Angelika/Mike Schilli |
Angelika Feuerwehrleute sind in den USA hoch angesehen. Sie werden in der Regel als Helden gefeiert, die sich nicht scheuen, ihr Leben zu riskieren. Vor allen Dingen nach dem 11. September, den Anschlägen in New York und auf das Pentagon, verstärkte sich diese Sichtweise noch einmal, denn es waren Feuerwehrleute, die unerschrocken das World Trade Center betraten, um Menschenleben zu retten und teilweise dabei selbst ums Leben kamen. Im Gegensatz dazu haben viele Amerikaner zu Polizisten doch ein eher gespaltenes Verhältnis.
Anfang Juni starben zwei Feuerwehrleute, Anthony Valerio und Vincent Perez, in San Francisco bei einem Einsatz, als sie versuchten, ein Hausfeuer im Diamond-Heights-Viertel zu löschen. Die Hanglage des Hauses, ein typisches Szenario im hügeligen San Francisco, wurde den Feuerwehrmännern zum Verhängnis. Das Haus, das von der Straße aus wie ein zweistöckiges Gebäude aussieht, hatte unterhalb noch zwei weitere Stockwerke am hinteren Hang, sodass die Feuerwehrmänner, die das Haus durch den Straßeneingang betraten, sich über dem lodernden Feuer befanden. Sie wurden von den Flammen eingeschlossen, als durch die Hitze alle Gegenstände explosionsartig zu brennen anfingen.
Nun werdet ihr vielleicht sagen: "Jaja, das ist tragisch, aber warum schreibt ihr darüber?" Geduld, Geduld. Das staatsaktartige Begräbnis der Feuerwehrleute überraschte mich dann doch. Die Trauerfeier fand in der St. Mary's Cathedral in San Francisco statt und nicht nur Feuerwehrleute und Rettungskräfte aus allen Teilen der USA reisten dazu an, sondern auch führende kalifornische Politiker. Auch alle lokalen Fernsehsender übertrugen die Trauerandacht.
Wie im Rundbrief 02/2006 schon einmal berichtet, liegen alle Friedhöfe San Franciscos vor den Toren der Stadt. So mussten die Särge von der Innenstadt nach Colma (etwa 20 Kilometer südlich) zum Friedhof "Holy Cross" einschließlich aller Trauergäste transportiert werden. Die Prozession bestand aus einer scheinbar endlosen Autokolonne. Die Verantwortlichen der Stadtverwaltung sperrten kurzer Hand diverse Straßen in San Francisco und legten einige Buslinien am Tag der Trauerfeier um. Auch der Freeway 280, eine der Hauptautobahnen im Süden San Franciscos, wurde für mehrere Stunden geschlossen, und zwar an einem Freitag zur Hauptberufsverkehrszeit. Wer weiß, wie es sich schon an normalen Wochentagen zu Stoßzeiten staut, kann sich die Auswirkungen ungefähr ausmalen. Aber die Menschen standen nicht nur geduldig im Stau sondern viele säumten die Straßen, um den Feuerwehrleuten die letzte Ehre zu erweisen. Die Stadt hatte zwei Helden verloren.
Michael Dass es schon ewig keinen neuen Rundbrief mehr gegeben hat liegt zum Teil daran, dass ich ein neues Hobby entdeckt habe: Online auf sauspiel.de mit anderen Leuten im Internet Schafkopf zu spielen. Beinahe zu jeder Tages- und Nachtzeit findet sich dort sofort ein offener Tisch, an dem nur noch ein Spieler fehlt, und man setzt sich einfach dazu. Und zack, schon kriegt man die ersten vier Karten und der Spaß geht los. Wenn Angelika zum Beispiel ankündigt, dass wir in zwei Minuten irgendwo hinfahren, setze ich mich blitzschnell an den Computer und spiele noch ein Schafkopfspiel.
