Angelika/Mike Schilli |
Angelika Während die ganze Welt nach Südafrika schaute oder zitternd die Prognosen des Tintenfisch Pauls verfolgte, warteten hier in der Bay Area viele gespannt auf ein Spektakel ganz anderer Art: Das Urteil im Prozess gegen den U-Bahn-Polizisten Johannes Mehserle.
Eine recht traurige Geschichte, die die Gemüter erhitzte. Mehserle hatte in der Silvesternacht 2009 den 22-jährigen Oscar Grant erschossen. Grant war in einem BART-(Bay Area Rapid Transit)-Zug in einen Streit geraten und daraufhin von der BART-Polizei mit einigen seiner Freunde aus dem Zug beordert worden. Auf der Plattform der U-Bahnstation Fruitvale (Oakland) wurde Grant wurde dann verhaftet. Er lag schon mit dem Bauch auf dem Boden, als Mehserle seine Dienstpistole zückte und den ungewaffneten Grant erschoss. Passanten hatten den Vorgang mit ihren Handykameras aufgenommen und binnen Minuten kursierten die Videos im Internet. Mehserle behauptete nach dem Schuss, dass Grant sich der Verhaftung widersetzt habe. Mehserle habe ledlich seine Elektroschockpistole (=Taser) ziehen wollen, aber aus Versehen nach der Schusswaffe gegriffen.
Bei Grant handelte es sich übrigens um einen schwarzen jungen Mann und Mehserle, ihr ahnt es schon, ist weiß. Bevor ich jetzt wieder erboste Zuschriften bekomme, was die Hautfarbe denn dabei für eine Rolle spielt, kann ich nur unterstreichen, dass sie der entscheidende Faktor in dieser Geschichte ist. Grant starb wenige Stunden später in einem Krankenhaus und auf den Straßen von Oakland gab es die ersten gewalttätigen Proteste.
Viele protestierten gegen die Brutalität der Polizei, die häufig Minderheiten und besonders Schwarze ins Visier nimmt. Übrigens war Mehserle bei der BART (also der U-Bahn) als Polizist angestellt und nicht bei der Stadt Oakland. Viele, gerade schwarze Bürger, haben in Oakland ein sehr gespaltenes Verhältnis zur Polizei. In einigen Vierteln von Oakland regieren die Gangs und die Mörderrate ist hoch. Oakland rangiert in den Statistiken im oberen Drittel der gefährlichsten Städte der USA, wobei sich die Gewalttaten meist nur auf bestimmte Viertel konzentrieren.
Mehserle wurde des Mordes angeklagt. Die Anklage lautete auf "Second Degree Murder", also einen Mord im Affekt, der mit Freiheitsentzug von 15 Jahren bis lebenslänglich bestraft wird. Das ist erstaunlich, denn Polizisten, die jemanden im Einsatz erschießen, werden in den USA nur selten vor Gericht gestellt.
Die Gerichtsverhandlung verlegte man dann auch gleich vorsichtshalber nach Los Angeles, da befürchtet wurde, dass in Oakland keine neutrale Jury zu finden sei. Beim Auswählen der Geschworenen gab es gleich wieder Proteste, denn die Staatsanwälte und Anwälte ließen keinen Schwarzen bei der Juryauswahl zu. Ich finde diese Juryauswahl immer recht unlogisch, denn die Jury soll sich ja aus "Peers", also Mitbürgern zusammen setzen. Allerdings sind zum Beispiel bei einem Todesstrafenfall oft auch keine Todesstrafengegner in der Jury zugelassen, da sich die Jury nur um die objektive Urteilsfindung anhand belegbarer Tatsachen kümmern soll und nicht um das Strafmaß.
Der Richter ließ im Verlauf der Verhandlung neben der Mordanklage auch noch zwei weitere Anklagen zu: die des Totschlags ("voluntary manslaughter") mit einem Strafmaß von 3 bis 11 Jahren und die der fahrlässigen Tötung ("involuntary manslaughter"), die mit 2 bis 4 Jahre Gefängnis bestraft wird. In Kalifornien entscheidet die Jury nur, ob der Angeklagte der einzelnen Vergehen schuldig ist oder nicht. Der Richter legt dann später das Strafmaß fest.
