Angelika/Mike Schilli |
Angelika Leuten, die wie wir in einem Erdbebengebiet wohnen, zehrt es immer besonders an den Nerven, wenn sich irgendwo auf der Welt ein starkes Erdbeben ereignet. Jeder fragt sich sofort, kommt das nächste jetzt zu uns und wie würde es bei uns aussehen nach einem Beben der Stärke 8,9, wie unlängst in Japan?
Die Zahl ist schwindelerregend hoch. Da wir hier schon so manches Erdbeben der Stärke 5 erlebt haben, die in der Regel 10-15 Sekunden dauern, können wir nur erahnen, wie es sich anfühlen muss, wenn die Erde 2 1/2 Minuten lang und noch dazu viel heftiger bebt. San Francisco liegt am pazifischen Ozean, und nach schweren Erdbeben im pazifischen Raum bedrohen Tsunamis die hawaiianischen Inseln und die Westküste der USA.
Meine Arbeitskollegin erschien am Montag nach dem Erdbeben nicht zur Arbeit, denn sie musste ihr Haus evakuieren. Nun wohnt meine Kollegin nicht in San Francisco, sondern in Pacifica, einem kleinen Vorort am Ozean. Wir fahren oft nach Pacifica zum Strand, denn eine 15-minütige Autofahrt bringt uns in Windeseile dorthin. Meine Kollegin wohnt unmittelbar am Wasser und nachts um drei schrillte ihr Telefon mit einer automatischen Ansage, dass die Behörden alle Anwohner auffforderten, ihre Wohnungen zu verlassen, um sich in höhere Lagen zu begeben. In San Francisco durfte vorsichtshalber keiner mehr an den "Ocean Beach". Die Straße, die am Ocean Beach entlang läuft, den sogenannten Great Highway, schloß man ebenfalls für den Verkehr.
Nun ging alles glimpflich aus, denn die erwartete Superwelle kam dann doch nicht. In Santa Cruz (etwa 115 Kilometer südlich von San Francisco) riss das aufgewühlte Meer Boote vom Steg. In Oregon und Kalifornien zog es insgesamt 5 Leute ins Meer, weil die auf die glorreiche Idee kamen, das Naturspektakel aus nächster Nähe zu fotografieren. Einer wird immer noch vermisst, die anderen kamen mit dem Schrecken davon.
Jetzt kündigt sich schon die nächste Katastrophe an. Jeder verfolgt besorgt die Situation in den Kernkraftwerken Japans und wir fragen uns, ob es ein zweites Tschernobyl geben wird oder vielleicht schon gegeben hat. Und wann dann radioaktive Strahlung Kalifornien erreicht. Auch in Kalifornien gibt es Atomkraftwerke. Vielleicht sollte man in Erdbebengebieten generell keine Atomkraftwerke ans Netz schließen. Ich glaube, ich hole meinen "Atomkraft -- Nein danke" Aufkleber wieder aus der Kiste.
Angelika Touristen in San Francisco fällt häufig auf, dass es in dieser Stadt relativ viele Obdachlose gibt. Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Zunächst einmal sind die Mieten sehr hoch und der Wohnraum knapp. Das relativ milde Klima und ein vernünftiges Angebot an Sozialprogrammen für Obdachlose zieht ebenfalls viele an. Die meisten Obdachlosen sind völlig harmlos. Klar fragen sie nach Geld, aber wenn man freundlich "sorry" sagt, ist die Sache meist erledigt.
Um das Rathaus herum und in der Innenstadt ist das Stadtbild besonders von Obdachlosen geprägt. Das angrenzende Tenderloin-Viertel bietet viele Billigunterkünfte und gemeinmützige sowie kirchliche Organisationen geben Essen aus oder versorgen Obdachlose medizinisch. Direkt neben dem Rathaus befindet sich auch die Hauptzweigstelle der öffentlichen Bücherei. Viele Obdachlose wissen nun, dass es dort nicht nur öffentliche Toiletten gibt, sondern auch Sessel zum Ausruhen, Zugang zu Computern und Internet und Magazine zum Lesen. Sozusagen ein ideales Ersatzzuhause, wenn man über keinen festen Wohnsitz verfügt.
