Angelika/Mike Schilli |
Angelika Draußen Wäsche zu trocknen ist in den USA verpönt. Statt flatternder Hemdchen im Wind bevorzugt der Amerikaner den Trockner. Das kostet allerdings Energie. In vielen Wohnsiedlungen Kaliforniens war es bis vor kurzem sogar verboten, Wäsche auf der Leine oder mit Hilfe eines Wäscheständers draußen zu trocknen. Die mächtigen Hauseigentümerverbände ("Homeowners Associations") sahen darin eine Verschandelung ihrer Gebäude und die Gefahr der Wertminderung, und verboten es deshalb oft in den Verträgen mit den Wohnungseigentümern und deren Mietern.
Ab Januar 2016 darf nun aber jeder Kalifornier seine Wäsche legal auf der Leine trocknen. Unser Gouverneur Jerry Brown unterzeichnete das Gesetz im Oktober, denn es gilt als umweltfreundlich und da möchte Kalifornien in der Regel die Nase vorn haben. Die kalifornische Abgeordnete Patti Lopez aus San Fernando brachte das neue Gesetz auf den Weg, allerdings nicht gerade nur aus Umweltschutzgründen. Viele ihrer Wähler können sich keinen Trockner leisten und das Trocknen auf der Wäscheleine kostet eben nichts. Hier sind die anderen Bundestaaten, die ebenfalls das Wäschetrocknen auf der Leine erlauben: Florida, Hawaii, Maine, Utah, Vermont. In San Franciscos Chinatown gehört die flatternde Wäsche übrigens zum Stadtbild. Seit Jahr und Tag hängt dort schon die Wäsche draußen, Gesetz hin oder her.
Michael Manche Leute in unserem Haushalt, und ich will hier mal bewusst keine Namen nennen, verlegen laufend ihre Schlüssel oder den Geldbeutel. Das Problem lässt sich zwar auch einfach dadurch lösen, dass man sich angewöhnt, diese beiden Utensilien immer an derselben Stelle abzulegen, aber mit zunehmendem Alter wird es nicht leichter, eingeschleifte Gewohnheiten abzustellen.
Dem Problem verlegter Utensilien nimmt sich seit kurzem die Startup-Firma Tile (englisch für "Kachel") aus dem Silicon Valley (wo auch sonst) an, indem sie kleine schlanke weiße Plastiktäfelchen produziert, die man an den Schlüsselbund hängt oder in den Geldbeutel steckt. Diese können zwar ihre eigene Position nicht ermitteln oder gar weltweit herumfunken, aber sie nehmen Kontakt mit dem Mobiltelefon des Benutzers auf, und können ihn bis zu etwa zehn Metern Distanz halten. Merkt das Handy dann, dass der Kontakt zum Täfelchen abreißt, speichert es die letzte bekannte Position. Findet der Besitzer später ein Trumm mit angehängter Tile-Kachel nicht mehr, schaut er in die App auf seinem Smartphone, und kann dort auf einer Landkarte die letzte bekannte Position des Trumms sehen. Befindet es sich in Reichweite des Telefons, kann die App die Tile sogar anfunken und eine Melodie spielen lassen, sodass man den Schlüsselbund auch unter einem Sofakissen lokalisieren kann. Und da das Mobiltelefon diese Daten laufend an Tile meldet, kann man auch andere Mobiltelefone dort einbinden, die dann ebenfalls auf dem Laufenden bleiben.
Die Tiles kosten pro Stück etwa 17 Dollar und halten ein Jahr. Da man die eingeschweißte Batterie nicht auswechseln kann, muss man anschließend neue Kacheln kaufen, so verdient die Firma ihr Geld.
Ist ein Utensil mit Tile-Kachel hoffnungslos außer Reichweite, zum Beispiel weil ein Geldbeutel gestohlen wurde, kann man es in der Tile-App als verloren melden. Daraufhin meldet die Tile-Firma das verlorene Teil an alle ihre Nutzer, deren Apps dann Tile betriebsintern Bescheid geben, wenn irgendein Mensch mit Tile-App in Reichweite der gesuchten Kachel kommt, und dies wiederum demjenigen melden, der das Ding als verloren gemeldet hat. Ein Wahnsinn!