Die Stadt Oakland machte sich auf jeden Fall auf Schlimmes gefasst, denn man befürchtete Auschreitungen wie im Falle Rodney Kings. Ihr erinnert euch vielleicht: Der schwarze Rodney King war 1992 in Los Angeles bei einer Verkehrskontrolle wegen Geschwindigkeitsüberschreitung brutal von vier weißen Polizisten zusammen geschlagen worden. Trotzdem ein Passant alles mit Videokamera filmte, sprach die Jury, in der sich ebenfalls kein Schwarzer befand, die Polizisten frei. Es kam daraufhin zu schweren Straßenkämpfen in Los Angeles, bei denen 53 Menschen starben.
Nun wohnen wir ja in San Francisco und nicht im eine halbe Autostunde entfernten Oakland, doch ich halte mich viel in Oakland auf, da mein Arbeitgeber dort Büro- und Therapieräume hat, in denen ich zweimal die Woche eine Gruppentherapie für autistische Kinder leite. Unsere Leitung wollte auf keinen Fall, dass wir uns in Oakland aufhalten, wenn die Geschworenen ihr "schuldig" oder "nicht schuldig" verkündeten. Das Problem ist nur, dass niemand genau weiß, wann die Jury ihre Beratungen beendet. Und so kam es auch: Die Gruppe bastelte gerade ein Aquarium, als unsere Leitung mich zur Seite zog, und mitteilte, dass das die Geschworenen in 45 Minuten ihr Urteil verkünden würden und wir sofort zusammen packen müssten. Die Kinder fanden es zwar gar nicht lustig, aber wir räumtem dennoch in einem Affentempo auf und flüchteten aus Oakland. Da sich mehrere Arbeitgeber dazu entschlossen hatten, ihre Leute frühzeitig nach Hause zu schicken, entstand ein entsprechendes Chaos auf den Straßen und den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Das Jury befand Mehserle am 8. Juli der fahrlässigen Tötung ("involuntary manslaughter") schuldig. Die Geschworenen fügten hinzu, dass die Gewalttat mit einer Waffe verübt wurde, was 10 zusätzliche Jahre Gefängnis bedeuten kann. Zugegenermaßen erscheint das etwas unlogisch, denn Polizisten laufen gemeinhin mit Waffen herum.
Nachdem die Jury gesprochen hatte, kam es übrigens tatsächlich zu Protesten, die zunächst äußerst friedlich verliefen, aber nach Einbruch der Dunkelheit beschlossen ein paar Vollidioten, dass der Urteilsspruch ja ein willkommener Anlass wäre, Fensterscheiben in Oakland einzuwerfen und Geschäfte auszurauben. Es kam zu 78 Festnahmen. Die meisten der Verhafteten wohnten gar nicht in Oakland, sondern waren extra angereist. Die Verhandlung wird im November fortgesetzt. Wenn dann der Richter das Strafmaß für Mehserle festsetzt, werden die nächsten Ausschreitungen erwartet.
Sogar Arnie, unser Gouverneur, mahnte zu Ruhe und Besonnenheit. Am Rande sei hier noch bemerkt, dass die Stadt Oakland am 13. Juli kurzerhand 80 Polizisten entließ, um das Haushaltsloch zu stopfen. Dies führt dazu, dass die Polizei in Oakland nur noch ausrückt, wenn es sich um Gewaltverbrechen wie Schießereien, Vergewaltigungen und Raubüberfälle handelt. Bei anderen Delikten, wie zum Beispiel Diebstahl, Vandalismus, Autodiebstahl kommt die Polizei nicht mehr, sondern der Geschädigte muss Online einen Bericht einreichen oder selbst zur nächsten Polizeistation fahren.
Michael Der finanziell schwer gebeutelte Bundesstaat Kalifornien versucht zur Zeit auf ungewöhnliche Weise, zusätzliche Einnahmen zu generieren: Wenn jedes Auto sowieso von Staats wegen zwei Nummernschilder spazieren fährt, warum sollte dann der Staat auf ihnen nicht ein gewinnbringendes Werbebanner platzieren dürfen?
