Angelika/Mike Schilli |
Michael Den Sänger Herbert Grönemeyer, der in Deutschland Sportstadien füllt, kennt in Amerika niemand. Als ich erfuhr, dass er Ende September in einem etwa 500 Leute fassenden Club in San Francisco spielen würde, kaufte ich gleich zwei Tickets für $50 pro Stück. Im "Bimbo's 365" im italienischen Stadteil "North Beach" saßen wir dann mit unseren Freunden Conny und Roland tatsächlich an einem gedeckten Tisch (!) im Club wie einst Humphrey Bogart und Lauren Bacall, und bekamen, etwa 20 Meter von der Bühne entfernt, von einem Ober unsere Getränke serviert. Auf der Eintrittskarte stand "Two Drink Mininum", aber das schafften wir mühelos.
Grönemeyer tourt gerade durch einige Großstädte der USA und singt alte und neue Lieder auf Englisch. Das klingt natürlich absurd, denn die gewichtigen, fast pompösen Texte Grönemeyers passen nicht richtig ins unprätentiöse Amerika. Dann klingt noch ein ziemlich heftiger deutscher Akzent durch und man ist vollends abgelenkt. Anfang der Achziger des letzten Jahrhunderts versuchte sich der deutsche Sänger Udo Lindenberg mal an englischen Versionen seiner Platten, die treiben mir heute noch die Lachtränen in die Augen. So schlimm ist das Grönemeyer-Englisch aber nicht. Der Titelsong "I Walk" gehört allerdings ersatzlos aus dem Programm gestrichen, der ist furchtbar und gehört in die Kategorie "unfreiwillig komisch". "To the Sea" finde ich musikalisch ganz ausgezeichnet, obwohl der englische Text weit hinter dem 2008 erschienenen "Zum Meer" zurückbleibt. Wann lernen deutsche Musiker eigentlich mal, dass man Texte nicht 1:1 übersetzen kann, wenn man sich zwischen zwei völlig verschiedenen Kulturen bewegt? Der Grönibär sollte mal einen begabteren Texter anheuern. Ich bin allerdings schon anderweitig beschäftigt, gebt den Jungspunden mal eine Chance!
Eine weitere Sprachhürde tut sich auf, wenn man mit den Songs im deutschen Original aufgewachsen ist. Manche Textstellen, wie zum Beispiel das kurz geschmetterte "Schatten im Blick" sind einfach nur im Original genial. Erschwerend kommt hinzu, dass die Konzertbesucher in San Francisco natürlich hauptsächlich Exildeutsche waren, die die Gelegenheit nutzten, Grönemeyer hautnah und preiswert zu erleben. Und die forderten ihn dann natürlich unaufhörlich mit Zwischenrufen auf, deutsch zu singen, was er zwischendurch dann auch tat, was jedes Mal wahre Begeisterungsstürme in der Menge vor der Bühne entfachte. Die Leute tanzten, Bühnenscheinwerfer erhellten ein Meer von wogenden Armen, und alles sang aus vollen Kehlen mit, so dass Grönemeyer, sichtlich gerührt, bestimmt fünf Zugaben gab. Ob er auf Englisch den amerikanischen Musikmarkt aufrollen kann, weiß ich nicht, aber einen Versuch ist es schon wert. Uns Exildeutschen in San Francisco wurde jedenfalls ein gelungener Abend zum Schwabenpreis beschert.
Angelika Als ich im mich im zarten Teenageralter befand, war ich absolut fasziniert von dem Werk "Hier fällt ein Haus, dort steht ein Kran und ewig droht der Baggerzahn oder Die Veränderung der Stadt" von Jörg Müller und Heinz Ledergerber. Es handelt sich dabei um Illustrationen, die die erschreckende Veränderung einer Stadt zeigen. Ja, ich hatte die Bilder sogar alle über meinem Bett hängen. Es wird immer der gleiche Abschnitt einer Stadt gezeigt mit den zunächst schleichenden Veränderungen, bis zum Schluss alles hässlich zubetoniert ist. Auf Youtube könnt ihr euch eine kleine Kostprobe von "Die Veränderung der Stadt" anschauen, damit ihr wisst wovon ich spreche.