Lustigerweise hat die App auch noch einen Nebeneffekt: Da sie in unserem Haushalt laufend den Aufenthaltsort vier verschiedener Tile-Tokens über insgesamt zwei Mobiltelefone überwacht, weiß sie auch, wo deren Besitzer gerade weilen. Ich kann also genau sehen, wo Angelika sich gerade herumtreibt, weil ihr Handy seine Position an den Tile-Server meldet, der wiederum meinem Mobiltelefon Bescheid gibt. Das ist sehr praktisch, aber falls man es mal unterbinden möchte, entzieht man der App einfach den GPS-Zugriff.
Angelika San Francisco und Kalifornien lieben ja bekanntlich ihre Volksbegehren. Bei jeder Stadtwahl stehen eine Unzahl von sogenannten "Propositions" auf dem Wahlzettel, über die der Bürger zu entscheiden hat. Am 4. November dieses Jahres fand deswegen auch nicht nur die Bürgermeisterwahl in San Francisco statt. Die Wähler stimmten ebenfalls über die sogenannte "Proposition F" ab, die im Volksmund auch als die "Airbnb-Abstimmung" bekannt ist.
Airbnb ist euch ja vielleicht ein Begriff. Das ist diese Webplattform, über die man private Unterkünfte buchen kann. Brian Chesky, Joe Gebbia und Nathan Blecharczyk etablierten die Firma 2008 in San Francisco, nachdem die ersten beiden Gründer einfach während einer internationalen Konferenz für Design in der Stadt beschlossen hatten, ein paar zusätzliche Betten und Luftmatratzen als Schlafplätze in ihrem Apartement zu vermieten. Sie überredeten ihren Freund Nathan dazu, eine Website mit dem Namen "Airbedandbreakfast.com" aus dem Boden zu stampfen, und die Sache nahm ihren Anfang.
Was klein begann, hat sich mittlerweile zu einem großen und bekannten Unternehmen gemausert. Die Firma Airbnb (der ursprünglich längere Name wurde ab 2009 abgekürzt) expandierte in andere Städte und Länder und kam immer mehr unter Druck und in die Schlagzeilen, vor allem in Städten wie San Francisco, wo der Wohnraum knapp und heißbegehrt ist.
Eigentlich ist das Ganze ja eine brilliante Idee. Leute, die ein Zimmer in ihrer Wohnung oder in ihrem Haus nicht nutzen oder vielleicht für einige Zeit auf Reisen sind, vermieten das Zimmer oder die ganze Wohnung kurzfristig, verdienen sich damit ein bisschen Geld nebenbei und wickeln alles unbürokratisch über eine Website ab. Um die Verwaltung brauchen sie sich dabei nicht zu kümmern, und der Tourist schätzt, dass er sich nicht in ein anonymes Hotel einmieten muss. Kritiker werfen nun aber ein, dass Vermieter mittlerweile auf den Trichter gekommen sind, dass es sich für sie auszahlt, ihre Wohnungen über Airbnb anzubieten und damit immer wieder kurzfristig zu vermieten, statt sie Langzeitmietern zur Verfügung zu stellen, was den eh schon knappen Wohnraum für normale Mieter noch mehr verknappt.
In San Francisco ist der Wohnungsmarkt so überteuert und angespannt, dass das Thema in aller Munde ist und die Gemüter erhitzt. Die Proposition F würde kurzfristige Vermietungen gesetzlich auf 75 Tage im Jahr begrenzen. Zur Zeit dürfen Privatleute ihre Wohnungen an bis zu 90 Tagen im Jahr untervermieten, wenn sie als Hauptmieter oder Besitzer nicht anwesend sind, und keinerlei Begrenzungen bestehen, falls der Hauptmieter/Besitzer sich ebenfalls in der Wohnung aufhält. Träte das Gesetz in Kraft, müsste der Untervermieter der Stadt melden, wie lange der über Airbnb (oder ähnlichen Anbietern) vermittelte Wohnraum kurzfristig vermietet wurde, damit diese prüfen kann, wann die 75 Tage überschritten sind. Außerdem würde es das Gesetz Nachbarn erleichern, Verstöße zu melden und Klagen gegen nicht gesetzestreue Vermieter einzureichen. Es verwundert daher nicht, dass die Firma Airbnb 8 Millionen Dollar in den Wahlkampf gesteckt hat, um "Proposition F" niederzuschlagen. Ihr Hauptwerbeslogan ist, dass Airbnb es den Einwohnern von San Francisco ermöglicht, durch kurzfristige Vermietungen Geld dazu zu verdienen, um in ihrer geliebten aber teuren Stadt wohnen bleiben zu können. Nachtrag: Die Proposition F wurde von den wahlberechtigten Bürgern mit 55% gegen 45% der Stimmen niedergeschlagen.
Angelika Obwohl die nächste Präsidentschaftswahl erst im November 2016 stattfindet, stecken wir ein Jahr vorher schon wieder einmal voll im Wahlkampf. Das liegt an dem langwierigen Prozess der Vorwahlen in den USA, also dem Auswahlverfahren, mit dem die beiden Parteien, die Republikaner und Demokraten, jeweils ihren Kandidaten bestimmen. Diese müssen dazu ihre eigene Basis mobilisieren und geben sich oft radikaler in dieser Phase als sie eigentlich sind, denn so können sie punkten und sich in dem noch sehr unübersichtlichen Gemenge von ihren Konkurrenten absetzen.
In der deutschen wie auch in der amerikanischen Presse steht bei der republikanischen Partei Donald Trump ganz im Mittelpunkt. Durch seine laute und provokative Art, aber wohl auch durch seinen Bekanntheitsgrad hat er sich bei den republikanischen Kandidaten an die Spitze gesetzt. Jeder Politikwissenschaftler und auch viele Journalisten in renommierten Zeitungen wie der New York Times hielten das Phänomen Trump zunächst für einen schlechten Witz, der bald enden würde, aber Trump hielt sich und verärgerte dadurch auch das Establishment seiner eigenen Partei. Er lenkt von anderen Kandidaten ab, die auf nationaler Ebene eine größere Chance hätten, das Präsidenschaftsamt für die Republikaner zu sichern.
Trump als Spinner abzutun, ist ein wenig zu einfach. Ja, der Mann gebärdet sich unmöglich und gibt nur Platitüden von sich, aber unterschätzen sollte man ihn auch nicht. Selbst wenn er letztendlich geringe Chancen auf eine Nominierung hat, denn dafür hat er große Wählergruppen einfach zu sehr vor den Kopf gestoßen, heizt er den Wahlkampf an und drängt andere republikanische Kandidaten in den Schatten. Vor allen Dingen seine radikalen Ansichten zu illegalen Immigranten werden sich wahrscheinlich irgendwann rächen. Nicht nur seine Idee, eine Grenzmauer zwischen Mexico und den USA zu bauen und alle illegalen Immigranten zu deportieren, ist völlig unrealistisch. Hinzu kommt, dass die republikanische Partei die Stimmen der lateinamerikanischen Bürger braucht, die mittlerweile amerikanische Staatsbürger sind, um die Wahl zu gewinnen.
Aber Trump hat viele gründlich vergrault mit seinen Behauptungen, dass die meisten Illegalen Verbrecher wären. Noch dazu ist dies komplett falsch, denn die Kriminalitätsrate bei illegalen Einwanderern ist niedriger als bei der Durchschnittsbevölkerung. Das leuchtet ein, denn wenn man ohne legale Papiere im Land ist, will man möglichst wenig auffallen. Außerdem pflegen die Amerikaner mit lateinamerikanischer Herkunft weiterhin Verbindungen in ihre Herkunftsländer und finden es durchaus nicht lustig, wenn ihre Landsleute alle als kriminell eingestuft werden.
Doch wieso hat Trump überhaupt Erfolg? Er spricht scheinbar die republikanischen Wähler an, die völlig desillusiniert von Politikern in Washington sind und sich betrogen fühlen. Das ist die Gruppe der unteren Mittelschicht und der kleinen mittelständischen Firmenbesitzer, die ihre Jobs durch Immigration und Globalisierung bedroht sehen. Aber durchaus auch das rechtsradikalere Lager, das den Untergang der USA vorhersagt, weil sie sich als Weiße immer mehr in der Minderheit sehen. Trump ist der Außenseiter, der wie Ben Carson und Carly Fiorina, die ebenfalls auf eine republikanische Nominierung hoffen, noch nie ein politisches Amt inne hatte und gerade das macht ihn (wie auch Ben Carson und Cary Fiorina) für viele attraktiv. Sie vergessen dabei allerdings, dass auch Trump nicht wie eine Bulldogge im Weißen Haus agieren kann, denn es gibt immer noch einen Senat und ein Repräsentantenhaus und einen demokratischen Prozess, der Kompromisse verlangt.
Übrigens wollte Trump zunächst als Unabhängiger kandidieren und entschloss sich später für die republikanische Partei. Ich glaube ja immer noch, dass seine ganze Kampagne ein PR-Aktion ist und Trump auf einen erneuten guten Fernsehdeal wie damals bei der Hitshow "The Apprentice" (Rundbrief 05/2004) hofft, bei dem er dann mehr Geld herauspressen kann.
