Angelika/Mike Schilli |
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Michael Dass Drängeln in Amerika verpöhnt ist und die Leute sich in langen Einerreihen anstellen, auch wenn, wie an einer Straßenbahnhaltestelle, keine Absperrkordel dies direkt gebietet, ist seit Rundbrief 03/2011 bekannt. Auch dass Amerikaner seelenruhig 20 Minuten mit laufendem Motor an der billigen Costcotankstelle warten, wissen Rundbriefleser seit 2011. Mittlerweile glaube ich allerdings echt, dass Amerikaner sich oft gerade deswegen anstellen, weil schon eine lange Schlange von Leuten auf irgendwas wartet. Wo viele warten, so die Logik, muss es etwas geben, das so viel besser ist als anderswo, dass man sich gerne hinten anstellt.
So verkauft zum Beispiel bei uns um die Ecke, am Dolores-Park, eine Eisdiele namens "Bi-Rite Creamery" Bolleneis auf Waffeltüten. Jedes Mal, wenn ich an der Kreuzung vorbeifahre, warten dort bestimmt 50 Leute vor der Tür, nicht selten windet sich die Schlange der Wartenden um die Straßenecke auf die Dolores Street. Das muss man sich mal ausrechnen: Bei der Trantütigkeit, die Amerikaner beim Auswählen, Ordern, und Bezahlen an den Tag legen, dauert die Abfertigung eines Kunden bestimmt eine Minute. Das heißt, dass der Letzte in der Schlange fast eine Stunde warten muss, bis er drankommt! Vielleicht kommt man ja in der Schlange mit hippen Leuten ins Gespräch, was weiß ich?
Faszinierenderweise regt sich der Amerikaner aber nicht auf, wenn es mit der Schlange nicht vorwärts geht. Sonst muss immer alles ganz schnell gehen, kommt der Ober in einem Restaurant nicht gleich angespurtet, ist der Teufel los. Reiht sich der Amerikaner allerdings freiwillig in eine Schlange ein, nimmt er Verzögerungen klaglos und mit einer Wurstigkeit hin, die mich nach 17 Jahren Amerika auf dem Buckel immer noch erstaunt.
Ich kann euch jetzt leider nicht sagen, wie gut das Eis in der "Bi-Rite Creamery" tatsächlich ist, denn ich würde mir eher einen spitzen Bleistift ins Auge rammen als mich dort anzustellen. Aber ich vermute mal: Ganz brauchbar, wie überall in Amerika. Oder nehmt zum Beispiel die Bäckerei "Tartine" auf der Guerrero Street, ebenfalls nur ein paar Straßenblocks von unserer Wohnung entfernt. Eine Schlange von zwanzig Leuten vor der Theke, die sich bis raus auf die Straße zieht, ist dort praktisch Standard. Schön, ich gebe zu, die Backwaren schmecken ausgezeichnet, aber die dänische Andersen-Bäckerei bäckt absolut auf Augenhöhe, hat mehrere Niederlassungen in San Francisco und Umgebung und man kommt sofort dran. Und wer dort schon mal ein Mandelhörnchen verzehrt hat, kann über Tartine nur lachen.
Autoschlangen bilden sich in Amerika auch noch aus anderen Gründen: Teilweise wartet der Amerikaner lieber zehn Minuten im Auto auf einen Parkplatz direkt vor dem Supermarkt, als um die Ecke zu parken und eine Minute zu Fuß zu laufen. Ausgerechnet vor dem Ökosupermarkt "Rainbow Groceries" in San Francisco stehen Samstag nachmittags immer etwa zehn Autos mit eingeschaltetem Blinker auf der 13th-Street, um darauf zu warten, dass der Parkplatzwart der Rainbow-Garage grünes Licht für ein Fahrzeug gibt, weil ein anderer Ökokunde aus der Garage ausfährt. Anscheinend spielt in den klimatisierten Kärren der Wartenden unglaublich gute Musik oder sie lauschen spannenden Hörbüchern, sodass sie nicht auf die Idee kommen, einfach um die Ecke zu parken und ein paar Meter zu laufen. Ist aber vielleicht ganz gut so, denn sonst fände ich ja nichts zum Parken wenn ich bei Rainbow einkaufe!
Ungeduldige Grüße:
Angelika & Michael
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