Angelika/Mike Schilli |
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Krebse kochen in Jordan's Kitchen
Montreal, Kanada
Quebec, Kanada
Die Shuttlebusse der Internetfirmen
Wieder Warten auf den Regen
Topp-App: Waze
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Michael Am Anfang war der Google-Bus. Schon anno 2008 (Rundbrief 05/2008) fuhr der Internetkonzern seine Mitarbeiter zur Arbeit von San Francisco runter ins Silicon Valley. Und schon damals regten sich die Anwohner auf, weil die schweren dunklen Reisebusse in den frühen Morgenstunden durch die kleinen Strässchen in unserem Viertel schaukelten und teilweise 10 Minuten lang mit laufendem Motor in sonst wenig befahrenen Gegenden warteten. Die Internet-Tratschseite allthingsd.com titelte schon im Juli mit "San Francisco May Crack Down on Corporate Shuttle Buses" ("San Francisco könnte bei Firmenshuttles durchgreifen") und spekulierte darüber, ob die Stadt San Francisco den Bussen nicht bald mit neuen Regulierungen zu Leibe rückt.
Mittlerweile bieten alle großen Firmen im Valley diese Shuttles an, denn wer zwischen 7:30 und 9:00 morgens auf den Autobahnen 101 oder 280 im schweren Stoßverkehr fährt, wird über kurz oder lang im Stau wahnsinnig oder sucht sich einen neuen Job direkt in der Stadt. Heute nehmen wir mal durch, welcher Bus zu welcher Firma gehört, denn die meisten sind unmarkiert und nur die Mitarbeiter wissen, wo sie halten und wo sie hinfahren. Auf sfist.com hat sich mal jemand die Mühe gemacht, die Busse auf ihren geheimen Routen zu verfolgen und anschließend zu kartografieren.
Übrigens bieten die Busse auch Staufächer für Koffer und Fahrräder. Viele Hipster-Pendler, die etwas weiter von den Haltestellen weg wohnen, fahren morgens mit dem Fahrrad zum Treffpunkt und verstauen ihr Gefährt im Bauch des Busses, sobald der Fahrer die Seitenluken zum Öffnen freigibt. Im Bus kann man sich übers Wifi in der Firma einklinken und arbeiten als säße man am Schreibtisch.
Jede Firma fährt unterschiedliche Gegenden in der Stadt an. Google hat den besten Service, sage und schreibe 22 unmarkierte Haltestellen über die ganze Stadt verteilt (Abbildung 5), bewältigt von etwa einem halben Dutzend verschiedener Linien, die alle auf unterschiedlichen Routen durch die Stadt und anschließend ohne Zwischenstopp direkt runter nach Mountain View zum Google-Hauptquartier fahren.
Meistens halten die Shuttles an wenig genutzten Haltestellen der Stadtbusse der Verkehrsgemeinschaft MUNI in San Francisco. Das führt dann manchmal zu Verwirrungen, denn wenn zehn Leute in einer Reihe an einer Stadtbushaltestelle stehen, reihen sich manchmal Normalbürger und oder auch Penner mit ein, die dann feststellen müssen, dass die jungen Leute mit Rucksack auf dem Rücken und Smartphone in der Hand (untrügliches Erkennungszeichen eines Computerfritzen) in einen Privatbus einsteigen, auf dem nicht mal steht, wem er gehört oder wo er hinfährt.
Manchmal stehen auch Google-Mitarbeiter verwirrt an der Yahoo-Haltestelle, werden aber dann freundlich darauf hingewiesen, dass ihr Bus eine Straßenecke weiter hält. Mitarbeiter erkennt man an kleinen Details: So tragen Yahoo-Angestellte einen Rucksack der Marke Targus mit einem kleinen "Y!"-Emblem und gerne auch Flickr-T-Shirts. Google-Mitarbeiter tragen ihren Laptop in einem unbeschrifteten Rucksack der Marke "Swiss Army" spazieren. Google-T-Shirts scheinen mittlerweile alle aus der Mode gekommen zu sein, die trägt keiner mehr. Die Busse selbst geben sich ebenfalls geheimnisvoll, nur auf dem lila Yahoo-Bus steht groß und breit "Yahoo" hinten drauf. An anderen findet man nur versteckte Hinweise, und außer den Angestellten können die nur wenige Leute zielsicher interpretieren.
