Angelika/Mike Schilli |
Michael Warum zahlen wir in Amerika $60 im Monat für Telefon und Internet, müssen $2.50 pro Minute für Anrufe nach Deutschland berappen, falls wir vergessen, eine Sondernummer einzugeben oder einen Spezialplan abzuschließen und blechen $60 obendrauf für einen Kabelanschluss mit Premiumprogrammen? In europäischen Ländern kostet ein vergleichbares Paket etwa ein Drittel.
Im Mai dieses Jahres war der Stanford-Professor Lawrence Lessig bei Yahoo und hat's uns erklärt. Anders als man es von einer High-Tech-Nation erwarten würde, belegt Amerika im weltweiten Vergleich in punkto Internetverfügbarkeit nur Platz 15. Sogar in Bukarest ist die Abdeckung besser als in Chicago! Das Problem ist mangelnde Konkurrenz unter den Anbietern, denn die Inhaber der Telefon- und Kabelnetzwerke operieren als vom Staat akzeptierte Quasi-Monopolisten.
Wie sind die USA in diese verfahrene Situation geraten? Im Jahr 1996 bestimmte der Telecommunication Act, dass die Telefongesellschaft AT&T ihr Netzwerk auch Drittanbietern überlassen musste, ohne dafür exzessive Preise zu verlangen. Für das Fernsehkabelnetzwerk galt das nie, Firmen wie Verizon und Comcast mussten keinen Konkurrenten Zugang zu ihrer einst für teures Geld gebauten Kabelinfrastruktur gewähren. Diese Ungleichbehandlung führte zu endlosen Querelen zwischen den Telekom- und Kabelfirmen, und im Jahr 2000 entschied der Supreme Court indirekt, dass der Staat auch die Telefongesellschaften nicht mehr zum Öffnen ihrer Netze zu diktierten Konditionen verdonnern konnte. Die teilweise staatliche Regulierung wich also einem nur den Gesetzen des Monopolmarktes unterliegenden Verfahren.
Ganz anders in Europa: Dort griff der Staat in den 90ern massiv in die Wirtschaft ein, zwang die Telekombetreiber zur Entbündelung, also dazu, ihre Serviceleitungen auch Drittanbietern zu nicht überhöhten Preisen anzubieten, "entbündelt" von eigenen Telekomleistungen. Ziel des Verfahrens war es, die Konkurrenz zu stärken, die technische Entwicklung voranzutreiben und auf längere Sicht die Preise für den Endverbraucher zu senken.
Rückblickend handelt es sich also um ein ab dem Jahr 2000 geführtes wirtschaftsgeschichtliches Experiment, das auf zwei Kontinenten mit unterschiedlichen Spielregeln ablief. Welches Verfahren bringt dem Verbraucher auf Dauer die besseren Konditionen? Welches treibt die technische Entwicklung am schnellsten voran? Sollte der Staat eingefahrene Monopole regulieren oder eingesessene Firmen gewähren lassen? Für die Regulierung der Monopolisten spricht das damit verbundene Ankurbeln der Konkurrenz. Als Gegenargument brachten die eingesessenen Monopolhalter damals vor, dass staatlicher Eingriff zukünftige Investitionen zügele und den technischen Fortschritt zum Erliegen bringe.
Das Ergebnis ist heute offensichtlich: Amerika hinkt im Telekomsektor Europa nicht nur technologisch signifikant hinterher, sondern fordert dem Endverbraucher auch noch höhere Gebühren für schlechteren Service ab. Wir blicken neidisch auf eure preisgünstigen Internet-, Telefon- und Kabelangebote. Den Lessig-Vortrag auf Video könnt ihr euch kostenlos im Internet ansehen, er dauert allerdings 54 Minuten. Der Teil über die amerikanischen Probleme mit Telefon- und Kabelmonopolen beginnt ab Minute 6:48.