Nun fühlten sich aber die Angestellten in der Hauptbücherei etwas überfordert, das Heer der Obdachlosen zu betreuen, denn viele kämpfen mit Alkoholismus, Drogenabhängigkeit oder psychischen Störungen. Auch hatten sich Besucher der Bibliothek beschwert, wenn sich Obdachlose an den Waschbecken auf den Toiletten wuschen oder Drogen nahmen. Anstatt nun die Obdachlosen vor die Tür zu setzen, entschloss sich die Stadt zu einer kreativeren Lösung. Die Hauptbücherei stellte vor einem Jahr eine Sozialarbeiterin ein, die sich exklusiv um die Obdachlosen kümmert. Dazu gehört, dass sie die Obdachlosen über Sozialprogramme und Unterkünfte informiert, und das Personal der Bücherei anleitet, wie unerwünschte Verhaltensweisen zu handhaben sind. Obdachlose, die bereit sind, ein 12-wöchiges berufliches Wiedereingliederungsprogramm zu durchlaufen, haben die Chance, dass die Bücherei sie anstellt, zum Beispiel um die Toiletten zu kontrollieren. Nur in San Francisco.
Angelika Der Golden Gate Park in San Francisco ist vielen von euch sicher ein Begriff. Die grüne Oase in Herzen der Stadt, die sich fast von der Stadtmitte bis zum Ozean erstreckt, steht dem Central Park in New York an Berühmtheit nichts nach. Zwar lungern auf den Seitenwegen haufenweise Obdachlose und jugendliche Ausreißer herum, doch bietet er auch einen botanischen Garten mit einheimischen Pflanzen, ein riesiges Gewächshaus mit seltenen Pflanzen ("Conservatory of Flowers") und einen japanischen Teegarten. Außerdem stehen dort zwei relativ frisch renovierte und modernisierte Museen, nämlich das "De Young" Kunstmuseum und das Naturkundemuseum "California Academy of Sciences" mit Aquarium umd Planetarium.
Freizeithungrige Städter tanken am Wochenende im Golden Gate Park Sonne, spielen Fußball, fahren Rollerblades, gehen spazieren oder fahren mit dem Fahrrad. Ganz Abenteuerlustige ziehen ihre Tanzschuhe an und üben sich im Swing-Tanz. Jeden Sonntag zwischen 11 und 14 Uhr treffen sich nämlich die Swingliebhaber in der Nähe des De Young Museums auf dem Bürgersteig des John F. Kennedy Drives und tanzen sich die Seele aus dem Leib. Die Veranstaltung ist kostenlos und jeder darf mitmachen. Es gibt sogar eine kleine Tanzstunde für Neulinge, und zwar von 11 bis 12 Uhr.
Seit 1996 findet "Lindy in the Park" im Golden Gate Park regelmäßig statt. Lindy Hobbers (daher der Name), Chad Kubo und Ken Watanabe riefen sie ins Leben. Falls ihr, wie ich, mit jemanden zusammen lebt, der ein absoluter Tanzmuffel ist, ist das kein Problem. Um beim Swingtanzen mitzumachen, braucht man keinen Partner. Jeder tanzt mit jedem, also nur Mut, liebe Touristen!
Und noch ein kleiner Geheimtipp: Im De Young Museum um die Ecke kann jeder auf den Aufsichtsturm fahren, ohne Eintritt ins Museum zu bezahlen. Klare Tage belohnen einen mit fantastischen Ausblicken auf den Golden Gate Park, die Stadt, den Ozean und die Golden Gate Bridge.
