Angelika/Mike Schilli |
Angelika Weihnachten steht vor der Tür und es wird Zeit für meinen Weihnachtsrundbrief. Dieses Mal habe ich ein paar amerikanische Weihnachtstraditionen zusammen getragen. Trotz des bunten Völkergemischs feiert ein hoher Prozentsatz der amerikanischen Bevölkerung Weihnachten. Allerdings viele auf verschiedene Weise, und nicht immer steht der ursprünglich religiöse Aspekt des Fests im Vordergrund. Einige Gepflogenheiten kommen euch sicher im Ansatz bekannt vor, denn die europäischen Immigranten des 19. und 20. Jahrhunderts brachten ihre Traditionen mit in die neue Welt und so vermischten sich skandinavische, englische, holländische, italienische, polnische und deutsche Bräuche.
In den USA begeht man Weihnachten am 25. Dezember. Der 25. ist sogar ein offizieller Feiertag, was erstaunlich ist, da es in den USA eigentlich keine religiösen Feiertage gibt. Am 25.12. haben dann auch tatsächlich einmal fast alle Geschäfte, einschließlich der großen Supermarktkette "Safeway", und viele Restaurants zu. Nur ein paar emsige Immigranten, die nicht Weihnachten feiern, öffnen ihre Tante-Emma-Läden oder Restaurants.
Das Öffnen der Geschenke findet am Morgen des 25.12. statt, was für Eltern von kleinen Kindern äußerst unpraktisch erscheint, denn die Kleinen sind natürlich so aufgeregt, dass sie viel zu früh aufwachen und ihre Eltern aus dem Bett scheuchen. Ich finde es etwas ungemütlich, am Vormittag Geschenke auszupacken, denn es ist ja in den meisten amerikanischen Landstrichen taghell um diese Zeit und die Lichter am Weihnachtsbaum kommen nicht richtig zur Geltung. Aber den amerikanischen Kindern wird eben die Geschichte vom "Santa Claus" erzählt, der am Heiligabend mit seinem von Rentieren gezogenen Schlitten durchs Land fährt, durch den Kamin in die Wohnung steigt, wenn alle im Haus schlafen, und die Geschenke unter dem Baum ablegt.
Viele Kinder stellen dem viel beschäftigten Mann dann auch Kekse und Milch zur Stärkung auf den Tisch. Auch die Stoffstiefel ("Christmas stockings"), die in der Regel am Kaminsims hängen, füllt Santa Claus mit kleinen Geschenken und Süßigkeiten. Wer nicht brav war, muss sich der Legende nach auf ein Stück Kohle im Stiefel gefasst machen. Ihr seht schon, dass der amerikanische "Santa Claus" von den Figuren des Nikolaus und Weihnachtsmanns abstammt. "Santa Claus" wohnt allerdings am Nordpol.
Der 26.12. ist hingegen kein Feiertag in den USA. Auch der 24.12. gilt als normaler Arbeitstag, wobei es in vielen Betrieben doch etwas lockerer an diesem Tag zugeht und viele Arbeitnehmer früher nach Hause fahren. Dieses Jahr haben wir Glück, denn der 25.12. fällt auf einen Samstag, damit ist der 24.12. offiziell ein Feiertag, und wir können, ohne Urlaub zu nehmen, am 24.12. unser Weihnachten begehen. Auch wenn es nur einen Feiertag zu Weihnachten gibt, geht es in Betrieben und Firmen doch ruhiger zu zwischen Weihnachten und Neujahr. Viele nehmen sich frei und einige Betriebe, einschließlich Yahoo, schließen neuerdings sogar ihre Tore, um am Jahresende Geld zu sparen, und verdonnern ihre Mitarbeiter zu Zwangsurlaub. Auch Schulen haben zwei Wochen Winterferien. Ich muss allerdings zwischen Weihnachten und Neujahr arbeiten.