Angelika Das amerikanische Thanksgiving ist für uns ein äußerst angenehmes Fest, denn wir haben keinerlei Verpflichtungen und Gepflogenheiten zu folgen, sondern können die freien Tage, die uns der Feiertag Ende November schenkt, entspannt genießen (Rundbrief 11/2001). Thanksgiving ist in den USA wirklich eine große Sache. Jeder besucht die Familie, sodass der Auto- und Flugverkehr dichter ist als zu Weihnachten.
Dieses Jahr haben wir uns doch tatsächlich darauf eingelassen, das traditionelle Truthahnessen vorzubereiten. Da ich aber weder wusste, wie man so einen Vogel richtig gar kriegt, noch den nötigen Bratentopf hatte oder den ganzen Tag in der Küche stehen wollte, griff ich auf eine äußerst praktische Einrichting zurück in diesem Land, wo der Kunde oft noch König ist. Viele der großen Supermärkte oder Delikatessenläden bieten nämlich fertig gekochte Festtagsessen mit allem, was dazu gehört, an. Das Essen muss dann nur noch zu Hause aufgewärmt werden. Ich bestellte also bei unserem Nobelbiosupermarkt "Whole Foods" das Festmahl online und holte es an Thanksgiving am Morgen ab.
Alles war super organisiert. Ich musste nicht einmal in den Laden rein, sondern konnte mein fertig gepacktes Paket an einem Lastwagenanhänger, der auf dem Parkplatz des Supermarktes geparkt war, entgegen nehmen. Das Paket beinhaltete einen fertig gekochten Biotruthahn, Kartoffelbrei, Bratensoße, Cranberrymus, Brötchen und zum Nachtisch Kürbiskuchen sowie Anleitungen zum korrekten Aufwärmen der Speisen. Der Truthahn brauchte tatsächlich sage und schreibe zwei Stunden, bis er wieder warm war. Alles schmeckte hervorragend und der Vogel war erstaunlicherweise saftig und gar nicht trocken. Ein Hoch auf den amerikanischen Pragmatismus.
Michael Vor drei Jahren habe ich im Rundbrief 02/2007 über den DVD-Versand Netflix berichtet, mittels dem wir fernsehen, anstatt horrende Gebühren für grottenschlechte und werbungsverseuchte Kabelzusatzkanäle zu zahlen. Schon seit damals bot Netflix einen Teil seines DVD-Sortiments auch übers Internet an, allerdings musste man dazu einen Computer anwerfen. Ich habe schon vor Jahren vorausgesagt, dass dieser Service dann erst wirklich abheben würde, falls er direkt im Fernsehkasten und nicht auf einem extra Computer liefe, und siehe da, Netflix hat mich erhört und arbeitet seit einiger Zeit mit allerhand Gimmickkästenfabrikanten zusammen, die das Internet-Netflix auf den Fernsehschirm zaubern.
Neulich gab auch noch unser alter Röhrenfernseher den Geist auf und ich kaufte auf einen Tipp unseres Fernsehkastenfachmanns Roland hin gleich den neuesten LED-Bildschirm (nicht LCD, ihr Hinterweltler), der Internet-Netflix schon eingebaut hat. Man stelle sich vor: Ein Fernseher mit einem eingebauten Computer, der über's Internet Filme reinsaugt. In einer Zeit leben wir!
Wie gesagt läuft Netflix seit jeher auf Computern, allerdings nur auf Windows und dem Mac. Nicht auf dem Linux-System, mit dem ich im Arbeitszimmer meine welterschütternden Skripts zusammenklopfe. Nach einer Weile angestrengten Nachdenkens fiel mir ein, dass der Bildschirm dort aber noch über einen zweiten Eingang verfügt, und so kaufte ich für 70 Dollar im Sommerschlussverkauf einen sogenannten Roku-Kasten, eines der vielen Geräte auf dem Markt mit eingebautem Netflix. Den stöpselte ich am Bildschirm und auch an meinem dort ebenfalls stehendem 5-Kanal-Soundsystem ein (ich höre gerne Musik beim Arbeiten). Seitdem brauche ich mich gar nicht mehr vom Chefsessel zu erheben, um das hervorragende und absolut werbungsfreie Kinoprogramm zu genießen.