Michael Amerikanische Nachrichtensendungen berichten oft nur von lokalen Ereignissen, und davon ist in San Francisco und Umgebung reichlich geboten. Eine Schießerei vor dem Nachtclub auf der 16. Straße, eine Straßensperrung, weil jemand beim Aufräumen im Keller eine Kiste Handgranaten aus dem zweiten Weltkrieg fand, eine explodierte Gasleitung, die ein halbes Viertel in Brand setzte -- solche Meldungen sind bei uns an der Tagesordnung. Da interessiert es die Leute nur am Rande, ob in Libyen der Bürgerkrieg ausbricht oder in Japan ein Reaktor in die Luft fliegt, und lokale Nachrichtensender berichten darüber höchstens kurz.
Meldungen aus Deutschland wie die Gutti-Affäre, der Tod Peter Alexanders oder selbst Ergebnisse von Bundestagswahlen kommen nie im amerikanischen Fernsehen an. Deshalb sehen wir uns fast täglich die deutsche Tagesschau an, die mein Laptop von tagesschau.de aus dem Internet pumpt und dann auf dem großen Fernsehkasten im Wohnzimmer in astreiner Bildqualität ablaufen lässt. Eine echte Bereicherung für uns, ohne diesen Service könnten wir nach 15 Jahren Abwesenheit wohl kaum den deutschen Innenminister benennen oder die Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes. Danke, öffentlich-rechtliche Sender!
Aktueller Nachtrag: Für Besitzer eines Roku-Kastens (Rundbrief 12/2010) steht seit neuestem unter https://owner.roku.com/add/tagesschau ein eigener Channel bereit, bei dem man sich kostenlos anmelden kann. Dann stehen die neueste Ausgabe der Tagesschau und einige weitere ARD-Nachrichtensendungen im Channel-Menü des Roku bereit.
Angelika Gewisse Dinge scheinen sich nicht aufhalten zu lassen; wie die Langspielplatte wird es auch CDs über kurz oder lang nicht mehr geben. Auch herkömmliche Buchläden verschwinden in den USA immer mehr. Das liegt zum einen daran, dass es in den USA keine Buchpreisbindung gibt und gnadenlose Konkurrenz herrscht. Und viele Leute bestellen ihre Bücher mittlerweile bei Amazon online, der Bücher oft bis zu 40% günstiger verkauft.
Zunächst brach diese Entwicklung den kleinen unabhängigen Buchläden das Genick, denn sie können nur geringe Stückzahlen abnehmen und haben so wenig Verhandlungsspielraum bei der Preisgestaltung mit den Verlagen. Erst vor kurzem schloß in unserem Viertel der Buchladen "Cover to Cover" endgültig, nachdem eine Nachbarschaftsaktion ihn im Sommer 2003 noch durch großzügige Kredite kurzfristig vor der Pleite bewahrt hatte (Rundbrief 07/2005). Kleinere unabhängige Buchläden haben eigentlich nur noch eine Chance, wenn sie sich spezialisieren, und zum Beispiel seltene Bücher in die Regale stellen, die man sonst nicht so einfach findet.
Aber auch die großen Buchladenketten, die als Megaläden in den 70ern in amerikanischen Shoppingmalls auf den Markt drängten, geraten mehr und mehr in finanzielle Schwierigkeiten. Die in den gesamten USA verbreitete Buchladenkette "Borders" leitete im Februar ein Insolvenzverfahren ein und schließt im Zuge dessen über 230 der 650 existierenden Läden. Auch die Vorzeigefiliale auf der Powell Street im Stadtzentrum San Franciscos macht die Läden dicht. Das größte Problem von Borders war, dass es in guten Zeiten nicht nur gnadenlos expandierte, sondern auch, dass die Geschäftsleitung den Vormarsch des Internetgeschäfts verschlief. Bis 2008 hatte Borders keinen eigenen Online-Buchladen, sondern ließ die Internetbestellungen über Amazon abwickeln, also bei der Konkurrenz.