Um 19 Uhr Ortszeit in San Francisco ist's in Deutschland 4 Uhr in der Früh und die Zahl der Tische auf sauspiel.de schrumpft schon mal auf zwei oder so, und es kann ein paar Minuten dauern, bis sich eine neue Viererrunde zusammenfindet. Aber anscheinend lungern auch zu dieser unchristlichen Uhrzeit genügend Spielsüchtige zum Zocken herum. Der Verein zählt nach eigenen Angaben 190.000 Schafkopfspieler, die Mitgliedschaft kostet 5 Euro im Monat, aber falls man sich auf Tische mit Standardregeln beschränkt (kein Farbwenz oder Geier), ist's umsonst. Manchmal brauchen zahlende Mitglieder auch dringend Spieler, so dass auch Nichtzahlende an den Sondertisch dürfen.
Wie schon mal in Rundbrief 03/2000 erwähnt, spiele ich etwa alle zwei Monate Schafkopf in einer echten Runde mit Leuten aus dem Silicon Valley. Schließlich steht das Kartenspiel laut Süddeutscher Zeitung (Abbildung 6) in Bayern auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Freizeitbeschäftigungen. Das Online-Spiel wirkt dem Verfall der Tradition wirksam entgegen, denn die Mischung aus Social Networking und Schafkopf dort zieht unweigerlich neue Spieler an. Außerdem führt die Seite Statistiken darüber, wieviele Spiele man schon absolviert hat, wie oft man gewinnt und zeichnet auch jedes Spiel auf, sodass man es später nochmal ablaufen lassen kann. Eine iPhone-App bieten die Sauspieler ebenfalls an, sodass man auch die paar Minuten an der Supermarktkasse sinnvoll nutzen kann. Laut Sauspiel-Statistik habe ich in binnen anderthalb Monaten schon 2.581 Spiele durchgezogen, und wenn wir 2 Minuten pro Spiel annehmen, habe ich 86 Stunden dort verplempert. Kein Wunder, dass kein Rundbrief zustande kam!
Michael In den USA erhalten politische Parteien kein Geld vom Staat, sondern finanzieren ihre Wahlkämpfe komplett mit Spenden von Parteifreunden. Um zu verhindern, das mächtige Industriemagnaten die parlamentarischen Abgeordneten direkt bestechen, beschränkt das Parteispendengesetz Zuwendungen von Einzelpersonen an einzelne Abgeordnete auf $2.500 (die Höchstbeträge für Parteispenden variieren je nach Spenderorganisation und Zuwendungsart). Um mit üppigeren Geldmitteln auf die Politik einzuwirken, heuern Interessengruppen deshalb heutzutage Lobbyfirmen an, die gute Kontakte zu einflussreichen Politikern pflegen. Die Lobbyfirma vermittelt dann zwischen Interessengruppe und Parlamentariern, trommelt auf der einen Seite Bürger zusammen, die je $2.500 an den Abgeordneten spenden und der Politiker verspricht dafür im Gegenzug, entsprechend den Wünschen der Interessengruppe im Parlament abzustimmen. Gruppen von finanzstarken Leuten formen auf der Spenderseite sogenannte Political Action Committees (PACs), die Fundraiser organisieren und ihr Geld zusammenlegen. Ein Blick auf die historische Entwicklung der PACs in Amerika lohnt sich: Nach dem Buch "So Damn Much Money" von Robert Kaiser, der die trockene Geschichte spannend erzählt, gab es 1974 insgesamt 608 PACs, die 12 Millionen Dollar spendeten. Zwei Bundeswahlen später, 1982, waren es schon 3371 PACs, die zusammen 83 Millionen Dollar in die Wahlkämpfe ihrer Favoriten butterten.
Sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus stimmen Abgeordnete in jeweils zwei unterschiedlichen Gremien über Anträge ab. Erst steht der Vorschlag als solcher zur Debatte, und einigen sich die Parlamentarier auf dessen Durchführung, bestimmt ein zweites Gremium, wer die damit verbundenen Tax-Dollars der steuerzahlenden Bürger zugeschustert bekommt. In dieser Zweiteilung erkannte 1978 die findige Lobbyfirma Schlossberg-Cassidy ein Schlupfloch. Sie fand einen bereits genehmigten Antrag zur Gründung eines nationalen Ernährungsforschungszentrums, und mischte sich in dessen zweite Phase, die "Appropriation" (Tax-Dollar-Zuwendung), ein. Über persönliche Beziehungen zu den abstimmenden Gremienmitgliedern gelang es der Lobbyfirma, die Zuwendung so umzumodeln, dass die Gelder nicht dem ursprünglich vorgesehenen Empfänger, sondern einem Kunden der Lobbyfirma, der privaten Universität "Tuft", zuflossen.