Und der Preis für ein Netflix-Abo kann sich sehen lassen: Für etwa 10 Dollar im Monat darf man soviele Online-Filme sehen, wie man will, und Netflix schickt jeweils eine richtige DVD per Post, die man beliebig oft zurückschicken darf, und nach ein paar Tagen ist die nächste im Postkasten. Das ist wichtig, denn viele bekannte und vor allem neuere Filme gibt es nur auf DVD und noch nicht im Internet-Netflix.
In den Genuss dieser Filmschwemme kommen bislang nur die Amerikaner, neulich kam Kanada hinzu. Ihr in Deutschland müsst wohl noch ein paar Jährchen darauf warten, dass die Hollywood-Mogule den Netflixern ihren Segen zum Öffnen der Schleusen erteilen. Laut einem Artikel in der New York Times über Netflix stehen der Firma allerdings schwere Zeiten bevor: Die Kabelkonglomerate haben begriffen, dass Netflix mit geschickter Verhandlungstaktik 2008 dem Fernsehzahlkanal "Starz" Disney- und Sony-Filme zu erstaunlich günstigen Preisen abgeluchst hat. Jetzt steht Netflix auf einmal als Preisverderber da, denn der Verbraucher sieht nicht mehr ein, überhöhte Kabelgebühren zu berappen. Netflix muss sich warm anziehen für die nächste Runde.
Michael Unser alter Röhrenfernseher musste weg und da ein Aufkleber auf unserer Mülltonne auf den kostenlosen Service recyclemyjunk.com ("Recycle meinen Müll") hinwies, rief ich dort an. Die freundliche Dame am anderen Ende der Leitung bestätigte, dass sie gerne meinen alten Fernsehkasten abholen ließe und wir machten einen Termin in der folgenden Woche aus, vorher war alles schon vergeben.
Die Entsorgungsdame instruierte mich, das Röhrenmonster an dem anberaumten Tag auf den Gehsteig vor dem Haus zu stellen und mit einem Zettel zu versehen, auf dem in großen Lettern "RMJ" stehe. Vorsichtig fragte ich nach, was denn das bedeute und sie klärte mich darüber auf, dass dies für "Recycle my junk" stehe. Was haben wir gelacht! Am Abholtermin fuhren wir ausgerechnet noch in Urlaub und mussten schon in der Frühe los zum Flughafen, stellten aber den Kasten einfach schon am Vorabend runter auf den Gehsteig und machten den Zettel dran. Als wir nach einer Woche wieder kamen, war der Kasten weg. Amerika holt auf in Punkto Müll.
Angelika Im letzten Rundbrief habe ich über die bevorstehenden Kongresswahlen berichtet (Rundbrief 10/2010) und mittlerweile sind die Ergebnisse schon fast wieder ein alter Hut. Wie zu erwarten war, verloren die Demokraten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus und konnten nur sehr knapp ihre Mehrheit im Senat aufrecht erhalten. Obama spürt schon jetzt die Folgen, denn der Kongress verlängerte gerade erst die von Bush eingeführten Steuervergünstigungen, und dies auch für die Superreichen, was Obama gern verhindert hätte.
Aber in Kalifornien geschah ein kleines Wunder: Die ehemaligen Firmenchefs, Meg Whitman und Carly Fiorina, strafte der Wähler ab, und katapultierte Jerry Brown ins Amt des Gouverneurs, und auch Barbara Boxer behielt ihren Senatorensessel. Auch andere liberale demokratische Figuren schafften es in Kalifornien in hohe Ämter: Unser Bürgermeister Gavin Newsom übernimmt im Januar das Amt des Vizegouverneuers und die ehemalige Oberstaatsanwältin von San Francisco, Kamala Harris, die für ihre progressiven Ideen Berühmtheit erlangte und gegen die Todesstrafe ist, ist neue kalifornische Justizministerin.
