Angelika/Mike Schilli |
(Michael) Die Fußballweltmeisterschaft ist zwar lange vorbei, doch ich wollte noch berichten, wie so eine Veranstaltung in einem Land abläuft, in dem Fußball eine totale Exotensportart ist. Die Fußballspiele der WM wurden fast nur auf dem Sportsender ESPN übertragen, den wir aber leider wegen Geizes nicht haben. Doch zum Glück brachte der spanische Sender sie ebenfalls, und das hatte sogar den Vorteil, die ungebildeten Kommentare der amerikanischen Fußballkommentatoren nicht anhören zu müssen. In Rundbrief 07/2002 haben wir schon mal berichtet, dass Südamerikaner immer "Goooool!" schreien, wenn ein Tor fällt. Wollt ihr das live hören? Diesmal präsentieren wir euch den Torkommentar als MP3, hört rein: Fernsehton beim 1:0 im Spiel Deutschland gegen Portugal.
Bei Yahoo liefen die Spiele auf großen Flachbildschirmen in unserer Kaffee-Bar im Erdgeschoß. Die meisten fingen um 9:00 morgens oder um 11:00 Uhr vormittags an, und es fanden sich immer kleinere und auch mal größere Gruppen von Angestellten, die sich zwei Stunden freinahmen, um ein Match zu verfolgen. Sogar einige Amerikaner gesellten sich dazu! Beim Argentinien-Spiel haben übrigens die meisten für Deutschland gejubelt.
Großleinwände wie in Deutschland gab es in den USA nicht, und so dachte sich ein deutscher Einwanderer in San Francisco einen Plan aus: Er wollte einen großen Fernsehschirm mieten und das Spiel im Dolores Park in San Francisco zeigen. Im Hinterkopf hatte er wohl den Gedanken, dass die Deutschen im Finale spielen würden, aber das hat dann ja leider nicht geklappt.
Aber gesagt, getan, der deutsche Jens-Peter Jungclaussen holte die für die Veranstaltungen erforderlichen Genehmigungen von der Stadt San Francisco ein, mietete die notwendige Anzahl von Klohäuseln und sogar für die Sicherheit zuständige Polizisten mussten her.
Alles in allem kostete der Spaß etwa $17.000, die er durch Würstlverkauf und freiwillige Spenden wieder reinholen wollte. Er hatte wohl mit ein paar Hundert Zuschauern gerechnet, aber was dann aufgrund von Mundpropaganda, einer E-Mail-Lawine im Internet und schließlich auch durch die Bekanntgabe in einer großen Zeitung passierte, war unglaublich: Etwa 7.000 Leute liefen ein! In San Francisco mangelt's nicht an Italienern und auch eine stattliche Anzahl Franzosen gibt's. Und sogar eine Deutschlandfahne wurde gesichtet! Soviele Menschen habe ich noch nie in dem doch recht kleinen Dolores Park gesehen, da saßen wirklich Mann an Mann auf dem Rasen.
Die deutsch-amerikanische Handelskammer in San Francisco ließ sich nicht lumpen und beteiligte sich an den Kosten für's Fernsehen, und ich denke, dass die Spenden und der Würstlverkauf die Ausgaben gedeckt haben.
In Amerika darf man ja in der Öffentlichkeit kein Bier trinken, und die Genehmigung für das Ergeignis im Dolores Park kam wohl nur unter der Auflage zustande, dass kein Alkohol konsumiert wird. Der Ansager wies per Durchsage darauf hin und auch die abgestellten Polizisten wiesen Biertrinker zurecht, aber schon mit Augenzwinkern. Insgesamt trotzdem eine berauschende Veranstaltung!
(Angelika) San Francisco ist berühmt-berüchtigt für seine automatische Klimaanlage, sprich die kühle Luft und den Nebel, der so manchen nur in T-Shirt und kurzer Hose bekleideten Touristen in den Sommermonaten schlottern lässt. Der Nebel ensteht, weil die heiße Luft vom Inland gen Ozean strömt, dieser aber recht kalt ist, und -- schwupps -- schon ist alles wie in Watte gehüllt. Die Meteorologen unter euch mögen mir diese vereinfachte Erklärung verzeihen.