Wenn ich in letzter Zeit in San Francisco unterwegs bin, fühle ich mich ständig an die Illustrationen erinnert und es schaudert mir. In San Francisco ist ein wahrer Bauboom ausgebrochen und man könnte meinen, dass die Architekten alle an dem Wettbewerb teilgenommen haben "Wie baue ich möglichst langweilige, genau gleich aussehende Betonbunker, die horrende Summen von Geld kosten." Vor allem bestimmte Abschnitte der Market Street befinden sich völlig im Umbruch. Die Market Street zieht sich leicht diagonal laufend vom Embarcadero am Wasser durch die Innenstadt, später durchs Castro-Viertel und endet in der sogenannten Twin-Peaks-Gegend.
Obwohl die Market Street die Hauptverkehrsader der Innenstadt ist, gibt es Ecken, die schon von jeher ziemlich runtergekommen ausschauen. Vor allem der Abschnitt zwischen Civic Center, also dort, wo sich in San Francisco das Rathaus befindet, bis kurz vor der Powell Street, wo das Cable Car fährt, ist etwas gewöhnungsbedürftig. Obdachlose, Pornokinos und etwas zwielichtig anmutende Geschäfte dominierten bis vor kurzem noch. Schon seit wir hier wohnen gibt es Pläne, gerade diesen Bereich zu verschönern und aufzuräumen. Zunächst fing alles ganz vielversprechend an. Teile der Market Street wurden 2009 verkehrsberuhigt und um Fahrradspuren erweitert, aber seit dem wird ein Glasbunker nach dem anderen hochgezogen und der Charme vieler Ecken San Franciscos geht immer mehr verloren.
Es ist auch richtig, dass San Francisco dringend Wohnungen braucht, aber diese abgrundhässlichen Luxusbunker, die an Hoteltürme erinnern, kosten so viel Miete, dass sich die Wohnungen nur eine ganz bestimmte Bevölkerungsgruppe leisten kann, nämlich die Hipsters und Techies, die in den unterschiedlichsten Firmen im Silicon Valley arbeiten. In dieser etwa 40km südlich von San Francisco gelegenen und mit Internetfirmen geplasterten Gegend wollen viele nicht wohnen, da sich dort ein gesichtsloser Ort an den anderen reiht, zwischen Einkaufszentren, eintönigen Wohnkomplexen und Autobahnen.
Viele in San Francisco verfluchen deshalb das sogenannte Google-Bus-Syndrom. Wie Michael schon einmal im Rundbrief berichtet hat, bieten große Firmen im Silicon Valley ihren Mitarbeitern die eine oder andere Annehmlichkeit. So transportieren von den Firmen wie Yahoo, Google, Apple, Genentech beauftragte Reisebusse täglich ihre Mitarbeiter, die in San Francisco wohnen, morgens zum Arbeitsplatz im Silicon Valley und abends wieder zurück (Rundbrief 04/2007). Der Mitarbeiter muss sich also nicht selbst ans Steuer setzen und kann, während er im Bus sitzt, schon am Laptop klimpern und das Arbeiten anfangen. An sich ist das ja eine löbliche und unweltfreundliche Idee, denn in den Bus passen halt viel mehr Leute als in ein einzelnes Auto. Bloß treiben diese Busse in San Francisco die Mieten in die Höhe, besonders in den Vierteln, in denen die Busse halten, denn es gibt nichts Besseres, als aus der Hautür zu fallen, in den Google- oder Yahoobus zu steigen und sich gemütlich zur Arbeit fahren zu lassen.
