Angelika/Mike Schilli |
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Angelika Am 2. November finden wieder einmal Kongresswahlen hier in den USA statt, und die letzte Phase der politischen Schlammschlacht hat begonnen. Im Repräsentantenhaus stehen 435 Sitze zur Wahl und im amerikanischen Senat ein Drittel der 100 Sitze. Experten sagen voraus, dass die Demokraten mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Mehrheit in beiden Häusern verlieren werden und Obama dann, wie schon einmal Clinton, einem ihm politisch feindselig eingestellten Parlament gegenüberstehen wird. Das wäre das Aus für weitere Reformversuche. Das Land ist polarisiert und viele Bürger sind verärgert. Dem linkeren Flügel der Demokraten gingen Obamas Reformen nicht weit genug und die Republikaner blockieren mittlerweile jeglichen Vorschlag der Demokraten aus Prinzip. Die Wirtschaft erholt sich nur sehr schleppend und die Arbeitslosenquote beträgt immer noch fast 10%, in Kalifornien sogar 12%.
Nun gehört es zur amerikanischen Tradition, dass sich auch schillernde Personen um politische Ämter bewerben. Eine Zeitlang schien es ja in Kalifornien zum Beispiel zum guten Ton zu gehören, nach der Schauspielerkarriere in die Politik zu gehen. Mittlerweile etabliert sich in unserem Sonnenstaat aber ein neuer Trend: Ehemalige Firmenchefs wollen nach Sacramento oder Washington. Meg Whitman, die das Internetsauktionshaus eBay leitete, tritt für den kalifornischen Gouverneursposten für die republikanische Partei an. Sie steckte dabei 140 Millionen aus ihrem Privatvermögen in die Wahlkampagne, was dazu geführt hat, dass jedes Mal, wenn wir den Fernseher einschalten, ein Werbespot von ihr läuft. Und noch ein zweiter ehemaliger CEO ist im Rennen: Carly Fiorina, die ehemalige Hewlett-Packard-Chefin und ebenfalls eine Republikanerin, will Kalifornien im Senat vertreten.
Interessanterweise treten die beiden ehemaligen Firmenchefs gegen demokratische Vollblutpolitiker an. Jerry Brown, der mittlerweile 72 Jahre alt ist, bekam die politische Karriere schon in die Wiege gelegt. Sein Vater Pat Brown hatte den Governeursposten bereits inne und der Sohn folgte in seine Fußstapfen und war kalifornischer Governeur von 1975 bis 1983. Es folgten die Ämter des Bürgermeisters von Oakland (1999 bis 2007) und seit 2007 des Justisministers von Kalifornien (Attorney General). Carly Fiorina steht hingegen der Demokratin Barbara Boxer gegenüber, die 10 Jahre Abgeordnete im Repräsentantenhaus war und seit 1993 durchgehend im Senat sitzt.
Es stellt sich nun die Frage, ob die Position des Firmenchefs einen darauf vorbereitet, ein effizienter und guter Politiker zu sein. Man darf sich sicher sein, dass Jerry Brown und Barbara Boxer alle politischen Tricks in Sacramento und Washington kennen. So versuchen denn auch Meg Whitman und Carly Fiorina, sich von der alten politischen Garde abzugrenzen und werben damit, dass sie die verkrusteten Strukturen aufbrechen wollen. Nur sind daran schon viele gescheitert, nicht zuletzt Arnold Schwarzenegger, und ganz zu schweigen von Barack Obama.
Denn weder eine Senatorin noch ein Gouverneur agieren im luftleeren Raum und können als großer Zampano auftreten. In Kalifornien liegen die Fehler im System bzw. in der kalifornischen Verfassung: Zum Verabschieden des Haushalts oder von Steuererhöhungen braucht es eine Zweidrittelmehrheit im kalifornischen Parlament. Auch die überaus populären Volksbegehren ("Propositions") beuteln den Bundesstaat, denn deren Ergebnisse schränken den Handlungsspielraum des Parlaments oft massiv ein, entweder weil sie vorschreiben oder einschränken, wofür der kalifornische Staat Steuergelder ausgibt.
