Angelika/Mike Schilli |
Krebse kochen in Jordan's Kitchen
Montreal, Kanada
Quebec, Kanada
Die Shuttlebusse der Internetfirmen
Wieder Warten auf den Regen
Topp-App: Waze
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Angelika Michael ein Geschenk zu machen, ist wirklich nicht einfach, denn er hat die dumme Angewohnheit, sich immer alles selber zu kaufen und dies in der Regel eine Woche vor seinem Geburtstag oder Weihnachten. Bücher liest er mittlerweile fast nur noch elektronisch und auch Musik hört er über "Spotify" oder "Rhapsody", also über Streaming-Dienste und nicht mehr klassisch auf CD. Ich reisse mir dann jedes Mal schier die Haare aus, womit ich ihm denn wohl eine Freude machen könnte und bin mittlerweile dazu übergegangen, ihm Dinge zu schenken, wo wir beide zusammen etwas unternehmen und erleben können.
Da Michael gern kocht und ich vor langer, langer Zeit viel Freude daran hatte, Kochkurse zu absolvieren, schenkte ich Michael dieses Jahr zum Geburtstag einen Gutschein für einen gemeinsamen Kochkurs. Nach langer Recherche fand ich bei uns um die Ecke im Mission-Viertel "Jordan's Kitchen". Der Superkoch Jordan bietet Kurse an, in denen Hobbyköche in einem 4-stündigen Lehrgang am Abend ein 4-Gänge Menü zaubern. Da Michael und ich für unser Leben gern die sogenannten "Dungeness Crabs" (Riesenkrebse) essen und schon immer einmal lernen wollten, wie diese im Lebendzustand zu verarbeiten sind, meldete ich uns zum "Crab Cookout" an.
Die Dungeness-Krebse leben in der Bay von San Francisco und im Pazifik nahe der Westküste der USA und sind zwischen November bis Juni zu bekommen. Sie sind wirklich riesig, ihr Panzer hat 15-20cm Durchmesser und sie wiegen etwa ein Kilo. Unser Kochkurs fand Ende Januar statt. 14 Personen nahmen teil und Jordan half uns mit seinem Assistanten, alles über die Krebszubereitung zu erfahren. Wir waren begeistert und hatten super Spaß. Erst habe ich gedacht, dass ich mich nicht trauen würde, den lebenden Krebs anzufassen und ins kochendheiße Wasser zu platzieren, aber Jordan zeigte uns, dass man den Krebs nur von hinten packen muss, so dass er einen nicht mit seinen Scheren zwicken kann, und mutig erlag ich dem Gruppenzwang.
Lustigerweise wirkten die Viecher zunächst recht apathisch, aber fingen dann doch das Zappeln an, als wir sie hochnahmen. Schnell im kochenden Wasser versenkt, rührten sie sich zum Glück nicht mehr. Hilfreich war auch, dass wir während des Kochens Wein trinken durften und sich schon bald eine äußerst gelöste Stimmung bei allen Teilnehmern einstellte. Jordan zeigte uns auch, wie der gekochte Krebs dann auszunehmen ist. So entfernten wir zunächst den Panzer und dann die Innereien wie die Lunge. Essen kann man den mit dem Messer geviertelten Körper, aus dem man dann das Fleisch herauspult, sowie die Scheren und die acht Füße, deren harte Schale man erst knackt bevor man an das delikate Fleisch kommt.
Hier ist die Liste der gekochten vier Gänge: Dungeness-Krebsfleisch in Kokonusmilch auf Gurkenscheiben; Bucatini Nudeln mit Krebsfleisch; geröstete Krebse in Orangen- und Knoblauchbutter; Apfel- und Birnenkompott mit Maismehl Croutons. Schön war, dass die gesamte Gruppe zusammen kochte und dann auch später gemeinsam aß. Jordan zeigte mir sogar persönlich, wie ein großes Chef-Messer zu handhaben ist. Topp Kurs!!!
Michael Im Dezember flogen wir nach Kanada. Wir wollten diesmal in den französischsprachigen Teil an der Ostküste und landeten zunächst nach fünf Stunden Flug von San Francisco in Toronto. Kanadische Einwanderungsbeamte gehören nach unserer Erfahrung zu den unfreundlichsten Menschen der Welt und unser Schalterfritze herrschte uns denn auch gleich mit "Was wollen Sie in Kanada?" an. Zum Glück kennen wir uns aus.
Als wir allerdings den Taxifahrer, der uns vom Flughafen nach Montreal reinfuhr, auf Französisch fragten, ob er Englisch spräche, entgegnete er lachend "No!" und wir holperten etwas zusammen, dass wir nur ganz wenig Französisch sprächen. Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Die französischen Zahlen konnte ich dann noch gut genug um ihm mitzuteilen, wieviel ich einschließlich Trinkgeld für die Fahrt bezahlen wollte und wir kamen gut an.
Wir waren echt geschockt, dass alles bis auf wenige amerikanische Touristen in Montreal Französisch spricht. In jedem Laden tönt einem erst "Bonjour!" entgegen und wenn man nichts Gegenteiliges verlauten lässt, plappern die Leute Französich in einer Geschwindigkeit, die kein Mensch versteht. Lustigerweise habe ich geschlagene fünf Jahre lang, im Gymnasium von der 7. bis zur 11. Klasse, vier Stunden wöchentlich Französisch gelernt. Gut, ich hatte immer einen Vierer mit Tendenz zum Fünfer, aber da sieht man mal wieder, wie effektarm die deutsche Schulbildung an einem vorüber gehen kann.
Fragt man aber vorsichtig nach, ob der Gegenüber vielleicht Englisch spricht ("Parlez-vous Anglais?"), stellt sich bei jedem Einheimischen unter 30 heraus, dass das fließend der Fall ist. Angeblich fühlen sich die Französisch-Kanadier auf den Schlips getreten, wenn man automatisch annimmt, dass jeder Englisch spricht. Etwas bekloppt, aber bitte.
Auch die Öffnungszeiten der Geschäfte sind eher europäisch als amerikanisch. So vergewisserten wir uns zum Glück am Samstagmorgen, wie lange ein Lebensmittelgeschäft auf hatte, und nahmen zähneknirschend zur Kenntnis, dass es um 17:00 Uhr die Schotten dicht machen würde. Also liefen wir dort um 16:15 ein, nur um festzustellen, dass die Wursttheke wie leergefegt und das Käseregal bereits verschlossen war. Zum Glück waren wir schon am Vortag dagewesen und konnten die Verkäufer zu den abgeriegelten Bereichen hindirigieren, um noch ein Abendessen zusammenzustellen.
Einmal fragten wir in einem Laden nach einem Bäcker in der Nähe. Die Verkäufer steckten die Köpfe zusammen und erwogen minutenlang verschiedene Möglichkeiten in nahegelegenen Shopping Malls, aber sie sagten schließlich, sie könnten uns nicht erklären, wie man genau zu dem Bäckerladen komme, denn das sei zu kompliziert. Das fanden wir schon erstaunlich, denn wenn uns jetzt jemand in Downtown San Francisco fragen würde, wo der nächste Bäcker wäre, hätten wir vielleicht auch Schwierigkeiten, weil Bäcker sich wegen hoher Ladenmieten eher in Außenbezirken ansiedeln, aber erklären könnten wir den Weg schon.
Und wenn man wie wir jahrzehntelang in Amerika gelebt hat, fallen einem im französischen Teil Kanadas kleine Unterschiede auf: So tragen Verkäufer, die Lebensmittel abwiegen, aufschneiden oder verpacken keine Plastikhandschuhe wie in Amerika. Und als wir in einem französischen Bistro mal lang und gut aßen, stellte die Bedienung zum Hauptgang ein riesiges Einmachglas mit Gürkchen auf den Tisch, aus dem wir uns mit einer bereitgestellten Holzzange nahmen, soviel wir wollten. Anschließend nahm der Ober das Glas wieder mit, um es bei den nächsten Gästen auf den Tisch zu stellen. Dabei würde in Amerika die Lebensmittelkontrolle Tango tanzen und der Gast Tumulte auslösen! Wir als gebürtige Europäer stehen da natürlich drüber.
In dem ausgezeichneten französischen Restaurant "Beaver Hall" in der gleichnamigen Straße stellte der Ober, nachdem wir bestellt hatten, einen Laib Brot auf einem Brettchen auf den Tisch und legte ein riesiges Brotmesser mit Wellschliff daneben. Das gäb's in Amerika niemals, da hätte der Restaurantbesitzer Angst, dass sich unvorsichtige Gäste verletzen oder Unfug mit dem Messer treiben, für den er dann millionenschwer haften müsste. Überhaupt isst man im französischen Teil von Kanada ganz hervorragend. Es ist zwar nicht ganz billig und die Restaurantgäste kleiden sich eindeutig vornehmer als in Amerika, was man erst sehen kann, wenn sie sich nach dem Betreten des Lokals aus ihren megadicken Daunenparkas geschält haben, die der Ober geschwind in die Garderobe hängt.
Eine französiche Spezialität sind sogenannte "Macrons". Diese zweilagigen Knusperkekse mit Füllung werden in allen möglichen Geschmacksrichtungen hergestellt und im Dutzend in Schachteln verpackt. Angeblich ist die Herstellung absurd aufwändig, so dass ein Keks in Briefmarkengröße mehr als einen Dollar kostet. Ganz lecker, aber bis rauf nach Kanada würde ich dafür nicht fahren. Im Dutzend packt die Verkäuferin sie in eine Schachtel und wenn sie nicht alle reingehen, muss sie die einzelnen Macrons zusammenpressen, bis es passt.
Nach drei zwar kalten sonnigen Tagen (immer so knapp unter Null Grad Celsius) haute es dann eines Morgens unerwartet 10cm Schnee her. Wir hatten wohlwissend unsere Alaska-Gear aus dem Jahr 2010 mitgenommen und stapften grummelnd über vermatschte Gehwege. Der Autoverkehr lief davon unbeeindruckt weiter.
In Kanada gelten teilweise völlig absurde Vorschriften zum Verkauf von Alkohol. Genau hängen sie aber vom jeweiligen Bundesstaat ab, und im Bundesstaat Quebec, in dem Montreal liegt, dürfen Supermärkte Wein und Bier verkaufen, aber keinen Schnaps. Die staatlichen Läden namens "SAQ" (Société des alcools du Québec) bieten hingegen Wein, Bier und hochprozentigen Alkohol der etwas gehobenen Preiskategorie an. Ihre Öffnungszeiten sind aber nicht gerade kundenfreundlich, und so schließen die Läden sonntags zum Beispiel schon um 17:00 Uhr.
Restaurants haben oft eine Schanklizenz, doch eine Vielzahl lädt mit dem Schild "Apportez votre vin" ("Holen sie ihren Wein") dazu ein, Flaschenwein vom Laden um die Ecke mitzubringen, den der Ober dann entkorkt und in bereitgestellte Gläser einschenkt, gebührenfrei, ohne ein sogenanntes "Corking Fee" zu erheben. Dabei spart der Gast eine Menge Geld, denn ein 10-Dollar-Wein steht in Lokalen mit Lizenz oft mit $50 auf der Karte.
Kalifornien hat ja bekanntlich vor einem Jahr die Gänsestopfleber verboten (Rundbrief 11/2012). In anderen US-Bundesstaaten wie zum Beispiel Nevada wird sie weiterhin serviert und auch im französischen Teil von Kanada ist sie natürlich nicht von der Speisekarte wegzudenken. Wie immer wenn die Regierung etwas verbietet, lechzt man danach, und als wir in Montreal die Dose Foie Gras mit Cidre in Abbildung 18 auf einem Weihnachtsmarkt sahen, kauften wir sie für 25 Dollar. Auf knuspriges Graubrot der Bäckerei "Premier Moisson" geschmiert, die wir dann trotz widriger Umstände doch noch fanden, schmeckte sie ausgezeichnet.
Michael Nach vier Tagen rollten wir unser Gepäck auf eisigen aber teilweise gesalzenen Gehwegen zum etwa einen Kilometer entfernt gelegenen Bahnhof "Gare Central" in Montreal, um ins etwa 250km entfernte Quebec zu fahren. Die Stadt Quebec nennt der Kanadier übrigens "Quebec City", denn sowohl Montreal als auch Quebec City liegen im kanadischen Bundesstaat Quebec. In den vorgebuchten Großraumwagen durfte man keine schweren Koffer mitnehmen, und so gaben wir diese wie am Flughafen vorher bei der Gepäckstelle ab. Allerdings wollte niemand unsere Ausweise sehen oder uns durch irgendwelche Bodyscanner jagen, und der Gepäckmann erlaubte sich sogar einen Scherz, als er sich unsere Pässe schnappte und kurz hinter seinem Rücken versteckte. Schon eine halbe Stunde vor der Abfahrt bestiegen die meisten Fahrgäste den Zug, der zwar nicht sehr schnell fuhr (etwa 100 km/h) aber immerhin eine relativ zügige Internetverbindung per Wifi bot.
In Quebec angekommen, stellten wir fest, dass die Temperatur von "frostig" auf "brutal kalt" gefallen war. Während unseres Aufenthalts lag sie teilweise bei -26 Grad, und wenn einem dann noch der kalte Wind ins Gesicht pustet hat der Spaß ein Loch.
Quebec ist richtig alt (zumindest wenn man aus Amerika kommt) und seine Geschichte reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Eine Steinmauer umrundet die auf einem Berg gelegene Altstadt "Haute-Ville", vor der aus man eine ebenfalls alte aber tiefer gelegene Altstadt namens "Basse-Ville" entweder über eine Art Zahnradaufzug oder die Straße erreicht.
Es stehen alte Kanonen herum und es lohnt sich, allerhand altes Gemäuer zu besichtigen. Während sich die Stadt in den Sommermonaten in eine möglicherweise abartige Touristenhochburg mit Festivals und Shops und Restaurants verwandelt, ist sie im Winter charmant verschlafen. In den Restaurants freuen sich die Besitzer auf die wenigen Gäste und übersetzen einem erfreut die gesamte französische Speisekarte auf Englisch.
Wer gernt fotografiert und gutes Licht zu schätzen weiß, kommt hier voll auf seine Kosten, denn das waagrecht einfallende Sonnenlicht erzeugt eine bombastische Stimmung. Die Luft ist wegen der extremen Kälte glasklar, das einzige Problem ist es, den Auslöser zu treffen, ohne die Fäustlinge abzustreifen! Damit man an der Fußgängerampel ohne großen Aufwand den Druckknopf betätigen kann, wurden diese in Quebec durch Sensoren ersetzt, an die man einfach den Handschuh hinhalten muss, damit er durchschaltet (Abbildung 24).
Insgesamt ist der französisch sprechende Teil Kanadas viel interessanter als die Westküste. Dort sind die Städte eher ein Abklatsch amerikanischer Vorbilder (Vancouver oder Toronto sind San Franciscos für Arme), aber im Osten herrscht wirklich eine erfreulich eigenständige Kultur. Wir haben unsere Französischkenntnisse aufpoliert und eine Menge guter Gerichte verzehrt. In Montreal habe ich zum Beispiel mal ein Filet Mignon gegessen, das ich noch nirgendwo auf der Welt so zart serviert bekam. Der Französisch-Kanadier kocht allerdings viel mit Butter, so dass sich nach einiger Zeit ein leichtes Völlegefühl einstellt. Die Leute sind äußerst freundlich -- man darf nur nicht vergessen, auf französisch zu reden anzufangen, und wenn's nur der erste Satz nach einem Tisch für zwei im Restaurant ist. Danach ist das Eis gebrochen.
Wer noch mehr Urlaubsbilder aus Montreal und Quebec sehen möchte, kann dies auf Flickr tun.
Michael Am Anfang war der Google-Bus. Schon anno 2008 (Rundbrief 05/2008) fuhr der Internetkonzern seine Mitarbeiter zur Arbeit von San Francisco runter ins Silicon Valley. Und schon damals regten sich die Anwohner auf, weil die schweren dunklen Reisebusse in den frühen Morgenstunden durch die kleinen Strässchen in unserem Viertel schaukelten und teilweise 10 Minuten lang mit laufendem Motor in sonst wenig befahrenen Gegenden warteten. Die Internet-Tratschseite allthingsd.com titelte schon im Juli mit "San Francisco May Crack Down on Corporate Shuttle Buses" ("San Francisco könnte bei Firmenshuttles durchgreifen") und spekulierte darüber, ob die Stadt San Francisco den Bussen nicht bald mit neuen Regulierungen zu Leibe rückt.
Mittlerweile bieten alle großen Firmen im Valley diese Shuttles an, denn wer zwischen 7:30 und 9:00 morgens auf den Autobahnen 101 oder 280 im schweren Stoßverkehr fährt, wird über kurz oder lang im Stau wahnsinnig oder sucht sich einen neuen Job direkt in der Stadt. Heute nehmen wir mal durch, welcher Bus zu welcher Firma gehört, denn die meisten sind unmarkiert und nur die Mitarbeiter wissen, wo sie halten und wo sie hinfahren. Auf sfist.com hat sich mal jemand die Mühe gemacht, die Busse auf ihren geheimen Routen zu verfolgen und anschließend zu kartografieren.
Übrigens bieten die Busse auch Staufächer für Koffer und Fahrräder. Viele Hipster-Pendler, die etwas weiter von den Haltestellen weg wohnen, fahren morgens mit dem Fahrrad zum Treffpunkt und verstauen ihr Gefährt im Bauch des Busses, sobald der Fahrer die Seitenluken zum Öffnen freigibt. Im Bus kann man sich übers Wifi in der Firma einklinken und arbeiten als säße man am Schreibtisch.
Jede Firma fährt unterschiedliche Gegenden in der Stadt an. Google hat den besten Service, sage und schreibe 22 unmarkierte Haltestellen über die ganze Stadt verteilt (Abbildung 29), bewältigt von etwa einem halben Dutzend verschiedener Linien, die alle auf unterschiedlichen Routen durch die Stadt und anschließend ohne Zwischenstopp direkt runter nach Mountain View zum Google-Hauptquartier fahren.
Meistens halten die Shuttles an wenig genutzten Haltestellen der Stadtbusse der Verkehrsgemeinschaft MUNI in San Francisco. Das führt dann manchmal zu Verwirrungen, denn wenn zehn Leute in einer Reihe an einer Stadtbushaltestelle stehen, reihen sich manchmal Normalbürger und oder auch Penner mit ein, die dann feststellen müssen, dass die jungen Leute mit Rucksack auf dem Rücken und Smartphone in der Hand (untrügliches Erkennungszeichen eines Computerfritzen) in einen Privatbus einsteigen, auf dem nicht mal steht, wem er gehört oder wo er hinfährt.
Manchmal stehen auch Google-Mitarbeiter verwirrt an der Yahoo-Haltestelle, werden aber dann freundlich darauf hingewiesen, dass ihr Bus eine Straßenecke weiter hält. Mitarbeiter erkennt man an kleinen Details: So tragen Yahoo-Angestellte einen Rucksack der Marke Targus mit einem kleinen "Y!"-Emblem und gerne auch Flickr-T-Shirts. Google-Mitarbeiter tragen ihren Laptop in einem unbeschrifteten Rucksack der Marke "Swiss Army" spazieren. Google-T-Shirts scheinen mittlerweile alle aus der Mode gekommen zu sein, die trägt keiner mehr. Die Busse selbst geben sich ebenfalls geheimnisvoll, nur auf dem lila Yahoo-Bus steht groß und breit "Yahoo" hinten drauf. An anderen findet man nur versteckte Hinweise, und außer den Angestellten können die nur wenige Leute zielsicher interpretieren.
Hier einige Tipps von einem Kenner der Szene: Der Fachmann erkennt das Google-Shuttle an einem einen Doppeldeckerbus mit getönten Scheiben, an dem am unteren Seitenfenster eine LED-Anzeige "GBUS MTV" preisgibt, also dass es sich um den Google-Bus zum Haupt-Campus nach Mountain View an der Freeway-Ausfahrt "Shoreline Boulevard" handelt. Auf dem einstöckigen aber dennoch riesigen Facebook-Reisebus steht seitlich oben "MPK", als verschämter Hinweis darauf, dass er zum Facebook-Campus nach Menlo Park fährt. Auf dem Apple-Shuttle steht "Main Campus Ridgeview", was den Applern verklickert, dass der Bus sowohl zum Hauptcampus in Cupertino als auch zum 500m östlich gelegenen Campus am Ridgeview Court fährt.