Michael Neulich in der Frühe teilten mir Gewährsleute mit, dass ich auf der Titelseite der Silicon-Valley-Zeitung "San Jose Mercury News" gelandet wäre. Wie sich herausstellte, allerdings nicht, weil ich endlich eine Startup-Klitsche für ein paar Milliarden an einen Konzern verkloppt hätte, sondern im Rahmen eines Artikels über die Pendler von San Francisco ins Silicon-Valley und die privaten Shuttlebusse großer Softwarefirmen, die diesen Service kostenlos anbieten. Freilich ein alter Hut für treue Rundbriefleser, die dies schon seit 2007 wissen (Rundbrief 04/2007).
Michael In Deutschland sind Sonderangebote und Rabattpunkte ja eher die Domäne alter Leute und Pfennigfuchser, die auf geizhals.de nach Spar- und Knausertipps fahnden. In Amerika sieht man aber auch durchaus gut verdienende Leute an der Kasse mit Coupons hantieren, deren Barcode der Kassierer einscannt. Falls der Coupon gültig ist, zieht die Kasse den Rabattbetrag gleich ab. Lustig bei den Coupons im Heftchen des Riesensupermarkts Costco ist, dass alle die gleiche Barcodenummer führen. Kauft man also Klopapier und gibt dem Kassierer den Coupon für Designer-Parfüm, zieht die Kasse den Klopapierrabatt ordnungsgemäß ab. Oft scannen die Costco-Fritzen auch einfach ein an der Kasse pappendes Schild ein, das denselben Code aufweist und bei mehrmaligem Klicken den Rabatt auf alle gekauften Produkte abzieht. Allerdings sieht das anscheinend die Geschäftsleitung und die werbetreibende Industrie nicht so gerne und manchmal ziehen die Costco-Leute plötzlich strenge Saiten auf und der empörte Kunde muss die passenden Coupons einzeln aus dem Heft fummeln. Die Costco-Zentrale hat mich übrigens einmal von ihrer Mailingliste gestrichen und ich bekam kein Couponheft mehr. Postwendend rief ich dort an und forderte die sofortige postalische Zustellung eines Ersatzhefts!
Auch mit Clubkarten von großen Supermärkten lässt sich gut Geld sparen. Bei Safeway zum Beispiel sind das bei einem größeren Einkauf schnell mal 10%. Und ich habe es mir mittlerweile angewöhnt, auch bei Ketten, bei denen ich noch nie vorher eingekauft habe, nach der Clubkarte zu fragen. Neulich in San Diego kauften wir zum Beispiel Lebensmittel für $50 ein und ich hatte keine Clubkarte für die "Kroger"-Kette, weil es die San Francisco nicht gibt. An der Kasse haute ich dann die Kassiererin um ein Formular für einen Kartenantrag an, aber sie sah, dass ich auf Urlaub war und scannte schnell einen Gastcode aus einem unter der Kasse liegenden Heftchen ein, der mir ebenfalls Clubpreise bescherte. Gesparter Betrag: mehr als $10.
Vor kurzem erfuhr das Coupongeschäft eine bahnbrechende Trendwende: Mittlerweile bieten Websites wie groupon.com personalisierte und auf die Wohngegend zugeschnittene elektronische Coupons an. Das ist der Hammer! Neulich bekam ich zum Beispiel eine Email von bloomspot.com, einer weiteren Coupon-Website, auf der ich meine Email-Adresse eingetragen habe. Gegen Zahlung von $4 per Kreditkarte boten sie einen Gutschein im Wert von $14 für die Whole-Foods-Supermarktfiliale bei uns um die Ecke an. Ich schlug sofort zu, und nach zwei Wochen kam eine Gutscheinkarte per Post an, die ich auf dreimal einlöste, weil ich in dem Wucherladen nur wenige wirklich gute Dinge wie zum Beispiel Brot einkaufe.
