01.08.2000   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 23  
San Francisco, den 01.08.2000


Was Deutsche falsch machen in Amerika

(Michael) Nun zu unserer neuen Rubrik: Was Deutsche immer falsch machen in Amerika. Sie setzen sich ins Restaurant, und, kommt der Kellner und fragt, was man bestellen will, sagen sie: "I take the steak". Aaah! Das entlarvt den Besteller natürlich sofort als deutschen Touristen, denn Amerikaner sagen "I'll have the Steak, please". Spätestens dann beginnt der Kellner mit seinen Kollegen zu tuscheln und mit den Augen zu rollen, denn Deutsche haben keinen guten Ruf in der amerikanischen Gastronomieszene. Grund: In Deutschland gibt's fünf Prozent Trinkgeld, wenn's hoch kommt, in Amerika erwartet der Kellner aber mindestens 15%, in besseren Restaurants sogar 20%.

Der Deutsche stöhnt: Oh weh, oh weh, der hohe Dollarkurs! Und in San Francisco kostet ein Essen für zwei in einem recht normalen Restaurant schnell mal 50 Dollar. Dann noch 8 bis 10 Dollar Trinkgeld geben -- das schmerzt den Deutschen arg im Geldbeutel. Was er jedoch nicht bedenkt: Der Kellner arbeitet für einen Mindestlohn, seine Einkünfte bezieht er aus den Trinkgeldern. Anders als in Deutschland, wo jede Bedienung per Gesetz renten-, kranken- und sozialversichert ist, müssen die Leute hier meist aus eigener Tasche für ihre Versicherungen aufkommen. Einem Kellner also das Trinkgeld zu streichen, nur weil man zu geizig ist, gilt als Todsünde, das würde ein Amerikaner niemals machen, das wäre so, wie einem Bettler den Hut wegzunehmen.

Aus Unwissen oder Unbelehrbarkeit benehmen sich aber viele deutsche Touristen daneben, lassen nur ein paar Dollar Trinkgeld liegen und ruinieren der Bedienung den Tag. Dieses Verhalten hat mittlerweile dazu geführt, dass Kellner in Touristenzentren sofort, wenn am Tisch deutsch gesprochen wird, auf die Rechnung am Ende 15% draufschlagen -- zuviele schlechte Erfahrungen mit den Damen und Herren aus Deutschland. Deswegen, Leute, wenn ihr hier in den USA seid, tut mir den Gefallen: Passt euch den örtlichen Gegebenheiten an und gebt gutes Trinkgeld. Nutzt die Freiheit, die euch das Restaurant gibt, nicht dazu aus, die Leute die dort arbeiten, über's Ohr zu hauen.

Deswegen nehmen wir heute mal durch, wie man in Amerika ein Restaurant betritt, bestellt, isst und anschließend mit Kreditkarte oder bar bezahlt. Man kommt rein, und da steht meistens ein sogenannter "Maitre d'", der einem einen Platz zuweist -- selbständig setzt man sich nur in Studentencafes hin. Er/sie fragt etwas wie "How are you today?", worauf man irgendwas wie "I'm pretty good, thank you!" sagt. Auf die Frage "How many?" antwortet man "Party of two" wenn man zu zweit ist und respektive "three", "four" etc. wenn man zu dritt oder zu viert ist. "Two for lunch" oder "Two for dinner" geht auch beim Mittag- oder Abendessen. Dann wird man zum Tisch geführt, setzt sich hin und kriegt die Speisekarte. Kommt der Kellner kurz darauf wieder, wird er etwas wie "Have you had a chance to decide yet?" fragen, ob man schon bereit zum Bestellen ist. Ist man noch nicht so weit, weil das Übersetzen der Speisekarte sich noch etwas hinzieht, sagt man einfach "Sorry, we're gonna need a couple of minutes". Was zu trinken kann man aber schon mal bestellen. Steht kein Bier auf der Speisekarte, fragt man "What kind of beer do you have on tap?", um herauszukriegen, welche Biere es denn vom Fass gibt. In Amerika gibt es übrigens fast überall Bier, auch beim schnöseligsten Luxusitaliener, auch wenn's nicht immer auf der Karte steht. Wie immer in Amerika: Immer fragen, nie schüchtern sein. Auch wird die Bedienung vielleicht noch fragen, ob man denn an den "Specials" interessiert sei, meist Speisen, die gerade heute besonders frisch oder empfehlenswert sind. Sagt man "Sure!", rattert sie daraufhin sofort los, und man muss aufpassen, dass man alles mitkriegt. Entscheidet man sich für eines der "Specials" oder etwas von der Speisekarte, bestellt man mit dem vorher durchgenommenen "I'll have"-Satz sein Zeug -- fertig.