Da der Temperaturunterschied in den Sommermonaten besonders groß ist, gibt es zwischen Juni und August auch den meisten Nebel. Nun müsst ihr nicht denken, dass wir ständig in einer grauen Suppe sitzen. Tagsüber verzieht der Nebel sich, die Stadt heizt sich bis auf über 30 Grad auf, und erst später kriecht er dann am späten Nachmittag langsam wieder in die Stadt. Die Stadtteile, die nah am Ozean liegen, sind am stärksten betroffen, wer im "Richmond" oder "Sunset" wohnt, zahlt weniger Miete, sitzt aber öfter in der Suppe. Unser Stadtteil "Noe Valley" und die nahegelegene "Mission", gelten hingegen als die sonnigsten. Der Stadt San Francisco beschert das Nebelphänomen aber das ein oder andere Lüftchen, und damit in der Regel gute Luft. Smog, so lästern wir gern, überlassen wir großzügig Los Angeles.
Allerdings gibt es dann hin und wieder heiße Tage ohne Wind, die die Ozonwerte drastisch in die Höhe schnellen lassen. Und wenn in San Francisco das Thermometer steigt, stöhnen und ächzen die Menschen in der übrigen Bay Area erst recht, denn in Städten, die wie Mountain View oder San Jose weiter inlands liegen, steigt das Thermometer dann über 40 Grad und die Hitze wird unerträglich. Um die Qualität der Luft an solchen Tagen zu verbessern, führte der "Bay Area Air Quality Management District" 1991 die so genannten "Spare-the-Air"-Tage ("verschone die Luft") ein.
Übersteigen die Ozonwerte voraussichtlich einen bestimmten Wert, wird der Tag im voraus zum "Spare the Air Day" erklärt. Um die Leute dann aus ihren luftverschmutzenden Autos zu bekommen, sind alle öffentlichen Verkehrsmittel in San Francisco und der weiteren Umgebung ("Bay Area") kostenlos. Auch die Eisenbahn, die von San Francisco über das Silicon Valley nach San Jose fährt, ist dann ganztags kostenlos. Bis dato galt das nur für die Hinfahrt am Morgen, aber dieses Jahr erweiterte man es auf den ganzen Tag. Da staunt ihr, oder? Das Ganze scheint tatsächlich auch zu funktionieren, denn 10% mehr benutzen öffentliche Verkehrsmittel an solchen Tagen. Außerden erhofft man sich, dass der ein oder andere auf den Geschmack kommt und U-Bahn, Straßenbahn, Eisenbahn und Bussen treu bleibt.
Leider gab es gleich im Juni drei heiße Tage, die zum "Spare-the-Air" deklariert wurden und damit war das Budget für diese Saison, die für das "Spare-the-Air"-Programm von Juni bis Mitte Oktober läuft, aufgebraucht. Hmmm! Nun kratzten die zuständigen Behörden aber weitere 5.3 Millionen, unter anderem aus dem Topf der "Vehicle Registration" (so etwas wie die deutsche Kraftfahrzeugsteuer), zusammen. Die Summe reicht wahrscheinlich für drei weitere Tage dieses Jahr. Die verschiedenen Verkehrsbetriebe bekommen nämlich das Geld, das sie verlieren, aus dieser Quelle erstattet.
(Angelika) Der Mythos, dass jeder, der in Amerika leben und arbeiten will, gleich zur Begrüßung die Greencard in die Hand gedrückt bekommt, ist unausrottbar. Nein, Amerika hält schon lange nicht mehr die Türen für jeden weit offen. Will man eine Arbeitsgenehmigung, muss man sich nicht nur durch das Dickicht der Bürokratie schlagen, sondern auch den Wettlauf gegen die Quote gewinnen, denn es werden in der Regel nur eine gestimmte Anzahl von Arbeitsvisa oder Greencards in den verschiedenen Kategorien pro Jahr ausgegeben.