Auch verpasste Borders den Trend, dass digitale Bücher sich in den USA immer größerer Beliebtheit erfreuen. Viele Leser verzichten mittlerweile auf das Buch in Papierform und lesen Publikationen mit Hilfe von elektronischen Geräten wie dem Kindle von Amazon oder dem iPad von Apple. Der Bücherfreund darf aus 850.000 elektronischen Titeln bei Amazon auswählen und auf einem Gerät der neuesten Kindle-Generation bis zu 3.500 davon gleichzeitig speichern. Über das Handy-Netzwerk kann er jederzeit und jederorts neue Bücher nachordern, die Sekunden später eintreffen. Das Besondere am Kindle ist, dass man auf ihm ermüdungsfrei lesen kann, da er schwarze Buchstaben matt und wie auf einem Blatt Papier darstellt, und nicht glänzend wie auf einem Computerbildschirm, wie der iPad. Eine lustiges Kindle-Werbevideo stellt die Unterschiede klar heraus. Michael bekam einen Kindle von mir zu Weihnachten und zieht seitdem nur noch mit dem Ding durch die Gegend.
Borders verschlief diesen Trend zum eBook völlig, während die andere Megakette "Barnes and Noble" nicht nur ein Konkurrenzprodukt zum Kindle heraus brachte (den sogenannten "Nook"), sondern auch ein einigermaßen solides Online-Büchergeschäft auf die Beine stellte. Ich muss allerdings gestehen, dass es für mich nichts Schöneres gibt, als in Bücherläden zu stöbern und ich hoffe, dass ich dies trotz des beschriebenen Trends auch weiterhin tun kann.
Michael Ich sage in diesem Zusammenhang übrigens voraus, dass der Kindle (oder vielleicht ein nicht mehr pfundschwerer iPad3 mit besserem Bildschirm) die malade Zeitungs- und Zeitschriftenindustrie retten könnte. Während es auf dem Internet aus historischen Gründen uncool ist, für Inhalte zu bezahlen, ist es auf dem Kindle/iPad normal und elegant integriert. Jede Tageszeitung oder Zeitschrift, die nicht in den nächsten Jahren in der Versenkung verschwinden möchte, sollte auf das neue Format umstellen.
Michael Wegen der Libyen-Krise schnellten bei uns vor kurzem die Kraftstoffpreise nach oben. Das Premium-Benzin, das unsere Rakete gierig hineinlitert, kostet mittlerweile fast vier Dollar pro Gallone (E0,77 pro Liter)! Das tangiert uns allerdings höchstens peripher, denn wir fahren kaum mit dem Auto und geben vielleicht $50 pro Monat für Benzin aus. Doch der SUV-fahrende Vorstadtmensch rauft sich verzweifelt die Haare.
Die Tankstelle des Mega-Supermarkts Costco in South San Francisco ist billig und Samstagmittag lachte ich mich schier schlapp, als ich sah, dass teilweise bis zu zehn Autos in einer Schlange vor den Zapfsäulen warteten. Dazu muss man wissen, dass ein Durchschnittsamerikaner etwa zehn Minuten braucht, um sein Auto zu betanken. Erst kapiert er nicht, dass er dran ist, dann fährt er gemächlich an die Zapfsäule, telefoniert vielleicht noch eben zu Ende, steigt gemütlich aus, und dann fällt ihm ein, dass er die Kreditkarte im Geldbeutel suchen muss. Um es abzukürzen: Wenn auch nur ein einziges Auto mit einem Vorstadtdeppen vor einem an der Zapfsäule steht, kriegt man einen Herzinfarkt.
Wie lange wohl der letzte in der Schlange in Abbildung 10 mit laufendem Motor warten musste, bis er an die Reihe kam? Ich habe es nicht herausgefunden, sondern bin zur Shell-Tankstelle bei uns um die Ecke, zahlte statt $3.88 exorbitante $3.97 pro Gallone und kam sofort dran.
Michael Die große amerikanische Quizshow "Jeopardy!", in der drei Kandidaten mit allerlei Trivia-Fragen konfrontiert werden, große rote Knöpfe drücken und dann die richtige Antwort runterrasseln müssen, geht nun auch schon ins 47. Jahr. Sie wurde 1964 vom Medienmogul Merv Griffin erfunden und läuft seit dem praktisch im selben Format.
