Angelika/Mike Schilli |
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Michael Wir sind wieder zurück in San Francisco! Eine der irrsinnigsten Gesetze der USA verbietet jungen Erwachsenen unter 21 Jahren den Genuss von Alkohol. Das muss man sich mal vorstellen: Ein zwanzig Jahre alter Erwachsener darf ein Haus kaufen, in die Armee eintreten, oder eine Waffe erwerben, aber kein Bier im Supermarkt kaufen. Wie alle irrsinnigen Gesetze wird es jedoch laufend umgangen.
Als ich zum Beispiel vor guten zwanzig Jahren in Amerika unterwegs war, kamen mein Studienkumpel Huber und ich mal in einer Kleinstadt an, in dem der Huber einen Austauschschüler kannte, was, soweit ich mich erinnern kann, uns irgendwelche billigen Übernachtungsmöglichkeiten eröffnete, also fuhren wir hin. Kaum waren die ersten Begrüßungshandschläge getan, schon trug unser Kontaktmann mit verschwörerischer Stimme ein Anliegen vor: Ob wir mit unserem Auto nicht schnell mal an der Tanke vorbeifahren und ein Bier erwerben könnten?
Ich war damals gerademal 21 und bekam im Drive-Through anstandslos ein Bier überreicht, das unser Bekannter sofort nachdem wir den Liquor-Store verlassen hatten, gierig öffnete und den Inhalt wie ein verdurstendes Kamel in der Wüste in sich hineinsog. Der Huber und ich sahen uns fragend an, aber dann erklärte man uns, dass der Verkauf von Alkohl an Leute unter 21 Jahren in den USA nicht erlaubt wäre und die jungen Erwachsenen Himmel und Hölle in Bewegung setzten, um dennoch daran zu gelangen.
Umgekehrt ist es Erwachsenen verboten, unter-21-jährigen Zugang zu Alkohol zu gewähren und ganz übereifrige Gesetzeshüter senden sogar jugendliche Spitzel in den Tante-Emma-Laden nebenan, um zu sehen, ob denen dort Alkohol verkauft wird. Falls der Ladenbesitzer sich nicht den Führerschein zeigen lässt, um das Alter zu verifizieren, bekommt er eine Anzeige und eine dicke Geldstrafe aufgebrummt. Im Wiederholungsfall wird ihm die Lizenz zum Alkohlverkauf entzogen.
Neulich hingen wir wie üblich an heißen Wochenenden am Strand von Pacifica ab und ließen uns neben einer Gruppe von vielleicht 18-jährigen Leuten nieder. Diese hatten sichtlich Spaß daran, sich abwechselnd an einer Zwei-Liter-Limoflasche mit einem verdächtig klaren Getränk ohne Kohlensäure zu laben -- dem Benehmen der jungen Leute nach zu urteilen handelte es sich höchstwahrscheinlich um vorher in eine Tarnflasche umgefüllten Wodka.
Falls in einem Viertel ein Laden, der alkoholische Getränke verkauft, oder eine Wirtschaft mit Schanklizenz aufmachen, schickt das "Department of Alcoholic Beverage Control" Formulare an alle Nachbarn in einem Umkreis von 500 Fuß (180m). Abbildung 4 zeigt den Schrieb, der in unserem Briefkasten landete, als der Besitzer des Weinladens um die Ecke wechselte und der neue Besitzer wohl eine neuerliche Genehmigung zum Verkauf alkoholischer Getränke brauchte. Im Text heißt es, dass man gegen den Laden protestieren kann und dazu muss man ein weiteres Formular, genauergesagt ABC-510-A, anfordern, auf dem man seine Bedenken gegen den Weinladen an das greise Kontrollgremium vorbringen kann. Wir haben natürlich nichts dagegen, wir würden sogar ein extra Formular ausfüllen, damit der gute Mann seinen Wein verkaufen darf.
Die Moral von der Geschicht? Wie zu Zeiten der Prohibition ab 1919, als in ganz Amerika die Herstellung, der Vertrieb und der Genuß von alkoholhaltigen Getränken verboten war, hat sich der Staat in einen Kampf verstrickt, den er nicht gewinnen kann. Statt die jungen Erwachsenen zum verantwortungsvollen Umgang mit Rauschmitteln zu erziehen, stempelt er sie zu Kriminellen, die absurde Gesetze als Volkssport übertreten. Wie man weiß, hatte die Regierung mit der Prohibition anno 1933 schließlich ein Einsehen: Das einundzwanzigste Amendment an die Verfassung genehmigte schließlich den freien Zugang zu alkoholischen Getränken -- nach 14 Jahren staatlicher Alksperre, während der der Schwarzmarkt florierte und Gangster wie Al Capone das lukrative Vertriebsgeschäft übernahmen.
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