Diese Hürden haben dazu geführt, das viele das Warten leid sind und riskieren, illegal im Land zu sein. Schätzungen zufolge leben mittlerweile 11 bis 12 Millionen illegale Einwanderer in den USA, davon kommen fast 80 Prozent aus Mexiko oder anderen lateinamerikanischen Ländern. Nun ist das Problem nicht gerade neu. Schon in den späten 80ern versuchte der damalige Präsident Ronald Reagan, die Flut der Illegalen per Gesetz einzudämmen: Jeder Arbeitgeber, der wissentlich jemanden ohne Arbeitsgenehmigung einstellt, sollte sich strafbar machen. Nur implementierte keiner ein zuverlässiges System, wie dies zu überprüfen sei. Gleichzeitig gewährte Reagan eine Amnestie für illegale Einwanderer, die sich schon mehrere Jahre im Land aufhielten.
Bush junior versprach schon in seinem ersten Wahlkampf, das Problem der illegalen Einwanderer zu lösen. Andere Probleme wie der 11. September und der Irak-Krieg ließen das Thema aber in der Versenkung verschwinden. Doch jetzt ist es schon seit geraumer Zeit wieder auferstanden. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Presse das Thema Einwanderung nicht aufgreift. Da ein Großteil der Amerikaner selbst ein Einwanderungsschicksal (auch wenn dieses oft schon Generationen zurückliegt), vorweisen kann, ist das Thema hier wie kein anderes emotional vorbelastet.
Es fing damit an, dass im Dezember 2005 das amerikanische Repräsentantenhaus (= "Congress") einen drakonischen Gesetzesentwurf verabschiedete, der nicht nur vorsieht, die Grenze zu Mexiko mit Hilfe eines sich über 700 Meilen erstreckenden Hightech-Zaunes dicht zu machen, sondern auch den illegalen Aufenthalt in den USA zu einer Straftat anzuheben ("felony").
Bis dato war dies eine zivilrechtliche Angelegenheit, die gegen das bestehende Einwanderungsrecht verstößt. Aufruhr gab es vor allem auch deshalb, weil der Gesetzesentwurf die Helfer (wie Familenmitglieder, Pfarrer, Sozialarbeiter), die illegalen Einwanderern zur Seite stehen, zu Straftätern macht, was den katholischen Kardinal von Los Angeles gleich so erzürnte, dass er seine Priester zum zivilen Ungehorsam aufforderte.
Überhaupt rechnete wohl niemand der Politiker mit dem Protest der Latinos (so nennt man die Lateinamerikaner), denn jeder dachte im Stillen, dass sich illegale Einwanderer nicht auf die Straße trauen. Im Frühjahr diesen Jahres kam es aber zu Großdemonstrationen in vielen amerikanischen Städten. In Los Angeles protestierten eine halbe Millionen Menschen für ein liberales Einwanderungsrecht. Breite Unterstützung finden die illegalen Einwanderer vor allen Dingen bei ihren Landsleuten, die mittlerweile zwar oft einen amerikanischen Pass besitzen, aber auf ähnlich abenteuerliche Weise in die USA gelangten. Da die Latinos in vielen Bundesstaaten (so auch in Kalifornien) die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe sind, müssen die Politiker um Wählerstimmen der legal im Land lebenden Einwanderer fürchten.
Am 1. Mai gab es dann noch eine weitere Protestaktion, um zu zeigen, dass ohne illegale Einwanderer viele Wirtschaftsbereiche zusammenbrechen würden und dass Einwanderer allgemein zum wirtschaftlichen Wohlergehen des amerikanischen Staates beitragen. Es erfolgte der Aufruf an die Immigranten (legale und illegale), nicht zur Arbeit zu gehen. In San Francisco waren deshalb in dem Stadteil Mission, in dem ein hoher Anteil der Lateinamerikaner lebt, viele Geschäfte geschlossen. Auch im Tenderloin Childcare Center, wo ich arbeite, wurde die Aktion unterstützt, denn die meisten unserer Kinder kommen aus fremden Ländern.