Von einer blauen "Wand" mit von 200 bis 2000 Dollar bewerteten Fragen wählt der Kandidat, der an der Reihe ist, wie anno dunnemals beim großen Preis mit Wim Tölke eine aus, der Moderator liest sie vor, und dann darf der Kandidat, der als erstes seinen roten Knopf drückt, antworten.
Die richtige Antwort erzielt für den Kandidaten die angegebene Dollarzahl. Eine falsche führt jedoch dazu, dass das Konto des Antwortenden um den entsprechenden Betrag schrumpft, und sei es ins Minus.
Um dem ollen Format einen frischen Touch zu verpassen, erlaubten die Mogule des Fernsehsenders ABC der Firma IBM drei Abende lang, einen Computer namens "Watson" am Spiel teilnehmen zu lassen. Dem wurden die Fragen elektronisch eingespeist, mit einer geringen Verzögerung, um die Aufnahmegeschwindigkeit der beiden menschlichen Teilnehmer zu simulieren. Der Computer, ein in ein gekühltes Rechenzentrum ausgelagerter Cluster-Rechner, analysierte die Frage, suchte ohne Internetzugang nach der Antwort, und präsentierte die drei wahrscheinlichsten Antworten mit jeweils einer Prozentzahl, die die Sicherheitswahrscheinlichkeit angab.
Das Ergebnis: Der Computer stampfte die beiden anderen menschlichen Teilnehmer, die bislang erfolgreichsten Jeopardy-Gewinner, total in Grund und Boden. Er glänzte nicht nur bei Wortspielen, Sportereignissen und wissenschaftlichen Fachfragen, sondern auch bei Fernsehserien- und Filmstar-Trivia. Ein grandioser Erfolg der Techniker der Firma IBM, die den Wunderkasten programmierten und, wie Einspielungen zeigten, so manches blaues Wunder bei den Antworten früherer Watson-Versionen erlebten.
Auch der in der Show spielende Watson hatte so seine Eigenheiten: Einmal wiederholte er die falsche Antwort eines Kandidaten und bekam gnadenlos Punkte abgezogen. Und bei Risiko-Fragen wettete er grundsätzlich und zur Erheiterung des Publikums geradezu absurd krumme Summen (etwa 7.493 Dollar), die er wohl durch statistische Berechnungen ermittelt hatte. Ein sympatischer Androide!
Michael "Wer braucht denn sowas!" war mein erster Gedanke, als die Online-Resterampe woot.com (Rundbrief 03/2005) neulich im Rahmen ihrer wöchentlichen Aktion "Two for Tuesday" den Kaffeemaschinenschieber "Handy Caddy" im praktischen Zweierpack anbot.
Nach dem Studium des dazugehörigen Youtube-Infomercials wurde mir allerdings schlagartig klar, dass auch unser Haushalt dringend einen "Handy-Caddy" benötigte: Denn unsere Kaffeemaschine steht am hinteren Ende der Arbeitsfläche. Um sie von oben mit Wasser zu befüllen, muss man sie wegen der darüber hängenden Küchenschränke erst herausziehen. Im düsteren Zeitalter vor der Erfindung des Handy Caddy musste man die Kaffeemaschine dazu erst mühsam anheben, doch mit dem neuen Plastikuntersatz rollt sie nun von nur einer Hand gezogen elegant 30cm heraus. Eine schlaue Idee, und gar nicht teuer -- Toppprodukt!
Wenn ihr genau hinseht, fällt euch vielleicht noch das kleine weiße Kästchen in der Steckdose auf. Unsere japanische Kaffeemaschine der Marke Zojirushi braut zwar weit besseren Kaffee als die sonst in Amerika erhältlichen Cuisinart-Maschinen, verfügt aber über keinerlei technische Errungenschaften wie einen automatischen Ausschalter. Und nachdem wir Kaffee-Snobs eh keinen Kaffee mehr trinken, der mehr als eine halbe Stunde auf der Heizplatte stand, entzieht der Belkin Conserve Socket F7C009q der Kaffeemaschine nach exakt 30 Minuten einfach den Strom. So sparen wir Energie und fahren beruhigt in den Urlaub.