Allgemein sind die Mieten in San Francisco im Vergleich zum letzten Jahr um circa 20% gestiegen. In einem der von mir oben erwähnten bezugsfertigen Wohnkomplexe an der Market Street/Ecke Dolores Street kostet ein Studio (also ein Einzimmer-Appartment mit eingebauter Küchenzeile) zum Beispiel fast $3.000 Miete monatlich und eine Zweizimmerwohung (in den USA als "1 Bedroom Appartment" definiert) $3.500. Eine Dreizimmerwohung kostet zwischen $3800 und $5.000 und eine Vierzimmerwohnung schlappe $8.000 monatlich. Stadtweit kostet eine Dreizimmerwohnung im Durchschnitt momentan $3.400. Das verändert das Stadtbild sehr, denn immer mehr Leute, die eigentlich standardmäßig zur Mittelklasse gehören, können sich San Francisco einfach nicht mehr leisten und müssen wegziehen. Gerade Familien kehren San Francisco den Rücken. Mittlerweile erhöht sich aber der Druck auf den Bürgermeister und die Stadtabgeordneten, denn keiner will in einer Stadt leben, in der es weder Kinder noch Alte noch Leute mit Berufen gibt, die die Versorgung einer Stadt aufrecht erhalten (wie zum Beispiel Feuerwehrleute, Polizisten, Krankenschwestern, Lehrer, Verkäufer, Müllmänner), Für diese ist San Francisco unerschwinglich geworden.
Die Stadt zwingt Bauherren sogar, 12% der neu errichten Wohnungen als Sozialwohnungen zu erschwinglichen Mieten anzubieten. Dabei kann der Bauherr die Wohnungen selbst bauen oder eine Gebühr an die Stadt zahlen, die das Geld nutzt, um selbst diese Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile hat sich eine Summe von fast 21 Millionen Dollar bei der Stadt angehäuft, aber es reicht halt nicht, das Geld einzusammeln und dann rumliegen zu lassen. Ich könnte mir mit meinem Gehalt mittlerweile kaum eine Wohnung allein in San Francisco leisten, obwohl ich Vollzeit arbeite. Viele meiner Kolleginnen wohnen deshalb entweder nach wie vor zu Hause bei den Eltern oder in Wohngemeinschaften.
Michael Als ich aufwuchs, wählte ich im Fasching immer ein von zwei möglichen Kostümen: Cowboy oder Indianer. Ich habe mal in meinem amerikanischen Freundeskreis nachgefragt, und einige haben bestätigt, dass das früher im ländlichen Amerika auch so war, aber dass es seit etwa den 1960ern nicht mehr geht, sich als Indianer zu verkleiden, da die Vertreibung der amerikanischen Ureinwohner vor 200 Jahren als eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte des Landes gilt.
Auch als "Neger" kann man übrigens nicht gehen, denn mit der Hautfarbe scherzt der Amerikaner nicht. Ein schwarzer Arbeitskollege hat mir einmal lachend erzählt, dass er zur Faschingszeit in Schweden war und seinen Augen nicht traute, als er auf eine Gruppe ausgelassener Skandinavier mit schwarz angemalten Gesichtern und Ghetto-Perücken traf.
Vor kurzem wies die Sprecherin einer lokalen Nachrichtensendung in San Francisco nun auf eine Posterkampagne mit dem Titel "We're a culture, not a costume" hin, die aus aktuellem Anlass, kurz vor dem Kostümfest Halloween, an irgendeiner drittklassigen amerikanischen Uni läuft. Die Plakate zeigen junge Leute, die traurige Gesichter machen und Bilder mit Halloweenkostümen in der Hand halten, die ihren Kulturkreis veräppeln. Das japanische Mädchen hält ein Foto von einer Faschings-Geisha, und der junge Mann aus dem mittleren Osten einen Partygänger mit einem Ölscheichkostüm und Bombenzünderknopf. Finde ich persönlich überzogen, sich über so etwas aufzuregen, aber bitte, wir leben in einem freien Land. Solange ich kein Plakat mit einem lederhosentragenden Almödi hochhalten und ein trauriges Gesicht machen muss natürlich.