Kommt das Essen, fragt die Bedienung dann meistens, ob man noch etwas möchte, Ketchup, Parmesan-Käse (auf pseudo-italienisch meist "Parmäschän" mit eigentlich mehr im französischen beheimateten Nasal-Lauten ausgestoßen) oder frisch gemahlenen Pfeffer ("fresh pepper") und dann darf man zu essen anfangen. Nach ein paar Minuten schneit die Bedienung dann wieder vorbei und fragt "Everything okay?", worauf man, wenn's gut ist, natürlich "Excellent!" sagt.

So, nun zum Bezahlen. Meist kommt der Ober vorbei und fragt: "Can I get you anything else?" Sagt man darauf "No, thanks, we're just fine", kommt er meist selbst mit der Rechnung daher. Manchmal, in preiswerteren Etablissements, legt die Bedienung auch gerne die Rechnung unaufgefordert auf den Tisch und sagt: "Whenever you're ready". Das ist durchaus nicht unhöflich gemeint, sondern Standard dort. Deutlicher kann man so nach der Rechnung fragen: "Could you get us the check, please?". Das hat nichts mit "Scheck" zu tun, so sagt der Amerikaner einfach zur Rechnung, wer "bill" in der Schule gelernt hat, vergisst das ganz schnell, das ist britisch und verpöhnt. Und schon rauscht die Bedienung mit einem kleinen Tablettchen oder Mäppchen an, auf/in dem die Rechnung liegt. Zahlt man mit Kreditkarte, was üblich ist, legt man einfach seine Karte auf das Tablettchen oder in das Mäppchen, aber so, dass sie noch ein bisschen rausspitzelt -- denn der Kellner soll's sehen, wenn er das nächste Mal vorbeizischt. Sieht er die Karte rausspitzeln, nimmt er das Tablettchen/das Mäppchen mit, bucht den Betrag von der Kreditkarte ab. Dann kommt das Ganze wieder zurück, diesmal mit einem sogenannten Kreditkarten-Slip, einer kleinen Rechnung wie ihr sie in Abbildung 10 seht.

Abbildung [1]: Kreditkartenabschnitt für das Lokal

Erst jetzt wird das Trinkgeld eingetragen. In Abbildung 10 seht ihr, dass das Essen $32.39 gekostet hat. 15% davon wären $4.86, weil ich nicht geizig bin, habe ich da $5.50 in das Feld "Tip" eingetragen. Dann wird zusammengerechnet, $37.89 ist die Gesamtsumme. Da ihr wahrscheinlich nicht immer einen Taschenrechner dabeihabt, gibt's folgende Faustregel: Teilt den Rechnungsbetrag durch 6, dann kommt ihr auf ein gutes Trinkgeld. Im vorliegenden Fall geht $32.39 zwar nicht genau durch 6, aber da 5 * 6 = 30 ergeben und 6 * 6 = 36, seid ihr mit 5.50 auf der sicheren Seite. Dann noch schnell unterschreiben -- fertig ist der Lack! Als Nachweis für später solltet ihr euch unbedingt die Kopie des Abschnitts einstecken, die meistens gelb gefärbt ist, während die Originalrechnung für das Lokal weiß ist. Manchmal steht auch auf dem Original "Merchant Copy" (Verkäufer-Ausdruck) und auf der Kopie "Customer Copy" (Ausdruck für den Kunden), wie in Abbildung 11 gezeigt. Die braucht ihr natürlich nicht zu unterschreiben, da sie nur für euch ist, aber ich nutze den Abschnitt zu Angelikas Leidwesen immer dazu, möglichst schwungvolle Unterschriften zu üben. Aber ich schweife ab.

Seid ihr soweit, müsst ihr nicht mehr warten, bis der Kellner zurückkommt, man lässt einfach den Abschnitt auf dem Tablettchen liegen, steht auf und verlässt das Lokal. So einfach geht das!

Abbildung [2]: Kreditkartenabschnitt für den Kunden (Kopie)

Noch eine Kleinigkeit: Ein hartnäckiger Fehler ist es, die Einsen mit Aufstrich zu schreiben, wie in deutschen Landen üblich. Dort schreibt man aber auch die Siebenen mit einem Durchstrich, was der Amerikaner nicht macht. Dies ist besonders auf Kreditkartenabrechnungen kritisch, da die Einsen nach deutscher Schreibweise von Amerikanern als Siebenen interpretiert werden. Auf Abbildung 11 seht ihr, wie im Betrag von $37.89 die Sieben ohne Durchstrich geschrieben wurde -- so ist das hier üblich. Sieht verblüffend wie eine Eins aus, oder? Also, wenn ihr "Eins" meint, schreibt bitte nur einen senkrechten Strich. Abbildung 12 illustriert das Ganze nochmal. Es handelt sich um einen Brief, den ich mal erhielt und der wie durch ein Wunder ankam, obwohl derartig falsch adressierte Briefe zu 90% verloren gehen, wie die Erfahrung gezeigt hat. Auch die Apartmentnummer ist nicht 16, sondern 6. Das bedeutet im Normalfall das Aus für den Brief, denn der Postbote kümmert sich nicht um die Namensschilder am Briefkasten, es geht rein nach Hausnummer und Apartmentnummer. Gibt's eine von beiden nicht, wandert der Brief sofort in die Mülltonne, ein Nachforschen wie bei der deutschen Bundespost gibt's hier nicht.

Abbildung [3]: Ein Brief an mich adressiert -- falsch, unbelehrbar & typisch Deutsch!

In Abbildung 12 sind alle Einsen mit Aufstrich geschrieben -- sie werden hier als Siebenen interpretiert und die Hausnummer 7765 gibt's auf der Church Street halt nicht. Abbildung 13 zeigt, wie's richtig geht: Einsen nur als senkrechte Striche, das kann der Postbote ohne Probleme lesen.

Abbildung [4]: So ist's richtig -- Einsen ohne Aufstrich

Noch etwas: Es ist völlig unmöglich, die Rechnung im Restaurant getrennt zu bezahlen. Die Bedienung hat keine Ahnung mehr, wer was hatte und wird auch nicht reihum gehen, um das herauszufinden, wie in Deutschland üblich. Was aber geht, ist, einfach z.B. zwei Kreditkarten reinzulegen und zu fragen, ob es möglich wäre, zu gleichen Teilen von beiden abzubuchen. Da muss auch jeder dann sein Trinkgeld getrennt eintragen. Eine weitere Möglichkeit ist es, bar zu bezahlen und das Geld zusammenzulegen, am einfachsten, in dem man den Gesamtbetrag durch die Anzahl der anwesenden Personen teilt. Zu sagen: "Aber ich hatte doch nur einen kleinen Salat und du das 2-Pfund-Rib-Eye-Steak!" und anteilsmäßig aufzurechnen, gilt als geizig, aber das müsst ihr unter euch ausmachen. Ihr müsst einfach immer das teuerste Gericht nehmen, dann seid ihr auf der sicheren Seite.

Ich muss noch nachholen, wie das Bezahlen mit Bargeld geht: Man fragt auch hier nach der Rechnung und wenn das Mäppchen/Tablettchen kommt, gibt's wieder zwei Möglichkeiten: Entweder ihr habt den Betrag einschließlich (!) dem wie vorher ausgerechneten Trinkgeld passend da. Dann legt ihr das Geld passend hin, steht auf und geht. Wirklich, ihr könnt sofort das Lokal verlassen, die Bedienung wird erst, nachdem ihr auf der Straße seid, eure Scheine kontrollieren. Notfalls kommt sie euch dann schon nachgerannt, keine Angst.