Und in unserem fortgeschrittenen Zeitalter sollte das natürlich nicht irgendein Aufkleber sein, sondern ein elektronisches Display, in das der Staat drahtlos und brandaktuell bezahlte Anzeigen hineinfunkt. Die werbetreibende Industrie könnte so den im Stau stehenden Hintermann gewinntreibend über die Vorzüge beliebter Waschmittel und Frühstücksflocken unterrichten und der Staat Kalifornien schöbe als Mittelsmann gehörig Zaster ein. Allen wäre geholfen!
Klingt verrückt, aber die Zeitungen berichten über die interaktiven Nummernschilder und sogar der Gesetzesentwurf liegt schon vor. Wie eine rechtliche Analyse der geplanten Nummernschildwerbung allerdings zeigt, wird der Vorschlag wahrscheinlich abgeschmettert, da der Staat wegen dem in der Verfassung verbrieften Recht auf Meinungsfreiheit nicht nur der Waschmittelindustrie Werberechte eingeräumen müsste, sondern auch allerlei extremen Gruppierungen, um deren Pamphlete unters Volk zu bringen.
Falls dem Fahrer eine Anzeige nicht passt, sollte er aktiv einschreiten können, um die Ausstrahlung zu verhindern. Aber da kalifornische Verkehrsteilnehmer a) eh nicht Autofahren können und b) schon viel zu sehr mit dem (mittlerweile verbotenen) Handyplappern beschäftigt sind, wäre ein Nummernschilddisplayhebel wohl der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brächte. Ich glaube nicht, dass aus dem Vorschlag noch etwas wird, aber unterhaltsam war er allemal. Only in America.
Angelika Ich finde es faszinierend, wie schnell und wie gerne Amerikaner komplizierte englische Wörter buchstabieren (Rundbrief 05/2003). Als deutscher Muttersprachler muss ich mich dabei immer noch sehr konzentrieren, denn "e" wird "i" ausgesprochen. Wer hätte gedacht, dass ich einmal Fan der Buchstabierwettbewerbe ("Spelling Bee") werde? Erst neulich saß ich wieder gebannt vor dem Fernseher, um mir die US-Meisterschaft, die "National Spelling Bee", die einmal im Jahr in Washington D.C. stattfindet, anzuschauen. Dort treten natürlich nur die Besten der Besten an und am Ende heimst der Gewinner 30.000 Dollar Preisgeld ein.
Um bei der Endausscheidung in Washington mitzumischen, müssen die Teilnehmer regionale Wettbewerbe gewinnen. Fast jede Schule veranstaltet Buchstabierwettbewerbe, in denen oft zunächst Klassen gegeneinander antreten. Mitmachen darf bei der Endausscheidung jeder, der noch nicht 16 Jahre alt ist und sich noch in der 8. Klasse befindet. 80% der Teilnehmer sind zwischen 12 und 14 Jahre alt. Seit 1978 dürfen Schüler aus anderen Ländern ebenfalls teilnehmen. So kommen manche Kandidaten aus Kanada, Neuseeland, aber auch Südkorea und Japan.
Schon seit 1925 finden die US-Meisterschaften jeweils Ende Mai oder Anfang Juni statt. "Bee" bedeutet übrigens nicht nur "Biene" sondern im alten Sprachgebrach auch "Zusammenkunft, um etwas Bestimmtes zu tun". Nun fragt ihr euch vielleicht, ob es nicht bombenlangweilig ist, sich 273 buchstabierwütige Kinder im Fernsehen anzuschauen, aber das Faszinierende sind die Kandidaten, ihr Eifer und ihre Eigenarten. Es gehört schon eine besondere Art Mensch dazu, sich stundenlang in Wörterbücher zu vertiefen. Kritische Stimmen behaupten dann auch immmer wieder, dass das monotone Buchstabieren von Wörtern, die fast niemand im normalen Sprachgebrauch benutzt, Schüler sprachlich nicht weiterbringt. Wer vertiefen möchte, wer warum am Buchstabierwettbewerb teilnimmt, sollte sich den sehr gut gemachten Dokumentarfilm "Spellbound" anschauen, der 8 Teilnehmer zu den US-Meisterschaften 1999 begleitete.