Angelika Nach jahrzehntelangem Ringen unterschrieb unser Gouverneur Jerry Brown heimlich still und leise ein Gesetz, das es illegalen Einwanderern erlaubt, kalifornische Führerscheine zu erwerben. Damit ist Kalifornien der zehnte Bundesstaat, der dies möglich macht. In einem Bundesstaat wie Kalifornien, der einen überdurchschnittlich hohen Anteil (ungefähr 3.5 Millionen) an illegalen Immigranten hat, ist das ein durchaus pragmatisches und vernünftiges Vorgehen. Denn viele der illegalen Einwanderer sind bis dato ohne Führerschein und in der Regel ohne Autoversicherung gefahren und es kam häufig vor, dass diese dann fluchtartig einen Unfallort verließen, aus Angst, dass ihr Einwanderungsstatus ans Tageslicht käme. Die Möglichkeit, legal einen Führerschein zu erwerben, sorgt dafür, dass bestimmte Grundstandards wie theoretische und praktische Fahrprüfung und der Erwerb einer Autohaftpflichtversicherung eingehalten werden.
Deshalb waren auch sonst eher konservativ angehauchte Organisationen wie zum Beispiel die California Highway Patrol (so etwas wie die Autobahnpolizei) für das neue Gesetz. Allerdings wird auf dem Führerschein vermerkt, dass er nur als Fahrerlaubnis gilt und nicht, um sich auszuweisen. Durch die Flughafenkontrolle, um inneramerikanisch zu fliegen, kommt man damit nicht. Das entspricht den Bestimmungen des "Department of Homeland Security", die amerikaweit für die einzelnen Bundesstaaten bindend sind. Vertreter von Immigrantengruppen waren dann auch besorgt, dass der illegale Status der Einwanderer aufgrund des Vermerks auf dem Führerschein öffentlich gemacht wird. Das kalifornische Gesetz baut Diskriminierungen dieser Art allerdings explizit vor. Also besteht wohl noch Nachbesserungsbedarf. Die Führerscheine soll es ab 2015 geben.
Michael Der Pazifik bei San Francisco ist so mörderisch kalt, dass jährlich im Schnitt ein paar Leute ertrinken, die aus Unachtsamkeit von sogenannten Sleeper-Waves (überraschend großen Wellen) kurz reingezogen werden oder unüberlegt ihren reingezogenen Haustieren folgen. Bei 10 Grad Celsius erstarren die Muskeln schnell und selbst passable Schwimmer kommen nicht mehr ans Ufer zurück.
Da ich aber auf meine alten Tage noch immer versuche, mich mehr schlecht als recht auf Surfbrettern über Wasser zu halten und nicht nur während des jährlichen Hawaii-Urlaubs üben will, habe ich mir neulich während eines Aufenthalts in der Surferstadt Santa Cruz in einem Surferladen einen richtig dicken Wetsuit gekauft.
Allerdings ist das Anziehen des Taucheranzugs eine Tortur ersten Ranges. Als der Verkäufer mir im Laden einen Anzug raussuchte, mich zur Umkleidekabine bugsierte und dann sagte "Also ich komm dann in 15 Minuten wieder" ahnte ich schon Schlimmes. Moderne Wetsuits haben ja keinen Reißverschluss am Rücken mehr, sondern nur einen erstaunlich dehnbaren Halsausschnitt oben, und man zieht das Ding einfach auseinander, um dann von oben mit den Füßen voraus hineinzusteigen und die untere Hälfte anschließend mit Bärenkräften über die Hüften nach oben zu ziehen, bis nur noch der Kopf rausschaut. Wie gesagt, das kann eine Weile dauern.
Mit den zugehörigen Neopren-Stiefelchen, Fingerhandschuhen, und einem ausgeliehenen Surfboard bewaffnet bin ich damit neulich in Pacifica ins eiskalte Wasser und war erstaunt, wie angenehm warm mich die Montur hielt. Ich war bestimmt eine halbe Stunde im Wasser und fror kein bisschen. Allerdings befand sich am Rückenteil des Wetsuits eine klitzekleine undichte Stelle, durch die hin und wieder ein paar Tropfen Eiswasser eindrangen, was ich daheim dann sofort mit "Wetsuit-Cement" (Abbildung 16), einem schwarzen Superkleber flickte, den man auf die Ränder des Löchleins aufstreicht, 5 Minuten wartet, dann nochmal eine Lage draufmacht, dann 10 Minuten wartet, und dann die Ränder fest zusammenpresst. Scheint geholfen zu haben, hoffentlich macht das keine Schule, der Anzug war schweineteuer!
