Angelika/Mike Schilli |
Michael Alle paar Jahre fahren wir nach Deutschland, um uns mal wieder richtig von den kulturellen Unterschieden durchschocken zu lassen. Zum Beispiel ist es in Deutschland üblich, dass einen Leute beim Durchgehen anrempeln, und das als so normal empfinden, dass es keinerlei Entschuldigung bedarf. Oder die Ungerechtigkeit mehrerer Schlangen beim Anstellen, die man unter Ellenbogeneinsatz blitzschnell wechseln muss, um schneller dranzukommen. Oder dass Deutsche einen ungehemmt anstarren, ein in Amerika als "German Stare" bekanntes Phänomen. Oder dass auf der linken Spur auf der Autobahn auch dann manchmal ein Auto gefährlich schnell angerauscht kommt, wenn man selber schon 180 fährt!
Michael Vorab hatte ich bei Sixt ein Auto der Klasse "BMW 1er oder Golf GTI" gebucht, um mal wieder ordentlich auf der Autobahn rasen zu können. Schließlich darf man in Kalifornien höchstens 75mph (120km/h) schnell fahren und wird sofort inhaftiert, falls ein Lichtorgelauto mehr als 100mph (160km/h) misst. Normalerweise buche ich Mietautos für Deutschlandreisen immer bei amerikanischen Firmen wie Alamo/National oder Dollar, aber da wir vorhatten, durch ganz Deutschland zu brausen, zahlte ich bei Sixt anderthalb Mal soviel wie üblich, um nicht gerade als Trostpreis den sonst in der billigsten Kategorie üblichen Opel Corsa zu erhalten.
Als wir dann aber im Münchner Flughafen am Sixt-Schalter ankamen, wollte uns die Schalterdame allerdings allen Ernstes einen Opel Meriva andrehen, eine Art Kleinstminivan für Fußballmutties. Angeblich fallen solche Autos bei Sixt in die gleiche Kategorie wie die angepriesenen sportlichen Flitzer, samt irgendwelchen indiskutablen Peugeot-Kutschen oder "Nissan-Geländewagen" und dürfen erstaunten USA-Kunden dreist angedreht werden.
Nach einigem Hin- und Her fand sich dann aber ein zwar auch nicht sportlicher, aber zumindest autobahntauglicher Audi A1. Der Zwei-Türer von der Größe eines Rover Mini bot im Kofferraum allerdings nur Platz für eine Reisetasche, wurde aber zähneknirschend akzeptiert.
Als wir fünf Minuten später am Stellplatz in der Hochgarage ankamen, saß allerdings schon ein freundlicher Herr drin, der mir auf meine Anfrage hin seine gültige Bestätigung und den Autoschlüssel zeigte und kurz darauf frohgemut davonfuhr. Wieder zurück am Schalter stellte sich dann heraus, dass man uns eine falsche Stellplatzkarte ausgedruckt hatte. Beim nächsten Versuch kam ein Sixt-Mitarbeiter mit, der sicherstellte, dass das versprochene Auto tatsächlich am Platz mit der aufgedruckten Nummer stand. Das Auto fuhr dann sehr gut, die Gemüter beruhigten sich schließlich, und der Groll gegen den Autovermieter verflog allmählich.
Angelika Immer wenn wir in Deutschland zu Besuch sind, ist die Zeit verdammt knapp und wir bekommen kaum alles unter. Falls wir es nicht geschafft haben, euch zu besuchen, verzeiht uns bitte, aber ihr wisst ja, wo wir wohnen. Dieses Mal sind wir lange Strecken durchs Land gebraust; von Süddeutschland nach Norddeutschland und wieder zurück. Und da unsere Deutschlandtournee auch gleichzeitig unser diesjähriger Jahresurlaub war, versuchten wir noch einige touristische Höhepunkte zu besichtigten.