Die ürsprünglich aus Deutschland stammende Tradition, einen Nadelbaum zu schmücken und in der Wohnung aufzustellen, ist auch in den USA weit verbreitet. Allerdings wird der Weihnachtsbaum schon weitaus früher aufgestellt: Viele kaufen ihren Baum an dem Wochenende nach Thanksgiving (vierter Donnerstag im November); schmücken ihn dann gleich mit Weihnachtsbaumanhängern und Lichterketten und lassen ihn bis nach Weihnachten stehen. Ich kenne niemanden, der echte Kerzen am Baum hat. Die Zweige der Bäume, die es hier zu kaufen gibt, sind auch viel dichter, damit die Kabel der elektrischen Lichterketten nicht auffallen.
Auch dürfen die Tannenbäume nicht nadeln, da sie viel länger in den Wohnungen stehen. Künstliche Weihnachtsbäume erfreuen sich großer Beliebheit, denn die packt man nach Weihnachten einfach wieder in den Karton ein und zieht sie im folgenden Jahr wieder heraus. So ein Plastikteil kommt mir allerdings nicht ins Haus, obwohl uns jedes Mal schwindelig wird, wie teuer die echten Weihnachtsbäume in San Francisco sind. Ein etwa 1,80m großer Baum kostet mittlerweile schon fast 80 Dollar, einschließlich Wasserschale und Holzständer. Den leichten Aufpreis für diese geniale Konstruktion zahlen wir aber immer gerne, denn ich erinnere mich noch gut an die mühselige Arbeit, den Weihnachtsbaum vernünftig in den Weihnachtsbaumständer zu verfrachten und die Angst, dass er eventuell doch umfallen könnte. Der Holzständer besteht einfach aus zwei etwa 50 cm langen Holzbrettern, die über Kreuz unten an den Stamm genagelt werden. Möchte der Käufer auch eine Bewässerungsschale fürs Bäumchen, kommt noch eine Plastikschale zwischen Stamm und Holzständer dazu.
Wir kaufen unseren Weihnachtsbaum übrigens immer bei der Delancey Street Foundation, die auf der Bryant Street in San Francisco eine kleine Auswahl zum Verkauf anbietet. Das ist eine gemeinnützige Organisation, die 1971 in San Francisco gegründet wurde. Sie hilft ehemaligen Drogenabhängigen, Obdachlosen oder gewaltätigen Strafgefangenen, wieder auf die Füße zu kommen, indem sie sie durch ein Rehabilitationsprogramm schickt, das sie wieder in die Gesellschaft integriert. Das Besondere an der Delancey Street Foundation ist, dass es keine bezahlten Angestellten gibt, sondern das Prinzip der Selbsthilfe vorherrscht. Die Stiftung führt mehrere Betriebe, in denen die Teilnehmer arbeiten. Das Geld fließt aber nicht an Einzelne sondern in die Gemeinschaftskasse. In San Fransico betreibt die Organisation zum Beispiel ein Restaurant, ein Umzugsunternehmen und eben den saisonbedingten Weihnachtsbaumverkauf.
Aber zurück zu unserem Weihnachtsbaum: Wir kaufen unseren immer erst relativ spät, denn der Baum wird bei uns erst am 24.12. geschmückt, und kommt auch dann erst ins Wohnzimmer, denn etwas anderes käme mir komisch vor. Vorher muss er brav auf dem Balkon auf seinen Auftritt warten.
Viele Städte präsentieren an einem zentralen, öffentlichen Platz ebenfalls einen reich geschmückten Weihnachtsbaum, der meist kurz nach Thanksgiving zum ersten Mal im vollen Glanz erstrahlt, wenn die Lichter in einer feierlichen Zeremonie angeschaltet werden. In San Francisco schmückt solch ein Weihnachtsbaum den Union Square und in New York City steht er vor dem Rockefeller Center.