Örtlich spezialisierte Coupon-Websites erscheinen zur Zeit so lukrativ, dass Yahoo neulich über zwei Milliarden Dollar und Google später angeblich drei Milliarden Dollar für Groupon boten! Für eine kleine Rabattklitsche wie Groupon ist das freilich ein absurder Betrag, doch wir befinden uns anscheinend schon wieder in der nächsten Internetblase, in der die Analysten den Wert von Quatschfirmen ermitteln, indem sie deren Jahresgewinn aufs nächste Jahrzehnt hochrechnen. Manche lernen's nie.
Apropos Rabatt: Den in Rundbrief 01/1999 schon eimal besprochenen Mail-In-Rebate zahlen immer mehr Firmen nicht mehr als Scheck aus, sondern man bekommt eine Visa-Karte zugeschickt. Dort sind dann, sagen wir mal, $20 drauf, aber wie löst man die vollständig ein? Vorplanen kann man das kaum, da man ja wegen der krummen Preise und der nachher aufgeschlagenen Verkaufssteuer nie genau auf einen runden Betrag kommt. Nicht verzagen: Ich kaufe meistens etwas für etwa $25 beim Target und sage der Kassiererin, dass sie $20 von der Karte abbuchen soll und ich ihr den Rest in bar gebe. Funktioniert einwandfrei.
Angelika Von Baseball verstehe ich ja absolut nichts. Ich habe mir weder jemals ein Spiel im Fernsehen noch im Stadium angeschaut. In der Arbeit habe ich mal einen fünf Jahre alten Baseball-Fan betreut, der das nicht fassen konnte. Natürlich weiß ich schon, dass zum Spielen ein Baseballschläger mit dem dazugehörigen Ball benötigt wird, dass es einen Werfer und Fänger gibt und die Spieler versuchen, zu bestimmten Plattformen ("bases") zu gelangen, aber das war es dann auch schon. Auch weiß ich, dass die San Francisco Giants unsere Stadtmannschaft sind.
Im Herbst machte sich dann aber plötzlich eine euphorische Stimmung in der Stadt breit, die selbst ich nicht ignorieren konnte. Überall sahen wir Schilder mit "Go Giants" in der orangen Markenfarbe des Teams und andauernd fragte man uns, ob wir denn die Spiele der Giants mitverfolgen würden. Die Giants waren nämlich kurz davor, die sogenannten "World Series" zu gewinnen, die im Herbst stattfindende Meisterschaft der beiden amerikanischen Baseball-Profiligen. Die Sieger der National League und der American League treffen dabei aufeineinander und spielen insgesamt sieben Mal in kurzer Folge gegeneinander, bis der Sieger feststeht. Es ist natürlich etwas vermessen, in diesem Zusammenhang von einer Weltmeisterschaft zu sprechen, aber der Amerikaner sieht das nicht so eng.
Auf jeden Fall gewannen die San Francisco Giants nach 56 Jahren das erste Mal wieder die World Series und San Francisco stand Kopf. Nicht nur das Rathaus wurde orangefarben angestrahlt, sondern die Leute tanzten buchstäblich auf der Straße. In Noe Valley, unserem Viertel, gab es Hupkonzerte, und Fahnen schwenkende Fans hielten fahrende Autos an und gratulierten den Insassen. Das begeisterte selbst einen Baseball-Muffel wie mich.
Michael Ob an den Salat, in die Pfanne oder auf Grillgut: Olivenöl verleiht dem Essen eine besondere Note. Wichtig ist aber, es gleichmäßig und dünn aufzutragen, schließlich mag später niemand ölige Kalorienbomben verzehren. Die Lösung fand ich neulich im Laden Bed-Bath-And-Beyond: Eine Spraydose namens "Misto", in die man Öl hineinfüllt, dann mit Hilfe eines Aufsatzes von Hand Druckluft hineinpumpt und anschließend per Knopfdruck einen schönen Nebel produziert, der das Olivenöl hauchdünn auf Speisen aufträgt.
Das zehn Dollar teure Teil ist angeblich aus Europa (wenngleich ich nicht glaube, dass sich ein Produkt namens "Misto" in Deutschland verkaufen ließe) und lässt sich im Misto-Infomercial auf Youtube bewundern.