So machten wir einen Zwischenstopp in Nürnberg und in Volkach an der Weinstraße und schoben einen Besuch bei der weltberühmten Ausstellung "Documenta" in Kassel ein. Wir beide schätzen moderne Kunst und wurden nicht enttäuscht. Alles war bestens organisiert und das Publikum erstaunlich international (die Franzosen scheinen die Documenta besonders zu mögen). Michael und mir gefielen besonders die Werke des amerikanischen Künstlers Llyn Foulkes, der in Los Angeles lebt und von dem wir noch nie etwas gehört hatten, was auch daran liegt, dass der 77-jährige Künstler die Öffentlichkeit scheut und seit Jahren in den USA keine grössere Ausstellung mehr hatte.
Im Jahr 2013 soll es dann endlich eine Retrospektive in Los Angeles geben. Seine dreidimensionalen Gemälde beschäftigen sich häufig mit der Utopie des amerikanischen Traumes. Sein zweites Steckenpferd ist die Musik. Foulkes baute sich eine Art Schlagzeug aus Hupen und Tröten, welches ebenfalls auf der Documenta zu bestaunen ist. Oder der riesige Wandteppich der polnischen Künstlerin Goshka Macuga, der Gäste eines Festessens vor dem kriegsgebeutelten Darulaman-Palast in Kabul zeigt. Falls ihr in der Nähe von Kassel seid, schaut unbedingt bei der Documenta vorbei.
Michael Wegen der gerade laufenden Fußball-EM fuhren viele Autos mit aufmontierten Deutschlandfahnen und sogar Rückspiegelüberzügen in den Nationalfarben herum. War sahen sogar Deutschlandfahnen in Vorgärten, das hätte es 1996 noch nicht gegeben! Es scheint fast, als ob die Deutschen es sichtlich genießen, das ein halbes Jahrhundert verpönte Nationalgefühl endlich herauszulassen, ganz so, als wäre etwas ehemals Verbotenes endlich wieder erlaubt. In Amerika ist Nationalstolz eher normal, wenngleich jemand mit Amerika-Fahne im Vorgarten in San Francisco eher als trotziger Republikaner in einer für seinen Geschmack zu liberalen Stadt gilt. Ich sage voraus, dass die Deutschen beim Absingen der Nationalhymne auch bald, wie die Amerikaner, die Hand aufs Herz legen werden, im Rundbrief lest ihr es wie immer zuerst!
Nach gewonnenen Spielen bildeten sich allenorts hupende Convoys. Uns Exildeutschen wurde erklärt, das wäre seit der 2006 in Deutschland abgehaltenen WM und dem damals erfundenen "Public Viewing" so, also dem Verfolgen der Spiele auf öffentlich aufgespannten Leinwänden. Da haben die Deutschen die Nase vorn, das gibt es in den USA noch nicht. Beziehungsweise gab es das meines Wissens nur einmal im Jahr 2006, bei der Übertragung des WM-Finales im Dolores Park (Rundbrief 07/2006).
Angelika Wir besuchten Deutschland diesmal nicht wie sonst im tiefsten Winter, sondern im Juni, und das hatte den Vorzug, dass wir Biergärten besuchen und gemütlich in Straßencafes sitzen konnten. Dabei fiel uns sofort auf, dass erstaunlich viele Menschen ein orangefarbenes Getränk im Weinglas zu sich nahmen.
Wir merkten, dass wir in Deutschland mittlerweile echt Ausländer sind, denn Freunde klärten uns lachend auf, dass es sich dabei um das allseits bekannte Mixgetränk Aperol Spritz handelt, das aus Aperol-Likör, Weißwein oder Prosecco, Eiswürfeln und Mineralwasser besteht. Es ist mir ein Rätsel, dass dieses Getränk in der attraktiven Herrenszene unseres Nachbarviertels Castro noch nicht eingeschlagen hat wie eine Bombe.