Es ist übrigens nicht üblich, an der Haltestelle mit den Kollegen zu reden, außer man kennt sich näher, denn eine Firma mit mehr als 10,000 Mitarbeitern ist irgendwie wie eine Kleinstadt, da quatscht man auch nicht jeden auf der Straße an. Eine der Yahoo-Haltestellen war bis vor kurzem gegenüber einem Sammelpunkt von südamerikanischen Esquineros (Gelegenheitsarbeiter, siehe Rundbrief 05/2009), die im Kapuzenpulli auf dem Gehsteig sitzend auf Pickup-Trucks warten, die sie zur nächsten Baustelle befördern, wo sie unter der Hand ein paar Dollar verdienen. Die müssen sich ihren Teil gedacht haben, als die Schlange gegenüber jede Minute um einen weiteren Rucksackträger wuchs, der schweigend auf seinem Telefon herumtippte.
Neulich blockierten aufgebrachte Randalierer gar einen vollbesetzten Google-Bus und hinderten ihn am Abfahren von der Haltestelle. Die Krawallschachteln beschwerten sich darüber, dass die privaten Firmen öffentliche Haltestellen nutzen, ohne dafür zu bezahlen. Die Stadt plant jetzt, ab Juli pro Haltestellenstopp jedes Busses einen Dollar zu verlangen, was insgesamt 1.5 Millionen pro Jahr ins Stadtsäckel spült. Die Behörde versichert, dass das genau die Kosten des Eintreiberprogramms deckt und keinen Gewinn abwirft. Warum man's dann überhaupt macht, fragt sich anscheinend keiner dieser Gschaftlhuber.
Das lustigste an dem Protest war ein als Google-Mitarbeiter verkleideter Randalierer (richtig: mit Rucksack), der zum Schein aufgebracht auf die Randalierer einschrie. Er war Teil der Show.
Dieses Phänomen des eigentlich völlig unamerikanischen Sozialneids ist nicht neu in San Francisco. Während es im New York der 80er-Jahre völlig normal war, dass die Stretch-Limos der Superreichen (heutzutage fahren nur noch Touristen in Strech-Limos, wie die Zeiten sich ändern) an Bettlern am Straßenrand vorbeipreschten, gab es schon anno 1996, als euer werter Erzähler in San Francisco aufschlug, Randalierer, die in Gegenden wie dem damaligen mexikanischen Arbeiterviertel Mission teure Autos mit Schlüsseln verkratzten. Interessanterweise machten damals wie heute kaum ethnische Minderheiten Rabatz, sondern junge weiße Kapitalverschmäher, die sich als Milchschaumerzeuger in trendigen Kaffeehäusern durchschleppen und vielleicht fünf Jahre länger im Viertel wohnen als die jetzt verhassten Googler. Kasper, allesamt!
Im eher rustikalen Oakland ging es dann auch gleich derber ab. Auf dem Stofffetzen der Randalierer stand dort "Fuck Off Google" und ein geistig Minderbemittelter warf mit einem Stein ein Seitenfenster des Busses ein. Wird es bald zu fernsehreifen Szenen kommen, in denen Computerfritzen durchgedrehte Randalierer vermöbeln, um zur Arbeit zu kommen? Das Thema wird jedenfalls allerorts kontrovers diskutiert, und die Skandalpresse tut ein Übriges.
Angelika Michael gibt immer gern damit an, dass es in San Francisco in der Regel zwischen April und September nicht regnet. Was stimmt. Problematisch ist nur, wenn der Regen dann auch zwischen Oktober und März ausbleibt, besonders wenn dies mehrere Jahre in Folge immer wieder passiert. Wenn euch das als aufmerksamer Rundbriefleser jetzt vielleicht bekannt vorkommt, dann habt ihr ein gutes Gedächtnis, denn 2009 hatten wir schon einmal eine ähnliche Situation (Rundbrief 03/2009).
Damals rief Arnold Schwarzenegger als Gouverneur den Notstand aus, dieses Mal tat es Jerry Brown im Januar. Zunächst geht es um freiwillige Einsparungen. 20% sind das Ziel, und die Bevölkerung nimmt es sich tatsächlich zu Herzen und spart freiwillig Wasser ein. Es ist übrigens erst das dritte Mal seit 1987, dass der Notstand in Kalifornien wegen anhaltender Trockenheit ausgerufen wird, aber dieses Mal merken wir selbst in San Francisco, dass die Lage ernst ist.
Im Januar hatten wir eine derart schlechte Luft, dass wir uns vorkamen wie in Los Angeles. Normalerweise weht immer ein Lüftchen in San Francisco und schon der Nebel macht es oft angenehm feucht, aber im Januar war es tageweise so warm und windstill, dass die Luftqualität gehörig litt und der Smog über der Bucht hing. Die Schigebiete in Tahoe guckten ebenfalls in die Röhre, denn es will einfach nicht schneien und im Dezember brannte es am Big Sur am Highway One. Völlig irre, denn in der Gegend kommt man sich in der Regel eher wie im Regenwald vor.
Bauern in südlicheren Gefilden Kaliforniens trennen sich schon von Teilen ihrer Rinderherden, denn das Gras wird nicht grün durch die Trockenheit und viele können es sich nicht leisten, teures Futter oder Heu zu kaufen. Schätzungen besagen, dass durch die Dürre bedingt, allein 800 bis 1200 Quadratkilometer landwirtschaftliche Flächen im Fresno County brach liegen werden dieses Jahr. Die Landwirtschaft benutzt übrigens 80% des Wassers des kalifornischen Bundesstaates.
Letzte Woche tröpfelte es dann tatsächlich etwas und auch am Wochenende regnete es und jeder freute sich, setzte dann aber gleich besorgt hinzu, dass das längst noch nicht reicht und es dringend mehr regnen müsste. Der fehlende Regen ist wirklich Dauerthema, ob man sich einen Kaffee bei "Martha" um die Ecke holt oder in der Schlange im Supermarkt ansteht.
Michael Ich habe kürzlich die App "Waze" auf meinem Smartphone installiert und bin begeistert. "Waze" (ausgesprochen wie "Ways") ist eine Art Navi mit sozialer Komponente. Sie weiß nicht nur den Weg von A nach B, sondern kriegt auch mit, wo sich Staus bilden und findet neue Routen, wenn sich mit Umwegen Zeit sparen lässt. Dazu sendet die App ständig die Geschwindigkeit des fahrenden Autos an den Waze-Server, aber auch der Fahrer kann mithelfen: Sieht er einen Unfall oder liegt irgendein Trumm auf der Straße, drückt er ein paar Tasten, und andere Wazer auf der gleichen Strecke kriegen die Meldung auf den Schirm. Der meldende Wazer bekommt dafür Bonuspunkte.
Auf der Karte sieht der Fahrer, wie sein Fahrzeug sich durch die Gegend bewegt, und kleine Pacman-ähnliche Symbole zeigen, wo andere Wazer in der Umgebung fahren. Über Facebook weiß die App außerdem, ob Freunde des Fahrers auf der gleichen Strecke unterwegs sind und teilt es diesem mit.
Steht am Straßenrand ein Polizeiauto, um Raser zu blitzen, drückt der aufmerksame Fahrer einen entsprechenden Menüpunkt am Telefon und nachfolgende Wazer kriegen ein Polizistensymbol auf ihre Karte. Schlagartig drosseln sie ihre Geschwindigkeit auf die vorgeschriebenen 65 Meilen pro Stunde. Stimmt eine Meldung nicht oder ist der Polizist schon wieder weg, weil er ein Opfer geschnappt hat, drückt der pflichtbewusste Wazer das "Not There"-Knöpferl und wenn mehrere das Gleiche tun wird Waze die Meldung irgendwann löschen. Man sollte es kaum glauben, aber diese Dauerbeschäftigung bringt Spannung in selbst die langweiligsten Pendlerfahrten zur Arbeitsstätte. Ich höre mittlerweile gar keine Hörbücher mehr wenn ich einmal pro Woche mit dem Auto zur Arbeit fahre, sondern melde einfach jedes gestrandete Fahrzeug am Wegesrand und versuche neugierig jeden gemeldeten Blitzer zu erspähen.
Waze wurde 2013 von Google gekauft und die von den Teilnehmern beigetragenen Verkehrsdaten fließen mittlerweile in Google Maps ein. Hoffentlich lässt das Google die sympatische App leben.
Grüße aus dem Zentrum des Internets:
Angelika & Michael
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