Bei den Demokraten hat sich auch ein Außenseiter ins Rampenlicht gekämpft, nämlich Bernie Sanders. Die Presse schenkt ihm weit weniger Aufmerksamkeit als Trump, aber seine Fangemeinde wächst stetig. Bei den Demokraten spricht er den eher linkeren Flügel an, also die Wähler, die zutiefst enttäuscht von Barack Obama sind, aber auch keine erneute Clinton-Dynastie wollen. Auch viele junge Leute begeistern sich für den 74-Jährigen. Im Gegensatz zu Trump glaubt er an den demokratischen Prozess und ist kein Neuling in Washington. Seit 2007 vertritt er den Bundesstaat Vermont im amerikanischen Senat. Von 1991 bis 2007 war er Kongressabgeordneter im amerikanischen Repräsentantenhaus. Auch als Bürgermeister agierte Bernie Sanders schon, nämlich in der Stadt Burlington in Vermont. Erst seit 2015 gehört er der demokratischen Partei an. Zuvor hatte er alle sein politischen Ämter als Unabhängiger bekleidet.
Seit über 40 Jahren kämpft er für soziale Gerechtigkeit und bezeichnet sich selbst als einen demokratischen Sozialisten, ein Wort, das in Amerika oft wie ein Schimpfwort benutzt wird. Bernie Sanders will gerechtere Löhne für alle, gerechtere und bessere Arbeitsbedingungen (zum Beispiel gesetzlich festgelegte Krankheitstage), eine universelle Krankenkasse und vor allen Dingen auch weniger Einfluss der Ultrareichen auf die Politik durch Parteispenden. Er lehnt deshalb auch Gelder von den sogenannten Super-Pacs ab (Rundbrief 11/2012) und finanziert seinen Wahlkampf durch kleine Spenden (unter $200) von ganz normalen Bürgern. Es bleibt spannend, wie weit es Bernie Sanders in der Vorwahlenrunde schaffen wird. Die Clinton-Maschinerie wird alles daran setzen, eine Sanders-Nominierung zu verhindern. Paradoxerweise liegt er nicht gerade vorn bei den Minderheiten, obwohl seine Politik positive Auswirkungen auf diese Bevölkerungsschichten hätte. Im fehlt einfach der Bekanntheitsgrad in diesen Kreisen.
Angelika Genau wie in Deutschland führen die Kalifornier seit mehreren Jahren eine intensive Debatte über die Sterbehilfe. Immer wieder gab es Vorstöße im kalifornischen Parlament, den assistierten Suizid bei schwerkranken Menschen zu legalisieren. Immer wieder scheiterten die Befürworter, aber jetzt erfüllte sich ihr Wunsch. Das kalifornische Parlament verabschiedete ein Sterbehilfegesetz und unser Gouverneur Jerry Brown unterschrieb es, sodass es im Januar 2016 in Kraft treten kann.
Lange Zeit glaubte man, Jerry Brown würde sein Veto gegen das Gesetz einlegen, denn der Druck von kirchlichen Organisationen war enorm und Jerry Brown rang sichtlich mit der Entscheidung. Dazu muss man wissen, dass Jerry Brown vor langer Zeit einmal Jesuitenpriester werden wollte und einige Zeit in einem Jesuitenseminar verbracht hat. Schließlich unterschrieb er das Gesetz, weil er es auch selbst als Beruhigung empfindet, die Möglichkeit des assistierten Suizid an seinem Lebensende (Jerry Brown ist 77 Jahre alt) bei schwerer Erkrankung zu haben.
Bedingt durch meine Ausbildung zur Heilpädagogin bin ich beim Thema Sterbehilfe immer etwas zwiegespalten, weil ich meine, dass es wichtiger wäre, sich darauf zu konzentrieren, das Sterben eines Menschen besser zu begleiten, zum Beispiel genug Schmerzmittel zu geben, und unnötige Untersuchungen und Behandlungen zu unterlassen. Sterbehilfe begibt sich leicht in gefährliche Grauzonen. Das neue Gesetz legt fest, dass zunächst zwei kalifornische Ärzte bestätigen müssen, dass der Patient nur noch sechs Monate zu leben hat. Der Patient muss in der Lage sein, selbst den Wunsch zu äußern und die Medikamente, die zum Tod führen, selbständig einzunehmen und zu schlucken. Ärzte und Krankenhäuser dürfen es ablehnen, diese legalisierte Art der Sterbehilfe durchzuführen.
Angelika Wir wohnen jetzt ja schon fast eine Ewigkeit in San Francisco und haben natürlich unsere Lieblingsplätze und --parks in der Stadt. Je länger man in ein und derselben Gegend wohnt, je mehr kommt man in den Trott immer wieder die vertrauten Orte aufzusuchen. Zumindest bei uns ist das so. Aber seit einigen Wochen machen wir uns jeden Samstag auf, etwas Neues zu entdecken. Das liegt auch daran, dass Michael gerade erst seinen Arbeitgeber gewechselt hat und ihm nun wieder weit weniger Urlaub als vorher zur Verfügung steht, denn in den USA fängt der Neuankömmling in der Firma wieder von vorne an, was den Urlaubsanspruch angeht. Ein Elend. Also müssen die Wochenenden ein wenig als Mini-Urlaube fungieren.
Und es ist wirklich erstaunlich, wieviel wir noch nicht entdeckt haben. Wer hätte von euch gedacht, dass es mitten in San Francisco einen Wald gibt? Jeder Tourist kennt den weltberümten Golden Gate Park, aber im Mount-Sutro-Wald trefft ihr kaum Touristen. Versteckt zwischen den schmucken Häusern des Stadtteils Cole Valley und dem Unikrankenhaus UCSF an der Parnassus Avenue gibt es eine Oase, die über 100 Jahre alt ist, mit Rundwegen und über 30 Meter hohen Bäumen. Es ist natürlich kein Laub-oder Nadelwald, sondern interessanterweise besteht der Mount-Sutro-Wald überwiegend aus Eukalyptusbäumen. Dreiviertel des Waldes gehören der Universität und der Rest der Stadt San Francisco. Adolph Sutro, der von 1894 bis 1896 Bürgermeister von San Francisco war, ließ den Wald damals anpflanzen. Der Mann stammte übrigens aus Aachen und emigrierte in die USA, als er 20 war. Der Name taucht in San Francisco häufig auf: Mount Sutro Tower, Mount Sutro Baths, Mount Sutro Forest. Nun wisst ihr warum.
Da der Mount-Sutro-Wald in der Nebelzone der Stadt liegt, ist er bei Fotografen sehr beliebt, denn der Nebel gibt dem Wald etwas Gespenstisches und Magisches zugleich. Als wir an einem Samstag durch den Wald spazierten, schien allerdings die Sonne. Wir waren erstaunt, wie wenige Spaziergänger wir dort antrafen. Normalerweise muss man sich solch schöne Plätze in San Francisco immer mit einer Horde von Menschen teilen. Wir vergaßen fast, dass wir uns in einer Großstadt befanden. Nur ab und zu erinnerten uns die entfernten Geräusche der Stadt daran.
Wie der Mount-Sutro-Wald in San Francisco ist auch der Tilden Park in der East Bay ein Geheimtipp. Allerdings erfreut sich der Park großer Beliebtheit und am Wochenende boxt dort der Papst. Er liegt hinter den Hügeln des Universitätsstädtchens Berkeley versteckt und erstreckt sich über 840 Hektar. Tilden Park ist eine Mischung aus einem großen Stadtpark mit Attraktionen wie botanischem Garten, Golfplatz und einer Miniaturdampflokomotive, sowie bewaldeten Gebieten mit Wanderwegen. Auch einen See ("Lake Anza") gibt es, in dem man sogar schwimmen kann, wenn sich nicht wieder gerade irgendwelche giftigen Algenpflanzen im See ausbreiten. Viele der Wanderwege bieten super Aussichten auf San Francisco, die East Bay und das San Pablo Reservoir, vorausgesetzt der Nebel macht einem keinen Strich durch die Rechnung. Wir wanderten den Quarry- und den Big-Springs-Weg bei strahlendem Sonnenschein ab.
Eines der Vorzüge von Wanderungen in urbanen Gebieten ist, dass gute Restaurants meist um die Ecke liegen. Nach unserer Wanderung im Tilden Park, kehrten wir im Lokal Brotzeit in Oakland ein. Es liegt sehr schön an einem Bootshafen. Authentische Biertische und --bänke, die die Gäste sich, wie in deutschen Biergärten üblich, teilen, laden zum draußen sitzen ein. In den USA ist die Sitte, sich mit Fremden an einen Tisch zu setzen, ja eigentlich unbekannt, obwohl man immer häufiger auf sogenannte "Community Tables" in Restaurants trifft. Das sind in der Regel lange Gemeinschaftstische, an denen dann verschiedene Parteien sitzen. Da in München gerade das Oktoberfest stattfand, dachten wir uns in einem Anflug von Sentimentalität, gehen wir doch in ein bayrisch angehauchtes Lokal und trinken ein Bier. Es gab dann auch tatsächlich gutes Oktoberfestbier, und essensmässig standen die obligatorischen Würstchen, Schnitzel, Jägerschnitzel und natürlich Sauerkraut, aber auch Fisch und Chips und Hamburger auf der Speisekarte, also eher ein Mischmasch aus deutscher und amerikanischer Küche. Geschmeckt hat es trotzdem.
Michael Neulich fand ich im Costco-Supermarkt einen Doppelpack der Pralinenmarke "Hawaiian Host" zum Schlagerpreis und griff gleich zu, denn wie gut kam dabei die Erinnerung an einen unserer ersten Hawaiiurlaube vor fast 20 Jahren zurück! Ich weiß noch genau, wie wir an einer vorab gemieteten Wohnung ankamen, die Deckenventilatoren langsam kreisten, und ein lauer Wind durch die offenen Fenster zog. Wir inspizierten unser neues Quartier, und fanden im Kühlschrank, vom Vermieter dort freundlicherweise für uns Gäste als Willkommensgeschenk bereitgestellt, eine Packung dieser Nusspralinen.
Nun bin ich kein Freund irgendwelcher Billigpralinen und einige Zeit rührte keiner von uns die Packung an, aber irgendwann rissen wir sie neugierig auf und naschten von den Milchschokoladenstückchen, die jeweils zwei Makademia-Nüsse umschlossen. Was eine Macademia-Nuss ist, lässt sich schwer beschreiben, aber eine zu essen ist ein einmaliges Erlebnis. Beißt man auf eine Macadamia-Nuss, zerbröselt sie in tausend Stückchen, die sich dann im Mund ausbreiten und einen den angenehm milden, nussigen, oft auch (wegen draufgestreuten Salzkörnern) salzigen Geschmack erleben lassen.
In Verbindung mit der Milchschokolade der "Hawaiian-Host"-Pralinen potenziert sich das Erlebnis nochmal, denn ich stecke mir normalerweise eine dieser ziemlich genau mundhöhlengroßen Pralinen in den Mund, lutsche die Schokolade runter, was gut 2 Minuten dauern kann, und beiße dann auf die freigelegten Nüsse. Ein irres Erlebnis, und ich kann euch nur empfehlen, sofort eine Packung zu kaufen, falls ihr sie zufällig irgendwo seht, was ein enormer Zufall ist, denn das Produkt wird ausschließlich auf Hawaii hergestellt und normalerweise nur dort verkauft.
Michael Damit beim nächsten Erdbeben in San Francisco nicht alles sofort in Schutt und Asche fällt, legt die Stadtverwaltung Wert darauf, dass Baufirmen jedes Gebäude und jede Brücke in der Stadt nach strengen Vorlagen errichten. Die meisten Häuser werden von Holzbalken und Pressspanplatten zusammengehalten, Baumaterialien wie Ziegel oder Beton findet man äußerst selten. Das hat zwar den Nachteil, dass man in einem Mehrfamilienhaus vor Schreck aus dem Bett fällt, wenn der Nachbar heftig niest. Fährt jedoch bei einem Erdbeben ein gewaltiger Ruckler durchs Haus, kracht es nicht gleich zusammen, sondern schwingt ein paar Sekunden hin und her und dann langsam aus. Bei einem Steinhaus reißen da schnell mal die Ziegel, tragende Wände zerbröseln, und schon saust der erste Stock krachend auf das Parterre nieder und zermatscht den Untermieter zu Pfannkuchenformat.
Auch der Hobbyheimwerker muss beim Reparieren aufpassen, damit auch alles im rechtlichen Rahmen bleibt. Renoviert er sein Haus, und richtet zum Beispiel ein neues Sonnendeck ein, muss das eigentlich nach der Fertigstellung von einem sogenannten Inspektor abgenommen werden. Oft unterbleibt dies aber, und deswegen kommt beim Hausverkauf wiederum ein Inspektor, der alles anmäkelt, was nicht "nach Code" gebaut wurde. Dann kann der Verkäufer es entweder von einem Fachmann richten und zertifizieren lassen, oder einfach mit dem Preis runtergehen, damit der Käufer ein Auge zudrückt.
Oft greifen sparsame Hausbesitzer auch auf die Dienstleistungsangebote illegal eingereister Südamerikaner zurück, deren Handwerkskunst zwar der eingesessener und zertifizierter Arbeiter und sogenannter "Contractors" (Bauleiter) ebenbürtig ist, aber halt nicht den offiziellen Vorschriften genügt. Da ein so fertiggestelltes Bauwerk aber nur ein Bruchteil von dem kostet, was ein Bauarbeiter mit sauberen Papieren verlangen würde, ist im privaten Sektor Schwarzarbeit gang und gäbe, einschließlich der damit einhergehenden nicht offiziell abgesegneten Reparaturen.
Bei öffentlichen Bauprojekten wählt die Stadt bei der Ausschreibung natürlich nur zertifizierte Betriebe aus, die strikt nach Vorschrift bauen, aber auch dort kommt es dauernd zu Problemen, weil die sich die Fertigstellung wegen Missmanagement verzögert, die Kosten plötzlich explodieren oder das Bauunternehmen Sorgfalt bei der Durchführung missen lässt, wie sich am Beispiel der rostigen Stahlbolzen beim Neubau der Bay Bridge zeigte (Rundbrief 09/2013).
Überhaupt ist ganz San Francisco zur Zeit eine einzige Baustelle, und ich frage mich immer, ob es tatsächlich niemanden kratzt, wenn sich Projekte endlos hinziehen oder warum niemand die verbrecherischen Bauunternehmen an die Kandarre nimmt, wenn sie ihre Versprechen nicht einhalten. Wenn ich mir eine Art Vorhölle vorstelle, dann sieht die so aus, dass ich mir ein baufälliges Haus kaufe und dann auf Gedeih und Verderb einem schlitzohrigen Bauleiter mit seiner Schluderertruppe ausgeliefert bin, die jeden Tag neue Ausreden erfinden und mich langsam aber stetig ins Grab treiben. Das wird niemals passieren, niemals!
Michael Ihr werdet es kaum glauben, aber als wir 1996 nach Kalifornien zogen, hatten wir tatsächlich so wenig Geld, dass wir uns ein ganzes Jahr lang überhaupt kein Auto geleistet haben. Dann bot mir 1997 ein Arbeitskollege bei AOL zum Schlagerpreis von 3.300 Dollar einen damals sechs Jahre alten Edel-Honda mit 100.000 Meilen auf dem Tacho an. Sein schwarzer Lack war wegen der im Silicon Valley dauernd runterbrennenden Sonne schon überall abgeblättert, aber das war mir egal. Er hatte nur Gangschaltung, und keine Automatik, aber das kannte ich gar nicht anders. Und der Vorbesitzer, ein Franzose, hatte den Wagen in einem Anfall von geistiger Umnachtung ohne Klimaanlage gekauft. Aber ich war jung und hauptsächlich im windigen San Francisco unterwegs, mit der mörderischen Sonne Südkaliforniens noch unvertraut. Wir wickelten den Deal auf dem AOL-Parkplatz per Handschlag ab und ich war ab sofort stolzer Besitzer eines Acura Intregra Baujahr 1991.
Im Fernsehen hatte ich, auch schon in Deutschland, immer schon die in den USA erhältlichen personalisierten Nummernschilder bewundert. Wegen meiner Vorliebe für die Programmiersprache Perl schaute ich auf der Website des Kraftfahrzeugmeldestelle Kaliforniens (DMV) nach, ob das Kennzeichen "PERL MAN" noch zu haben sei. Es war noch nicht vergeben, und so zahlte ich nicht nur die Registrierungsgebühr, um mein neu erworbenes Auto anzumelden, sondern auch noch etwa 30 Dollar extra für das personalisierte Nummernschild. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich das Kennzeichen beim DMV in Redwood City abgeholt habe und es gleich mit Hilfe eines mitgebrachten Schraubenziehers auf dem Parkplatz der Kraftfahrzeugmeldestelle am Auto anbrachte. "Perly Perlman", wie das Auto von nun an hieß, war geboren. Legendär ist das Foto oben von einem unserer Ausflüge, auf dem ich mit Perly auf einem staubigen Feldweg entlang der Lost Coast in Nordkalifornien rase und den Kopf zum Fenster rausstrecke (Rundbrief 08/2004).