Da auch in den USA ein Gesetzesentwurf durch mehere Instanzen geht, modelte der Senat den oben beschriebenen Entwurf im Mai in ein moderateres Machwerk um. Der Gesetzesentwurf des Senats spricht zwar auch von einer besseren Absicherung der Grenze zu Mexiko, aber ermöglicht gleichzeitig den illegalen Einwanderen, die schon länger im Land sind, nach Zahlung einer Geldstrafe und Steuernachzahlungen einen legalen Status zu erlangen. Auch ein Gastarbeiterprogramm ist geplant, das vor allen Dingen Präsident Bush am Herzen liegt. Desweiteren sollen u.a. die Anzahl der jährlich ausgegebenen H-1B-Visa (Rundbrief 05/2000) erhöht werden.
Nun geht das Ganze wieder zurück an den Kongress und beide Gesetzesentwürfe müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Und da scheiden sich die Geister. Zur Zeit geht so gar nichts vorwärts. Erschwerend kommt hinzu, dass hier im November der Kongress neu gewählt wird und jeder die Einwanderungsdebatte für seine politischen Zwecke ausnutzen will.
(Michael) Durch den im vorletzten Rundbrief vorgestellten Service von onlinetvrecorder.com können wir jetzt auch in San Francisco deutsches Fernsehen empfangen. So schaue ich jetzt fast jeden Tag die Tagesschau an und Angelika ihren geliebten Tatort.
Stöpselt man den Laptop in den Fernseher ein, kommt das Bild echt in Topqualität auf den Schirm und wie ihr in Abbildung 13 seht, haben wir unsere Abendbrottischchen schön vor dem Freitagskrimi aufgebaut. Hach, das ist mal wieder ein Genuss!
Stundenlanges, werbungsfreies Fernsehen kennen wir ja sonst nur von unserem Pay-Kanal HBO. Bei den per Internet eingespielten Sendungen sehen wir uns allerdings auch die deutsche Werbung an, die für jemanden, der mittlerweile fast 10 Jahre in den USA verbracht hat, oft total absurd ist.
Was ebenfalls auffällt, ist der Mut von Sendern wie 3Sat, auch mal Sendungen zu bringen, die wirklich nur Randgruppen interessieren. Wieviel Prozent der Leute können mit einer Sendung über Sigmund Freud etwas anfangen? 0.1%? Irre, dass sich das irgendwie rechnet. Da merkt man schon, was in der amerikanischen Fernsehwelt fehlt, in der jeder 'öffentliche' Sender ohne Gebühreneinnahmen profitabel arbeiten und sich damit auf den Massengeschmack konzentrieren muss.
Das Angebot von onlinetvrecorder ist anscheinend völlig legal, denn die Empfänger, die das deutsche Fernsehprogramm absaugen, stehen dicht an der deutschen Grenze in Holland, und die Internetserver, die die Dateien zum Download anbieten, in der relativ rechtsfreien Zone Antigua. Mal sehen, wie lange es dauert, bis die TV-Giganten in Deutschland einen Weg finden, den Service lahmzulegen. Bis dahin wird rücksichtslos geglotzt! Ich habe mir sogar mit Perl eine Art Tivo für onlinetvrecorder.com gebaut, damit ich die Sendungen mit Genuss vom Computer aus ansehen kann.
(Michael) In San Francisco fahren die Straßenbahnen ja bekanntlich nach einem Fantasiefahrplan. Die Tram kommt nicht zu einer bestimmten Uhrzeit an, sondern im Fahrplan steht wörtlich "ungefähr alle X Minuten", wobei X je nach Tageszeit zwischen 10 bis 30 schwankt.
Es ist aber natürlich lästig, drei Treppen runter zur Haltestelle zu laufen und dort 29 Minuten zu warten, weil einem gerade die Straßenbahn vor der Nase weggefahren ist.
Wie so oft hilft sich der Amerikaner auch hier mit fortschrittlicher Technik, um das Chaos beherrschbar zu machen. Die Straßenbahnwagen wurde mit einem Transponder ausgestattet, und entlang der Fahrtstrecke stehen Messstationen, die aufzeichnen wenn ein Wagen vorbeifährt.