Allerdings, so unsere Freunde weiter, wäre der Aperol Spritz diesen Sommer längst ein alter Hut. Der sogenannte Hugo hätte ihm mittlerweile den Rang abgelaufen. Wir lernten, dass der Hugo aus Weißwein oder Prosecco, Eiswüfeln, Mineralwsser und Minzblättchen besteht, und natürlich darf die wichtigste Zutat, Holunderblütensirup, nicht fehlen. Da ich ein großer Prosecco-Fan bin, waren beide Getränke der Hit. Mittlerweile wird Prosecco auch in Amerika bekannter und beliebter, zumindest in unseren Gefielden. Da werden wir gleich bei unserer nächsten Party die importierten Renner aus Deutschland präsentieren.
Michael Wie diszipliniert die Deutschen Auto fahren! Vermindert sich die Anzahl der Spuren an einer Baustelle, fahren fast alle vorschriftsgemäß vor bis zur Verengung und fädeln dann abwechselnd von rechts und links, gemäß der vom Verkehrsministerium erlassenen Vorschrift ein. Die Fahrer verringern zwar die Geschwindigkeit, doch Stocken oder gar Staus entstehen meist gar nicht.
In Kalifornien, mit seinen Millionen zum Lenken von Kraftfahrzeugen völlig unbefähigten Bürgern, geht an diesen Engstellen oft gar nichts mehr und kilometerlange Staus entstehen. Der Grund dafür ist, dass das "Late Merging", also das Vorfahren bis zur Engstelle und das dortige Reinquetschen als unhöflich gilt und oft aggressive Reaktionen hervorruft.
In dem Buch "Traffic - Why we drive the way we do" steht das Problem beschrieben, mitsamt vielen weiteren Fakten aus dem amerikanischen Wahnsinn im Autoverkehr. Die "höflichen" Fahrer wechseln je nach Höflichkeitsgrad schon weit vorher die Spur und weigern sich dann, weiter vorfahrende "Late Merger" vor sich reinzulassen. Hässliche Wortwechsel und der Austausch von unfreundlichen Handgesten sind an der Tagesordnung, und ein weiterer Stau entsteht.
Oder wusstet ihr, dass Autos in Amerika mit zwei verschiedene Seitenspiegeln herumfahren? Der Seitenspiegel auf der Fahrerseite weist keinerlei Krümmung auf, ist also plan und sein Spiegelbild deshalb unverzerrt. Der rechte Seitenspiegel hingegen ist nach außen gewölbt (konvex), bildet also eine Art Weitwinkel-Spiegelbild ab und hilft so den toten Winkel auf der Beifahrerseite klein zu halten. Allerdings führt dies dazu, dass Objekte wie seitlich vorbeizischende Autos dichter dran sind, als dies der Spiegel mit seinem Weitwinkel vorgaukelt (und, ja, in Amerika darf man rechts überholen).
Damit amerikanische Autofahrer nicht gleich mit Millionenklagen vor Gericht ziehen, weil sie schnell noch die Spur wechseln, obwohl auf der rechten Fahrbahn schon jemand angebraust kommt, steht auf jedem rechten Seitenspiegel der USA: "Objects are closer than they appear", Objekte sind in Wirklichkeit näher dran, als dies auf den ersten Blick erscheint. Europa stattet hingegen alle Autos mit zwei Weitwinkel-Spiegeln aus. Warnhinweise erübrigen sich.
