Angelika/Mike Schilli |
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Angelika Michael ließ es sich auch dieses Jahr nicht nehmen, an einem der ältesten und berühmtesten Straßenläufe in San Francisco teilzunehmen. Der Bay-to-Breakers fand wie jedes Jahr am dritten Sonntag im Mai statt und dieses Jahr zum hundersten Mal. Wir haben ja schon des öfteren berichtet (Rundbrief 06/1999, Rundbrief 08/2000), dass der Stadtlauf seinen ehrwürdigen Namen durch die Streckenführung erhielt, die sich in all den Jahren nur geringfügig verändert hat. Der Lauf geht nämlich von der San Francisco Bucht (Bay) in der Nähe des Embacadero quer durch die Stadt zum Pazifischen Ozean. Der zweite Teil des Namens, "Breakers", bezieht sich auf die sich dort bekanntlich brechenden Wellen.
Der Lauf ist nicht nur berühmt und berüchtigt, weil die Läufer den sogenannten Hayes-Street-Hügel erklimmen müssen, eine Straße mit nicht geringer Steigung, an der so manchem Möchtegern-Sportler die Puste ausgeht, sondern auch wegen der kostümierten Teilnehmer, die den Lauf eher als eine Mischung aus Karnevalsumzug und großer Freiluftparty betrachten. Kein Mensch weiß so genau, warum der Trend zur Kostümierung anfing, aber angeblich soll schon 1940 der erste Läufer als "Kapitän Kidd" verkleidet gewesen sein. Da der Lauf ürsprünglich ins Leben gerufen wurde, um die verheerenden Folgen des Erdbebens von 1906 zu vergessen, passt die ausgelassene Stimmung zur Bay-to-Breakers-Idee.
Es gibt übrigens durchaus ernsthafte Athleten bei diesem Lauf. Die dürfen vorne weglaufen, damit die partysüchtigen Läufer sie nicht stören. Dieses Jahr gewann ein Marokkaner namens Ridouane Harroufi das Rennen. Er brauchte schlappe 34 Minuten 26 Sekunden für die 12 Kilometer. Eine irre Zeit, mit dem Auto braucht man in der Regel länger für die Strecke. Das erste Rennen, das am 1. Januar 1912 stattfand, gewann der Amerikaner Bobby Vlught in 44 Minuten und 10 Sekunden. Bis 1965 hieß der Lauf "Cross-City Race", dann kam jemand auf den genialen Namen "Bay-to-Breakers". 1949 verlegten die Veranstalter das Rennen in den Mai und erst seit 1971 laufen Frauen offiziell mit, obwohl schon 1940 eine Frau an dem Lauf teilnahm, nämlich Barbara Burke. Sie hatte sich einfach als "Bobby" angemeldet.
Im Schnitt nehmen mittlerweile jedes Jahr 60-80.000 Menschen an dem Stadtlauf teil, dabei sind etwa die Hälfte nicht registriert, haben also auch die Teilnahmegebühr nicht bezahlt. Sie mischen sich einfach unter den Pulk der Läufer. Im Jahr 1986 gab es über 110.000 Teilnehmer, was dem Bay-to-Breakers einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde bescherte. Michael verwirklichte heuer leider nicht seinen Traum, unter einer Stunde zu laufen, aber er kam nah dran, denn er brauchte für die Stecke 1 Stunde und 4 Minuten.
Neben den Verkleideten und den Leuten, die das Rennen nur mit Turnschuhen bekleidet laufen, pflegen die Teilnehmer noch einige andere verrückte Traditionen. Am Start schleudern Teilnehmer Tortillas, die mexikanische Fladenbrotvariante, in die Luft, um sich die Zeit zu vertreiben. Seit 1978 nimmt auch die Untergruppe der sogenannten "Tausendfüßler" teil (auf Englisch "Centipede" genannt). Dwayne Harms kam auf diese glorreiche Idee. Mindestens 13 Läufer bilden eine Einheit und laufen zusammen. Ein Ersatzläufer ist erlaubt, falls einer aus der Gruppe ausscheren muss, weil zum Beispiel sein Schuhband locker ist. Die "Tausendfüßler" sind in der Regel ernsthafte Läufer und wollen alle möglichen Rekorde brechen. Die "Reebok Aggies" stellten 1990 zum Beispiel den Tausendfüßler-Rekord bei den Männern auf und brauchten als Gruppe nur 37 Minuten und 39 Sekunden für die Strecke. Dann gibt es noch die Läufer, die als Lachse verkleidet stromaufwärts bzw. gegen den Strom schwimmen, d.h. den Lauf am Ozean beginnen.
Ihr seht schon, der Bay-to-Breakers lässt sich mit keinem Lauf der Welt vergleichen. Leider wohnen in San Francisco mittlerweile ein paar Spielverderber, die seit einigen Jahren versuchen, den Lauf in ein Nullachtfünfzehn-Ereignis für Herrn und Frau Saubermann umzufunktionieren. Wie immer bei großen Menschenaufläufen schlagen einige wenige über die Stränge und trinken zuviel Alkohol oder benehmen sich daneben. Ein besonderers Ärgernis für viele Anwohner, die in Häusern an der Strecke wohnen, ist, dass betrunkene Teilnehmer manchmal die Vorgärten als Urinal mißbrauchen. Nun kann ich verstehen, dass das nervig ist, auf der anderen Seite findet der Bay-to-Breakers nur einmal im Jahr statt und da sollte man vielleicht auch einmal ein Auge zudrücken oder verreisen, wenn man ein Partymuffel ist. Seit 2009 bemühen sich die Organisatoren, strengere Vorschriften durchzudrücken, mit mehr oder weniger Erfolg. Alkohol während des Laufs mitzuführen und zu trinken ist offiziell seit zwei Jahren verboten, bloß hielt sich bis dato keiner daran. Zunächst führte der Veranstalter eine Gebühr für die sogenannten "Floats" ein, kleine geschmückte Handwagen, auf der sich in der Regel ein Fass Bier befand. Dieses Jahr verbot man sie gleich ganz und konfiszierte Alkohol generell. Der Sponsor hatte dafür extra neben der Polizei private Sicherheitskräfte eingestellt. Auch standen Ausnüchterumgszelte an der Strecke. Außerdem fing das Rennen nicht wie sonst immer um 8 Uhr morgens an, sondern schon um 7 Uhr. Die zugrundeliegende Strategie war wohl, dass Partyliebhaber nicht gerne früh aufstehen. Es ging dieses Jahr tatsächlich gesitteter zu, doch auf Kosten des besonderen Flairs der Veranstaltung.
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