Michael Macht in einem Supermarkt eine weitere Kasse auf, fangen in Deutschland die Leute, die ganz hinten in der Schlange stehen, zu rennen an, um als erste am Laufband anzukommen. In den USA nimmt die neue Kassenkraft nicht sofort die Arbeit auf, sondern fordert den am weitesten vorne stehenden Kunden der nächsten Kasse auf, mit zur neuen leeren Kasse zu kommen, und die Hintermänner zuckeln hinterher, wenn sie wollen. So kommt der, der am längsten gewartet hat, auch als erster dran, und nicht der, der sich im Laufschritt und mit Ellenbogeneinsatz die beste Position erkämpft.
Auch an Bus- und Straßenbahnhaltestellen schwärmen die Leute nicht traubenartig auf die erste sich öffnende Tür zu, sondern haben sich schon lange vorher in eingliedriger Schlange angestellt, um dann einer nach dem anderen, in der gleichen Reihenfolge, in der sie am Bahnsteig eingetroffen sind, ins öffentliche Verkehrsmittel einsteigen.
Ganz selten kommt es vor, dass sich mal jemand nicht an die landesweiten Gepflogenheiten hält und sich dreist vordrängelt. Dann schaut man als Einheimischer diese Rüpel fragend von oben bis unten an -- und erkennt oft, dass das deutsche Touristen sind.
Michael Kommt es in einer Diskussion zu lustigen Verwechslungen, kann es passieren, dass ein Amerikaner "Who's on first?" ruft und alle lachen. Dann spielt er auf einen klassischen Sketch des Comedy-Teams "Abbot and Costello" aus dem Jahr 1936 an, in dem Abbott den Trainer einer Baseballmannschaft spielt, deren Spieler auf die missverständlichen Namen "Who" ("wer"), "What" ("was") und "I don't know" ("ich weiß nicht") hören.
Costello fragt immer wieder "Who's on first?" ("Wer spielt auf der ersten Base?") aber Abbott versteht Costellos Frage als Aussagesatz und antwortet mit "Yes" ("Ja"), denn der Spieler "Who" spielt tatsächlich als erster Base-Mann ("'Who' is on first."). Der immer verwirrtere Costello fragt schließlich "What's the guy's name on first?" ("Wie heißt der Spieler auf der ersten Base?"), aber Abbott korrigiert sofort: "No, What's the guy on second." ("Nein, What ist zweiter Basemann."), denn der Spieler "What" spielt nicht, wie er Costellos Frage interpretiert, auf der ersten Base, sondern auf der zweiten. Diesen Satz versteht Costella aber wiederum als Frage ("What's the guy on second?") und beschwert sich bei Abbott, dass dieser auf seine Frage gefälligst nicht mit einer anderen Frage antworten solle.
Video: Abbott and Costello |
Die Sprachkomik kommt dadurch zustande, dass Costello, wie umgangssprachlich üblich, am Ende seiner Fragen den Ton seiner Stimme nicht anhebt, so dass Abbott sie als Aussagen versteht, während Abbott am Ende seiner Aussagen korrekterweise seine Stimme nicht hebt, Costello diese aber irrtümlich als Fragen auffasst. Der Sketch geht sechs Minuten lang und immer mehr Spieler mit missverständlichen Namen tauchen auf, während die Zuschauer sich kaputtlachen. Ein Meilenstein amerikanischer Humorentwicklung! Im nächsten Rundbrief: Der Knock-Knock-Joke.