Der Oberschiedsrichter, Dr. Jacques Bailly, der 1980 selbst den Wettbewerb gewann, spricht ein zu buchstabierendes Wort zunächst korrekt aus. Die Kandidtaten dürfen Bailly dann um folgende festgelegte Hilfestellungen bitten: Die Definition des Wortes, ob man es eventuell noch anders ausspricht, und aus welcher Sprache das Wort ursprünglich stammt. Auch können sie Bailly bitten, das Wort in einem Satz zu benutzen. Das Webster Third International Dictionary, der Duden Amerikas, gilt dabei als Referenz. Nachdem das Wort vom Schiedsrichter benannt und korrekt ausgesprochen wurde, haben die Kandidaten 2.5 Minuten Zeit, das Wort korrekt zu buchstabieren. Häufig füllen die Teilnehmer die Zeit mit den erlaubten Fragen: Können Sie das Wort nochmal aussprechen? Können Sie das Wort in einem Satz benutzen? Von welcher Sprache stammt das Wort ab? Was ist die Definition des Wortes? Kann ich die richtige Aussprache nochmal hören? Jacques Braille antwortet dabei immer in der gleichen ruhigen Stimme.
Dieses Jahr gewann die 14-jährige Anamika Veeramani aus dem Bundesstaat Cleveland. Das letzte Wort: "Stromuhr". Das Wort stammt aus dem Deutschen und bezeichnet ein 1867 entworfenes medizinisches Gerät, das sogenannte Kapillarthermometer, mit dem der Arzt die Stärke des Blutflusses in Arterien und Venen misst.
Und lasst euch von den fremdländisch klingenden Namen der erfolgreichen Teilnehmer nicht verwirren: Die Kinder kommen fast ausschließlich aus den USA. Ihr müsst wissen, dass die Kinder asiatischer und indischer Einwanderer an amerikanischen Schulen oft zu den Klassenbesten gehören. Amerikanische Kinder blicken manchmal neidisch auf die guten Noten dieser "Ausländer" mit US-Pass, aber es ist kein Geheimnis, dass in asiatischen Einwandererfamilien ein strenges Regiment herrscht und die Eltern ihre Kinder unerbittlich zum Lernen antreiben.
Michael Amerikanisches Münzgeld besteht im Alltag aus 1-Cent-, 5-Cent-, 10-Cent- und 25-Cent-Münzen. Die kupferne 1-Cent-Münze nennt der Volksmund "Penny". Das 5-Cent-Stück heißt auch "Nickel", weil die Münze aus einer Kupfer-Nickel-Legierung hergestellt ist. Mir fällt dazu immer der Dilbert-Cartoon ein, in dem der Unix-Guru mit Rauschebart dem offensichtlich Microsoft-hörigen Abteilungsleiter mit den Worten "Here's a nickel, kid. Buy yourself a better computer." ("Hier ist ein Fünferl, Junge. Kauf dir einen besseren Computer.") ein Fünferl zuschnippt.
Die 10-Cent-Münze nennt man "Dime", hergeleitet von dem französischen Wort "disme", was "ein Zehntel" bedeutet, denn 10 Cents sind genau 1/10 Dollar. Interessanterweise ist das Zehnerl viel kleiner und dünner als das Fünferl, was logisch denkende Leute wie mich regelmäßig verwirrt.
Der ebenfalls silberne "Quarter", die 25-Cent-Münze, weist auf der Rückseite auf den Bundesstaat hin, der ihn hergestellt hat, deswegen sind 50 verschiedene im Umlauf. Oft versuchen kleine Kinder (oder Erwachsene, die sich wie Kinder gebärden) alle 50 zusammenzukriegen. Sie werden dabei von der Numismatikindustrie unterstützt, die für dieses Hobby allerlei Einsteckrahmen und Landkarten mit kreisförmigen Ausstanzungen feilbietet.
