Angelika/Mike Schilli |
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(Angelika) Der Mythos, dass jeder, der in Amerika leben und arbeiten will, gleich zur Begrüßung die Greencard in die Hand gedrückt bekommt, ist unausrottbar. Nein, Amerika hält schon lange nicht mehr die Türen für jeden weit offen. Will man eine Arbeitsgenehmigung, muss man sich nicht nur durch das Dickicht der Bürokratie schlagen, sondern auch den Wettlauf gegen die Quote gewinnen, denn es werden in der Regel nur eine gestimmte Anzahl von Arbeitsvisa oder Greencards in den verschiedenen Kategorien pro Jahr ausgegeben.
Diese Hürden haben dazu geführt, das viele das Warten leid sind und riskieren, illegal im Land zu sein. Schätzungen zufolge leben mittlerweile 11 bis 12 Millionen illegale Einwanderer in den USA, davon kommen fast 80 Prozent aus Mexiko oder anderen lateinamerikanischen Ländern. Nun ist das Problem nicht gerade neu. Schon in den späten 80ern versuchte der damalige Präsident Ronald Reagan, die Flut der Illegalen per Gesetz einzudämmen: Jeder Arbeitgeber, der wissentlich jemanden ohne Arbeitsgenehmigung einstellt, sollte sich strafbar machen. Nur implementierte keiner ein zuverlässiges System, wie dies zu überprüfen sei. Gleichzeitig gewährte Reagan eine Amnestie für illegale Einwanderer, die sich schon mehrere Jahre im Land aufhielten.
Bush junior versprach schon in seinem ersten Wahlkampf, das Problem der illegalen Einwanderer zu lösen. Andere Probleme wie der 11. September und der Irak-Krieg ließen das Thema aber in der Versenkung verschwinden. Doch jetzt ist es schon seit geraumer Zeit wieder auferstanden. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Presse das Thema Einwanderung nicht aufgreift. Da ein Großteil der Amerikaner selbst ein Einwanderungsschicksal (auch wenn dieses oft schon Generationen zurückliegt), vorweisen kann, ist das Thema hier wie kein anderes emotional vorbelastet.
Es fing damit an, dass im Dezember 2005 das amerikanische Repräsentantenhaus (= "Congress") einen drakonischen Gesetzesentwurf verabschiedete, der nicht nur vorsieht, die Grenze zu Mexiko mit Hilfe eines sich über 700 Meilen erstreckenden Hightech-Zaunes dicht zu machen, sondern auch den illegalen Aufenthalt in den USA zu einer Straftat anzuheben ("felony").
Bis dato war dies eine zivilrechtliche Angelegenheit, die gegen das bestehende Einwanderungsrecht verstößt. Aufruhr gab es vor allem auch deshalb, weil der Gesetzesentwurf die Helfer (wie Familenmitglieder, Pfarrer, Sozialarbeiter), die illegalen Einwanderern zur Seite stehen, zu Straftätern macht, was den katholischen Kardinal von Los Angeles gleich so erzürnte, dass er seine Priester zum zivilen Ungehorsam aufforderte.
Überhaupt rechnete wohl niemand der Politiker mit dem Protest der Latinos (so nennt man die Lateinamerikaner), denn jeder dachte im Stillen, dass sich illegale Einwanderer nicht auf die Straße trauen. Im Frühjahr diesen Jahres kam es aber zu Großdemonstrationen in vielen amerikanischen Städten. In Los Angeles protestierten eine halbe Millionen Menschen für ein liberales Einwanderungsrecht. Breite Unterstützung finden die illegalen Einwanderer vor allen Dingen bei ihren Landsleuten, die mittlerweile zwar oft einen amerikanischen Pass besitzen, aber auf ähnlich abenteuerliche Weise in die USA gelangten. Da die Latinos in vielen Bundesstaaten (so auch in Kalifornien) die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe sind, müssen die Politiker um Wählerstimmen der legal im Land lebenden Einwanderer fürchten.
Am 1. Mai gab es dann noch eine weitere Protestaktion, um zu zeigen, dass ohne illegale Einwanderer viele Wirtschaftsbereiche zusammenbrechen würden und dass Einwanderer allgemein zum wirtschaftlichen Wohlergehen des amerikanischen Staates beitragen. Es erfolgte der Aufruf an die Immigranten (legale und illegale), nicht zur Arbeit zu gehen. In San Francisco waren deshalb in dem Stadteil Mission, in dem ein hoher Anteil der Lateinamerikaner lebt, viele Geschäfte geschlossen. Auch im Tenderloin Childcare Center, wo ich arbeite, wurde die Aktion unterstützt, denn die meisten unserer Kinder kommen aus fremden Ländern.
Da auch in den USA ein Gesetzesentwurf durch mehere Instanzen geht, modelte der Senat den oben beschriebenen Entwurf im Mai in ein moderateres Machwerk um. Der Gesetzesentwurf des Senats spricht zwar auch von einer besseren Absicherung der Grenze zu Mexiko, aber ermöglicht gleichzeitig den illegalen Einwanderen, die schon länger im Land sind, nach Zahlung einer Geldstrafe und Steuernachzahlungen einen legalen Status zu erlangen. Auch ein Gastarbeiterprogramm ist geplant, das vor allen Dingen Präsident Bush am Herzen liegt. Desweiteren sollen u.a. die Anzahl der jährlich ausgegebenen H-1B-Visa (Rundbrief 05/2000) erhöht werden.
Nun geht das Ganze wieder zurück an den Kongress und beide Gesetzesentwürfe müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Und da scheiden sich die Geister. Zur Zeit geht so gar nichts vorwärts. Erschwerend kommt hinzu, dass hier im November der Kongress neu gewählt wird und jeder die Einwanderungsdebatte für seine politischen Zwecke ausnutzen will.
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