestohlen worden war, ersetzen lassen. Die Fahne gilt heute als Symbol für Rassismus.
Allerdings ging das School Board recht willkürlich vor, denn die "Cesar Chavez Elementary School" kam nicht auf die Liste, obwohl Cesar Chavez dafür bekannt war, nicht gerade freundliche Ausdrücke für illegale Mexikaner zu benutzen. Das School Board musste dann auch so einige Häme auf lokaler und nationaler Ebene einstecken, weil ebenfalls bekannt wurde, dass die Entscheidungen teilweise aufgrund von Wikipedia-Einträgen gefallen waren, und keine Historiker befragt worden waren. Prompt kam Gegenwind von der lokalen Presse, und sogar von intellektuellen überregionalen Tageszeitungen wie der New York Times. Als dann noch unsere Bürgermeisterin London Breed auf Twitter einen Wutanfall bekam und das School Board dazu aufforderte, sich endlich darauf zu konzentrieren, die Schulen wieder zu öffnen, weil dies gerade benachteiligten Familien hilft, legte das School Board die Umbenennung der Schulen erst einmal auf Eis.
Die Recall-Maschienerie stoppte dies allerdings nicht mehr. Ihr wundert euch vielleicht, warum nur 3 der 7 Mitglieder um ihr Amt bangen müssen. Vier der 7 Mitglieder waren noch nicht 6 Monate dabei, als das Abberufungsverfahren eingeleitet wurde, und dürfen deshalb nach den Recall-Regeln noch nicht abberufen werden. Die drei, um die es geht, heißen: Gabriela López, Alison Collins und Faauuga Moliga. Alison Collins ist dabei eine besonders kontroverse Person. Sie setzte nämlich vor einigen Jahren ein paar bitterböse Tweets ab, die asiatische Mitbürger auf sehr unschöne Weise angriff, und war dann so dumm, diese nicht zu löschen, bevor sie ihr Amt antrat. Sie verlor deshalb ihren Vizevorsitz auf dem Board, als einige schlaue Füchse diese alten Tweets ausgruben, trat allerdings nicht zurück wie gefordert. Dann strebte sie eine völlig absurde 87-Millionen-Dollar-Klage gegen den Schuldistrikt an. Die wurde zwar sofort niedergeschlagen, und es kam gar nicht zum Rechtsverfahren, aber das Ganze ist in seiner Absurdität wirklich nicht zu überbieten.
Und jetzt droht auch noch der Staat Kalifornien die Finanzaufsicht über den Haushalt des Schuldistrikts zu übernehmen. Der San Francisco Schuldistrikt hat nämlich ein Defizit von über 125 Millionen Dollar und muss nun einen Plan erstellen, wie das Loch zu stopfen ist, wenn er seine Entscheidungsfreiheit, wie das Geld verteilt wird, behalten möchte.
Und als ob das nicht schon peinlich genug wäre, hat unsere Bürgermeisterin London Breed noch eins drauf gesetzt und angekündigt, dass die Stadt eine stärkere Aufsichtsposition einnehmen will und u.a. Gelder zurückhalten wird, wenn das School Board sich nicht auf seinen eigentlichen Auftrag konzentriert, die Schüler der Stadt zu beschulen. Die bleiben bei diesem ganzen politischen Theater nämlich auf der Strecke.
Michael Drogerieketten wie Walgreens oder CVS klagen in letzter Zeit über explosionsartig steigenden Verluste durch Ladendiebstähle. Die Diebe wissen das Gesetz auf ihrer Seite. Selbst vom Laden angestelltes Sicherheitspersonal darf sie per Gesetz nicht aufhalten, falls sie erwischt werden. Das hat dazu geführt, dass Penner oder verlotterte Schulkinder mit riesigen Müllsäcken durch die Läden marodieren, alles, was in Reichweite ist, hineinstopfen und unbehelligt herausmarschieren. Neulich waren wir am Sonntagnachmittag beim Safeway-Supermarkt und konnten uns live davon überzeugen, wie einige Jugendliche Waren in ihre Rucksäcke stopften und das Weite suchten. Das ist mittlerweile Normalität. Die Ware wird dann an Straßenecken wie an der U-Bahn-Haltestelle Mission/24th am hellichten Werktag verhökert. Dass die Sachen aus der nächsten Drogerie stammen, ist offensichtlich. Und sogar bei Amazon sollen die gestohlenen Waren zum Verkauf stehen!