Die Gemeinschaftswaschmaschine unseres Mietshauses frisst tonnenweise Quarters, denn ein Waschgang kostet $1.50 und der zugehörige Trocknerlauf ebenfalls $1.50. Bei zwei Trommeln pro Woche sind das $6, wir brauchen also 24 Quarters! Soviele bringen wir normalerweise nicht zusammen, aber glücklicherweise hat Angelika vor einiger Zeit entdeckt, dass man in eine Filiale unserer Bank hineinmarschieren, hundert Dollar auf den Tresen knallen und Quarters verlangen kann, die die Bankangestellten dann in Münzrollen gebührenfrei herausgeben.
Umgekehrt bekommt man dort auch Banderolen für zuhause anderweitig angesammeltes Münzgeld. Schleppt ein Pfennigfuchser später sorgfältig abgezählte und gerollte Münzstapel zurück zur Bank, messen die Angestellten mit einem Lineal die Länge der gewickelten Rollen nach und können so genau feststellen, ob eine Münze fehlt.
Ständig Kleingeld in der Hosentasche herumzutragen ist wirklich lästig, aber es sammelt sich unwillkürlich an, wenn man kleinere Beträge bar bezahlt und nicht immer minutenlang an der Kasse im Geldbeutel herumwühlen will. Wie bereits einmal im Rundbrief 12/2005 erwähnt, sind die unterirdischen Muni-Haltestellen in der Innenstadt so ziemlich die einzige Möglichkeit, mit einem Sack Pfennigmünzen zu bezahlen, ohne unangenehm aufzufallen.
Vielen Amerikanern scheint das Münzgeld Löcher in die Hosentaschen zu reißen, denn die Firma Coinstar hat sogar ein Geschäftsmodell um das Problem gesponnen und den Wechselvorgang professionalisiert.
Der serviceverwöhnte Amerikaner leert seinen Kleingeldsack in den Auffangtrichter eines Coinstar-Automaten, die manchmal am Ausgang belebter Supermärkte wie Safeway stehen. Coinstar behält 9.8 Cents pro Dollar als Gebühr und zahlt im Gegenzug 90.2% des Geldes zurück. In Supermärkten spuckt die Maschine allerdings nur einen Gutschein aus, den man an der Kasse einlöst. Bei ungeraden Beträgen kriegt man so allerdings wieder Münzgeld raus.
Michael Putzen ist ja bekanntlich höllisch anstrengend und jegliche Arbeitserleichterung mit High-Tech-Werkzeug herzlich willkommen. Besonders im Bad mit seinen tausend Nischen ist der sogenannte "Smart Mop" aus der TV-Werbung unschlagbar.
Professionelle Putzkolonnen wringen Mops ja mit Eimerpressen aus, zumindest war das damals so, als ich zu Schulzeiten noch abends die Böden der Firma MAN in Augsburg wienerte, um mein Taschengeld aufzubessern. Aber derartige Geräte verbieten sich natürlich aus Platzmangel in unserer Wohnung, und so kaufte ich aus einer Laune heraus eines Tags den Mop bei Target.
Zwar beherrsche ich das Mopschwingen noch nicht so elegant wie Pitchman Anthony Sullivan (Rundbrief 05/2009), aber das Badputzen geht echt schneller von der Hand. Angeblich kann man das schmutzige Mopunterteil zum Säubern einfach in die Waschmaschine geben. Einziger Nachteil: Selbst ausgewrungen dauert es ewig, bis die Moptoddeln schranktrocken sind. Trotzdem: Toppprodukt!
Michael Was kaum einer weiß: Zugereiste aus anderen Bundesstaaten müssen in Kalifornien ein mitgebrachtes Auto binnen zweier Wochen bei der Kraftfahrzeugmeldestelle registrieren und das Kennzeichen gegen eines mit der hübschen roten Aufschrift "California" eintauschen.