Hier einige Tipps von einem Kenner der Szene: Der Fachmann erkennt das Google-Shuttle an einem einen Doppeldeckerbus mit getönten Scheiben, an dem am unteren Seitenfenster eine LED-Anzeige "GBUS MTV" preisgibt, also dass es sich um den Google-Bus zum Haupt-Campus nach Mountain View an der Freeway-Ausfahrt "Shoreline Boulevard" handelt. Auf dem einstöckigen aber dennoch riesigen Facebook-Reisebus steht seitlich oben "MPK", als verschämter Hinweis darauf, dass er zum Facebook-Campus nach Menlo Park fährt. Auf dem Apple-Shuttle steht "Main Campus Ridgeview", was den Applern verklickert, dass der Bus sowohl zum Hauptcampus in Cupertino als auch zum 500m östlich gelegenen Campus am Ridgeview Court fährt.
Es ist übrigens nicht üblich, an der Haltestelle mit den Kollegen zu reden, außer man kennt sich näher, denn eine Firma mit mehr als 10,000 Mitarbeitern ist irgendwie wie eine Kleinstadt, da quatscht man auch nicht jeden auf der Straße an. Eine der Yahoo-Haltestellen war bis vor kurzem gegenüber einem Sammelpunkt von südamerikanischen Esquineros (Gelegenheitsarbeiter, siehe Rundbrief 05/2009), die im Kapuzenpulli auf dem Gehsteig sitzend auf Pickup-Trucks warten, die sie zur nächsten Baustelle befördern, wo sie unter der Hand ein paar Dollar verdienen. Die müssen sich ihren Teil gedacht haben, als die Schlange gegenüber jede Minute um einen weiteren Rucksackträger wuchs, der schweigend auf seinem Telefon herumtippte.
Neulich blockierten aufgebrachte Randalierer gar einen vollbesetzten Google-Bus und hinderten ihn am Abfahren von der Haltestelle. Die Krawallschachteln beschwerten sich darüber, dass die privaten Firmen öffentliche Haltestellen nutzen, ohne dafür zu bezahlen. Die Stadt plant jetzt, ab Juli pro Haltestellenstopp jedes Busses einen Dollar zu verlangen, was insgesamt 1.5 Millionen pro Jahr ins Stadtsäckel spült. Die Behörde versichert, dass das genau die Kosten des Eintreiberprogramms deckt und keinen Gewinn abwirft. Warum man's dann überhaupt macht, fragt sich anscheinend keiner dieser Gschaftlhuber.
Das lustigste an dem Protest war ein als Google-Mitarbeiter verkleideter Randalierer (richtig: mit Rucksack), der zum Schein aufgebracht auf die Randalierer einschrie. Er war Teil der Show.
Dieses Phänomen des eigentlich völlig unamerikanischen Sozialneids ist nicht neu in San Francisco. Während es im New York der 80er-Jahre völlig normal war, dass die Stretch-Limos der Superreichen (heutzutage fahren nur noch Touristen in Strech-Limos, wie die Zeiten sich ändern) an Bettlern am Straßenrand vorbeipreschten, gab es schon anno 1996, als euer werter Erzähler in San Francisco aufschlug, Randalierer, die in Gegenden wie dem damaligen mexikanischen Arbeiterviertel Mission teure Autos mit Schlüsseln verkratzten. Interessanterweise machten damals wie heute kaum ethnische Minderheiten Rabatz, sondern junge weiße Kapitalverschmäher, die sich als Milchschaumerzeuger in trendigen Kaffeehäusern durchschleppen und vielleicht fünf Jahre länger im Viertel wohnen als die jetzt verhassten Googler. Kasper, allesamt!
Im eher rustikalen Oakland ging es dann auch gleich derber ab. Auf dem Stofffetzen der Randalierer stand dort "Fuck Off Google" und ein geistig Minderbemittelter warf mit einem Stein ein Seitenfenster des Busses ein. Wird es bald zu fernsehreifen Szenen kommen, in denen Computerfritzen durchgedrehte Randalierer vermöbeln, um zur Arbeit zu kommen? Das Thema wird jedenfalls allerorts kontrovers diskutiert, und die Skandalpresse tut ein Übriges.
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