Angelika Nachdem wir in letzter Zeit ja nur noch von Schreckensmeldungen umgeben sind und die ganze Woche nervös auf die radioaktive Wolke aus Japan warteten, freuten wir uns auf ein wenig Abwechslung aus Anlasses des Geburtstages unserer Freundin Conny. Denn es ging auf die Bowlingbahn. Nun hatte ich weder jemals in meinem Leben gebowlt noch gekegelt, obwohl Bowling, die amerikanische Variante des Kegelns, sich hier wie auch in Deutschland größter Beliebheit erfreut. Vielerorts stehen riesige Bowlingcenter, und der Sport ist ein fester Bestandteil amerikanischer Kultur. Geburtstage werden auf der Bowlingbahn gefeiert. Und Bowling ist eine unverfängliche Freizeitbeschäftigung für die erste Verabredung ("Date"), wenn beide Möchtegernturteltauben noch nicht so recht wissen, wo die Reise hingeht.
Die Bowlingcenter verfügen über eine stattliche Anzahl von Bahnen. Man mietet sie stundenweise, und bis zu sechs Spieler können sich an einer Bahn austoben. Wie ihr sicher alle wisst, gibt es beim weitverbreiteten Ten Pin Bowling zehn Kegel (hier "bowling pins" genannt), die dreieckförmig am Ende der Bahn aufgereiht sind. Jeder Spieler versucht, mit Hilfe einer relativ großen Kugel, die eher wie in Ball aussieht, möglichst viele Kegel mit einem Wurf umzuwerfen. Für jeden gefallenen Kegel gibt es einen Punkt.
Pro Runde versucht jeder Spieler in zwei aufeinanderfolgenden Würfen, die maximale Anzahl von Kegeln zu treffen. Nach der zehnten Runde gewinnt der Spieler mit der höchsten Gesamtpunktzahl. Wer alle Kegel schon beim ersten Versuch mit einem sogenannten "Strike" umhaut, erhält Bonuspunkte, denn die Punkte des nächsten Durchgangs zählen dann doppelt. Wer alle Kegel mit zwei Versuchen umhaut, erzielt einen "Spare". Es gibt noch alle möglichen Bonuspunkte für weitere Varianten, zum Beispiel wenn der Spieler zweimal in Folge einen "Strike" erzielt, aber damit will ich euch jetzt nicht langweilen, denn ich gehöre ja zu den Neulingen und bin schon super begeistert, wenn die Kugel gerade auf der Holzbahn entlang läuft und die Kegel trifft, und nicht auf dem Weg dorthin in die Seitenrille plumpst, um dann seitlich an den Kegeln vorbeizurollen.
Die Kugeln verfügen über drei Bohrungen für den Daumen, Mittel- und Ringfinger. Zunächst war mir das mit dem Mittelfinger nicht klar und ich benutzte immer den Zeigefinger, aber diese Technik funktionierte ebenso. Im Center stehen unterschiedlich schwere Kugeln mit variierenden Bohrlochabständen bereit, so dass sich der Spieler eine Kugel passend zur Größe seiner Hand aussuchen kann. Die richtige Kugel zu finden, ist eine Wissenschaft für sich.
Man darf nur mit Bowlingschuhen mit glatter Ledersohle spielen, und nicht mit Straßenschuhen, damit die Bahn nicht leidet. Die Schuhe leiht das Bowlingcenter gegen Gebühr ($4 pro Paar) aus und wer schon einmal amerikanische Fernsehsendungen aufmerksam verfolgt hat, weiß, dass das ein heikles Thema mit enormem Witzpotential ist. In einer Folge von "King of the Hill" windet sich sich Peggy Hill zum Beispiel im Bowlingcenter, weil sie so große Füße hat und Bowlingschuhe in einer absurden Größe verlangen muss.
Ich habe auf jeden Fall das Bowling für mich entdeckt und mich wider Erwarten gar nicht so dumm dabei angestellt.
Michael Unser altes Auto "Perly Perlman" feiert heuer seinen 20. Geburtstag und gibt zwar optisch wegen eines Sonnenschadens im Lack nicht mehr viel her, fährt aber zuverlässig wie ein alter Renngaul. Wir parken ihn auf der Straße, denn unser anderes Auto, die Rakete, steht auf unserem einzigen Garagenplatz.