"Markt und Straßen stehn verlassen, still erleuchtet jedes Haus. Sinnend geh ich durch die Gassen, alles sieht so festlich aus." Eichendorff hätte auch in den USA seine stille Freude an den Weihnachtsdekorationen. Die Häuser und Wohnungen erhalten nicht nur innen einen weihnachtlichen Anstrich sondern viele Hausbesitzer lassen es sich nicht nehmen, ihre Häuser in Lichterketten einzuhüllen oder ihre Vorgärten in ein Weihnachtsparadies zu verwandeln. Vor allen Dingen in den Vorstädten, den sogenannten Suburbs, laufen regelrechte inoffizielle Wettbewerbe, wer sein Haus am schönsten dekoriert oder die meisten Lichterketten präsentiert. In unserem Viertel Noe Valley, auf der 21ten Straße zwischen Church und Sanchez Street, verwandeln die Hausbesitzer Tom und Jerry jedes Jahr ihr Haus in ein Weihnachtsparadies für Kinder (und Erwachsene). Eine Spielzeugeisenbahn dreht dort ihre Runden, und unter einer etwa 8 Meter hohen Tanne, die über und über mit riesigen Kugeln dekoriert ist, liegen ebenfalls riesige verpackte Geschenke und diverse Stofftiere. Um das Haus in den weihnachtlichen Zustand zu versetzen, mieten die Besitzer jedes Jahr einen Baukran.
Kränze aus Tannenzweigen, aber ohne Kerzen, schmücken auch so manches Haus, haüfig die Türen. Adventskränze sieht man allerdings nicht, zumindest haben wir das bei unseren amerikanischen Bekannten und Freunden noch nicht entdeckt und ich muss immer lang und breit erklären, was es mit den vier Kerzen auf dem Kranz auf sich hat, wenn wir in der Adventszeit amerikanischen Besuch bekommen. Dafür kennt hier jeder den Mistelzweig ("mistletoe"), der im Türrahmen hängt. Diejenigen, die sich unter dem Zweig treffen, dürfen sich küssen, also so eine Art verstecktes Flaschendrehen.
Gekaufte Adventskalender sehen wir mittlerweile vermehrt in den amerikanischen Haushalten. Ich habe ja den schweren Verdacht, dass Firmen wie die Supermarktkette Trader Joe's und Lego daran nicht ganz unschuldig sind. Denn bei "Trader Joe's" (Rundbrief 09/2005) kostet der Schokoadventskalender schlappe 99 Cents. Allerdings schmeckt die Schokolade eher grauslig und welches Kind kann dem Adventskalender von Lego widerstehen, egal wo es sich auf der Welt befindet?
Traditionell kommt Truthahn oder Schinkenbraten auf den Tisch. Allerdings haben viele Familien ihre eigenen Weihnachtsgerichte. Weihnachtskekse sind äußerst beliebt und dürfen bei keiner Weihnachtsfeier fehlen. Getränkemäßig gibt es Egg Nog (Rundbrief 12/2009) und heißen "Apple Cider" als Besonderheit. Hinter letzterem verbirgt sich ungefilterter Apfelsaft, der erhitzt und nach Bedarf mit Gewürzen verfeinert wird.
Der Austausch von Geschenken und das Versenden von Weihnachtskarten (oder hier neutraler "Holiday Cards" genannt) hat auch in den USA hohen Stellenwert. Der Freitag nach Thanksgiving (vierter Donnerstag im November) eröffnet die Weihnachtssaison offiziell, zumindest was den kommerziellen Teil betrifft. Da die meisten Arbeitnehmer den Freitag nach Thanksgiving frei haben, locken viele Geschäfte die Kunden mit super Schlagerangeboten in die Gechäfte. Viele Einzelhändler oder Kaufhäuser öffnen ihre Türen extrem früh; vier Uhr morgens ist keine Seltenheit. Der Name "Schwarzer Freitag" spielt dann auch darauf an, dass die Geschäfte durch die hohen Umsätze wieder schwarze Zahlen verbuchen.
Wir wünschen euch auf jeden Fall ein besinnliches Weihnachtsfest und hoffen, dass ihr auch im Jahr 2011 treure Rundbriefleser bleibt. Falls ihr selbst eine ungewöhnliche oder besonders nette Weihnachtstradition pflegt, schreibt uns doch einfach.
Frohes Fest aus dem Land des Santa Claus:
Angelika und Michael
|
|
|
|
|
Rundbriefe 1996-2016 als PDF:
Jetzt als kostenloses PDF
zum Download.
Spezialthemen: