Angelika/Mike Schilli |
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Michael Ihr werdet es kaum glauben, aber als wir 1996 nach Kalifornien zogen, hatten wir tatsächlich so wenig Geld, dass wir uns ein ganzes Jahr lang überhaupt kein Auto geleistet haben. Dann bot mir 1997 ein Arbeitskollege bei AOL zum Schlagerpreis von 3.300 Dollar einen damals sechs Jahre alten Edel-Honda mit 100.000 Meilen auf dem Tacho an. Sein schwarzer Lack war wegen der im Silicon Valley dauernd runterbrennenden Sonne schon überall abgeblättert, aber das war mir egal. Er hatte nur Gangschaltung, und keine Automatik, aber das kannte ich gar nicht anders. Und der Vorbesitzer, ein Franzose, hatte den Wagen in einem Anfall von geistiger Umnachtung ohne Klimaanlage gekauft. Aber ich war jung und hauptsächlich im windigen San Francisco unterwegs, mit der mörderischen Sonne Südkaliforniens noch unvertraut. Wir wickelten den Deal auf dem AOL-Parkplatz per Handschlag ab und ich war ab sofort stolzer Besitzer eines Acura Intregra Baujahr 1991.
Im Fernsehen hatte ich, auch schon in Deutschland, immer schon die in den USA erhältlichen personalisierten Nummernschilder bewundert. Wegen meiner Vorliebe für die Programmiersprache Perl schaute ich auf der Website des Kraftfahrzeugmeldestelle Kaliforniens (DMV) nach, ob das Kennzeichen "PERL MAN" noch zu haben sei. Es war noch nicht vergeben, und so zahlte ich nicht nur die Registrierungsgebühr, um mein neu erworbenes Auto anzumelden, sondern auch noch etwa 30 Dollar extra für das personalisierte Nummernschild. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich das Kennzeichen beim DMV in Redwood City abgeholt habe und es gleich mit Hilfe eines mitgebrachten Schraubenziehers auf dem Parkplatz der Kraftfahrzeugmeldestelle am Auto anbrachte. "Perly Perlman", wie das Auto von nun an hieß, war geboren. Legendär ist das Foto oben von einem unserer Ausflüge, auf dem ich mit Perly auf einem staubigen Feldweg entlang der Lost Coast in Nordkalifornien rase und den Kopf zum Fenster rausstrecke (Rundbrief 08/2004).
Wie man in Abbildung 3 sieht, schraubte ich viel später, als ich zu Yahoo wechselte, einen dieser klassischen Licence-Plate-Holder mit dem mittlerweile überholten Yahoo-Logo an das rückwärtige Nummernschild. Heute ein Klassiker! Und noch etwas fällt an dieser Aufnahme aus dem Jahr 2007 auf: Perly hat zwei Auspüffe, direkt nebeneinander, und dem linken fehlt seit dem Kaufdatum 1996 der Zierring und er schaut etwas verrostet aus. Nun, das weiß ich noch ganz genau, denn um ja keinen Fehler bei einer Investition von $3.300 zu machen, ließ ich das Auto damals vor dem endgültigen Handschlag mit dem Verkäufer 1997 noch von einer Werkstatt untersuchen, die in ihrem schriftlichen Bericht tatsächlich festhielt, dass der Auspuff erneuert werden müsse. Nun schreiben wir das Jahr 2015, und Perlys Auspuff ist, 18 Jahre später, immer noch nicht abgefallen, und wer mich kennt, weiß, dass ich den Teufel tun werde, Komponenten zu reparieren, die nicht kaputt sind. "If it ain't broke, don't fix it!" ist wohl einer der wichtigsten Merkregeln, die ich als alter Hase der Jugend von heute mitgeben kann.
Ein gravierendes Problem bei einem 24 Jahre alten Auto ist allerdings, dass es ohne Sicherheitsmerkmale wie Airbags (gab's 1991 noch nicht serienmäßig) bei einem Unfall schnell zur Todesfalle wird. Und das passiert schnell, denn Amerikas Fußballmutties schießen oft meilenweit blind in ihren Monster-Minivans durch die Gegend, weil sie ja gleichzeitig auf dem Handy herumtippen müssen. Oder habt ihr schon einmal versucht, in einem Auto ohne ABS eine Vollbremsung einzuleiten, weil der Vordermann grundlos auf seine natürlich elektronisch gesteuerte Bremse gelatscht ist? Sternstunden der Fahrkunst.
Neulich flatterte Post von Kaliforniens "Vehicle Buyback Program" ins Haus (Abbildung 4), das Besitzern von Autos Baujahr 1994 und älter exakt 1000 Dollar anbietet, wenn sie ihr Auto bei einer staatlich geprüften Stelle verschrotten lassen. Wie auf der Website des Buyback-Programms nachzulesen ist, muss das Auto allerdings strikten Kriterien genügen, damit der Staat die Abwrackprämie locker macht. Besteht die alte Mühle zum Beispiel den alle zwei Jahre fälligen Smogtest nicht mehr, gibt's auch kein Geld, denn der Besitzer kann das Auto ja gar nicht mehr legal fahren.
Perlys Smogtest war bislang immer knapp an der Grenze, Abbildung 5 zeigt, dass der Messwert für emittierte Kohlenwasserstoffe (HC) bei kalifornischen Autos im Schnitt bei 39 ppm liegt, und der maximal zulässige Wert 87 ppm ist, wenn das Auto 15 Meilen pro Stunde (etwa 24 km/h) fährt. Wieviel hatte Perly? Genau 87 ppm, nur ein Kohlenwasserstoffatom mehr, und Perly hätte um Haaresbreite nicht bestanden. Weiter misst der Smogtest Kohlendioxyd, Kohlenmonoxyd und Stickstoff. Wegen seines fortgeschrittenen Alters musste Perly in den letzten Jahren immer zu einer sogenannten Star-Prüfstelle, das sind speziell lizensierte Betriebe, die nur Smogtests machen und nicht etwa nebenbei noch Autos reparieren, damit sie keinen Schmuh machen. Übrigens testet die Prüfstelle auch noch weitere Details, und sieht zum Beispiel nach, ob der Tankdeckel auch richtig schließt. Lässt er Luft durch, segelt das Auto sofort mit Karacho durch die Prüfung, aber meist hat der Tester für zehn Dollar einen neuen Tankdeckel parat.
Aber auch noch weitere Kriterien müssen vor der staatlich alimentierten Verschrottung stimmen: So muss das Auto noch seine Windschutzscheibe sowie mindestens ein Seitenfenster aufweisen. Motorhaube, Fahrersitz und mindestens ein funktionierender Frontscheinwerfer sind ebenfalls Pflicht. Weiter muss der Motor sich ohne manuelles Einspritzen irgendwelcher Zaubermittelchen starten lassen und der Wagen ohne Anschieben mindestens 25 Fuß (7,6 Meter) vorwärts und 25 Fuß rückwärts fahren können. Das sollte zu schaffen sein, in der nächsten Ausgabe berichte ich live aus der Schrottpresse!
Grüße aus dem Land ohne TÜV:
Angelika & Michael
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