Die live gemessenen Messdaten gehen an die Website nextbus.com, die daraus berechnet, in wieviel Minuten die nächste Straßenbahn vorraussichtlich an einer eingestellten Haltestelle eintrifft. Übers Internet lässt sich das dann kostenlos und aktuell abfragen.
Das System funktioniert perfekt. Wenn ich die J-Straßenbahn nach Downtown nehmen will, schaue ich einfach kurz vorher auf meinem Computer nach. der eh 24 Stunden am Tag angeschaltet ist. Steht dann dort im Webbrowser, dass der nächste Wagen "In 2 Minutes" an der Kreuzung 24th und Church eintrifft, bricht die Hektik aus, ich stürze die Treppe hinunter und hetze auf die Straße. Wird hingegen "In 15 Minutes" angezeigt, albere ich noch 10 Minuten herum, bevor der gemächliche Abstieg beginnt. Einer meiner Arbeitskollegen hat sogar ein Handy, mit dem er die Daten abfrägt!
(Michael) Wenn man in Deutschland eine Deckenlampe anschließt, kommt meist eine so genannte Lüsterklemme zum Einsatz. Das ist so ein Plastikteil mit Schräubchen und Löchern, in die man die abisolierten Kabellitzen hinten und vorne reinsteckt und mit einem Schraubenzieher festklemmt.
In den USA scheint es keine Lüsterklemmen zu geben, jedenfalls nicht in den Baumärkten, in denen ich verkehre. Wie ich durch Abschrauben von alten Deckenlampen festgestellt habe, sind hierzulande statt dessen kleine Hütchen üblich, die innen ein Metallgewinde aufweisen.
Um die zwei Litzen zweier 110-Volt-Leitungen zu verbinden, verzwirbelt man die Kupferdrähte miteinander und steckt dann ein Hütchen drauf, so dass die Metalldrähte sich in dem inneren Metallgewinde des Hütchens verfangen. Dann schraubt man das Hütchen im Uhrzeigersinn nach unten, damit es die Kabelenden in sich hineinfrisst, solange, bis kein blanker Draht mehr sichtbar ist.
Fertig ist der Lack! Derartige Praktiken sind in Deutschland unter der Bezeichnung "Pfusch" bekannt, aber hier geht's astrein durch. Die Methode ist billig, isoliert, und man braucht keinen Schraubenzieher. Und zum Glück sind's hier auch nur 110 Volt und keine 220, sonst könnte einem angst und bange werden!
Das Hütchen heißt im Fachjargon übrigens Twist-on Wire Connector. Die Firma Ideal Industries brachte die bahnbrechende Weltneuheit 1920 als "Wire Nut" auf den Markt und trug den Namen als Warenzeichen ein. Und genau wie man in Deutschland "Tesa" sagt und nicht "durchsichtiges Klebeband", hat sich im amerikanischen Volksmund für die Hütchen deshalb die Bezeichnung "Wire Nut" eingebürgert, obwohl es sie heutzutage natürlich nur noch aus chinesischer Billigproduktion gibt.
(Michael) Jede Sprache übersetzt Tierlaute leicht unterschiedlich. Manchmal kommt etwas ähnliches heraus, wie zum Beispiel bei der Kuh, die auf Deutsch "Muh" macht und auf Englisch das gleichlautende "moo". Doch wusstet ihr, dass es für das Wiehern eines Pferdes den Laut "neigh" (sprich "neehii") gibt? Übrigens treibt man ein Pferd in Amerika nicht mit "Hüh" an und hält es mit "Brr" an, wie in Deutschland. Gestartet wird mit einem zweifachen Zungenschnalzen im seitlichen/hinteren Mundbereich, so wie man etwa in Deutschland ein Pferd oder eine Kuh anlockt, wenn man eine gelbe Rübe in der Hand hat. Gestoppt wird ein Pferd mit "Whoa!". Letzteres ist auch der Warnlaut, den man ausstößt, wenn man auf Deutsch "Achtung!" sagen würde, wie etwa wenn jemandem gleich ein Klavier auf den Kopf fällt.