Wie man in Abbildung 23 sieht, schraubte ich viel später, als ich zu Yahoo wechselte, einen dieser klassischen Licence-Plate-Holder mit dem mittlerweile überholten Yahoo-Logo an das rückwärtige Nummernschild. Heute ein Klassiker! Und noch etwas fällt an dieser Aufnahme aus dem Jahr 2007 auf: Perly hat zwei Auspüffe, direkt nebeneinander, und dem linken fehlt seit dem Kaufdatum 1996 der Zierring und er schaut etwas verrostet aus. Nun, das weiß ich noch ganz genau, denn um ja keinen Fehler bei einer Investition von $3.300 zu machen, ließ ich das Auto damals vor dem endgültigen Handschlag mit dem Verkäufer 1997 noch von einer Werkstatt untersuchen, die in ihrem schriftlichen Bericht tatsächlich festhielt, dass der Auspuff erneuert werden müsse. Nun schreiben wir das Jahr 2015, und Perlys Auspuff ist, 18 Jahre später, immer noch nicht abgefallen, und wer mich kennt, weiß, dass ich den Teufel tun werde, Komponenten zu reparieren, die nicht kaputt sind. "If it ain't broke, don't fix it!" ist wohl einer der wichtigsten Merkregeln, die ich als alter Hase der Jugend von heute mitgeben kann.
Ein gravierendes Problem bei einem 24 Jahre alten Auto ist allerdings, dass es ohne Sicherheitsmerkmale wie Airbags (gab's 1991 noch nicht serienmäßig) bei einem Unfall schnell zur Todesfalle wird. Und das passiert schnell, denn Amerikas Fußballmutties schießen oft meilenweit blind in ihren Monster-Minivans durch die Gegend, weil sie ja gleichzeitig auf dem Handy herumtippen müssen. Oder habt ihr schon einmal versucht, in einem Auto ohne ABS eine Vollbremsung einzuleiten, weil der Vordermann grundlos auf seine natürlich elektronisch gesteuerte Bremse gelatscht ist? Sternstunden der Fahrkunst.
Neulich flatterte Post von Kaliforniens "Vehicle Buyback Program" ins Haus (Abbildung 24), das Besitzern von Autos Baujahr 1994 und älter exakt 1000 Dollar anbietet, wenn sie ihr Auto bei einer staatlich geprüften Stelle verschrotten lassen. Wie auf der Website des Buyback-Programms nachzulesen ist, muss das Auto allerdings strikten Kriterien genügen, damit der Staat die Abwrackprämie locker macht. Besteht die alte Mühle zum Beispiel den alle zwei Jahre fälligen Smogtest nicht mehr, gibt's auch kein Geld, denn der Besitzer kann das Auto ja gar nicht mehr legal fahren.
Perlys Smogtest war bislang immer knapp an der Grenze, Abbildung 25 zeigt, dass der Messwert für emittierte Kohlenwasserstoffe (HC) bei kalifornischen Autos im Schnitt bei 39 ppm liegt, und der maximal zulässige Wert 87 ppm ist, wenn das Auto 15 Meilen pro Stunde (etwa 24 km/h) fährt. Wieviel hatte Perly? Genau 87 ppm, nur ein Kohlenwasserstoffatom mehr, und Perly hätte um Haaresbreite nicht bestanden. Weiter misst der Smogtest Kohlendioxyd, Kohlenmonoxyd und Stickstoff. Wegen seines fortgeschrittenen Alters musste Perly in den letzten Jahren immer zu einer sogenannten Star-Prüfstelle, das sind speziell lizensierte Betriebe, die nur Smogtests machen und nicht etwa nebenbei noch Autos reparieren, damit sie keinen Schmuh machen. Übrigens testet die Prüfstelle auch noch weitere Details, und sieht zum Beispiel nach, ob der Tankdeckel auch richtig schließt. Lässt er Luft durch, segelt das Auto sofort mit Karacho durch die Prüfung, aber meist hat der Tester für zehn Dollar einen neuen Tankdeckel parat.
Aber auch noch weitere Kriterien müssen vor der staatlich alimentierten Verschrottung stimmen: So muss das Auto noch seine Windschutzscheibe sowie mindestens ein Seitenfenster aufweisen. Motorhaube, Fahrersitz und mindestens ein funktionierender Frontscheinwerfer sind ebenfalls Pflicht. Weiter muss der Motor sich ohne manuelles Einspritzen irgendwelcher Zaubermittelchen starten lassen und der Wagen ohne Anschieben mindestens 25 Fuß (7,6 Meter) vorwärts und 25 Fuß rückwärts fahren können. Das sollte zu schaffen sein, in der nächsten Ausgabe berichte ich live aus der Schrottpresse!
Grüße aus dem Land ohne TÜV:
Angelika & Michael
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