Im Sprühnebel sind natürlich keinerlei Treibgase, sondern nur 100% reines Olivenöl und Luft. Einmal aufgepumpt bleibt die Flasche wochenlang betriebsbereit. Es mag zwar etwas merkwürdig anmuten, wenn der Koch beim Zubereiten von Tomaten mit Mozarella mit der Spraydose hantiert, doch das muss man ja nicht gerade vor den Augen der Gäste vorführen! Toppprodukt!
Angelika Neulich wollte ich mit der J-Straßenbahn von der Powell Station in der Innenstadt nach Hause fahren und kramte im Untergrund gerade mein sämtliches Kleingeld zusammen, um es in den Schlitz der Schranke zu werfen, die Eingang zu den Gleisen gewährt. Eine freundliche Person machte mich allerdings darauf aufmerksam, dass die Schranken kein Kleingeld mehr annehmen. Ich guckte etwas dösig aus der Wäsche, denn seit Jahr und Tag war das unserer Trick, lästiges Kleingeld, einschließlich der 1-Cent-Stücke loszuwerden (Rundbrief 12/2005).
Die öffentlichen Verkehrssysteme in San Francisco haben nämlich auf ein elektronisches Zahlungssystem umgestellt, die sogenannte "Clipper Card". Auf die Plastikkarte kann man entweder Bargeld oder auch etwa eine Monatskarte laden. Wenn man dann mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, hält man die Karte einfach vor den Kartenleser und der entsprechende Fahrpreis wird von der Clipper Card abgebucht. Im Fall einer Monatskarte erkennt der Automat diese als gültig und öffnet die Schranke.
Das System soll sogar so schlau sein, dass es Preisnachlässe selbstständig berechnet oder etwa gar kein Geld abzieht, weil der Kunde nur innerhalb des erlaubten Zeitraums vom Bus auf die Straßenbahn umgestiegen ist. Die Clipper Card kann der Fahrgast entweder online oder an Automaten, z.B. im Untergrund aufladen. Auch Geschäfte wie die Drogeriemarktkette "Walgreens" bieten die Clipper Card zum Verkauf an.
Die Clipper Card soll das System vereinfachen, denn der Kunde kann die Karte in verschiedenen Transportsystemen als Zahlungsmittel benutzen. Und Zeit wird es, denn bisher brauchten wir unterschiedliche Fahrscheine, um die verschiedenenen Systeme zu benutzen: für die U-Bahn (BART), für die Busse und Straßenbahnen (Muni), für das Cable Car und für die Fähren auf der San Francisco Bay. Allerdings dauert es sicherlich noch einige Zeit, bis das ganze System umgestellt ist. Die Monatskarte für Erwachsene ist aber die erste, die seit November nur noch auf die Clipper Card geladen werden kann. Die anderen Monatskarten sollen Anfang des Jahres 2011 folgen.
Lustigerweise funktioniert das Ganze natürlich wie immer noch nicht hundertprozentig. Es kommt häufiger vor, dass der Kartenleser spinnt und dann nicht erkennt, dass der Fahrgast zum Beispiel eine Monatskarte besitzt. Ist der Busfahrer schlecht gelaunt, besteht er dann darauf, dass der Fahrgast die zwei Dollar für die Fahrt bezahlt oder aussteigt, was schon zu tumultartigen Szenen geführt haben soll.
Michael Bei den Backwaren hat der Amerikaner irgendwann mitte des letzten Jahrhunderts total den Anschluss zu Europa verloren. Statt normalen ofengebackenen Laiben stellte er auf die maschinengefertige Produktion von "Wonderbread" um, einem gummiartigen Toastbrot. Auch im Semmelbereich hielt diese Unsitte Einzug, und selbst wenn man auf einem Jahrmarkt mal eine Breze findet, ist deren Rinde gummiweich. Kaut ein Amerikaner auf deutschem Brot oder Semmeln herum, fängt er an zu jammern, denn die harte Rinde traktiert sein verweichlichtes Zahnfleisch auf ungewohnte Weise.