Auch für den missbilligenden Klicklaut, den man mit der Zunge im oberen Mundbereich kurz hinter den Schneidezähnen fabriziert, gibt es ein Wort. Ihr wisst schon, wenn man so etwas wie "Nanana" oder "ts-ts-ts" ausdrücken will, weil jemand bei Rot über die Straße geht. In geschriebenem Englisch heißt der Laut Tut-tut, gesprochen wird er wie das Tippsen mit der Zunge.
Ein Hund macht je nach Größe "arf arf", oder "bow wow". Ein trötender Elefant "baraag", ein Frosch "ribbit", eine Ziege "baa" und ein quiekendes Schwein "wee wee". Auf dem Internet gibt es Seiten, die Tierlaute in verschiedenen Sprachen auflisten, da ist so manche Überraschung dabei!
(Michael) Über unser Nachbarviertel, das Castro, haben wir ja schon oft berichtet. Wohl kaum ein Viertel ist so typisch für San Francisco, und kaum eines ist so aufgeräumt und malerisch. Die früher unter dem Namen "Eureka Valley" bekannte Gegend wurde Anfang der siebziger Jahre zum Zentrum der Schwulenbewegung. Harvey Milk, ein politischer Aktivist, später der erste Stadtrat von San Francisco, der sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte, eröffnete damals im Castro einen Kameraladen. Er wurde später von einem Schwulenhasser erschossen und noch heute erinnert das "Harvey Milk Photo Center" an ihn, in dem Angelika oft ihre Bilder in der Dunkelkammer entwickelt.
Wenn jemand auf einer Party erzählt, dass er im Castro wohnt, denkt man innerlich automatisch: "Aha! Schwul." Laut Statistik wohnen 41% gleichgeschlechtlich orientierte Leute im Castro, über die ganze Stadt verteilt sind's nur 11%. Aber, glaubt mir, Schwul/Lesbisch-sein ist in San Francisco völlig normal. Klar, Touristen sind immer geschockt und auch Leute im Silicon Valley kichern verklemmt, wenn sie nach San Francisco kommen und stolpern mit hochrotem Kopf im Castro herum. Aber, machen wir uns doch nichts vor, letztendlich ist das Thema doch irrelevant. Wenn man lange genug in San Francisco wohnt, ignoriert man irgendwann den Unterschied.
Interessant ist freilich, dass das Castro eine relativ wohlhabende Gegend ist, in der fast konservativ angehauchte Leute wohnen. Keiner fährt einfach irgendein Auto, fast immer ist es der neueste Mercedes oder BMW oder Porsche oder Audi. Keiner wohnt in irgendeinem Haus, alles ist ansprechend und liebevoll her- und eingerichtet. Die Läden bieten erlesene Weine und schicke Klamotten an, und selbst der Haushaltswarenladen "Cliff's Variety" führt nur Haushaltsgegenstände für Leute mit Geschmack, die Wert auf Details legen. Angelika hat dort neulich für eine simple Eieruhr zwanzig Dollar ausgegeben! Ein Wahnsinn!
Die Regenbogenfahnen sind im Castro allgegenwärtig und auffallend viele Männer tragen kurze Haare. Es gibt eine reiche Auswahl an ausgezeichneten Restaurants, und die Leute lieben es, durch die Straßen zu flanieren, man hält Schwätzchen, es scheint, als kenne jeder jeden. Das "Castro Theatre" ist eines der ältesten Kinos der Stadt, und es zeigt eine ausgezeichnete Auswahl an alternativen intellektuell angehauchten Filmen. Einmal im Jahr findet dort das so genannte "German Festival" statt, dann werden neue deutsche Filme mit englischen Untertiteln gezeigt.
