17.10.2010   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 88  
San Francisco, den 17.10.2010


Abbildung [1]: Mit dem Datenschutz nimmt man's in den USA nicht so genau.

Angelika Die Deutschen führen in letzter Zeit erhitzte Diskussionen bezüglich Google Street View. Die Google-Autos fotografieren Straßenzüge und Häuser ab, um die Fotos dann ins Internet einzuspeisen, wo Benutzer sie jederzeit und von überall her abrufen können. Ich muss gestehen, dass ich Google Street View andauernd benutze und es äußerst praktisch finde. Einige Reaktionen fand ich deshalb etwas überzogen. Doch kritisch zu hinterfragen, wer wie welche Daten des öffentlichen Raums nutzt, ist andererseits eine gute Idee.

Dabei fiel mir auf, wie unterschiedlich das Thema Datenschutz in den USA und Deutschland gehandhabt wird. Amerikaner gelten ja in der Regel als freiheitsliebend mit gesundem Misstrauen gegenüber staatlicher Einmischung. Es gibt kein Meldegesetz und keinen Personalausweis, wobei der Führerschein in der Praxis an die Stelle eines deutschen Personalausweises tritt. Man sollte nun meinen, dass dies dazu führt, dass Datenschutz in aller Munde ist, aber wir erleben hier immer wieder, dass keiner so richtig darüber nachdenkt.

In Arztpraxen fragen Sprechstundenhilfen immer noch beim ersten Besuch nach unserer Sozialversicherungsnummer (Social Security Number) und gucken uns schief an, wenn wir sie nicht herausrücken. Dabei blüht der Missbrauch mit den Nummern, mit denen Kriminelle sich als jemand anders ausgeben und erheblichen finanziellen Schaden anrichten können ("Identity Theft"). Daher dürfen Krankenkassen diese Nummern nicht mehr zur Identifizierung des Patienten benutzen und somit braucht der Arzt sie eigentlich auch nicht.

Abbildung [2]: Dieses Fitnessstudio identifiziert Kunden abends per Fingerabdruck.

Seit einiger Zeit nutzen manche Unternehmen gar Fingerabdrücke zur Identifizierung ihrer Kunden. Ich staunte nicht schlecht, als unser Fitness-Center "24 Hour Fitness" neulich kleine Kästen am Eingang aufstellte. Eine freundliche Mitarbeiterin wies mich darauf hin, dass ich von nun an meine Mitgliedskarte nicht mehr mitzubringen bräuchte, wenn ich bei ihrem "Cardless Check-In" mitmachen würde. Das ginge ganz problem- und schmerzlos: Nach dem Scannen meiner beiden Zeigefinger müsste ich mir nur einen 10-stelligen Code ausdenken und dann zukünftig immer nur meinen rechten oder linken Zeigefinger auf den Scanner legen, den Code eingeben und schwupp-di-wupp ins Fitness-Center marschieren.

Abbildung [3]: Statt seine Mitgliedskarte zu zeigen, drückt der Kunde seinen Zeigefinger ins Gerät und gibt eine zehnstellige Nummer ein (Foto: Conny Vlaicu).

Dankend lehnte ich ab, denn mir reicht es schon, dass ich meine Fingerabdrücke damals für die Greencard hergeben musste und jedes Mal, wenn ich in die USA einreise, die Einwanderungsbehörde erneut meine Fingerabdrücke will. Die Mitarbeiterin bei "24-Hour-Fitness" guckte dann auch nicht mehr so freundlich, denn das Unternehmen baute zwar die Scanner für die Fingerabdrücke auf aber gleichzeitg die alten Barcode-Scanner ab, die bis dato die Mitgliedskarten lasen. Das bedeutet, dass die "24-Hour-Fitness"-Mitarbeiter die Nummern auf den Kundenkarten ab sofort von Hand in den Computer eingeben müssen.

Abbildung [4]: Unsere Fingerabdrücke geben wir nicht an private Unternehmen raus.

Meiner Meinung nach ist das eine ganz bewusste Gängeltaktik der Firma, um möglichst viele Kunden von ihren Mitgliedskarten zu trennen, obwohl natürlich das Abgeben der Fingerabdrücke freiwillig geschieht. Das Unternehmen versichert dann auch, dass es die Fingerabdrücke nicht speichert, aber wie mein Computerfachmann Michael daheim immer betont, ist letztendlich alles knackbar. Der Perlmeister weigert sich übrigens auch, seine Fingerabdrücke "24 Hour Fitness" zur Verfügung zu stellen. Und bevor ich jetzt wieder böse Zuschriften bekomme: Ich weiß selbst, dass uns niemand zur Mitgliedschaft in diesem Fitnessstudio zwingt. Was ich aber eigentlich erzählen wollte: Es erstaunte mich sehr, wie bereitwillig die meisten Mitglieder, ohne die neue Methode zu hinterfragen, ihre Fingerabdrücke abdrückten. Zumindestens haben dies meine privaten Studien ergeben, zwei Drittel nutzen die neue Methode schon.

Und, der Oberclou: Neulich las ich in der Zeitung, dass einige Kindergärten (hier "Preschools" genannt) in der Stadt Richmond, nordöstlich von San Francisco, ihre Kleinen mit Microchips in deren T-Shirts ausstatten. Der Chip gibt darüber Auskunft, ob das betreffende Kind anwesend ist, wo es sich im Gebäude aufhält und ob es am Mittagessen teilgenommen hat. Da bin ich aber froh, dass es das zu unseren Zeiten noch nicht gab.

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