Auch dürften die Läden zwar am Ausgang die Tüten der Kunden kontrollieren und einen Kassenzettel verlangen, aber Kunden müssen dabei per Gesetz nicht mitwirken. Spaziert ein Dieb mit offensichtlich gestohlener Ware heraus, darf ihn das Ladenpersonal nicht aufhalten. Nun fragt ihr euch wohl verwundert, warum Mega-Supermärkte wie Costco die Kassenzettel am Ausgang kontrollieren, und kein Kunde sich dem widersetzt. Das liegt einfach daran, dass der Costco ein Mitgliedssupermarkt ist, bei dem jeder Kunde einen Jahresbeitrag entrichtet. Verweigert ein Kunde am Ausgang die Kontrolle, forscht der Supermarkt über Kameras nach, wer das war, und sperrt demjenigen die Mitgliedschaft. So ist Costco legal auf der sicheren Seite.
Seit ein paar Monaten steht nun praktisch vor jedem Walgreens ein Polizist des San Francisco Police Department (SFPD). Der darf Gesetzesbrecher aufhalten und verhaften. Auf lange Sicht geht das allerdings ins Geld, und so befürchten viele, dass dies über kurz oder lang zu weiteren Schließungen dieser Filialen führen wird. Gerade hat die Kette CVS angekündigt, bis Januar 2022 sechs ihrer Filialen in San Francisco zu schließen. Dies wiederum betrifft alte und arme Leute, die schlecht in die Filialen in den Vororte fahren können, um ihre Rezepte einzulösen oder den Drogeriebedarf zu decken. Und so schließt sich der Kreis: Wer arme Hascherl nicht beim Ausplündern der Drogeriemärkte hindert, entzieht noch ärmeren Hascherln den Zugang zur nötigen Infrastruktur -- da sollte man bei der nächsten Wahl dran denken.
Michael Seit Corona gehen wir ja praktisch jeden Tag eine Stunde spazieren und erforschen die unbekannteren Winkel der Stadt. Einen schönen Rundweg in einer dicht besiedelten Stadt wie San Francisco zu finden, der weite Ausblicke bietet und auch noch fernab dichten Verkehrs verläuft, vielleicht noch über eine 100m hohe Treppe innerhalb eines Villenviertels führt oder einen ungeteerten Pfad, den nur die unmittelbaren Nachbarn kennen, ist gar nicht so einfach. Geschweige denn, so einen einmal ausgeforschten Weg bei der nächsten Wanderung exakt so wiederzufinden, oft hakt's dann an den Stellen, an denen man eigentlich abbiegen müsste, und man landet auf einem suboptimalen Pfad.
Schluss damit! Mit der Phone-App Komoot fiesele ich auf der eingebauten Landkarte neue Stadtwanderungen heraus, speichere sie ab, und wenn wir spazieren gehen wollen, brauche ich nur die App aufzuschlagen und eine der 50 gespeicherten Routen abzurufen, schnell mit dem Auto zum Einstiegspunkt zu fahren, um dann loszulegen. Wir haben die irrsten Routen, eine führt über Felsen, an denen man herunterklettern muss, und eine, die durch den Trakt eines aufgegebenen alten Krankenhauses führt. Alles streng geheim natürlich! Und als wir letzten Sommer in Deutschland waren, als Touristen zum Sightseeing in der Stadt Heidelberg, habe ich dort ebenfalls einen Rundweg erstellt, der an allen Sehenswürdigkeiten, vom Philosophenweg bis zum Schloss, vorbeiführte.
"Navigiert" Komoot durch eine vorher eingespeicherte Wanderung, gibt es Bescheid, an welchen Ecken man rechts oder links abbiegen muss, um der vorgegebenen Route zu folgen und wieder zum geparkten Auto zurückzufinden. Die App selbst ist kostenlos, und die Basisversion reicht, wenn man sich nur in einer bestimmten Region aufhält, verlässt man allerdings die heimatlichen Gefielde, kennt sie plötzlich keine Karten mehr, obwohl diese auf dem frei verfügbaten Openstreetmap-Datenschatz basieren. Zahlt man aber 30 Dollar drauf, funktioniert's plötzlich überall. Okay, die Komoot-Leute müssen schließlich das Licht im Serverraum anlassen, und mit dem Beitrag zahlt man praktisch deren Stromrechnung.
Das holprige Englisch der Dokumentation verrät übrigens, dass es sich bei der App um ein deutsches Produkt handelt. Gerüchteweise navigieren auch viele britische Rennradteufel damit. Alles in allem ist sie gut gemacht, wenngleich auch sehr amateurhaft monetarisiert. Aber gut, das können deutsche Internet-Unternehmer nicht. Lassen tragischerweise immer das Geld planlos auf dem Tisch liegen. Okay, jedenfalls die Daheimgebliebenen, haha! Als Outdoor-Produkt empfehle ich die App aber uneingeschränkt.