Heutzutage ist dieser Kniff unter der Bezeichnung "Earmark" kaum mehr aus der Gesetzesgebung wegzudenken. In der ersten Phase der Abstimmung, in der es um die Sache an sich geht, mauscheln die Abgeordneten deshalb nun schon auf Teufel-komm-raus, darüber, wer denn, falls der Vorschlag genehmigt wird, dann tatsächlich die Gelder aus dem Staatssäckel bekommt. Diese Vorbedingung heftet dann dem Antrag als Earmark (Ohrenmarkierung) an. Ein Abgeordneter signalisiert in den Vorverhandlungen, dass er dafür stimmt, falls zum Beispiel eine Institution aus seinem Bundesstaat einen Teil der Gelder in der zweiten Phase zugesichert bekommt. Abgeordnete im Senat vertreten jeweils ihren Bundesstaat, und das Zurücklotsen von Bundesgeldern in den Heimatbundesstaat ist unter dem Begriff "Bringing home the Bacon" ("Den Speck heimschaffen") bekannt. Wähler erwarten das einfach von den Abgeordneten ihres Bundesstaats.
Die zwischen Interessengruppen und Politikern vermittelnden Lobbyfirmen stellen den Interessengruppen ihre Dienste pauschal über sogenannte monatliche "Retainer" in Rechnung. Ein solventer Klient zahlt so etwa $40.000 im Monat, ohne dass die Lobbyfirma dafür Arbeitsstunden oder Leistungen nachweisen muss. Bei $60.000 im Monat spricht man in Lobbyisten-Kreisen von einer "Bonanza", und in "So Damn Much Money" steht gar die Story einer Indianergruppe, die so um ihre Spielkasinos besorgt war, dass sie $150.000 pro Monat hinlatzte, damit die Politik deren Steuerbefreiung (Rundbrief 02/2008) nicht durch neue Gesetze aufhob.
Der Begriff "Lobby" stammt angeblich vom Eingangsbereich des "Willard Hotels" in Washington DC. Während seiner Amtszeit (1869 -- 1877) hielt sich der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, Ulysses S. Grant, bevorzugt in diesem Hotel auf und Horden von Gschaftlern, die etwas von ihm wollten, lungerten in der Hotellobby herum, um dem Präsidenten hastig Vorschläge zu unterbreiten, wenn dieser gerade ankam oder wieder nach Hause abfuhr.
Will ein Politiker heutzutage eine Wahl gewinnen, muss er möglichst viele Werbespots im Fernsehen schalten. Deren horrenden Kosten bekommt er am einfachsten durch Spenden von Interessengruppen herein, denen er, einmal im Amt, mitsamt den vermittelnden Lobbyfirmen dann den ein oder anderen Gefallen schuldet.
So entsteht in der amerikanischen Politik ein florierender Wirtschaftskreislauf: Interessengruppen zahlen Lobbyfirmen, Lobbyfirmen verschaffen Politikern dringend benötigte Parteispenden, und Politiker stimmen in den Gremien im Sinne der Interessengruppen ab. Scheidet ein Politiker aus einem Amt aus, wird es höchste Zeit für ihn, richtig dick Geld zu verdienen. Seine Freunde in den Lobbyfirmen verschaffen ihm dann gerne einen hochdotierten Job. Ein Abgeordneter verdient ja weniger als der CEO einer Software-Garagenfirma, aber ein erfolgreicher Lobbyist sackt schon ein paar Milliönchen pro Jahr ein.
Der Dumme bei dieser scheinbaren Win-Win-Situation ist der Bürger. Dringend benötigte Reformen, wie die des Gesundheitswesens, der Einwanderungsgesetze oder der Umweltpolitik kommen so niemals in Gang, weil wohlhabende Interessengruppen den Status Quo festzementieren wollen und dies mit Geld durchsetzen. In Deutschland lässt sich übrigens ein anderer Trend feststellen: Dort ist den führenden Bundestagsabgeordneten mittlerweile die nächste Wiederwahl weit wichtiger als das Land ordnungsgemäß zu regieren.