Nur am Rande: Die insgesamt sieben Buchstaben und Zahlen auf dem Nummernschild lassen keinen Rückschluss darüber zu, in welcher Stadt das Auto angemeldet wurde. Das ist in Deutschland anders, und jedesmal ärgere ich mich, wenn ich in München in einem Mietwagen mit "HH-"-Kennzeichen herumfahren muss und mich keiner einfädeln lässt. Viele Leute schrauben in den USA die Kennzeichen aber auf Plastik- oder Chromerahmen auf, deren Aufschrift entweder auf den Händler ("Peter Pan BMW San Mateo") oder eine Firma ("Yahoo!") hinweisen. Manche Bundesstaaten verzichten auf das vordere Kennzeichen, aber in Kalifornien stellt die Behörde zwei Kennzeichen aus, und Paragraph 5200 des "Traffic Code" besagt, dass eines davon vorne und das andere hinten am Auto hängen muss. Zwar fahren viele nur mit einem Kennzeichen herum, aber die geben der Polizei nur Gelegenheit, den Wagen anzuhalten, herumzuschnüffeln und eventuell noch weitere Mäkel aufzuspüren.
Zieht jemand aus, sagen wir mal, Idaho nach Kalifornien um, muss er das Idaho-Kennzeichen gegen ein kalifornisches eintauschen und die anfallende Registrierungsgebühr entrichten. Weil viele dies aus Faul- oder Gerissenheit nicht machen und dem kalifornischen Staat dadurch Millionen von Dollars an Gebühren durch die Lappen gehen, bietet die California Highway Police (CHP) eine Petzstelle für nicht registrierte Fahrzeuge auf dem Internet an. Dort trägt der wachsame Blockwart ordnungsgemäß das Kennzeichen und den Sichtungsort des Gebührenverbrechers ein, und dann rückt vermutlich ein mobiles Einsatzkommando mit Vorschlaghämmern an, um ein Zeichen für das finanziell gebeutelte Kalifornien zu setzen. Spaß muss sein.
Neben dem kalifornischen Autokennzeichen brauchen Zugezogene nach spätestens 14 Tagen auch einen kalifornischen Führerschein, falls sie sich dauerhaft im Sonnenstaat niederlassen. Die KFZ-Meldestelle heißt in Amerika "DMV" (Department of Motor Vehicles) und wird vom jeweiligen Bundesstaat betrieben. Sie nimmt gegen eine geringe Gebühr (31 Dollar) die theoretische und praktische Führerscheinprüfung ab und gibt nach eher großzügig bemessenen Bearbeitungszeiten brandneue Führerscheine und Kennzeichen aus.
Nun könnte ein Neuankömmling in San Francisco freilich auf die Idee kommen, seinen Führerschein bei der einzigen DMV-Niederlassung der Stadt, in der Fell Street, zu beantragen. Fataler Anfängerfehler! Wie jeder Ortsansässige weiß, arbeiten dort die demotiviertesten Staatsangestellten ganz Kaliforniens, und wenn man sich nicht stundenlang sinnlos aufregen möchte, rate ich dringend vom Betreten dieser Zweigstelle ab. Auch niemals dort anrufen! Wer nicht schon im automatischen Telefonlabyrinth aufgibt, und nach endlosen Wartezeiten schließlich einen der wenigen Sachbearbeiter ans Rohr bekommt, kann sich darauf gefasst machen, dass dieser nur roboterhaft Phrasen herunterleiert oder gleich den Hörer aufknallt.
Das bestätigen die beinahe durchgehend katastrophale Bewertungen auf Google-Maps, von "pathetic" (erbärmlich) bis "disgraceful" (schändlich) ist alles dabei. Das scheint die Verantwortlichen in Sacramento jedoch nicht zu interessieren, dabei stöhnen die Leute schon seit mehr als zehn Jahren über den Lotterbetrieb. Durch das akute Finanzproblem hat sich die Lage ja noch verschärft und in ganz Kalifornien sperrt der DMV seine Türen nun an drei von vier Freitagen im Monat zur Kostendämpfung überhaupt nicht mehr auf. Früher war er sogar samstags offen!
Ich munkele mal, dass der DMV in San Francisco das Sammelbecken der KFZ-Meldestelle für zwangsversetzte Mitarbeiter ist, die man zum Kündigen zwingen möchte. Auch die Empfehlungsseite Yelp bestätigt die furchtbaren Zustände beim DMV in San Francisco, zeigt aber auf, was Einheimische längst wissen: Man fährt einfach ins 20 Kilometer südlich gelegene, vorörtliche San Mateo oder 10 Kilometer rüber zur East-Bay-Seite, in die sonst nicht gerade vorbildliche Stadt Oakland, und auf einmal klappt der Behördenkram wie am Schnürchen. Ich persönlich habe meine Führerscheinprüfung damals in San Jose gemacht, erledige neu anfallenden KFZ-Papierkram in Santa Clara (auch ein sehr gut organisierter DMV) und das jährlich fällige Erneuern der KFZ-Registrierung klappt mittlerweile perfekt Online. Beim DMV in San Francisco komme ich eigentlich nur während des Bay-To-Breakers-Stadtlaufs vorbei, dessen Strecke eine zeitlang an der Fell Street entlang führt.
Michael Beim Kanalzappen fiel mir neulich die Werbung für Raisin Brahms auf, in der der deutsche Komponist Johannes Brahms an einem Klavier wie ein Bulldozer durch die Hauswand an den Frühstückstisch einer amerikanischen Durchschnittsfamilie ranfährt, "Guten Taaag!" schreit, und mit betont deutschem Akzent die Vorzüge des Müslis preist. Ich frage mich, wer und unter welchem Drogeneinfluss auf solche Ideen kommt. Bei näherem Hinsehen ist der Werbespot aber gar nicht vom Müslihersteller Kellog's finanziert, sonder von der Organisation Americans for the Arts, einer gemeinnützigen Organisation zur Förderung der Künste. Egal, lustig ist's, und ein weiterer Meilenstein auf unserer Forschungsreise zum Thema "So sehen die Amerikaner die Deutschen!".
Angelika Am 4. Juli feiern Amerikaner ihren Unabhängigkeitstag und wir nutzen das verlängerte Wochenende immer für einen Kurztrip. Zwar fiel das Datum dieses Jahr auf einen Sonntag, doch dank einer genialen Regel ist in Amerika der Montag frei, falls ein Feiertag auf ein Wochenende fällt.
Wir fuhren mit unseren Freunden Conny und Roland in die beliebte Urlaubsgegend am Lake Tahoe. Im Winter fährt dort die halbe Bay Area Ski, und im Sommer lädt der 500m tiefe See zum Schwimmen oder Bootsfahren ein. Schwimmen kostet allerdings auch im Sommer etwas Überwindung, denn die Wassertemperatur schwankt selbst in den warmen Monaten nur zwischen 13-17 Grad Celsiuis.
Nun erfreut sich Tahoe solch einer Beliebtheit, dass die Insider in San Francisco und Umgebung stets vom obligatorischen Tahoe-Wochenendstau sprechen, der praktisch in San Francisco vor der Bay Bridge losgeht. Die 349 Kilometer spult ein geübter Autofahrer in vier Stunden herunter, allerdings nur am Totensonntag nachts um zwei. An einem durchschnittlichen Freitagnachmittag steckt man schon mal 12 Stunden auf der Autobahn I-80.
An den Badestränden des Lake Tahoe ist es dann auch dementsprechend voll. Deshalb wichen wir an den kleineren und etwas weniger bekannten aber genauso idyllischen Donner Lake aus. Er befindet sich in der Nähe des Ortes Truckee und ist etwas über 4 km lang und 1 km breit, mit einer angeblich etwas angenehmerer Wassertemperatur als der Lake Tahoe.