Allerdings ist das Castro brutal hügelig. Wer mit dem Fahrrad durchfahren möchte, muss sich auf einiges gefasst machen, dort sind einige der steilsten Hügel von San Francisco, und das heißt 30% und aufwärts. Wir Noe-Valley-Bewohner streunen oft im freundlichen Castro herum, denn es gibt viel zu sehen und an erstklassigen Restaurants kann man nie genug haben.
(Angelika) Und hier eine Quizfrage: Welches ist der amerikanische Feiertag (vom 25.12. und Neujahr einmal abgesehen), der immer am gleichen Datum gefeiert wird? Richtig, der Unabhängigkeitstag am 4. Juli, deshalb im Volksmund auch nur "4th-of-July" genannt. Andere amerikanische Feiertage orientieren sich am Wochentag in einem bestimmten Monat, z.B. "Labor Day" (Tag der Arbeit) am jeweils ersten Montag im September oder "Thanksgiving" am vierten Donnerstag im November.
Der 4. Juli 1776 wird sozusagen als die Geburtsstunde der Vereinigten Staaten angesehen, denn durch die Unabhängigkeitserklärung befreite man sich von der Knute der Engländer. Heutzutage prägen den Unabhängigkeitstag vor allem etwas patriotisch anmutende Paraden, Feuerwerke und das obligatorische Grillen ("Barbecue") mit Freunden und Familie. In San Francisco verschwindet das Feuerwerk meist im Nebel. Tagsüber ist Bombenwetter und kurz vor dem Feuerwerk macht der beschriebene notorische Sommernebel seinem Namen alle Ehre. Dieses Jahr war es zur Abwechselung sogar einmal klar.
Wegen des begrenzten amerikanischen Jahresurlaubes nutzen wir ja jeden Feiertag zum Wegfahren und Yahoo! hatte auch den 3. Juli zum Urlaubstag erklärt. Also brausten wir mit unserem geliebten Auto "Perlman" hoch in den Norden Kaliforniens, in das so genannte Humbold County ("County" = Landkreis), Heimat des Redwood Nationalparks und diverser unter der Schirmherrschaft Kaliforniens stehender State Parks.
Die so genannten "Coast Redwoods" sind schon Bäume der ganz besonderen Art. Diese "Küstenrotholz-Mammutbäume" werden bis zu 2000 Jahre alt und ragen in einigen Fällen über 110 m in den Himmel. 60 Meter sind etwa der Schnitt. Es gibt nichts Besseres, als seine Wanderschuhe anzuschnallen und im Redwood-Wald zu wandern. Wie klein und unbedeutend man sich plötzlich vorkommt. Wir taten dies im "Prairie Creek Redwoods State Park".
Um zum Parkplatz des Wanderweges zu gelangen, mussten wir nicht nur einige Meilchen auf einer ungeteerten Straße fahren, sondern auch zwei kleine Flüsschen durchqueren. Der Perlman schaffte das aber Gott sei Dank mit links, obwohl er im Vergleich zu amerikanischen Autos recht tief liegt. Und obwohl auf dem Campingplatz, der direkt am Strand lag, der Bär los war, begegnete uns fast niemand auf dem sieben Meilen langen Rundweg.
Während unseres Wanderweges fanden wir immer wieder Tafeln vor, die kleine Waldabschnitte nach Familien benannten. Dort sind aber nicht etwa Leute beerdigt, die Tafeln tragen lediglich die Namen großzügiger Spender mit deren Geldern Redwood-Land gekauft wurde, um die Bäume vor kommerzieller Ausnutzung zu schützen. Die nach den Spendern benannten Haine gehören jedoch nicht den Spendern, die Tafeln sind nur als Anerkennung für ihre Spendenbereitschaft angebracht. Dieses "Save-the-Redwoods-League-Program" (= Rette die Redwoods) entstand schon 1921, um den Bestand der Redwoods für zukünftige Generationen zu erhalten. Auch heute noch gelten die Redwoods nämlich als eines der begehrtesten Nutzhölzer.