Angelika Michael ließ es sich auch dieses Jahr nicht nehmen, an einem der ältesten und berühmtesten Straßenläufe in San Francisco teilzunehmen. Der Bay-to-Breakers fand wie jedes Jahr am dritten Sonntag im Mai statt und dieses Jahr zum hundersten Mal. Wir haben ja schon des öfteren berichtet (Rundbrief 06/1999, Rundbrief 08/2000), dass der Stadtlauf seinen ehrwürdigen Namen durch die Streckenführung erhielt, die sich in all den Jahren nur geringfügig verändert hat. Der Lauf geht nämlich von der San Francisco Bucht (Bay) in der Nähe des Embacadero quer durch die Stadt zum Pazifischen Ozean. Der zweite Teil des Namens, "Breakers", bezieht sich auf die sich dort bekanntlich brechenden Wellen.
Der Lauf ist nicht nur berühmt und berüchtigt, weil die Läufer den sogenannten Hayes-Street-Hügel erklimmen müssen, eine Straße mit nicht geringer Steigung, an der so manchem Möchtegern-Sportler die Puste ausgeht, sondern auch wegen der kostümierten Teilnehmer, die den Lauf eher als eine Mischung aus Karnevalsumzug und großer Freiluftparty betrachten. Kein Mensch weiß so genau, warum der Trend zur Kostümierung anfing, aber angeblich soll schon 1940 der erste Läufer als "Kapitän Kidd" verkleidet gewesen sein. Da der Lauf ürsprünglich ins Leben gerufen wurde, um die verheerenden Folgen des Erdbebens von 1906 zu vergessen, passt die ausgelassene Stimmung zur Bay-to-Breakers-Idee.
Es gibt übrigens durchaus ernsthafte Athleten bei diesem Lauf. Die dürfen vorne weglaufen, damit die partysüchtigen Läufer sie nicht stören. Dieses Jahr gewann ein Marokkaner namens Ridouane Harroufi das Rennen. Er brauchte schlappe 34 Minuten 26 Sekunden für die 12 Kilometer. Eine irre Zeit, mit dem Auto braucht man in der Regel länger für die Strecke. Das erste Rennen, das am 1. Januar 1912 stattfand, gewann der Amerikaner Bobby Vlught in 44 Minuten und 10 Sekunden. Bis 1965 hieß der Lauf "Cross-City Race", dann kam jemand auf den genialen Namen "Bay-to-Breakers". 1949 verlegten die Veranstalter das Rennen in den Mai und erst seit 1971 laufen Frauen offiziell mit, obwohl schon 1940 eine Frau an dem Lauf teilnahm, nämlich Barbara Burke. Sie hatte sich einfach als "Bobby" angemeldet.
Im Schnitt nehmen mittlerweile jedes Jahr 60-80.000 Menschen an dem Stadtlauf teil, dabei sind etwa die Hälfte nicht registriert, haben also auch die Teilnahmegebühr nicht bezahlt. Sie mischen sich einfach unter den Pulk der Läufer. Im Jahr 1986 gab es über 110.000 Teilnehmer, was dem Bay-to-Breakers einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde bescherte. Michael verwirklichte heuer leider nicht seinen Traum, unter einer Stunde zu laufen, aber er kam nah dran, denn er brauchte für die Stecke 1 Stunde und 4 Minuten.
Neben den Verkleideten und den Leuten, die das Rennen nur mit Turnschuhen bekleidet laufen, pflegen die Teilnehmer noch einige andere verrückte Traditionen. Am Start schleudern Teilnehmer Tortillas, die mexikanische Fladenbrotvariante, in die Luft, um sich die Zeit zu vertreiben. Seit 1978 nimmt auch die Untergruppe der sogenannten "Tausendfüßler" teil (auf Englisch "Centipede" genannt). Dwayne Harms kam auf diese glorreiche Idee. Mindestens 13 Läufer bilden eine Einheit und laufen zusammen. Ein Ersatzläufer ist erlaubt, falls einer aus der Gruppe ausscheren muss, weil zum Beispiel sein Schuhband locker ist. Die "Tausendfüßler" sind in der Regel ernsthafte Läufer und wollen alle möglichen Rekorde brechen. Die "Reebok Aggies" stellten 1990 zum Beispiel den Tausendfüßler-Rekord bei den Männern auf und brauchten als Gruppe nur 37 Minuten und 39 Sekunden für die Strecke. Dann gibt es noch die Läufer, die als Lachse verkleidet stromaufwärts bzw. gegen den Strom schwimmen, d.h. den Lauf am Ozean beginnen.
Ihr seht schon, der Bay-to-Breakers lässt sich mit keinem Lauf der Welt vergleichen. Leider wohnen in San Francisco mittlerweile ein paar Spielverderber, die seit einigen Jahren versuchen, den Lauf in ein Nullachtfünfzehn-Ereignis für Herrn und Frau Saubermann umzufunktionieren. Wie immer bei großen Menschenaufläufen schlagen einige wenige über die Stränge und trinken zuviel Alkohol oder benehmen sich daneben. Ein besonderers Ärgernis für viele Anwohner, die in Häusern an der Strecke wohnen, ist, dass betrunkene Teilnehmer manchmal die Vorgärten als Urinal mißbrauchen. Nun kann ich verstehen, dass das nervig ist, auf der anderen Seite findet der Bay-to-Breakers nur einmal im Jahr statt und da sollte man vielleicht auch einmal ein Auge zudrücken oder verreisen, wenn man ein Partymuffel ist. Seit 2009 bemühen sich die Organisatoren, strengere Vorschriften durchzudrücken, mit mehr oder weniger Erfolg. Alkohol während des Laufs mitzuführen und zu trinken ist offiziell seit zwei Jahren verboten, bloß hielt sich bis dato keiner daran. Zunächst führte der Veranstalter eine Gebühr für die sogenannten "Floats" ein, kleine geschmückte Handwagen, auf der sich in der Regel ein Fass Bier befand. Dieses Jahr verbot man sie gleich ganz und konfiszierte Alkohol generell. Der Sponsor hatte dafür extra neben der Polizei private Sicherheitskräfte eingestellt. Auch standen Ausnüchterumgszelte an der Strecke. Außerdem fing das Rennen nicht wie sonst immer um 8 Uhr morgens an, sondern schon um 7 Uhr. Die zugrundeliegende Strategie war wohl, dass Partyliebhaber nicht gerne früh aufstehen. Es ging dieses Jahr tatsächlich gesitteter zu, doch auf Kosten des besonderen Flairs der Veranstaltung.
Angelika Jeder kennt San Franciscos berühmtes Viertel "Chinatown", entweder aus dem Fernsehen oder weil es zum Pflichtprogramm jedes Touristen gehört. Auch wenn vieles in diesem Viertel, das mitten in der Innenstadt liegt, mittlerweile "Touristenfalle" schreit, bieten Händler dort immer noch exotische Gewürze, Früchte und Tee in allen Variationen feil und die Restaurants bieten so manchen kulinarischen Genuss. Echte Kenner weichen allerdings auf die Clement Street aus, was unter den Einheimischen als das alternative Chinatown gilt.
Die Clement Street liegt im Viertel "Inner Richmond" und da sich hierhin nur wenige Touristen verlaufen, stehen dort auch keine kitschigen Andenkenläden mit billigen San-Francisco-T-Shirts oder Cable-Car-Memoribilia. Es geht allgemein weniger hektisch zu und die Straße ist zwar oft vom berühmt-berüchtigten San-Francisco-Nebel umwoben, bietet dafür aber zwischen Arguello und Park Presidio Boulevard eine Vielzahl von Restaurants, kleine Lebensmittelgeschäfte, einen Fischmarkt, Stoffmärkte, Haushaltswarengeschäfte und den ein oder anderen nobleren Laden wie zum Beispiel "April in Paris", der handgemachte Lederprodukte herstellt und verkauft.
Obwohl chinesisiche Einflüsse dominieren, ist das Viertel vielschichtiger als das Chinatown in der Innnenstadt. Auch hier hängen gebratene Enten in den Schaufenstern, und Gemüse und Obst liegt gestapelt auf zusammen geschusterten Holzregalen vor den Läden. Auch Restaurants aus benachbarten asiatischen Ländern findet man hier. Unser Lieblingsrestaurant auf der Clement Street ist zum Beispiel ein vietnamesisches Restaurant mit dem schönen Namen "Le Soleil". Hier schlürfen wir mit Vergnügen eine feine Nudelsuppe, und vorneweg bestellen wir meist vietnamesische Kaiserrollen ("Imperial Rolls"), eine Art knusprige Frühlingsrolle, die man in Salatblätter einwickelt und in süß-saure Soße tunkt.
"Schubert's", eine Konditorei auf der Clement Street, die von einem Deutschen gegründet wurde und noch immer von einem deutschen Besitzer geführt wird, bäckt seit 1911 leckere Kuchen und Kekse und verkauft sie in einem Cafe. Ihre Produkte haben nichts mit dem süßen Pappzeug gemein, das amerikanische Supermärkte unter der Bezeichnung "Kuchen" verkaufen, sondern orientieren sich eher nach europäischen Standards. Haig's Delicacies hat selbstgemachtes leckeres Hummus und türkische Delikatessen, sowie holländische Produkte im Sortiment. Ich fand in dem Laden doch tatsächlich meine holländischen Lieblingskekse, die ich immer als Kind während unseren Hollandurlaube verspeist habe. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Selbst die holländischen Schokoladenstreusel, die man in Holland wie Nutella aufs Butterbrot schmiert, führt der Laden.
Auch das Buchgeschäft "Green Apple" findet ihr auf der Clement Street, einen der wenigen noch existierenden unabhängigen Buchläden in San Francisco. Er öffnete 1967 seine Tore und ist für seine gute Auswahl an gebrauchten Büchern bekannt. Wenn euch Chinatown gefallen hat, und ihr auf der Suche nach noch exotischeren und vor allem authentischeren Geschäften seid, die auch langjährige San-Francisco-Profis noch schätzen, lohnt sich ein Ausflug in die Clement Street allemal.
Michael Der sogenannte Knock-Knock-Joke ist eine in Deutschland weitgehend unbekannte Scherzform, die nicht nur in den USA, sondern auch im gesamten anglophilen Sprachraum sowie in Frankreich und Belgien die Gemüter erheitert. Der Witz besteht aus fünf Zeilen, die jeweils abwechselnd vom Witzerzähler und dem Zuhörer gesprochen werden.
Derjenige, der den Witz vorträgt, fängt mit "Knock, knock?" ("Klopf, klopf?") an und der aufmerksame Zuhörer weiß nun, dass ein Knock-Knock-Witz folgt und fragt neugierig "Who's there?" ("Wer ist da?"). Der Erzähler sagt nun zum Beispiel "Sara.", zum Zeichen, dass Sara vor der Türe steht. Der Zuhörer antwortet nun "Sara, who?" ("Sara, wer?") und der Erzähler bringt die abschließende Pointe zum Einsatz, in diesem Fall: "Sara doctor in the house?" (klingt wie "Is there a doctor in the house?", also "Ist ein Doktor im Hause?").
Das abschließende Wortspiel nennt man "pun" und es ist ein fester Bestandteil des Knock-Knock-Witzes. Der Frauenname "Sara" wird "Sährah" ausgesprochen, und das klingt umgangssprachlich wie "There a", was viele Amerikaner schlampig murmeln, wenn sie "Is there a" meinen. Die Pointe nimmt also stets die Antwort aus der dritten Zeile, und unterwirft sie einer sinnentstellenden und damit lustigen Transformation.
Tritt also ein Kollege im Büro ins Cubicle ein und sagt "Knock, knock?", ist es unbedingt erforderlich, sichtlich erheitert "Who's there?" zu sagen und mitzuspielen, oder man steht als verbiesterter Deutscher da.
Einen hab' ich noch: "Knock, knock." "Who's there?" "Adolf." "Adolf who?" "Adolph ball hit me in de mowf." (klingt wie "ein Golfball hat mich am Mund getroffen").