Der See verdankt seinen Namen der Donner-Truppe, einer Gruppe von Pionieren, die ihr Glück in Kalifornien suchte, aber kläglich an den winterlichen Verhältnissen und dem Gebirge, der Sierra Nevada, scheiterte. Der Treck startete im April 1846 in Springfield im Bundesstaat Illinois und wählte eine Abkürzung, die in Wirklichkeit keine war. So brauchte die Gruppe wesentlich länger als erwartet und erreichte das Gebiet um den Donner Lake erst im November 1846, als schon der erste Schnee fiel. Die Pioniere sahen sich gezwungen, in der Nähe des Donner Lakes zu überwintern, allerdings hatten sie nur Proviant für einen Monat. Ein kleine Gruppe versuchte, Hilfe zu holen, scheiterte aber kläglich und erst Ende Februar erreichte ein Hilfstrupp den Treck und fand ein Bild des Grauens: Nur 47 von den 89 Pionieren hatten überlebt und überall gab es Hinweise auf Kannibalismus. Die Überlebenden hatten Menschenleichen gegessen.
Heute spürt man von der grausamen Geschichte nur noch wenig, allerdings erinnern klitzekleine Goldpartikel im Wasser an die wilde kalifornische Goldgräberzeit. Am schönsten ist allerdings, dass am West End Beach des Donner Lakes ein gemütliches, fast schon nostalgisch anmutendes Strandbad liegt. Mit allem was dazu gehört: Bademeister, Schwimmbereich im See, gemähter Rasen, Spielplatz und Kiosk, an dem es leckeres Eis zu kaufen gibt, sowie Tretboote. Der Tageseintritt beläuft sich pro Mann auf 3 Dollar (Kinder bis 17 zahlen 2 Dollar). Unschlagbar schön!
Michael Wer hätte gedacht, dass das Internet selbst das amerikanische Äquivalent zur fahrbaren Currywurstbude, den sogenannten "Food Truck", revolutioniert? Bis vor einigen Jahren standen die Straßenhändler mit ihren Karren und Lieferwagen immer an bestimmten Stellen, Straßenecken, die sie sich teilweise vor Karrengenerationen erkämpft hatten und sich seitdem in fester Hand befanden. Der sehr schön gemachte Film: "Man Push Cart" gibt einen Einblick in die kaum beachtete aber faszinierende Welt der Karrenfritzen.
Karren-Jungspunde mit neuen Geschäftsideen haben es da schwer, denn das ungeschriebene Gesetz des Großstadtdschungels verbietet es ihnen, den Altvorderen die angestammten Stellplätze abzuluchsen. Wenn aber niemand von einem neuen Karren und den dort angebotenen Leckerbissen weiß, wie soll das Geschäft dann da jemals brummen?
Seit es Twitter gibt, steht die Karrenwelt Kopf, denn nun hält der Karrenbetreiber einfach irgendwo an, wirft den Grill an und schickt eine Twitter-Nachricht ab. Leute, die den Twitter-Strom auf ihrem Handy verfolgen, wissen so, wenn die Würstlbude in ihrer Nähe weilt und schauen dann ganz spontan vorbei, um sich statt dem langweiligen Kantinenfraß einen exotischen Leckerbissen zu Mittag zu holen.
Der koreanische Kalbi-Truck ist so ein Beispiel. Von findigen Einwanderern betrieben, die den Geschmack der experimentierfreudigen Software-Hipster-Szene erkannt haben, hält er hin und wieder in der Nähe der Yahoo-Gebäude im Silicon-Valley und die Leute strömen scharenweise hin. Das konservative Wall Street Journal hat sogar kürzlich einen Artikel über den Umbruch der Karrenindustrie veröffentlicht. Neben dem mexikanischen Taco-Truck (Rundbrief 08/2007), dem Urgestein der kalifornischen Karrenindustrie, bieten heutzutage engagierte Jungunternehmer sogar die auch von mir geschätzte französiche Nachspeise Crème Brûlée an.
Neulich tauchte sogar ein Truck bei Yahoo auf, der Sandwich-Lieferungen von benachbarten Restaurants ausführte. Der ebenfalls von Jungunternehmern betriebene "Mealdonkey"-Service ("Mahlzeitenesel") betreibt eine Webseite, auf der Hungrige ihr Mittagssandwich bei Restaurants in der Umgebung ordern und es mittags an einem um die Ecke geparkten Lieferwagen abholen können. Auf Ideen kommen die Leute! Zweifellos nur ein weiterer Meilenstein auf dem langen Weg vom Tellerwäscher zum Millionär.
Grüße aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten:
Angelika & Michael
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