Vor zwanzig Jahren war es deswegen noch fast unmöglich, irgendwo in Amerika normales Brot zu finden. Heutzutage bietet allerdings schon jeder Großstadtsupermarkt mehr oder weniger ordentlich gebackenes Baguette oder italienisch inspiriertes Ciabatta an. Doch wehe, man verlässt die Metropolen und fährt raus auf's Land, dann ist wieder Gummibrot angesagt, das selbst nach ausgiebigem Toasten noch irgendwie leer schmeckt und nicht richtig den Magen füllt.
Große Supermärkte wie Safeway bieten ein reiches Sortiment an teilweise mehrmals am Tag gebackenen semmelähnlichen Gebilden an. Die sogenannte Kaiser Roll sieht der deutschen Semmel am ähnlichsten, ist aber etwa doppelt so groß und schmeckt wie ein etwa zwei Tage altes Weißbrot. Nicht schlecht, wenn man nichts anderes findet. Die längliche French Roll gleicht einem norddeutschen Brötchen, schmeckt allerdings langweiliger und trockener. Der Teig der Dutch Crunch Roll kommt dem der deutschen Semmel am nächsten, und auf ihrer Oberseite pappen feingemahlene Rindenkrümel, was ihr eine feine Krustigkeit verleiht. Wegen des lustigen Krümelmusters hat sich in unserem Haushalt dafür vor vielen Jahren die Bezeichnung "Leopardensemmel" eingebürgert und wenn ich sonntags mal Semmeln holen gehe, dann kommen meist Leopardensemmeln auf den Tisch.
Anders als die deutsche Semmel behält eine Kaiser Roll übrigens im Brotkasten lange ihre Konsistenz bei. Neulich kochte ich am Donnerstag eine feine Gulaschsuppe und suchte nach einer Semmel, allerdings fand sich im Brotkasten nur eine vergessene vom Sonntag. Schmeckte einwandfrei!
Der Bagel hingegen ist lediglich eine falsch geformte Breze. Statt den Teig ordnungsgemäß dünn auszurollen und dann in Brezenform zu schlingen, wird er dick ausgerollt und zu einem Ring verbunden. Das hat zur Folge, dass er beim Backen nicht knusprig wie eine Breze, sondern teigig wie der dicke Teil einer Oktoberfestbreze wird. Maschinengefertigte Bagels (das Wort stammt von "beugen" ab) sehen aus wie eine braune Semmel mit einem Loch in der Mitte. Die Rinde schmeckt wie mit Lenor gespültes Leder. Es gibt eigentlich nur eine einzige Form des genießbaren Bagels: Man schneidet ihn quer durch, schmiert Philadelphia Frischkäse auf beide Hälften, legt Lachs mit Zwiebeln, und vielleicht noch Kapern hinein und klappt die beiden Hälften dann wieder zusammen. Das Ganze heißt dann entsprechend der jüdischen Tradition "Bagel with Lox", obwohl "Lachs" auf englisch eigentlich "salmon" heißt.
Noch ein Tipp für gute Backwaren: Wir touren ja bekanntlich öfter die Weingegend Napa-Valley und halten in Yountville immer an der hauseigenen Bäckerei des französischen Restaurants "Bouchon" an, um ein sogenanntes "Epi"-Baquette zu kaufen. Dieses Weißbrot kostet nur $2.50 und besteht aus einzelnen Versatzstücken, die man mit bloßen Händen abreißt, Butter draufschmiert und zum Zeitvertreib mit einem leichten französischen Rotwein vertilgt, während man in angeregter Diskussion wild mit den Händen fuchtelt. Das Restaurant serviert übrigens ausgezeichnetes Essen. Für angereiste Europäer ist das eher uninteressant, aber wenn man wie wir schlappe 14 Jahre in Amerika gelebt hat, und nur alle Schaltjahre Delikatessen wie Zunge, Leber und Blutwurst aufs Teller kriegt, gibt man in dem Laden gerne mal 200 Dollar für Vorspeise, Hauptspeise, Dessert und passende Weine für zwei Personen aus dem guten alten Europa aus.