Falls ihr das Geld nicht passend habt, legt ihr einfach so viele große Scheine rein, dass diese Rechnung plus Trinkgeld abdecken. Übrigens eine hervorragende Methode, die großen 50er und 100er loszuwerden, die deutsche Banken gerne an Touristen aushändigen, welche diese dann nirgendwo loskriegen, weil kaum ein Laden größere Banknoten als 20er akzeptiert. Restaurants nehmen aber alles, weil sie die Scheine hinter den Kulissen kontrollieren können. Dann rauscht die Bedienung wieder an und, falls sie nicht sofort kapiert, was Sache ist, fragt ihr einfach "Can we get some change, please?". Dann nimmt sie das Tablettchen/Mäppchen mit dem Großgeld mit, und bringt dem Rechnungsbetrag entsprechend Wechselgeld mit. Aber Achtung: Da wurde noch kein Trinkgeld eingerechnet. Dieses habt ihr natürlich vorher schon ausgerechnet und nun nehmt ihr nur soviel von dem Wechselgeld, dass genau das ausgerechnete Trinkgeld übrigbleibt, das ihr im Mäppchen/Tablettchen liegen lasst, aufsteht und geht. Warum habe ich vorher gesagt, ihr sollt vorher soviel Geld reinlegen, dass Rechnung plus (!) Trinkgeld abgedeckt sind? Genau, damit ihr nachher auch das nötige Kleingeld habt, um das Trinkgeld liegen zu lassen. Sonst stellt ihr unter Umständen im Nachhinein fest, dass ihr nicht genug habt, müsst nochmal nachfragen, und das ist uncool. Es macht übrigens nichts, wenn die Scheine vorher den Rechnungsbetrag weit übersteigen oder sogar noch ein Extra-Schein drinliegt. Wenn zum Beispiel der Rechnungsbetrag 36 Dollar ist, ihr aber nur drei Zwanziger einstecken habt, legt ihr einfach die drei Zwanziger rein -- die Bedienungen sind schon so schlau, dass sie euch die 24 Dollar Wechselgeld so klein zurückgeben, dass ihr auch 6 Dollar Trinkgeld liegen lassen könnt.

In abgelegenen Gegenden oder ganz einfachen Kneipen kann es übrigens sein, dass man an der Kasse zahlen muss. Dann bringt die Bedienung die Rechnung, man steht auf, trägt sie zur Kasse, zahlt den Rechnungsbetrag ohne (!) Trinkgeld, geht zum Tisch zurück und lässt das Trinkgeld auf dem Tisch liegen. Ob man in einer Gaststätte an der Kasse zahlt oder ob die Bedienung das erledigt, kriegt ihr einfach raus, indem ihr die anderen Gäste beobachtet oder einfach nach der Rechnung fragt und eine halbe Stunde auf die Bedienung wartet. Dann ist es ziemlich sicher!

Weil ich schon mal dabei bin: Wie geht das in einer Bar? Meist ist es so, dass einer zum Tresen geht, Getränke für alle holt und sofort bar bezahlt. Man kriegt sofort das Wechselgeld zurück, von dem man etwas liegen lässt, 10% oder so. Getrennt Bier zu bestellen und zu bezahlen ist unüblich, das gilt als "dutch", also holländisch. Keine Ahnung warum, aber das macht der Amerikaner nicht. Einer gibt immer eine Runde aus.

Ich hoffe, ihr denkt jetzt nicht: "Mein Gott, der Alte spinnt ja völlig!". Euer rasender Rundbriefreporter hat jahrelang Restaurants und Kneipen in allen Gegenden Amerikas erkundet, von Texas bis Chicago, von Miami bis Seattle, um euch heute dieses Wissen zu unterbreiten und dafür zu sorgen, dass ihr überall gut durchkommt!

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Letzte Änderung: 25-May-2024