Michael Was Pizza anbelangt, bin ich wie viele von euch mit dem durchschnittlichen Angebot in Deutschland aufgewachsen, was nicht schlecht ist, aber als ich als junger Spund das erste Mal in New York City war, und mitten in der Nacht, vom Hunger getrieben, aus der Jugendherberge raus und quer über die Straße zu einer Filiale der Kette "Roy's Pizza" lief, um ein Achtel zu holen, fiel ich fast in Ohnmacht, weil dieses Stück Pizza um Größenordnungen besser war als alles das, was ich je in Deutschland unter dem Namen "Pizza" vertilgt hatte.
In Amerika schmeckt die Pizza naturgemäß auch viel besser als im Ursprungsland Italien, wo das Gericht hauptsächlich an ahnungslose Billigtouristen verfüttert wird, die sich sich kein Essen in den nobleren Restaurants mit richtigem italienischem Essen leisten können. In Amerika, und eigentlich hauptsächlich in New York City, rangiert Pizza allerdings unter den Gerichten, bei denen die Einheimischen keinen Spaß verstehen oder schluderhafte Kochkünste akzeptieren würden. Der "New York Style" ist im ganzen Land bekannt für seine hauchdünne, knusprige Kruste, und, was die Zutaten anbelangt, ist außer Tomatensauce, Mozarella-Käse und vielleicht noch Anchovies (Sardellen) eigentlich nichts erlaubt. Etwas anderes zu verlangen wäre ungefähr so peinlich wie in einem Straßencafe in Paris Rotwein mit Eis im Glas zu bestellen.
In San Franciscos Pizzerien ist mir die Pizza oft zu teigig. Dabei will ich gar nicht den "Chicago-Style" erwähnen, was für den Mann von Welt gar keine Pizza, sondern eine Quiche ist, aber darüber sind unterschiedliche Leute unterschiedlicher Meinung. Und noch etwas: Tiefgefrorene Pizza ist eine Zumutung, und jeder, der sich zuhause eine heiß macht, sollte sich überlegen, ob er nicht im Leben schon auf eine Einbahnstraße gebogen ist, an deren Ende ein Schild mit der Aufschrift "Bankrott" steht. Auch die labbrige Pizza vom Bringdient ist kein Ersatz, und wer zuhause Pizza essen will, dem bleibt eigentlich nur, den Teig selber zu kneten, auszuziehen, Pizzasauce aus der Dose (Don Peppino ist ganz gut) und geraspelten Käse (erst ein wenig Parmesan, dann ein Haufen Mozarella) draufzumachen, und mit Hilfe des hauseigenen Backofens irgendwie zu backen.
Um die Hitze des heimischen Herds, dessen Bratröhre meist bei 550F (290 Grad Celcius) aufgibt, gut in die Pizza weiterzuleiten, kaufen viele einen sogenannten Pizza-Stein, eine Platte aus Keramik, die man erst eine gute halbe Stunde im Ofen erhitzt und auf einem gewaltigen Schieber die platte Pizza darauf lanciert. Das funktioniert ganz ordentlich, allerdings gibt der Stein die Hitze nicht so gut an die Pizza weiter wie ein Stück Stahl, das gleich heiß ist. Warum? Die Hitzeleitfähigkeit von Stahl ist höher als die von Keramik. Dementsprechend schickt ein gleich heißer Stahl mehr Hitze in den darauf liegenden Pizzateig, der unten leicht anbrennt. Er entwickelt dunkelbraune Flecken an der Unterseite, das sogenannte "Leoparding", das dem Teig den unverwechselbaren pizza-typischen Geschmack verpasst. Problem an der Sache ist freilich, dass ein ein Zentimeter dickes Stück Stahl im Format 40cm x 40cm ungefähr soviel wiegt wie ein Kleinwagen und in Sekunden zu rosten anfängt, wenn man es unabgetrocknet herumstehen lässt. Wie bei einer gusseisernen Pfanne darf man auch kein Spülmittel zum Säubern verwenden, sondern sollte hin und wieder eine Lage Kochöl draufmachen, damit der Teig bei der nächsten Pizza nicht festpappt.
Zugegeben, wie im 500 Grad heißen Holzofen einer Pizzeria gebacken schmeckt auch dieser Teig nicht, aber für den heimischen Ofen ist das Ergebnis doch akzeptabel, jedenfalls um Längen besser als mit herkömmlichen Methoden. Wer dennoch daheim einer Pizzeria Konkurrenz machen will, kann sich einen portablen Gas- oder Holzofen der Firma "Ooni" kaufen, Gewährsleute haben mir versichert, dass die Pizzen aus den kleinen aber heißen Dingern tatsächlich Pizzeria-Qualität aufweisen. Leider haben wir keinen Platz, und so ein Öfchen muss wegen der Abgase draußen stehen!
Grüße aus San Franscisco:
Angelika und Michael
|
|
|
|
|
Rundbriefe 1996-2016 als PDF:
Jetzt als kostenloses PDF
zum Download.
Spezialthemen: