Angelika/Mike Schilli |
Angelika Im Juli beschlossen wir, für zehn Tage nach Vancouver Island zu fliegen, denn viele hatten uns schon von dieser Insel vorgeschwärmt, die nur eine kurze Fährenfahrt von der kanadischen Millionenstadt Vancouver entfernt im Pazifik liegt. Sie gehört zur kandischen Provinz British Columbia, ist 460km lang und 100km breit, und wer schon einmal in Skandinavien Urlaub gemacht hat, wird sich auf Vancouver Island gleich zu Hause fühlen. Es gibt Schären, Wald, Berge und Seen, und als Zugabe noch einen fantastischen Regenwald. Man findet lange -- oft nebelverhangene - Sandstrände und eine interessante Tierwelt, einschließlich verschiedener Wale, die entweder dort ansässig ("resident wales") oder auf der Durchreise ("transient wales") sind. Außerdem kommen die schmackhaften und weltberühmten Austern aus der Fanny Bay von dort.
Angelika Der Norden Vancouver Islands gilt als einsam, rauh und feucht und als Paradies für jeden Wanderer und Naturfreund. Wir waren im Süden, in Victoria, der größten Stadt der Insel mit einer Propellermaschine aus dem kanadischen Vancouver gelandet und fuhren mit einem Mietauto ans Nordende, nach Port Hardy.
Auf der langen Autofahrt nach Norden erstaunte uns die dichter werdende Bewaldung, und wir sahen nur noch wenige Menschen, fanden schließlich nur noch eine einzige nennenswerte Landstraße und viele unbefestigte, vorwiegend von Holzfällertrucks befahrene Wege vor. Wir kamen in einer Holzhütte unter, etwas außerhalb des Städtchens Port Hardy.
Das ist ein kleiner, verschlafener Ort mit einem gut sortierten Supermarkt, einigen Kneipen und Restaurants, sowie ein paar unscheinbaren Hotels und Motels. Der Ort lebt mehr und mehr vom Tourismus, wohl weil der Anleger für die Fähren nach Prince Rupert unmittelbar vor den Toren des Städtchens liegt, aber auch die Holzindustrie und Fischerei sind noch wichtige Einnahmequellen.
Ein besonderers Zuckerl ist der Cape Scott Provincial Park mit der wunderschönen einsamen St. Josefs Bucht. Dort hinzugelangen ist schon ein Abenteuer für sich. Zunächst fuhren wir zwei Stunden (ein Weg!!!) über unbefestigte Straßen, die den Holzlastwagen als Transportwege dienen. Dann ging es weiter zu Fuß durch einen Regenwald, bis wir an einem nebelverhangenen einsamen Strand ankamen. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn Dinosaurier um die Ecke gebogen wären.
Wir lernten, dass schon seit anno tuck und toback Menschen ihr Glück in diesen einsamen und unzugänglichen, von der Welt abgeschnittenen Gegenden gesucht haben. Bernt Ronning, ein norwegischer Einwanderer, baute sich zum Beispiel 1910 mitten in den Regenwald kurz vor Cape Scott an der nie fertig gestellten alten Wagenroute nach St. Josefs Bay eine Hütte in den Wald und lebte dort bis zu seinem Tod in den frühen 60ern Jahren vom Fischfang und Fallenstellen. Auch hatte er die verückte Idee, Samen und Setzlinge aus aller Welt zu bestellen und einen Teil des Regenwalds zu roden, um seine Pflanzen und Blumen gedeihen zu lassen. So blühten in seinem Garten mitten im Regenwald artfremde Pflanzen wie Rhododendron, Osterglocken, Heckenrosen aber auch Affenbäume. Nach dem Tod von Bernt Ronning nahm der Regenwald den Garten schnell wieder in Besitz, bis viele Jahre später die heutigen Besitzer Ron und Julia Moe es sich zur Aufgabe machten, den Garten wieder aufblühen zu lassen. Laut Reiseführer muss Bernt Ronning auch derart exotische Pflanzen gezogen haben, dass es Botanikern immer noch nicht gelungen ist, alle zu bestimmen.
Bevor wir nach Vancouver Island aufbrachen, konnten wir in jedem Reiseführer nachlesen, dass auf Vancouver Island mehr Bären als Menschen leben. Interessanterweise stromern auf der Insel nur Schwarz- aber keine Grizzlybären herum, während auf dem kanadischen Festland beide Arten vorkommen. Trotz intensiver Reserche bekam ich keine befriedigende Antwort auf die Frage, warum das so ist. Auf jeden Fall sahen wir gleich am zweiten Tag insgeamt drei Bären, die alle am Straßenrand gemütlich an irgendwelchen Gräsern herumknabberten.
Das scheint eine beliebte Beschäftigung der Schwarzbären zu sein. Da wir uns im sicherem Abstand in unserem Auto befanden, konnten wir in aller Ruhe Fotos schießen. Hinter uns hielt dann eine weitere Touristin an, die zu unserem Schrecken aus ihrem Auto ausstieg und sich dem Bären auf nur wenige Meter näherte, um ein Foto mit ihrem iPhone zu schießen. Sie schlich dabei und deutete uns an, leise zu sein. Wir fassten uns an den Kopf und fuhren davon. Sich einem Bären zu nähern und ihn zu erschrecken, ist ungefähr das Dümmste, was man machen kann. Bären bemerken Menschen normalerweise schon von weitem, und ignorieren sie, denn sie haben einen feinen Geruchssinn. Kommt man ihnen aber zu nahe und sie fühlen sich bedroht, endet das meistens böse.
Während unser Reise sahen wir im Schnitt täglich ein bis zwei Bären, vor allen Dingen, als wir uns im Norden der Insel aufhielten, denn da herrschen besonders paradiesische Verhältnisse: Wald soweit das Auge reicht und kaum Menschen. Einmal wanderten wir durch dichten Wald, kamen an einer Lichtung an und sahen einen Bären auf einer Wiese, vielleicht 100 Meter entfernt. Zum Glück war ein Wasserarm dazwischen. Die absolute irrwitzigste Begegnung mit einem Schwarzbären hatten wir, als wir in dem kleinen Ort Telegraph Cove gemütlich in einem Pub eingekehrt waren. Der Ort ist auf Stelzen im Wasser am Rande einer Bucht gebaut und Holzstege verbinden die Häuser. Wir saßen drinnen im Pub, und sahen, dass die Touristen auf der Terrasse aufsprangen und Fotoapparate zückten. Ein Bär war aus dem Wasser gesprungen, trug einen Fisch im Maul und spazierte gemütlich über die Holzstege des Dorfs zum Wald hoch. Selbst die Bedienung des Pub schien überrascht und bestätigte, dass das noch nie vorgekommen wäre.
Allgemein leben die Einwohner Vancouver Islands in friedlicher Koexistenz mit ihren Bären. Während wir in Alaska auf Anraten der Einheimischen immer eine Dose Bärenspray mitführten (Rundbrief 05/2006), riet man uns auf Vancouver Island nur, bei Bärenbegegnungen Krach zu machen, damit der Bär weiß, dass jemand kommt. Wir wanderten stets brav mit Bärenglocken am Rucksack durch den Wald, trafen aber viele, die auf diese leise bimmelnden Sicherheitsvorkehrungen verzichteten.
Michael Auf Vancouver Island laufen erstaunlich viele deutsche Touristenfamilien herum. Ganz so schlimm wie in "Man spricht deutsh" benehmen sich unsere Landsleute dort allerdings nicht, es handelt sich scheinbar um halbwegs gebildete Pärchen in unserem ja doch schon etwas fortgeschritteneren Alter, die ganz passabel Englisch sprechen.
Was verschlägt Otto Normalverbraucher in die kanadische Wildnis? Kanada an sich ist lange nicht so interessant wie die USA. Kanadische Großstädte sind alle lächerlich, da bietet eine Stadtrundfahrt durch München-Laim mehr Highlights. Sie sehen aus, als wären sie in den 60ern unter sozialstaatlicher Planung entstanden. Architektonische Extravaganz oder wahres Multi-Kulti fehlt völlig, obwohl viele Kanadier das nicht einsehen.
Und Kanada ist rasend teuer, selbst wir Hipstermetropolen-Yuppies müssen 30% draufschlagen. Wer hat in Deutschland die Euros zum Rauswerfen? Wahrscheinlich deutsche Lehrbeamte, die nicht nur über endlos Ferien verfügen, sondern dazu auch noch irre Gehälter kassieren. Die Eigentümerin der Holzhütte, die wir für einige Tage gemietet hatten, bestätigte jedenfalls, dass etwa 65% ihrer Gäste aus Deutschland kämen (Ost oder West fragten wir, aber das wusste sie nicht), und allesamt die Bären sehen wollten.
In Tofino wimmelt es außerdem im Juli von Surfanfängern, gegen die euer werter Erzähler sogar noch ganz sportlich aussieht. Die Wassertemperatur ist etwas angenehmer als in San Francisco, wo einem ohne dicken Neopren-Wetsuit vor Kälte sofort das Herz stehen bleibt. Das Wetter war nieselig, aber sehr mild, die Wellen eher mäßig, aber im Oktober soll dort ein ordentlicher "Swell" herrschen (Surferjargon für dicke, regelmäßige, gut surfbare Wellen).
Michael Einige Eigenheiten gibt es aus der kanadischen Gastronomieszene zu berichten. Scheinbar nimmt die Bedienung beim Bezahlen die Kreditkarte des Gastes jetzt nicht mehr entgegen wie in den USA üblich (Rundbrief 08/2000), um hinter dem Tresen den Betrag zu autorisieren, sondern wartet, bis der Gast sich von seinem Tisch erhebt, und sich zum Bezahlen zu Fuß dem Tresen nähert. In feinen Etablissements kommt die Bedienung auch mal mit einer von mir sogenannten Trinkgeldmaschine an den Tisch, worauf der Gast seine Karte durchzieht, und in einem mit irre vielen Knöpfen zu bedienenden Dialog den Trinkgeldbetrag eintippt. Der kleine Kasten druckt knatternd eine Rechnung aus, die der Gast mit einem Kuli unterschreibt. Zum Glück habe ich Abitur und brauchte zum Trinkgeldgeben nur etwa zwei Minuten, mit einer kurzen Unterbrechung, als die Bedienung die Maschine zurücksetzen musste, weil ich den falschen Knopf gedrückt hatte.
Die amerikanische Kreditkartenindustrie sträubt sich ja seit Jahren, Chipkarten einzuführen, um den kostspieligen Upgrade der Kartenleser hinauszuzögern. In den USA zahlt man immer noch mit Karten mit Magnetstreifen, aber Kanada scheint die Sicherheitsaspekte der Chipkarten zu bevorzugen und blickt ungläubig auf die veralteten Karten der amerikanischen Touristen.
An Tankstellen akzeptieren die Kanadier keine amerikanischen Kreditkarten an den Zapfsäulen, ich wurde zweimal per Lautsprecher darauf aufmerksam gemacht, dass man mit "Foreign Credit Cards" drinnen im Kassenhäuschen einen Betrag mit einer US-Kreditkarte vorauszahlen müsse, tankt man anschließend weniger, zieht die Tankstelle nur das vertankte Geld ab, nicht den vorher per Unterschrift auf dem Beleg autorisierten Betrag.
Michael In den unbewohnteren Gegenden Vancouver Islands arbeiten hauptsächlich Holzfäller, rauhe Typen, die abends, immer noch in Arbeitsmontur, in die Dorfkneipe einlaufen und teilweise, wie mir schien, schon lange keine Zahnarztpraxis mehr von innen gesehen hatten. In einer Spelunke am Rande von Nirgendwo aßen wir mal sehr gut zu Abend, und als ich, wie in Kanada üblich, zum Begleichen der Rechnung zur Kasse ging, zahlte vor mir ein Holzfäller seine Zeche. Der sichtlich angeheiterte Mann bekam noch zwei Paletten Budweiser-Bierdosen und zwei große Säcke Eiswürfel mit, zahlte etwa $150 und fragte gleich noch die Bedienung, ob er sie zum Abendessen ausführen dürfte, was diese kurz überlegte, aber dann dankend ablehnte. Hoffen wir mal, dass er nur ein kurzes Stück mit dem Auto heimfahren musste!
Holzfäller übernachten unter der Woche oft in Hütten im Wald, denn die Zufahrtsstraßen zu den Holzfällerstellen sind ungeteert und mit Schlaglöchern übersäht. Manche Arbeiter jagen mit vierradgetriebenen Pickup-Trucks jeden Tag eine Stunde in den Wald rein und abends wieder raus, müssen aber die dicksten verfügbaren Reifen kaufen und immer zwei Ersatzreifen dabei haben, denn wenn man 60km/h über eine Holperstrecke fährt, schlitzen spitze Steine schon mal den Gummi auf.
Einmal fuhren wir auf einer Zubringerstraße, und von weitem sahen wir einen entgegenkommenden, vollgeladenen Holzfällertruck. Zum Glück fand ich gleich eine Ausbuchtung, hielt an, und wir zogen die Köpfe ein. Die Logging-Trucks laden etwa 100 Tonnen Holz pro Fuhre, sind mit Ladung fast doppelt so breit wie ein normales Fahrzeug und fahren ganz gemächlich mit etwa 30km/h über die Holperstraßen im Wald. Ein paar Holzbrücken über kleine Bächlein wurden tatsächlich für diese enorme Belastung konstruiert.
Der Truck nahm fast die gesamte Straßenbreite ein, er fuhr sehr langsam (etwa 25km/h), und uns wurde gesagt, dass die Fahrer sich untereinander über CB-Funk vor Touristen warnen und Rücksicht nehmen. Unser Lumberjack winkte sogar!
Die mit Kettensägen abgeholzten Baumstämme kutschieren die Trucks auf Waldwegen zu einer Sammelstelle, wo sie ins Meer geworfen und von Schleppern zur nächsten Verarbeitungsstelle weiterbugsiert werden.
Michael Um die Tier- und Pflanzenwelt der sogenannten "Broken Islands" in der Bucht südlich von Tofino zu erkunden, buchten wir eine geführte Ganztages-Kajaktour. In der Früh um acht fuhren wir in einem kleinen Zubringerboot mit aufgeschnallten Kajaks zu der Inselgruppe, um dort an einem Sandstrand Proviant in die Kajaks zu packen, die Ausrüstung anzulegen und loszupaddeln.
Ich saß hinten im Kajak, dort paddelt man gleichzeitig mit den Händen und bedient das Ruder mit den Füßen. Von 10 Uhr früh bis in den späten Nachmittag hinein fuhren wir von Insel zu Insel, teilweise in leichtem Nieselregen und, als mal eine halbe Stunde etwas Wind aufkam, durch ganz schön anstrengende Wellen.
Insgesamt fuhren drei Boote, außer uns war noch ein weiteres Paar aus Portland dabei, ebenfalls im Doppelkajak, und der Kajakführer fuhr in seinem eigenen Kajak. Die anderen Teilnehmer waren Wildwasserfahrer und wir mussten uns ziemlich reinhängen, um mitzuhalten. Ich hatte am Abend sogar eine dicke Blase am Daumen! "Kajak-Blisters" nennt man die angeblich, der Kajakführer hatte an der selben Stelle dicke Schrunden.
Einmal sauste ein schweres Motorboot durch die Bucht und löste eine etwa 1m hohe, behäbige, von mir so genannte "Tsunami" aus, die sich langsam dem Kajak näherte und wir paddelten schnell, um das Boot in die gleiche Richtung zu drehen. Zum Glück hatte uns der Kajakführer das vorher gesagt, sonst hätten wir wohl ein kaltes Bad genommen. Kommt angeblich etwa zweimal im Jahr vor, sagte der Kajakführer, und er muss die Leute dann immer rausziehen, denn als Tourist kann man noch keine Eskimo-Rolle.
Der erstaunliche Kajakführer, ein Weltenbummler, der lange Zeit in Neuseeland verbracht hatte, erzählte stundenlang während der Fahrt Geschichten und erklärte jeden Baum und jeden Strauch. Wir sahen dies und jenes Getier, einen Adler, eine Robbe, ein paar Seesterne, allerdings blieben wegen des schlechten Wetters spektakuläre Sichtungen aus.
Bei einer Tour ein paar Wochen voher war ein Buckelwal einem Kajak zu nahe gekommen und die Kajak-Touristen waren beinahe vor Schreck gekentert und ins Wasser geplumpst. Auf der Heimfahrt im Zubringerboot sahen wir dann doch noch einige Wale beim Herumplanschen, einen sogenannten "Humpback Wale" (Buckelwal), und einen Grauwal, die wir routiniert fotografierten.
Michael Wir sind wieder zurück in San Francisco! Eine der irrsinnigsten Gesetze der USA verbietet jungen Erwachsenen unter 21 Jahren den Genuss von Alkohol. Das muss man sich mal vorstellen: Ein zwanzig Jahre alter Erwachsener darf ein Haus kaufen, in die Armee eintreten, oder eine Waffe erwerben, aber kein Bier im Supermarkt kaufen. Wie alle irrsinnigen Gesetze wird es jedoch laufend umgangen.
Als ich zum Beispiel vor guten zwanzig Jahren in Amerika unterwegs war, kamen mein Studienkumpel Huber und ich mal in einer Kleinstadt an, in dem der Huber einen Austauschschüler kannte, was, soweit ich mich erinnern kann, uns irgendwelche billigen Übernachtungsmöglichkeiten eröffnete, also fuhren wir hin. Kaum waren die ersten Begrüßungshandschläge getan, schon trug unser Kontaktmann mit verschwörerischer Stimme ein Anliegen vor: Ob wir mit unserem Auto nicht schnell mal an der Tanke vorbeifahren und ein Bier erwerben könnten?
Ich war damals gerademal 21 und bekam im Drive-Through anstandslos ein Bier überreicht, das unser Bekannter sofort nachdem wir den Liquor-Store verlassen hatten, gierig öffnete und den Inhalt wie ein verdurstendes Kamel in der Wüste in sich hineinsog. Der Huber und ich sahen uns fragend an, aber dann erklärte man uns, dass der Verkauf von Alkohl an Leute unter 21 Jahren in den USA nicht erlaubt wäre und die jungen Erwachsenen Himmel und Hölle in Bewegung setzten, um dennoch daran zu gelangen.
Umgekehrt ist es Erwachsenen verboten, unter-21-jährigen Zugang zu Alkohol zu gewähren und ganz übereifrige Gesetzeshüter senden sogar jugendliche Spitzel in den Tante-Emma-Laden nebenan, um zu sehen, ob denen dort Alkohol verkauft wird. Falls der Ladenbesitzer sich nicht den Führerschein zeigen lässt, um das Alter zu verifizieren, bekommt er eine Anzeige und eine dicke Geldstrafe aufgebrummt. Im Wiederholungsfall wird ihm die Lizenz zum Alkohlverkauf entzogen.
Neulich hingen wir wie üblich an heißen Wochenenden am Strand von Pacifica ab und ließen uns neben einer Gruppe von vielleicht 18-jährigen Leuten nieder. Diese hatten sichtlich Spaß daran, sich abwechselnd an einer Zwei-Liter-Limoflasche mit einem verdächtig klaren Getränk ohne Kohlensäure zu laben -- dem Benehmen der jungen Leute nach zu urteilen handelte es sich höchstwahrscheinlich um vorher in eine Tarnflasche umgefüllten Wodka.
Falls in einem Viertel ein Laden, der alkoholische Getränke verkauft, oder eine Wirtschaft mit Schanklizenz aufmachen, schickt das "Department of Alcoholic Beverage Control" Formulare an alle Nachbarn in einem Umkreis von 500 Fuß (180m). Abbildung 29 zeigt den Schrieb, der in unserem Briefkasten landete, als der Besitzer des Weinladens um die Ecke wechselte und der neue Besitzer wohl eine neuerliche Genehmigung zum Verkauf alkoholischer Getränke brauchte. Im Text heißt es, dass man gegen den Laden protestieren kann und dazu muss man ein weiteres Formular, genauergesagt ABC-510-A, anfordern, auf dem man seine Bedenken gegen den Weinladen an das greise Kontrollgremium vorbringen kann. Wir haben natürlich nichts dagegen, wir würden sogar ein extra Formular ausfüllen, damit der gute Mann seinen Wein verkaufen darf.
Die Moral von der Geschicht? Wie zu Zeiten der Prohibition ab 1919, als in ganz Amerika die Herstellung, der Vertrieb und der Genuß von alkoholhaltigen Getränken verboten war, hat sich der Staat in einen Kampf verstrickt, den er nicht gewinnen kann. Statt die jungen Erwachsenen zum verantwortungsvollen Umgang mit Rauschmitteln zu erziehen, stempelt er sie zu Kriminellen, die absurde Gesetze als Volkssport übertreten. Wie man weiß, hatte die Regierung mit der Prohibition anno 1933 schließlich ein Einsehen: Das einundzwanzigste Amendment an die Verfassung genehmigte schließlich den freien Zugang zu alkoholischen Getränken -- nach 14 Jahren staatlicher Alksperre, während der der Schwarzmarkt florierte und Gangster wie Al Capone das lukrative Vertriebsgeschäft übernahmen.
Angelika Nachdem sich die Kongressabgeordneten gerade erst nach einer peinlichen Schlammschlacht dazu durchgerungen haben, die USA vor dem Bankrott zu bewahren und die Schuldendecke anzuheben, kommt schon die nächste Hiobsbotschaft von der amerikanischen Post: Wenn der Kongress nicht einschreitet, droht der Post die Zahlungsunfähigkeit in einigen Monaten.
Die strukturellen Probleme bei der staatlichen amerikanischen Post sind seit langem bekannt. Vor allen Dingen das Internet macht ihr stark zu schaffen, denn die Leute verschicken E-Mails anstatt Briefe und zahlen ihre Rechnungen im Internet. Nach dem sehr interessanten Artikel über den bevorstehenden Bankrott der amerikanischen Post in der New York Times befördert die Post 22% weniger Sendungen als noch vor fünf Jahren. Allerdings bewerkstelligte sie immer noch 167 Milliarden Zustellungen in diesem Finanzjahr. Auch die stagnierende Wirtschaft hilft der Post nicht gerade, ihren Schuldenberg abzubauen. Wie mir mein Lieblingspostbeamter im Postamt in Noe Valley bestätigte, verschicken kleine und mittelständische Betriebe wegen der schlechten Konjunkturlage weit weniger Sendungen.
Die amerikanische Post ist eine zwar unabhängige aber dennoch staatliche Institution. Per Gesetz ist sie zum Beispiel verpflichtet, Post flächendeckend zuzustellen, also Post auch in den hintersten Winkel der USA zu befördern. Dabei kostet der Standardbrief 44 Cents, egal ob ich ihn nun eine Straßenencke weiterschicke oder an eine Adresse in Hawaii.
Außerdem darf sie das Porto im Regelfall nur gemäß der Inflationsrate anpassen. Die Postbediensteten haben fast beamtenähnlichen Status, viele sind unkündbar. Um grundlegende Veränderungen zu bewirken, muss der oberste Postmeister beim Kongress um Erlaubnis bitten. So könnte zum Beispiel nur der Kongress den Kündigungsschutz außer Kraft setzen und Leute entlassen, oder erwirken, dass am Samstag keine Post mehr ausgetragen wird. Das wäre übrigens ein schwerer Schlag für Michael, denn der kann es immer kaum erwarten, zum Briefkasten zu rennen, und bekommt schon an Sonn- oder Feiertagen Entzugserscheinungen.
An mir liegt es übrigens nicht, dass es der Post schlecht geht. Ich verschicke so viele Pakete und Briefe, vorwiegend nach Deutschland, dass ich bei unser Post wie ein bunter Hund bekannt bin und um die Weihnachtszeit oft mitleidige Blicke erhalte. Auch gehöre ich zu der sentimentalen Sorte Mensch, die eine handgeschriebene Geburtstagskarte einer Geburtstags-E-Mail vorzieht.
Grüße aus dem finanziell gebeutelten Land:
Angelika & Michael
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