Angelika Viele glauben: Einmal die Greencard, immer die Greencard. Das war früher einmal so, heute verliert die Greencard wie ein Pass nach zehn Jahren ihre Gültigkeit und der Besitzer muss sich eigenverantwortlich um die Verlängerung kümmern. Auch wir mussten uns dieses Jahr mit diesem Thema beschäftigen, denn unsere Greencard wäre im Juli 2012 abgelaufen. Nun ist die Verlängerung ein nicht ganz so zeit- und nervenaufreibender Akt wie der Erstantrag, sondern eher eine nicht ganz billige bürokratische Formsache. Frühestens ein halbes Jahr vorher kann man den Antrag zur Verlängerung stellen. Auch die Einwanderungsbehörde geht mit der Zeit und der Antrag darf Online ausgefüllt werden. Er wird dann gleich elektronisch an die richtige Zweigstelle der Einwanderungsbehörde geschickt, nämlich nach Phoenix in Arizona. Die Gebühr von schlappen $450 pro Person berappten wir gleich per Kreditkarte. Die eigentliche Verlängerungsgebühr beträgt dabei $365, und $85 entfallen wegen der erneuten Erhebung der biometrischen Daten, also der Abnahme der Fingerabdrücke und der Neuerstellung des Lichtbilds.
Das Formular, das wir auszufüllen hatten, ist eigentlich relativ einfach. Standardinfos wie Name, Adresse, Geburtsdatum, Pass- und Greencardnummer mussten angegeben werden, so wie die Vornamen des Vaters und der Mutter, und dann noch unser Wohnort zur Zeit des Erstantrags. Allerdings stehen am Schluss noch einige Posten der Art "Wenn Sie diese Frage mit Ja beantwortet haben, dann überspringen Sie die nächste Frage und gehen zu Frage 6". Nun sollte dies eigentlich kein Problem sein, denn wir sind ja beide des Lesens kundig, allerdings vergaß irgendein Weltklasseprogrammierer, der das elektronische Formular entworfen hatte, die Posten in der Online-Version entsprechend der Druckversion zu nummerieren. Ein Chaos!
Zunächst erhielten wir nach etwa einer Woche per Post die Bestätigung auf schönem Papier mit Siegel (da lässt sich die Einwanderungsbehörde nicht lumpen), dass unser Geld eingegangen war. Ungefähr drei Wochen später flatterte ein weiterer Brief ins Haus, wann und wo wir unsere Fingerabdrücke abzugeben hätten. Zu diesem Zweck steht in San Francisco das sogenannte USCI (United States Citizenship and Immigration Services) Support Center, ein unscheinbares Gebäude auf dem Broadway-Street. Die Angestellten dort sind sehr auf Zack: Es gibt keine langen Wartezeiten und eine halbe Stunde später hatten sie unsere Fingerabdrücke eingescannt und das neue digitale Lichtbild erstellt.
Sie klebten auch noch einen Sticker auf unsere alte Greencard, um sie automatisch bis September zu verlängern, für den Fall, dass sich das Zusenden der neuen Greencard verzögern sollte und wir Auslandsreisen geplant hätten. Unsere nagelneue Greencard kam aber schon Mitte April an, also ungefähr drei Monate nach der Antragstellung. Lustigerweise kam Michaels Karte zuerst an. Meine trudelte erst eine Woche später ein, obwohl wir alles zur gleichen Zeit beantragt hatten. Da hatte wohl ein Sachbearbeiter zwischenzeitlich den Bleistift fallen gelassen, um in den Urlaub zu gehen. Was haben wir gelacht. Nun gilt die neue Greencard wieder 10 Jahre. Da haben wir ersteinmal wieder ein wenig Ruhe.
Angelika In San Francisco gehört es fast zur Tagesordnung, auf ungewöhnliche Dinge oder Begebenheiten zu stoßen: Unbekleidete ältere Herren, die vor dem Castro-Kino auf Liegestühlen sitzen, zum Beispiel. Wir sind diesbezüglich einiges gewöhnt. Aber wir staunten dann doch nicht schlecht, als wir neulich am Stadtstrand "Ocean Beach" spazieren gingen und auf Grabsteine am Strand stießen.
