Verbeugen
(Angelika) Als Westler zu versuchen, in die höheren Weihen des Verbeugens vorzudringen, ist hoffnungslos. Denn der Status des Gegenübers gibt die Tiefe der Verbeugung und die Reihenfolge vor. Kein Japaner erwartet, dass der Tourist weiß, wie man sich verbeugt. Allerdings wirkt die Verbeugerei ansteckend. Ich fing jedenfalls immer ganz automatisch an, meinen Kopf zu senken und eine Art von Wippbewegung durchzuführen, was bei Michael regelmäßig Lachanfälle auslöste. Verbeugungen sind eher an formale Situationen gekoppelt, d.h. Freunde verbeugen sich z.B. nicht voreinander.
Gleich nach unserer Ankunft machten wir Erfahrungen mit dem Verbeugen. Wir fuhren mit dem so genannten Limosinenbus, hinter dem sich ein normaler Reisebus verbirgt, vom Flughafen in die Stadt Tokio. Bevor es los ging, betrat der Einweiser, der sich vorher um das Abreißen der Fahrkarten kümmerte, in den Bus, ließ einen japanischen Wortschwall auf die Fahrgäste niederprasseln und verbeugte sich tief. Lustig war, dass es sich um einen ganz jungen Burschen mit rotgefärbten Haaren und leicht punkiger Frisur handelte. Auch beim Zugfahren erlebten wir, dass sich die Schaffnerin vor der Fahrkartenkontrolle vorne in dem Waggon aufbaut und sich verbeugt. Na, wie wäre es damit bei der Deutschen Bundesbahn? Besonders klasse fand ich, als sich der Bauarbeiter, der uns Fußgänger für einen Moment aufhielt, um einem Lastwagen Einfahrt in die Baustelle zu gewähren, tief verbeugte und eine Entschuldigung murmelte. Er trug übrigens weiße Handschuhe.