Eines der berüchtigsten Volksbegehren in Kalifornien ist die sogenannte Proposition 13, die 1978 in Kraft trat und letztendlich dafür sorgt, dass Hausbesitzer kaum Grundsteuern ("Property Taxes") zahlen, was sich verheerend auf den kalifornischen Haushalt auswirkt. Es wäre durchaus sinnvoll, die Proposition 13 zurückzurollen, aber kein Politiker wird mit solchen Vorstößen jemals eine Wahl gewinnen. Und so bleibt alles beim Alten. Allerdings gab es nach dem letzten Haushaltsdebakel im Jahr 2009 Vorstöße, doch etwas grundlegend zu verändern. Es bildeten sich Bürgerinitiativen wie "Repair California" die eine Veränderung der kalifornischen Verfassung anstrebten, um Kalifornien wieder regierbar zu machen. Leider ging der Bürgerinitiative das Geld aus.
Die Kongresswahlen befinden sich des weiteren im Würgegriff der sogenannten Tea-Party-Bewegung. Diese rechtskonservative Protestbewegung scheint auf alles und jeden wütend zu sein, und den Staat, Steuern und alle Sozialprogramme möglichst abschaffen zu wollen. Den Namen der Bewegung wählten ihre Anhänger in Anlehnung an die Boston Tea Party von 1773. In Boston war es damals zum Aufstand der Bürger gekommen, die sich gegen die Steuerpolitik der britischen Kolonialmacht zur Wehr setzten und wütend den hoch zu versteuernden Tee in den Bostoner Hafen warfen. Der Kolumnist Thomas Friedman taufte die Tea-Party-Bewegung in der New York Times allerdings ironisch "Tea Kettle Movement", weil ihn die Anhänger an einen Teekessel erinnern, der Dampf ablässt. Auch New Yorks Bürgermeister Bloomberg erwähnte in einem Interview, dass wütende Parolen allein nicht reichen, um Politik zu machen. Nun könnte man die Bewegung als Machwerk einiger Spinner abtun. Leider gewannen aber viele Tea-Party-Sympathisanten die Nominierung der republikanischen Partei und setzten sich bei den Vorwahlen gegen moderate Kandidaten der Partei durch (z.B. im Bundesstaat Alaska und Delaware). Sarah Palin, die ehemalige Vizepräsidentsschaftskandidatin, ist mittlerweile zum Idol der Bewegung aufgestiegen.
Die Bewegung rückte während Obamas Konjunkturprogramm das erste Mal ins Rampenlicht, denn sie protestierte massiv gegen die erneuten Staatsausgaben, die das Haushaltsdefizit wachsen ließen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Auch die Finanzspritzen für die Banken waren ihnen ein Dorn im Auge und die Gesundheitsreform sowieso. Nach neuesten Umfragen stehen mittlerweile fast 20% der amerikanischen Bevölkerung der Tea Party nahe. Ihre Anhänger sind in der Regel weiß, männlich, verheiratet und über 45. Es sind aber keine Bestrebungen im Gange, eine dritte Partei neben den Republikanern und Demokraten zu etablieren, dafür setzt sich die Bewegung aus zu vielen Einzelgruppierungen zusammen.
Lustigerweise hat der durch seine Daily Show zur Kultfigur aufgestiegene Satiriker Jon Stewart eine Art Gegenbewegung gestartet. Er organisiert zur Zeit eine Kundgebung, die am 30. Oktober in Washington stattfinden wird und unter dem Motto läuft: "Rally to Restore Sanity" ("Kundgebung zur Wiederherstellung der Vernunft"). Er macht damit seinem Unmut über die Tatsache Luft, dass ungefähr 20% der Bevölkerung mit ihren extremen Ansichten die Politik und Fernsehnachrichten in den USA bestimmen. Das Ganze startete zunächst als Reaktion auf die von dem konservativen Fernseh- und Radiokommentator Glenn Beck am 28. August durchgeführte Demonstration "Restoring Honor" ("Wiederherstellung der Ehre") in Washington. Beck steht natürlich der Tea-Party-Bewegung nahe. Nun könnte man Jon Stewarts Bestrebungen als reine komödiantische Show abhandeln, aber Jon Stewart erfreut sich größter Beliebtheit in liberalen Kreisen und kann sich sicher sein, dass viele am 30. Oktober entweder live in Washington dabei sind oder die Kundgebung im Fernsehen verfolgen. Zu hoffen ist, dass das Spektakel viele der demokratischen Partei nahestehenden Wähler aus ihrer Lethargie reißt und sie am 2. November an die Wahlurnen führt.
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