Zunächst dachten wir, es handle sich um Auswirkungen des japanischen Tsunamis, denn seit Wochen berichtete die Presse schon darüber, dass die verschiedensten Dinge aus Japan an pazifischen Stränden in den USA und Kanada aufgetaucht waren. Diese Theorie verwarfen wir allerdings, als wir die amerikanischen Namen auf den Grabsteinen lasen. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich einmal beim Verfassen eines Rundbriefberichts über San Franciscos ausgelagerte Friedhöfe (Rundbrief 02/2006) erfahren hatte, dass die Stadt damals Grabsteine und Teile von Mausoleen für alle möglichen Bauvorhaben zweckentfremdet hatte.
Als San Francisco anfangs des 20. Jahrhunderts fast alle Stadtfriedhöfe schloss und die Ruhestätten vor die Tore der Stadt nach Colma verlagerte, bettete die Stadt die meisten Toten brav um. Die Grabsteine ereilte aber oft ein anderes Schicksal, denn die Familien mussten zwar nichts für das Umbetten ihrer Toten zahlen, aber für das Umsetzen der Grabsteine verlangte die Stadt Gebühren von den Hinterbliebenen. Viele der Grabsteine verblieben deshalb vor Ort und fanden, ganz pragmatisch, Verwendung als Teile der Uferbefestigung am Pazifikstrand Ocean Beach.
Nun leben wir ja mittlerweile schon seit fast 16 Jahren in San Francisco, doch Grabsteine am Strand waren uns neu. Heftige Winterstürme und Winde legen die alten Grabsteine, die immer noch erstaunlich gut erhalten sind, tatsächlich manchmal frei. Dies passiert aber so selten, dass gleich die ortasässigen Zeitungen über das Ereignis berichteten. Uns schrieb dann sogar ein Redakteur der Webpublikation SFBay an, die blogartige Artikel über lokale Begebenheiten veröffentlicht. Der Mann war unter Zeitdruck, brauchte noch ein Bild und fragte, ob sie Michaels Schnappschuss auf Flickr für ihren Artikel benutzen dürften. Wir sagten zu, und wenn ihr im Artikel auf das zweite Bild von oben klickt, kommt Michaels Bild zum Vorschein. Es zeigt mich im Hintergrund mit Sonnenhut. Später schrieb auch der San Francisco Chronicle einen Bericht über das Phänomen.
Angelika Im Mai diesen Jahres feierte ganz San Francisco den 75. Geburtstag der Golden Gate Bridge. Jeder kennt und bestaunt die weltberühmte Brücke, die auch noch nach 75 Jahren ihren Reiz nicht verloren hat und die Einfahrt zum Goldenen Tor ("Golden Gate") überbrückt, um San Francisco mit dem Landkreis Marin im Norden zu verbinden. Es gibt nichts Schöneres als an einem sonnigen Tag über die rötlich schimmmernde Brücke zu fahren und die Ausblicke auf San Francisco und die Boote in der Bucht zu genießen. Oder wenn der so typische San-Francisco-Nebel die Brücke magisch umhüllt und nur noch die Spitzen der oberen Brückenpfeiler zu sehen sind. Und noch im Baujahr 1933 hielt es kaum jemand für möglich, eine Brücke zu bauen, die derart starken Winden, Strömungen, Salzwasser, Nebel und Erdbeben ausgesetzt ist.
Der Geburtstag wurde dann auch gebührend gefeiert. Es gab Austellungen, Konzerte, Memorabilien und als Krönung ein riesiges Feuerwerk. Die Festveranstalter sperrten die Brücke dieses Mal aber nicht für den Autoverkehr, um Fußgänger die Brücke auf den sonst nur für Autos vorgesehenen Fahrbahnen überqueren zu lassen, denn beim 50. Geburtstag hatte das zu solch einem Ansturm von Menschenmassen geführt, dass sich die Brücke gefährlich in der Mitte durchgebogen hatte.
