Angelika/Mike Schilli |
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Angelika Als ich im mich im zarten Teenageralter befand, war ich absolut fasziniert von dem Werk "Hier fällt ein Haus, dort steht ein Kran und ewig droht der Baggerzahn oder Die Veränderung der Stadt" von Jörg Müller und Heinz Ledergerber. Es handelt sich dabei um Illustrationen, die die erschreckende Veränderung einer Stadt zeigen. Ja, ich hatte die Bilder sogar alle über meinem Bett hängen. Es wird immer der gleiche Abschnitt einer Stadt gezeigt mit den zunächst schleichenden Veränderungen, bis zum Schluss alles hässlich zubetoniert ist. Auf Youtube könnt ihr euch eine kleine Kostprobe von "Die Veränderung der Stadt" anschauen, damit ihr wisst wovon ich spreche.
Wenn ich in letzter Zeit in San Francisco unterwegs bin, fühle ich mich ständig an die Illustrationen erinnert und es schaudert mir. In San Francisco ist ein wahrer Bauboom ausgebrochen und man könnte meinen, dass die Architekten alle an dem Wettbewerb teilgenommen haben "Wie baue ich möglichst langweilige, genau gleich aussehende Betonbunker, die horrende Summen von Geld kosten." Vor allem bestimmte Abschnitte der Market Street befinden sich völlig im Umbruch. Die Market Street zieht sich leicht diagonal laufend vom Embarcadero am Wasser durch die Innenstadt, später durchs Castro-Viertel und endet in der sogenannten Twin-Peaks-Gegend.
Obwohl die Market Street die Hauptverkehrsader der Innenstadt ist, gibt es Ecken, die schon von jeher ziemlich runtergekommen ausschauen. Vor allem der Abschnitt zwischen Civic Center, also dort, wo sich in San Francisco das Rathaus befindet, bis kurz vor der Powell Street, wo das Cable Car fährt, ist etwas gewöhnungsbedürftig. Obdachlose, Pornokinos und etwas zwielichtig anmutende Geschäfte dominierten bis vor kurzem noch. Schon seit wir hier wohnen gibt es Pläne, gerade diesen Bereich zu verschönern und aufzuräumen. Zunächst fing alles ganz vielversprechend an. Teile der Market Street wurden 2009 verkehrsberuhigt und um Fahrradspuren erweitert, aber seit dem wird ein Glasbunker nach dem anderen hochgezogen und der Charme vieler Ecken San Franciscos geht immer mehr verloren.
Es ist auch richtig, dass San Francisco dringend Wohnungen braucht, aber diese abgrundhässlichen Luxusbunker, die an Hoteltürme erinnern, kosten so viel Miete, dass sich die Wohnungen nur eine ganz bestimmte Bevölkerungsgruppe leisten kann, nämlich die Hipsters und Techies, die in den unterschiedlichsten Firmen im Silicon Valley arbeiten. In dieser etwa 40km südlich von San Francisco gelegenen und mit Internetfirmen geplasterten Gegend wollen viele nicht wohnen, da sich dort ein gesichtsloser Ort an den anderen reiht, zwischen Einkaufszentren, eintönigen Wohnkomplexen und Autobahnen.
Viele in San Francisco verfluchen deshalb das sogenannte Google-Bus-Syndrom. Wie Michael schon einmal im Rundbrief berichtet hat, bieten große Firmen im Silicon Valley ihren Mitarbeitern die eine oder andere Annehmlichkeit. So transportieren von den Firmen wie Yahoo, Google, Apple, Genentech beauftragte Reisebusse täglich ihre Mitarbeiter, die in San Francisco wohnen, morgens zum Arbeitsplatz im Silicon Valley und abends wieder zurück (Rundbrief 04/2007). Der Mitarbeiter muss sich also nicht selbst ans Steuer setzen und kann, während er im Bus sitzt, schon am Laptop klimpern und das Arbeiten anfangen. An sich ist das ja eine löbliche und unweltfreundliche Idee, denn in den Bus passen halt viel mehr Leute als in ein einzelnes Auto. Bloß treiben diese Busse in San Francisco die Mieten in die Höhe, besonders in den Vierteln, in denen die Busse halten, denn es gibt nichts Besseres, als aus der Hautür zu fallen, in den Google- oder Yahoobus zu steigen und sich gemütlich zur Arbeit fahren zu lassen.
Allgemein sind die Mieten in San Francisco im Vergleich zum letzten Jahr um circa 20% gestiegen. In einem der von mir oben erwähnten bezugsfertigen Wohnkomplexe an der Market Street/Ecke Dolores Street kostet ein Studio (also ein Einzimmer-Appartment mit eingebauter Küchenzeile) zum Beispiel fast $3.000 Miete monatlich und eine Zweizimmerwohung (in den USA als "1 Bedroom Appartment" definiert) $3.500. Eine Dreizimmerwohung kostet zwischen $3800 und $5.000 und eine Vierzimmerwohnung schlappe $8.000 monatlich. Stadtweit kostet eine Dreizimmerwohnung im Durchschnitt momentan $3.400. Das verändert das Stadtbild sehr, denn immer mehr Leute, die eigentlich standardmäßig zur Mittelklasse gehören, können sich San Francisco einfach nicht mehr leisten und müssen wegziehen. Gerade Familien kehren San Francisco den Rücken. Mittlerweile erhöht sich aber der Druck auf den Bürgermeister und die Stadtabgeordneten, denn keiner will in einer Stadt leben, in der es weder Kinder noch Alte noch Leute mit Berufen gibt, die die Versorgung einer Stadt aufrecht erhalten (wie zum Beispiel Feuerwehrleute, Polizisten, Krankenschwestern, Lehrer, Verkäufer, Müllmänner), Für diese ist San Francisco unerschwinglich geworden.
Die Stadt zwingt Bauherren sogar, 12% der neu errichten Wohnungen als Sozialwohnungen zu erschwinglichen Mieten anzubieten. Dabei kann der Bauherr die Wohnungen selbst bauen oder eine Gebühr an die Stadt zahlen, die das Geld nutzt, um selbst diese Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile hat sich eine Summe von fast 21 Millionen Dollar bei der Stadt angehäuft, aber es reicht halt nicht, das Geld einzusammeln und dann rumliegen zu lassen. Ich könnte mir mit meinem Gehalt mittlerweile kaum eine Wohnung allein in San Francisco leisten, obwohl ich Vollzeit arbeite. Viele meiner Kolleginnen wohnen deshalb entweder nach wie vor zu Hause bei den Eltern oder in Wohngemeinschaften.
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