Angelika/Mike Schilli |
Angelika Der Dolores Park befindet sich gleich bei uns um die Ecke und hat schon immer zu einem der beliebtesten Stadtparks gehört, den vor allen Dingen Leute aus den angrenzenden Stadtteilen Noe Valley, Castro und der Mission frequentieren. An sonnigen Wochenenden wird es von jeher voll im Dolores Park. Aber bisher ging alles recht zivilisiert zu. Kinder spielten auf dem Spielplatz, Freunde trafen sich zum Picknick, durchtrainierte Herren, die der Schwulenszene im Castro angehören, sonnten sich in knappen Badehosen, Mexikaner aus der Mission spielten Fußball auf den grünen Wiesen, Hundebesitzer führten ihre Hunde spazieren und Tennisfans konnten den Schläger schwingen auf den zum Park zugehörigen Tennisplätzen. Und das alles mit einem fantastischen Ausblick auf Downtown San Francisco.
Schon immer wurde ein Auge zugedrückt, wenn Picknicker Alkohol konsumierten oder Hundebesitzer ihre Hunde nicht anleinten, was eigentlich gegen die Parkregeln verstößt. Solange sich alles in geregelten Bahnen hielt, sagte keiner etwas. In letzter Zeit geht es im Park allerdings zu wie im Karneval in Rio. Laute Musik tönt aus mitgebrachten Lautsprechern. Alkoholisierte Menschen pinkeln genussvoll und ohne Scham in die Anlagen oder auch schon einmal in die Hauseingänge der anliegenden Häuser. Marihuana wird in allen möglichen Formen konsumiert, was allerdings zugegebener Maßen nichts Neues ist im Park. Montag stapelt sich der Müll im Park, weil keiner scheinbar in der Lage ist, seinen Müll in Mülltüten zu befördern und neben die Parkmülltonnen zu stellen.
Die Stadtarbeiter, die eigentlich die Grünanlagen pflegen sollen, sind dann auch den ganzen Montag damit beschäftigt, den Müll einzusammeln. Die Anwohner, die in den recht teuren Häusern um den Park herum wohnen, sind zunehmend genervt und üben Druck auf die Stadt aus, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Mittlerweile gibt es Strafzettel für diejenigen, die sich daneben benehmen und gegen die Parkregeln verstoßen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das hilft. Ich denke, die Leute zum Aufräumen des Parkes zu verdonnern wäre eine bessere Lösung. Aber auf mich hört ja keiner. Ein Problem ist, dass der Park mehr Menschenmassen zu verkraften hat, denn in den angrenzenden Gebieten des Parkes werden immer mehr hässliche Betonbunker mit Apartments gebaut und die Bewohner drängen am Wochenende in die Grünanlagen.
Auch ist die Hälfte des Parks gerade geschlossen, da dieser Teil renoviert und modernisiert wird. Und Kalifornien erlebt eine Trockenperiode. Im Winter hat es kaum geregnet und es gab viel mehr Sonnentage, also Parkwetter, als üblich. Einige Alteingesessene meinen natürlich, dass die Parkmisere nur an den neureichen Zugezogenen liegt, die jung sind und im Silicon Valley dicke Gehälter kassieren, aber meinen, dass ihnen die Welt gehört und sie sich an keine Regeln zu halten haben. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das so stimmt. Der Park hat schon so manchen Sturm im übertragenen Sinne überstanden und eine interessante Geschichte hinter sich. Zunächst war das Land von den Ohlone-Indianern besiedelt, dann kamen die spanischen Missionare und Viehzüchter. Von 1861 bis 1894 befand sich ein jüdischer Friedhof auf dem Dolores-Park-Gelände und nach dem großen Erdbeben in 1906 errichtete die Stadt dort Baracken, um die durch das Erdbeben obdachlos Gewordenen unterzubringen. Man kann nur hoffen, dass der Park uns allen noch lange erhalten bleibt und sich die Leute zusammenreißen.
Michael Die Geschichte des Brauwesens in Amerika lässt sich in drei zeitliche Abschnitte einteilen. Bis circa 1985 herrschte die wässrige Periode, in der es landauf landab nichts anderes gab als das Dünnbier der großen Hersteller. Joe Schmoe trank Budweiser oder Coors, während europäische Touristen und ortsansässige Feinschmecker mexikanische oder holländische Exporte wie Corona oder Heineken bestellten. Dann begann Ende der 1980er der Umbruch, und trendige Jungunternehmer machten sich daran, den Biermarkt von unten her aufzurollen mit sogenannten "Microbrews". Mit viel Liebe und fast hobbymäßig betriebene Brauereien stellten kleine Mengen Spezialbier für Kennerkehlen her.