Heute ist die Golden Gate Bridge das wohl bekannteste Wahrzeichen der Stadt, doch als sie gebaut wurde, gab es, wie in San Francisco üblich, Proteste. Der berühmte kalifornische Fotograf Ansel Adams rümpfte zunächst die Nase und fotografierte die San Francisco Bucht noch schnell einmal ohne die Brücke. Auch der Umweltverband "Sierra Club" sowie die Golden Gate Ferry Company protestierten gegen das Bauprojekt. Der Chicagoer Brückenbauer Joseph Strauss verwirklichte dennoch seinen Traum und baute die zur damaligen Zeit längste Hängebrücke der Welt in vier Jahren und für schlappe 35 Millionen Dollar. Allerdings hatte der Mann nicht viel mit Design am Hut und die Brücke wäre nach seinen Vorstellungen ein eher klobiger Stahlklotz geworden. Charles Ellis, der sich auf die Theorien des berühmten Hängebrückenbauers Leo Moisseff stützte, sei Dank, denn er setzte sich mit seinem Brückendesign durch, da er davon überzeugt war, dass auch eine in der Architektur filigranere Brücke den Wetterbedingngen standhalten würde. Leider verschämte ihn Strauss deswegen und Ellis kam erst zu spätem Ruhm, als einer der Väter der Golden Gate Bridge.
Auch sollte die Brücke nach dem Willen der Marine schwarz-gelb gestreift gestrichen werden, aber Gott sei Dank setzte sich das eher rötlich schimmernde, sogenannte "International Orange" durch. Es käme in San Francisco wohl zu tumultartigen Aufständen, falls jemand die die Brücke in einer anderen Farbe anstreichen wollte. Die Brücke sorgt aber auch so ständig für Gesprächsstoff. So wurde vorgeschlagen, unter dem Brückengeländer Netze aufzuspannen, die verhindern sollen, dass Selbstmörder von der Brücke in den Tod springen. Denn so wie die Schönheit der Brücke Touristen magisch anzieht, fühlen sich leider auch vom Leben Gebeutelte in den Bann der Brücke gezogen. Sie führt die traurige Statistik als Ort mit den meisten Sebstmorden an. Etwa 1500 Menschen sollen schon von der Golden Gate Bridge gesprungen sein. Die Netze, die das Springen verhindern könnten, sind zwar mittlerweile beschlossene Sache, aber es fehlen 45 Millionen Dollar, um sie zu installieren. Zur Zeit stehen deshalb auf der Brücke Krisentelefone. Und falls sich jemand merkwürdig auf der Brücke verhält, eilen Krisenhelfer auf Fahrrädern herbei. Der empfehlenswerte Dokumentarfilm "The Bridge" von Eric Steel beleuchtet die schaurigen Vorgänge hinter den Kulissen.
Übrigens hält sich noch immer das Gerücht, dass Touristen die Brückenpfeiler im Zuge einer Tour hinaufklettern dürfen, um dann auf die Brücke hinunterzuschauen. Das ist nicht richtig, denn sonst hätten wir das nämlich schon längst gemacht! Drüber fahren wir allerdings häufig, der Brückenzoll beträgt mittlerweile übrigens 6 Dollar, und mit dem Maut-Transponder "Fastrak" (Rundbrief 04/2006) 5 Dollar. Es wird nur in einer Richtung kassiert, nämlich wenn man von Norden kommend in die Stadt hineinfährt. Fußgänger und Fahrradfahrer dürfen kostenlos drüber. Nachts ist die Brücke für Fußgänger geschlossen. Fahrradfahrer dürfen nur auf den seitlichen Fußwegen über die Brücke fahren (also nicht auf der Straße), dafür allerdings 24 Stunden am Tag. Die Webseite mit den Brückenregeln führt noch weitere Details auf, wie dass zum Beispiel keine Hunde, Skateboards, Roller Blades oder E-Bikes im Power-On-Modus auf den Gehwegen erlaubt sind.
Michael Ist es am Wochenende sonnig, fahren wir oft die 15 Minuten zum Strand in Pacifica, um dort zu lesen und den Surfern zuzuschauen. Im Kofferraum liegen stets zwei Klappstühle bereit und seit ein paar Wochen ein Strandzelt, das wir im Costco-Supermarkt zum Schlagerpreis von $40 erworben haben. Dieses Zelt ist die Wucht in Tüten.