Michael Amerikaner sprechen manchmal bewußt falsches Englisch, um entweder zu scherzen oder jugendlich und cool zu erscheinen. Dabei handelt es sich nicht um das von den Nutznießern des sozialen Wohnungsbaus oft zur Schau gestellte Gangster-Englisch. Wer "He do" sagt, outet sich sofort als Außenseiter ohne Hauptschulabschluss, was eigentlich nur bei hoffnungslosen Jugendlichen als cool gilt.
Die auch im Bayrischen übliche doppelte Verneinung ("I hab koa Goid ned") trifft man hingegen auch im saloppen Oberklassenamerikanisch. Im Titel "Money" von Dr. Teeth aus der Muppet-Show heißt es zum Beispiel: "Don't need no loving', don't need no kissin', don't need no gal to call me honey" ("ich brauch keine Liebe, keine Küsse und kein Mädel, das mich 'Honey' nennt").
Die schlimmste Verballhornung der englischen Sprache ist wohl "Get your hair did" für "Geh zum Friseur". Der Ausdruck ist im Gangstermillieu zu finden (in einem Song von Missie Elliot taucht er zum Beispiel auf), in gebildeten Kreisen sagt man so etwas allerdings nur zum Scherz.
In geschriebenem Text stolpern viele Amerikaner über den Unterschied zwischen "who's" und "whose", sowie "it's" und "its". Das ist mir genauso unverständlich wie wenn jemand im Deutschen "dass" und "das" nicht auseinanderhalten kann, aber selbst Schlussredakteure angesehener Zeitschriften haben's nicht immer drauf. Ich markiere derartige Funde selbstverständlich sofort mit Rotstift und schicke sie manchmal mit bissigen Kommentaren versehen und unter Hohngelächter an die entsprechenden Redaktionen. Zum Unterschied zwischen "who's" und "whose": "Who's" ist die Abkürzung von "who is", also kann man "Who's next?" ("Wer ist als Nächster dran?") schreiben. Das Wort "whose" hingegen übersetzt man ins Deutsche mit "wessen". Also heißt es korrekt: "Whose car is this?" ("Wessen Auto ist das?").
Ähnlich verhält es sich mit "it's" und "its": Das erste ist ein zusammengezogenes "it is", also schreibt man "It's five o'clock" wenn's Fünfe ist. Andererseits ist "its" ein Possessivpronom, also sagt man "The dog wagged its tail" wenn der Hund mit seinem Schwanz wedelt. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder einfach Apostrophe einbaute, wo gar keine hingehören, das ist ja fast so schlimm wie "Erika's Friseursalon"!
Angelika Amerikaner pflegen in der Regel ein recht entspanntes Verhältnis zu ihren Autos. Es ist ein Gebrauchsgegenstand, der einen zuverlässig und bequem zur Arbeit oder von A nach B bringt. Die meisten nehmen es nicht so genau, wenn ihr Auto einige Kratzer abbekommt und setzen ihr Auto beim Ein- und Ausparken schon mal auf die Stoßstange des vorderen oder hinteren Autos auf. Autos zu mieten ist weit verbreitet, denn um die großen Entfernungen im Land zu überbrücken, bietet sich oft das Flugzeug als schnellstes Verkehrsmittel an und dann leiht man sich eben vor Ort bei einer der großen Autovermietungsfirmen ein Auto aus. Hinzu kommt, dass es oft keine wirklichen Alternativen gibt, denn das öffentliche Verkehrssystem lässt in vielen Gegenden noch zu Wünschen übrig. Da die Konkurrenz zwischen den Autovermietungsfirmen wie Hertz, Alamo, Avis oder Dollar groß ist, kann der Kunde sich oft über gute Deals freuen. Oft kosten kleine Autos unter zwanzig Dollar pro Tag.