(Michael) Die Begriffe "Heim" und "Grillen" sind in Amerika untrennbar verbunden. Ein Zuhause ist erst dann vollständig, wenn im Garten ein so genannter Barbecue (BBQ) steht. An dem steht das Familienoberhaupt und bereitet für die gesamte Familie Hamburger oder Steaks zu. Wichtig: Grillen ist Männersache.
Grills sind heilige Geräte. Jeder hat "den Besten", gerne fachsimpeln Besitzer darüber, wieviele BTUs ihr Grill hat oder wie ein bestimmtes Fleischstück am besten zubereitet wird. Da wir keinen Garten sondern nur einen kleinen Balkon haben, war es wichtig, kein 32-Hamburger-Ungetüm zu kaufen. Da ist der "Weber Q" (sprich "Webber Kju") genau richtig: Bis zu sechs Gäste zu bewirten ist kein Problem, und das Teil ist so handlich, dass es kaum Platz wegnimmt. Und man merkt genau, dass in dem Teil die geballte Erfahrung der renommierten Grillfirma Weber steckt: Die Hitze verteilt sich genau gleichmäßig, da brennt nichts an und nichts bleibt roh. Er läuft mit kleinen Propangaskartuschen, die für etwa 5 Grillzubereitungen reichen und $2 kosten. Man kann auch einen Adapter für richtig große Propangasflaschen kaufen, aber Angelika hat immer Angst, dass ich unseren Balkon in die Luft jage.
Ich weiß noch genau, wie der "Weber Q" ins Haus kam. Ich hatte ihn online bei Amazon bestellt und war zu der Zeit noch bei AOL beschäftigt. Während ich im Büro saß, kam auf einmal ein Anruf von der Poststelle, dass der Grill da sei. Supi, sagte ich, wann können Sie ihn in mein Cubicle bringen? Nun, stotterte da der AOL-Postbote, so einfach sei das nicht, es sei wohl klar, dass es sich hier um einen Privatgegenstand handle und deshalb müsse ich ihn selbst bei der Poststelle am anderen Ende von Sunnyvale abholen. Ich war geschockt! Ich hatte bis dato sicher hundert Sachen online bestellt und immer waren die Waren von dem bei AOL arbeitenden Postboten an mein Cubicle geliefert worden.
Ich machte keinen großen Aufstand, sondern fuhr in Gottes Namen zu der angegebenen Adresse: "Caribbean Drive, Sunnyvale". Kurz vor der Poststelle sah ich, dass dort, kurz vor dem Caribbean Drive, eine Firma namens Yahoo! ansässig war. Einige Wochen später bewarb ich mich dort. Der Rest ist, wie man sagt, Geschichte.
Video: Das verrückte Video |
(Michael) Als treue Rundbriefleser kennt ihr sicher die Video-Website youtube.com, wir haben sie ja schon ein paarmal erwähnt. Dort geht derzeit eine Revolution ab, immer mehr Leute machen dort ihre eigenen Fernsehsendungen. Eine junge Dame namens 'Brookers' hat dort mit selbstgedrehten Clips anscheinend eine ganze Generation von Jugendlichen beeinflusst. Das Video mit der Brookers-Geschichte gibt's natürlich auf youtube, jetzt soll die Dame angeblich ihre eigene Fernsehsendung bekommen.
Immer häufiger werden E-Mails mit lustigen Links auf youtube-Videos verschickt, neulich zum Beispiel das anscheinend indische Video "Tunak Tunak", das gleich eine Cover-Version von rumänischen Jugendlichen auf den Plan rief.
Und zum Schluß noch das Beste aus meiner E-Mail-Ausbeute der letzten paar Wochen: Das Video einer indischen Verkehrskreuzung, die Ninja Special Delivery zum Thema Net Neutrality, ein Junge spielt den Pachelbel-Kanon und Gigue in D-Dur auf der E-Gitarre, ein lustiger Werbeclip mit Bärenattacke, ein Kongressmann blamiert sich in einem Interview, ein offensichtlich Verrückter beklagt sich beim Stadtrat über Hubschrauberlärm. Und schließlich das schlechteste Tanzvideo aller Zeiten.
Viel Spaß damit!
Angelika und Michael
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