Um es aufzuspannen, muss man es nur aus seinem etwa 1,5 Meter langen Nylonsack mit 25cm Durchmesser hervorholen und an zwei Schnüren ziehen, dann schnalzt es auf. Der Profi füllt die am unteren Rand hervorlugenden Sandtaschen mit Sand, steckt ein paar Plastikheringe in den Boden und schon steht es stabil da, selbst am teilweise recht zugigen Strand von Pacifica. Es bietet Schatten und hält den Wind ab, und man kann mit unseren Klapp-Liegestühlen, die ich vor vielen Jahren mal beim Bergsteigerladen REI gekauft habe, bequem darunter liegen. Und ratet mal, wer dort gerade auf seinem Laptop herumklimpert und diese Zeilen schreibt?
Zum vollkommenen Glück fehlt mir jetzt noch ein Handkarre mit Ballonreifen, mit dem man die ganze Ausrüstung bequem über weichen Sand ziehen kann. Die "Magna Carta"-Karre am linken Rand in Abbildung 21 mit ihren dünnen Reifen ist zwar ideal zum Herumkutschieren von Getränkekisten auf geteertem Boden, sinkt aber im weichen Sand ein und muss getragen werden. Die Firma wheeleez.com bietet zum Mondpreis von $249 ein entsprechendes Mondfahrzeug (Abbildung 23) an, aber wer hat schon Platz für so ein Monster im Kofferraum?
Michael Als ich im Target-Supermarkt an der Kasse vor kurzem einen 2-Dollar-Schein als Wechselgeld erhielt, dachte ich zunächst, die Kassiererin wollte mich zum Narren halten. Wie ich aber kurze Zeit später auf Wikipedia herausfand, handelt es sich bei dem Schein um ein zwar sehr selten gesehenes, aber durchaus gültiges Zahlungsmittel, vergleichbar etwa mit den ebenfalls von Kassierern verfluchten Dollarmünzen, die einige Postautomaten als Wechselgeld ausspucken.
Wer derartige Raritäten erhält, versucht sie schleunigst wieder an den Mann zu bringen, denn die Dollarmünzen reißen Löcher in die Hosentaschen und die seltenen Scheine werden nur widerwillig angenommen, da sich in den Kassenschubladen keine passenden Fächer für sie finden.
Wer allerdings eine 3-Dollar-Note erhält, sitzt definitiv einer Fälschung auf. Es ist allgemein bekannt, dass es keine echten Banknoten dieser Denomination gibt, und deshalb drucken Werbetreibende oder Organisatoren politischer Kampagnen manchmal 3-Dollar-Noten zur Volksbelustigung. Und der Musiker Beck schreibt im Song Sissyneck mit "I'm writing my will on a 3 dollar bill" gar sein Testament auf eine offensichtlich falsche 3-Dollar-Note.
Michael San Francisco tut viel für seine Fahrradfahrer, für amerikanische Verhältnisse fast absurd viel. Erinnert ihr euch noch an den einmal im Rundbrief 08/1999 erwähnten Wiggle? Das ist eine von der Bicycle Coalition, einem Club radikaler Fahrradfahrer, geförderte Wiggle-Route durch San Francisco.
Wie ihr wisst, stehen in unserer Stadt teilweise gemeine Hügel im Weg, wenn man von einem Stadtteil zum anderen radeln möchte. Die Route schlängelt sich langsam von der Market Street im Zickzack durch die Viertel "Lower Haight" und "Panhandle", bis zum Golden Gate Park. Dabei bringt sie das Kunststück fertig, den Radlern zu keiner Zeit mehr als 6% Steigung abzuverlangen. Wer weiß, dass wir hier Straßen mit bis zu 30% Steigung haben, eventuell schon einmal versucht hat, diese im ersten Gang hochradeln und Angst hatte, hintüber zu kippen, weiß den Wiggle zu schätzen.