Seit einigen Jahren hat sich in größeren amerikanischen Städten wie Boston, New York, Portland und San Francisco das sogenannte "Carsharing" durchgesetzt. Es wurde besonders für Leute konzipiert, die nur sehr kurzfristig (zum Beispiel für mehrere Stunden) ein Auto benötigen. Die Autos der Carsharing-Firmen sind dann auch nicht an großen zentralen Punkten wie den Flughäfen abzuholen, sondern vor Ort in verschiedenen Vierteln der Stadt geparkt. Der Autoleiher holt sich das Auto ganz unbürokratisch an der für ihn günstigsten Stelle ab, ohne sich mit irgendwelchen nervigen Autovermietungsbediensteten über den Erwerb zusätzlicher Versicherungspakete zu streiten.
Die Anmeldung erfolgt in der Regel über das Internet. Man tippt ein, wann und für wielange man das Auto will und wo man es abholt. Der Fuhrpark verfügt üblicherweise nur über eine begrenzte Auswahl an Autotypen. In San Francisco scheinen hybride Autos zu dominieren. Bei uns in San Francisco haben sich die Firmen Zipcar und "City Car Share" etabliert. Um sich bei Zipcar oder City Car Share ein Auto auszuleihen, muss der Kunde sich zunächst anmelden und Mitglied werden. Jede der Firmen hat unterschiedliche Preise und Pläne. Bei Zipcar in San Francisco kostet die Mitgliedschaft zum Beispiel 60 Dollar im Jahr ohne eine monatliche Verpflichtung, ein Zipcar zu leihen. Ein Auto auszuleihen kostet dann $7.75 pro Stunde, wobei die Versicherung, das Benzin und 180 freie Meilen im Preis mit inbegriffen sind. Bei Zipcar öffnet die Zipkarte das Auto, man hält die Karte einfach an die Windschutzscheibe und ein kleines Lesegerät liest den Kartencode ein.
Nun werdet ihr sagen: "Das ist ja alles ein alter Hut!" und ihr habt natürlich recht, die Idee des "Carsharing" kommt aus Europa und hat sich dort schon lange durchgesetzt. Ich wollte auch eigentlich von einer neuen Idee berichten. Neulich flatterte uns nämlich eine Broschüre von "Relay Rides" ins Haus. Diese schlauen Füchse dachten sich: Nicht jeder fährt sein Auto 24 Stunden am Tag, warum nicht einen Service anbieten, der Nachbarn darin unterstützt, sich gegenseitig ihr Autos auszuleihen? "Relay Rides" bringt Verleiher und Ausleiher zusammen und stellt die Versicherung für beide Seiten zur Verfügung sowie eine Technologie, damit die nervige Schlüsselübergabe wegfällt.
Derjenige, der sein Auto verleihen möchte, meldet sich bei "Relay Rides" an und bestimmt, wieviel es kostet, sein Auto auszuleihen. Je älter das zu verleihende Auto ist, desto weniger darf der Autobesitzer verlangen. "Relay Rides" behält dann 15% der Summe ein plus eine weitere Gebühr für die Versicherung. Benzin sowie 20 Freimeilen pro Stunde oder 160 Meilen pro Tag sind inbegriffen.
Falls ein Unfall passiert, braucht der Autobesitzer sich keine Sorgen zu machen, dass seine Versicherungsprämie steigt, denn alles wird über die Versicherung von Relay Rides abgewickelt. Der Autobesitzer behält natürlich seine normale Versicherung bei, denn Relay Rides versichert nur die Fahrten des Autoausleihers. Damit der Autoausleiher das Auto schneller findet, kleben abziehbare große Aufkleber mit dem Slogan "Borrow my Car" auf dem Auto. Jeder kann sein Auto zur Verfügung stellen, solange es die normalen Sicherheitsbestimmungen erfüllt. Unser altes Zweitauto "Perly Perlman" können wir aber nicht mehr verleihen, denn es hat noch keine elektronische Zentraltürverriegelung. Die Türen müssen wir noch altmodisch mit einem Schlüssel öffnen und das ist nicht kompatibel mit der Technik von Relay Rides. Wir sind gespannt, ob sich diese Idee durchsetzen wird. In letzter Zeit sehen wir öfter Autos mit dem Aufkleber "Borrow My Car", das Geschäft scheint gut anzulaufen.
Grüße aus dem Land der nie versiegenden Ideen:
Angelika & Michael
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