Angelika Ihr fiebert wahrscheinlich schon den freien Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr entgegen, denn in der Regel hat man in Deutschland während dieser Zeit frei. Wir haben ja schon des öfteren erwähnt, dass sich die USA bezüglich der Regelung von bezahltem Urlaub noch in der Steinzeit befindet, denn es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Urlaub, sodass es dem Arbeitgeber überlassen bleibt, wieviel Urlaub er seinen Mitarbeitern gönnt.
Nun bedeutet das nicht, dass niemand bezahlten Urlaub bekommt. Gerade in großen Firmen lockt man damit durchaus Mitarbeiter an. Auch ist es oft Standard, dass sich nach längerer Firmenzugehörigkeit die bezahlten Urlaubstage erhöhen. Ich arbeite mittlerweile schon 7 Jahre für meine Einrichtung und erhalte jetzt 21 Tage Urlaub, bei Michael sieht es ähnlich aus. Allerdings erhalten bei mir in der Einrichtung nur die Vollzeitmitarbeiter bezahlten Urlaub. Auch darf ich nur bis zu 80 Stunden ansparen und muss dann Urlaub nehmen, sonst werden solange keine Stunden zum Urlaubskonto dazu addiert, bis ich wieder unter 80 Stunden falle. Yahoo ist da großzügiger. Das deutsche Modell allerdings, dass der Arbeitnehmer Urlaub in eine neue Firma mitnimmt, gilt hier als völlig absurd. In der Regel fängt man bei einer neuen Firma wieder von unten an und erhält erst einmal wieder nur 10 Tage bezahlten Urlaub.
Nach einer im Mai 2013 vom "Center for Economic and Policy Research" veröffentlichten Studie hat einer von vier Arbeitnehmern keinen bezahlten Urlaub sowie keine bezahlten Feiertage in den USA. Nur 50% der Arbeitnehmer mit geringen Gehältern erhalten bezahlten Urlaub während 90% in besser bezahlten Jobs bezahlte Urlaubstage haben. Und nur 35% der Halbtagsbeschäftigten erhalten bezahlten Urlaub.
Viele Firmen unterscheiden übrigens nicht zwischen bezahlten Krankheits- und Urlaubstagen, sondern geben ihren Mitarbeitern die sogenannte "Paid Time Off" ("bezahlte Abwesenheit"). Jegliche Abwesenheit von der Arbeit geht dann von dem Paid-Time-Off-Konto ab, egal ob man wegen Krankheit fehlte oder im Urlaub war. Gehört man zu der Sorte Mensch, die öfter krank wird, schrumpfen die möglichen Urlaubstage gehörig zusammen.
Einige Firmen sind nun auf die kluge Idee gekommen, die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter zu berücksichtigen, denn einige hätten lieber gerne mehr Urlaub, während andere nie Urlaub nehmen, was ich zwar nicht nachvollziehen kann, aber bitte, jedem das Seine. Also erlauben Firmen Mitarbeitern, ihre ungenutzten Urlaubstage zurück an die Firma zu verkaufen, um etwas mehr Geld auf der Gehaltsabrechnung vorzufinden und andere Mitarbeiter, die mehr Urlaub wollen und brauchen, können zusätzliche Urlaubstage kaufen. Das Modell ist zugegebenermaßen noch selten (etwa 10% der Firmen, die bezahlten Urlaub für ihre Mitarbeiter haben, bieten es an), aber passt zum Pragmatismus der Amerikaner.