Neulich fiel mir auf, dass die Stadtverwaltung an den Abbiegestellen nun riesige Zeichen auf den Asphalt hat malen lassen. So wissen auch ungeübte Radler sofort, wie man den Windungen des Wiggle folgt.
Michael Hin und wieder legen bei Yahoo unsichtbare Firmenfeen kleine Geschenke auf die Schreibtische hart arbeitender Ingenieure. Ein paar Eintrittskarten für ein Baseballspiel hier, eine Süßigkeit da, und reihenweise sogenannter "Swag" (oder auch "Schwag"), der Fachbegriff für den Firlefanz, den man auf Konferenzen und Messen in die Hand gedrückt bekommt. Ein weiteres Wort für diese Werbegeschenke ist Tchotchke, ein aus dem jiddischen stammender Begriff, der seinen Ursprung in dem slawischen Wort für "Spielzeug" hat.
Eines Morgens fand ich auf meiner Tastatur eine Starbucks-Karte mit Yahoo-Logo im Wert von 5 Dollar, die ich erfreut in meinen Geldbeutel steckte und den zugehörigen Umschlag sofort im Altpapiereimer verschwinden ließ. Später fand ich heraus, dass es verrückte Sammler gibt, die für solche Karten auf Ebay richtig Geld zahlen. Es sprach sich herum, dass die in niedriger Auflage gedruckten Yahoo-Starbuckskarten in Auktionen teilweise bis zu 100 Dollar Erlös einbrachten.
Eine Art Goldrausch setzte ein, dutzende der Karten tauchten auf Ebay auf, und der Markt brach langsam zusammen. Ich wurde meine, inklusive dem wieder der aus dem Abfalleimer gefischten Umschlag, schließlich für $65 los. Sicher freut sich die Sammlerin über das neue Prachtstück ihn ihrem Album.
Grüße aus dem verrückten Land:
Angelika & Michael
|
|
|
|
|
Rundbriefe 1996-2016 als PDF:
Jetzt als kostenloses PDF
zum Download.
Spezialthemen:
USA: | Schulsystem-1, Schulsystem-2, Redefreiheit, Waffenrecht-1, Waffenrecht-2, Krankenkasse-1, Krankenkasse-2, Medicare, Rente, Steuern, Jury-System, Baseball, Judentum |
Immigration: | Visa/USA, Warten auf die Greencard, Wie kriegt man die Greencard, Endlich die Greencard, Arbeitserlaubnis |
Touren: | Alaska, Vancouver/Kanada, Tijuana/Mexiko, Tokio/Japan, Las Vegas-1, Las Vegas-2, Kauai/Hawaii, Shelter Cove, Molokai/Hawaii, Joshua Nationalpark, Tahiti, Lassen Nationalpark, Big Island/Hawaii-1, Big Island/Hawaii-2, Death Valley, Vichy Springs, Lanai/Hawaii, Oahu/Hawaii-1, Oahu/Hawaii-2, Zion Nationalpark, Lost Coast |
Tips/Tricks: | Im Restaurant bezahlen, Telefonieren, Führerschein, Nummernschild, Wohnung mieten, Konto/Schecks/Geldautomaten, Auto mieten, Goodwill, Autounfall, Credit Report, Umziehen, Jobwechsel, Smog Check |
Fernsehen: | Survivor, The Shield, Curb your Enthusiasm, Hogan's Heroes, Queer Eye for the Straigth Guy, Mythbusters, The Apprentice, The Daily Show, Seinfeld |
Silicon Valley: | Netscape-1, Netscape-2, Netscape-3, Yahoo! |
San Francisco: | SoMa, Mission, Japantown, Chinatown, Noe Valley, Bernal Heights |
Privates: | Rundbrief-Redaktion |