Angelika In San Francisco gehört es fast zur Tagesordnung, auf ungewöhnliche Dinge oder Begebenheiten zu stoßen: Unbekleidete ältere Herren, die vor dem Castro-Kino auf Liegestühlen sitzen, zum Beispiel. Wir sind diesbezüglich einiges gewöhnt. Aber wir staunten dann doch nicht schlecht, als wir neulich am Stadtstrand "Ocean Beach" spazieren gingen und auf Grabsteine am Strand stießen.
Zunächst dachten wir, es handle sich um Auswirkungen des japanischen Tsunamis, denn seit Wochen berichtete die Presse schon darüber, dass die verschiedensten Dinge aus Japan an pazifischen Stränden in den USA und Kanada aufgetaucht waren. Diese Theorie verwarfen wir allerdings, als wir die amerikanischen Namen auf den Grabsteinen lasen. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich einmal beim Verfassen eines Rundbriefberichts über San Franciscos ausgelagerte Friedhöfe (Rundbrief 02/2006) erfahren hatte, dass die Stadt damals Grabsteine und Teile von Mausoleen für alle möglichen Bauvorhaben zweckentfremdet hatte.
Als San Francisco anfangs des 20. Jahrhunderts fast alle Stadtfriedhöfe schloss und die Ruhestätten vor die Tore der Stadt nach Colma verlagerte, bettete die Stadt die meisten Toten brav um. Die Grabsteine ereilte aber oft ein anderes Schicksal, denn die Familien mussten zwar nichts für das Umbetten ihrer Toten zahlen, aber für das Umsetzen der Grabsteine verlangte die Stadt Gebühren von den Hinterbliebenen. Viele der Grabsteine verblieben deshalb vor Ort und fanden, ganz pragmatisch, Verwendung als Teile der Uferbefestigung am Pazifikstrand Ocean Beach.
Nun leben wir ja mittlerweile schon seit fast 16 Jahren in San Francisco, doch Grabsteine am Strand waren uns neu. Heftige Winterstürme und Winde legen die alten Grabsteine, die immer noch erstaunlich gut erhalten sind, tatsächlich manchmal frei. Dies passiert aber so selten, dass gleich die ortasässigen Zeitungen über das Ereignis berichteten. Uns schrieb dann sogar ein Redakteur der Webpublikation SFBay an, die blogartige Artikel über lokale Begebenheiten veröffentlicht. Der Mann war unter Zeitdruck, brauchte noch ein Bild und fragte, ob sie Michaels Schnappschuss auf Flickr für ihren Artikel benutzen dürften. Wir sagten zu, und wenn ihr im Artikel auf das zweite Bild von oben klickt, kommt Michaels Bild zum Vorschein. Es zeigt mich im Hintergrund mit Sonnenhut. Später schrieb auch der San Francisco Chronicle einen Bericht über das Phänomen.