Michael Wenn ich schonmal beim Thema "Kleberprodukte" bin, darf ich den Wunderkleber "Q-Bond" nicht vergessen. Über den bin ich auf Youtube gestolpert, auf der Suche nach Videos, um mir bei Reparaturarbeiten am Auto zu helfen. Das ist ja eine ganz tolle Sache auf Youtube heutzutage, da zeigen und erklären Bastler alles im Detail, vom Austauschen der Zündkerzen oder der Bremsbeläge am Auto bis zum Aufhebeln eines iPhones zum Tauschen der Batterie.
In der Garde der Hobbymechaniker ist Scotty Kilmer ein ganz Großer, der sich aufs Herrichten alter Kärren spezialisiert hat, bei denen es sich nicht mehr lohnt, Ersatzteile zu kaufen. In einem Video zeigt er, wie er ein von einem alten Armaturenbrett abgebrochenes Plastikteil wieder anklebt.
Mit normalen Superklebern wäre das nicht möglich, falls die zu klebende Fläche recht schmal ist und das abgebrochene Teil eine groteske Hebelwirkung auf die Bruchstelle entfaltet. Mit Q-Bond klebt man es nur notdürftig fest (gerne auch mit Duct-Tape (Rundbrief 03/2003)) und streut dann das pfefferartige Q-Bond-Pulver auf die Bruchstelle, bis ein Pulverwall ensteht, auf den man dann einige Tropfen des flüssigen Q-Bond-Superklebers fallen lässt.
Die beiden Komponenten verbinden sich in Sekunden zu einer zwar hässlichen, aber steinharten Masse, die man sogar anschließend zurechtfeilen kann. Es entstehen unangenehme Dämpfe, sodass man dies nur draußen machen sollte, aber das Teufelszeug verbindet Plastikteile oft stabiler, als sie von Haus aus waren. Topprodukt!
Angelika Mit Interesse verfolgten wir, dass CDU und SPD in Deutschland kürzlich in den Koalitionsverhandlungen die doppelte Staatsbürgerschaft thematisierten. Und jetzt steht es ja sogar im Koalitionsvertrag, dass Kinder, die in Deutschland geboren wurden aber ausländische Eltern haben, auf Dauer mehrere Staatsbürgerschaften führen dürfen. Das sogenannte Optionsmodell, das besagte, dass sich diese Kinder bis zum 23. Lebensjahr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen, fällt also weg. Viele Deutsche, die in den USA leben, hatten dabei gehofft, dass es dann auch die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft für Deutsche gibt, die im Ausland leben.
Aber das war veilleicht etwas kurzsichtig gedacht, denn mit uns Hanseln im Ausland kann man natürlich politisch im Inland nicht punkten. Nach jetziger Rechtslage ist es so, dass man nur dann seinen deutschen Pass behält, wenn man vor Annahme der amerikanischen Staatsbürgerschaft einen Beibehaltungsantrag bei den zuständigen deutschen Behörden stellt. Nachzuweisen ist unter anderem, dass der in den USA ansässige Deutsche noch Bindungen nach Deutschland hat. Wir kennen mittlerweile einige Deutsche in San Francisco und Umgebung, die den Beibehaltungsantrag mit Erfolg durchgedrückt haben, aber es liegt weiterhin im Ermessen der deutschen Behörden, ob der Antrag genehmigt wird.
Fairerweise möchte ich hier noch einmal erwähnen, dass auch amerikanische Gesetze eine doppelte Staatsbürgerschaft nicht vorsehen, obwohl das in den Medien immer wieder behauptet wird. Es gibt dafür einfach kein amerikanisches Gesetz, aber es hat sich die Praxis durchgesetzt, dass sich niemand darum schert, wenn man seine ursprüngliche Staatsbürgerschaft beibehält, solange es das Ursprungsland erlaubt. Und wer mir nicht glaubt, kann es hier an hochoffizieller Stelle nachlesen.