Michael Als bevorzugte Bett- und Badewannenlektüre lese ich seit Jahrzehnten das Magazin der Süddeutschen Zeitung, das der Freitagsausgabe beiliegt. Von einigen Ausnahmen wie dem Dauerlangweiler Georg Diez abgesehen, schreiben fast nur Spitzenjournalisten für dieses äußerst kurzweilige Heft. Die Themenauswahl verblüfft selbst die an verblüffenden Themenideen nicht gerade arme Rundbriefredaktion immer wieder aufs Neue.
Da man das Magazin nicht einzeln bestellen kann, abonnieren wir kurzerhand die gesamte Freitagsausgabe. Die kommt über den Importeur GLPnews eine Woche später per Post in San Francisco an und in einem jahrelang eingespielten Ritual öffne ich die umhüllende Plastikfolie, entnehme das 100g leichte Magazin und werfe die beiliegende pfundschwere Zeitung sofort ungelesen in dem Müll.
Man stelle sich vor: Da werden Wälder abgeholzt, um eine Zeitung zu drucken, die per Flugzeug direkt in eine Altpapiertonne am anderen Ende der Welt fliegt, nur weil der SZ-Aboservice im letzten Jahrhundert lebt und es nicht auf die Reihe bringt, mir nur das Magazin zu schicken. Auch scheint die Abo-Abteilung der SZ aus komplett gewerkschaftsorganisierten Schnarchzapfen zu bestehen, die nach dem Motto "Nicht mein Job!" meine Emails grundsätzlich ignorieren. Wie soll die gebeutelte Zeitungsindustrie überleben, bei so einer Arbeitseinstellung? Nausschmeißen, alle!
Hinzu kommt, dass es dem Versandservice der SZ öfter mal einfällt, mir das Magazin einfach vorzuenthalten. Wie in Abbildung 25 gezeigt, steht dann auf der Zeitung, dass das Magazin "nicht der gesamten Auflandsauflage" beiliegt. Warum, das sagt der Versandmeister nicht. Was scheren ihn auch die Kunden, die sollen froh sein, wenn sie die Zeitung überhaupt kriegen. Hätten ja nicht wegziehen müssen aus Deutschland, wären sie in München geblieben, gäbe es das Problem gar nicht.
Lustigerweise prangt neuerdings auf einigen Ausgaben der Aufdruck über das fehlende Magazin, klappt man die Zeitung aber auf, liegt es drin. Man fasst sich an den Kopf. Fehlt das Magazin mal wieder, schreibe ich dem Importeur eine kurze Email und bekomme dann einfach mein Abo kostenlos verlängert, denn das ist in Amerika so, wegen ein paar Dollar verärgert man den Kunden nicht. In der Hoffnung natürlich, dass der launige SZ-Service sich erbarmt, das Magazin beim nächsten Mal wieder beizulegen. Mit den SZ-Leuten, so der Importeur, könne man nicht reden, die hörten nicht auf kleine Importeure. Ja mei.
Angelika Vor einiger Zeit hat Michael euch einige interessante und lustige Webseiten empfohlen, in denen sich Amerikaner, die in Deutschland leben, über das ein oder andere erstaunliche Phänomen im deutschen Alltag auslassen (Rundbrief 09/2008).
"Nothing for Ungood" gehörte dabei eindeutig zu unseren Favoriten. Was haben wir schon gelacht über die messerscharfen Beobachtungen des Autors John Madison. Nun ist er aber wieder zurück in die USA gezogen und berichtet in einem neuen Blog andgoodis.com über amerikanische Sitten und Gebräuche, die er nun wegen seines langen Deutschlandaufenthalts aus einem anderen Blickwinkel sieht. Falls es euch über die Feiertage langweilig wird, unbedingt lesen.
Bis zum Weihnachtsrundbrief in nur wenigen Tagen!
Angelika & Michael
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