Neulich fand ich einen Zettel am Scheibenwischer, ausgestellt von einem wohl der englischen Sprache nicht ganz mächtigen Herrn namens "Sonny", der anbot, Perly Perlman zu kaufen (Abbildung 24). Das war vor einigen Monaten schon mal passiert und voller Stolz zeigte ich ihn Angelika, in der Gewissheit, dass außer mir noch eine zweite Person die hervorragende Qualität japanischer Autos aus den frühen 90ern zu schätzen weiß.
Allerdings fiel uns beim Heimlaufen durch die Chattanooga Street auf, dass derartige Zettel, alles handgeschriebene Einzelanfertigungen, an gleich mehreren Autos klemmten! Zwei verschiedene Versionen machten wir aus, neben unserem "Sonny" plante anscheinend ein zweiter, italienisch klingender Herr, sich ein Standbein im alternativen Gebrauchtwagensektor zu schaffen.
Die beiden Schlawiner vermuten wohl, dass sich die Neureichen in unserem Viertel zu Schleuderpreisen von ihren Zweitautos trennen. Falls wir Perly Perlman doch einmal verkaufen wollen, weiß ich zumindest Sonnys Telefonnummer.
Michael Ist in Amerika etwas verboten, geht der Amerikaner damit eher pragmatisch um, wenn ihm das Verbot sinnlos erscheint. Das hat tiefe Wurzeln, denn schließlich ist man kein Volk von Befehlsempfängern, die deutsche Vergangenheit dient dazu oft als Lehrbeispiel. In zweiter Reihe parken? Kann man schon mal machen, wenn's keinen Parkplatz gibt. Fußgängerampel rot, aber es kommt gerade kein Auto? Geht man routinemäßig drüber. Hunde müssen am Strand an die Leine? Ach, lass den schnuckeligen Fifi doch rennen. Und Marihuana-Joints zu rauchen ist in San Francisco so allgegenwärtig, dass man meinen könnte, es wäre erlaubt. Hier gilt: Was keinen stört, das darf man auch.
Auch ist es in Kalifornien gesetzlich verboten, auf der Straße alkoholhaltige Getränke zu konsumieren. Das wird im allgemeinen brav beachtet und die Bierflasche notfalls mit einer braunen Papiertüte kaschiert, aber als letztes Jahr der Polizeimeister im Fernsehen sprach und ankündigte, dass es beim Castro-Halloween "Zero Tolerance" gegenüber Alkoholsündern gäbe, war klar, dass das Verbot ausnahmsweise auch durchgesetzt würde.
In Abbildung 25 seht ihr das Rauchverbotsschild in einem Hotelzimmer in San Diego, das darauf hinweist, dass das Verpesten des Zimmers mit Zigarettenrauch auch tatsächlich geahndet wird und man es nicht mit einer Ermahnung bewenden lässt. Im Ausdruck "Totally 100%" klingt so sehr der hilflose Versuch eines Kindskopfs durch, ernstgenommen zu werden, dass ich schon recht lachen musste. Tatsächlich behielt die Rezeption eine Kaution von der Kreditkarte ein, um dies notfalls durchzusetzen, anscheinend hatten manche Gäste geglaubt, es handle sich nur um einen gutgemeinten Vorschlag.
Mittlerweile lege ich dusslige Vorschriften ebenfalls pragmatisch aus. So ist es zum Beispiel nicht erlaubt, ein Sixpack Bier ohne Verpackung spazierenzutragen, aber für die hundert Meter vom Liquor Store zu unserer Wohnung lasse ich mir dafür keine Plastiktüte geben, obwohl es in unserem Viertel von Polizisten nur so wimmelt ("Happy Donuts"-Laden an der Ecke). Und in der Frühe schaffe ich es bis zum Yahoo-Shuttle-Bus an der Kreuzung 27th und Valencia nur dann in zehn Minuten, falls ich die vierspurige Guerrero-Street zwischen den Ampeln überquere ("Jaywalking"). In zweiter Reihe parken wir allerdings nicht, man muss ja nicht jeden Unfug mitmachen.
Grüße aus dem Tal der Gesetzlosen:
Angelika & Michael
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