Michael Dass Drängeln in Amerika verpöhnt ist und die Leute sich in langen Einerreihen anstellen, auch wenn, wie an einer Straßenbahnhaltestelle, keine Absperrkordel dies direkt gebietet, ist seit Rundbrief 03/2011 bekannt. Auch dass Amerikaner seelenruhig 20 Minuten mit laufendem Motor an der billigen Costcotankstelle warten, wissen Rundbriefleser seit 2011. Mittlerweile glaube ich allerdings echt, dass Amerikaner sich oft gerade deswegen anstellen, weil schon eine lange Schlange von Leuten auf irgendwas wartet. Wo viele warten, so die Logik, muss es etwas geben, das so viel besser ist als anderswo, dass man sich gerne hinten anstellt.
So verkauft zum Beispiel bei uns um die Ecke, am Dolores-Park, eine Eisdiele namens "Bi-Rite Creamery" Bolleneis auf Waffeltüten. Jedes Mal, wenn ich an der Kreuzung vorbeifahre, warten dort bestimmt 50 Leute vor der Tür, nicht selten windet sich die Schlange der Wartenden um die Straßenecke auf die Dolores Street. Das muss man sich mal ausrechnen: Bei der Trantütigkeit, die Amerikaner beim Auswählen, Ordern, und Bezahlen an den Tag legen, dauert die Abfertigung eines Kunden bestimmt eine Minute. Das heißt, dass der Letzte in der Schlange fast eine Stunde warten muss, bis er drankommt! Vielleicht kommt man ja in der Schlange mit hippen Leuten ins Gespräch, was weiß ich?
Faszinierenderweise regt sich der Amerikaner aber nicht auf, wenn es mit der Schlange nicht vorwärts geht. Sonst muss immer alles ganz schnell gehen, kommt der Ober in einem Restaurant nicht gleich angespurtet, ist der Teufel los. Reiht sich der Amerikaner allerdings freiwillig in eine Schlange ein, nimmt er Verzögerungen klaglos und mit einer Wurstigkeit hin, die mich nach 17 Jahren Amerika auf dem Buckel immer noch erstaunt.
Ich kann euch jetzt leider nicht sagen, wie gut das Eis in der "Bi-Rite Creamery" tatsächlich ist, denn ich würde mir eher einen spitzen Bleistift ins Auge rammen als mich dort anzustellen. Aber ich vermute mal: Ganz brauchbar, wie überall in Amerika. Oder nehmt zum Beispiel die Bäckerei "Tartine" auf der Guerrero Street, ebenfalls nur ein paar Straßenblocks von unserer Wohnung entfernt. Eine Schlange von zwanzig Leuten vor der Theke, die sich bis raus auf die Straße zieht, ist dort praktisch Standard. Schön, ich gebe zu, die Backwaren schmecken ausgezeichnet, aber die dänische Andersen-Bäckerei bäckt absolut auf Augenhöhe, hat mehrere Niederlassungen in San Francisco und Umgebung und man kommt sofort dran. Und wer dort schon mal ein Mandelhörnchen verzehrt hat, kann über Tartine nur lachen.
Autoschlangen bilden sich in Amerika auch noch aus anderen Gründen: Teilweise wartet der Amerikaner lieber zehn Minuten im Auto auf einen Parkplatz direkt vor dem Supermarkt, als um die Ecke zu parken und eine Minute zu Fuß zu laufen. Ausgerechnet vor dem Ökosupermarkt "Rainbow Groceries" in San Francisco stehen Samstag nachmittags immer etwa zehn Autos mit eingeschaltetem Blinker auf der 13th-Street, um darauf zu warten, dass der Parkplatzwart der Rainbow-Garage grünes Licht für ein Fahrzeug gibt, weil ein anderer Ökokunde aus der Garage ausfährt. Anscheinend spielt in den klimatisierten Kärren der Wartenden unglaublich gute Musik oder sie lauschen spannenden Hörbüchern, sodass sie nicht auf die Idee kommen, einfach um die Ecke zu parken und ein paar Meter zu laufen. Ist aber vielleicht ganz gut so, denn sonst fände ich ja nichts zum Parken wenn ich bei Rainbow einkaufe!
Ungeduldige Grüße:
Angelika & Michael
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