Heutzutage führt jede Dorfwirtschaft ein Microbrew, und in San Francisco könnte man Budweiser wahrscheinlich nur noch in einer Sportsbar bestellen ohne ausgelacht zu werden. Der Kampf ist nunmehr ausgefochten, zog sich aber über Jahrzehnte hin. Da in Amerika der Biervertrieb seit Prohibitionszeiten strengen staatlichen Kontrollen unterliegt, ist es bis heute gar nicht so einfach für kleine Firmen, ihr Gebräu in die Supermarktregale zu bringen. Großhändler, die die Läden beliefern, genießen eine vom Bundesstaat vorgeschriebene Monopolstellung, und bevor so ein Megavertrieb, der hunderte von Millionen Liter Budweiser verscherbelt, eine Microbrewery ins Programm nimmt, die ein paar tausend Liter absetzt, muss schon ein mittleres Wunder geschehen. Die Dokumentation Beer Wars zeigt diesen oft aussichtslosen Kampf David gegen Goliath eindrucksvoll.
Aber der Amerikaner macht ja bekanntlich niemals halt und treibt die Dinge gerne auf die Spitze, auch wenn's vielleicht nicht immer so schlau ist. Ein Reinheitsgebot kennt er natürlich nicht und so experimentiert heutzutage so ziemlich jede Brauerei mit den irrwitzigsten Zutaten herum und panscht teilweise Zeug zusammen, das kein Mensch mehr trinken kann.
Im Urlaub auf Hawaii trinke ich zum Beispiel immer Bier der ortsansässigen "Kona"-Brauerei, die ähnlich wie Gordon Biersch klassische Sorten komponiert. Allerdings war in dem im Costco-Supermarkt in Honululu erworbenen Sparpack "Big Kahuna" letztes mal ein Sixpack der Sorte "Koko Brown" dabei, das so absurd nach Kokosnuss schmeckte, dass ich nicht mehr als einen Schluck runterbrachte, den verbleibenden Flascheninhalt wortlos weggoss, und die restlichen fünf Flaschen im Kühlschrank für den nächsten Mieter des Ferienhauses zurückließ.
Deutsche Winzer machen sich ja bekanntlich gerne über amerikanische Weine lustig, die sie "Coca-Cola-Weine" nennen, weil der Amerikaner pragmatisch zu neumodischen Geschmacksverfeinerungsmethoden greift, die in Deutschland verboten sind. Im Napa Valley baut zum Beispiel jeder Winzer seine schweren Rotweine mit in den Fässern eingelagerten Holzchips verschiedener Geschmacksrichtungen aus. Die neuen Hipster-Biere, die trendige Brauereien heute skrupellos mit Hollunder, Grapefruit, Kürbisgeschmack oder chemischem Firlefanz anreichern, kann man beim besten Willen nicht mehr einfach zum Essen trinken, sondern vielleicht nur noch wie bei einer Weinprobe mit Crackern und Käse degustieren. Außerdem kostet eine Literflasche dieser Micky-Maus-Biere oft 10 Dollar und mehr. Restaurants schielen gierig auf die neuen Biersorten, denn endlich können sie die Halbe für 15 Dollar verkaufen! Aber nicht mit mir, diese Verweinisierung der Bierkultur mache ich aus Protest nicht mit.
Vor 20 Jahren kostete die amerikanische "Pint" (also 0,47 Liter) Bier im Pub noch $3, heutzutage sind eher $6 üblich. Die typischen amerikanischen Pint-Gläser (Abbildung 9) haben keinen Eichstrich und der Schankwart muss sie ganz bis zum oberen Rand füllen, so dass man sie oft kaum noch von der Theke heben kann, ohne einen Tropfen zu verschütten. Da schaumlose Ales mittlerweile vielerorts schäumenden Bieren gewichen sind, ist oft weniger im Glas als man annimmt. Viel schlimmer aber noch zocken Speiselokale die Biertrinker ab: Nachdem sie herausgefunden hatten, dass sich niemand aufregt, wenn das Glas Wein $6, $10 oder gar $20 kostet, schraubten sie auch die Bierpreise über die Jahre langsam in die Höhe. Neulich rieb ich mir verwundert die Augen, als mir der Kellner in meinem Lieblingsrestaurant "Chow" ein Bierglas für $4.50 vorsetzte, das etwa 0,2 Liter fasste. So nicht, Freunde der Sonne!
Angelika Touristen klappern ja gerne die Standardsehenswürdigkeiten einer Stadt ab, das ist in San Francisco nicht anders: Golden Gate Bridge, Cable Car, Golden Gate Park, Alcrataz, Alamo Square mit den hübschen Häuschen und immer wieder Fisherman's Wharf, obwohl mich dort keine 10 Pferde mehr hinbekommen. Vieles ist auch lohnend, aber es gibt immer noch Ecken, die Touristen und auch Einheimische sträflich vernachlässigen, die aber das Herz und die Seele dieser Stadt ausmachen. Der Stadtteil "Dogpatch" mit dem angrenzenden Pier 70, der sich auf der östlichen Seite der Stadt, zwischen der Mariposa Street, der Chesar Chavez Street und dem Wasser der Bay befindet, gehört zum Beispiel dazu.
Das Dogpatch-Gebiet hat eine schillernde Geschichte aufzuweisen. Dort stehen einige der ältesten Häuser von San Francisco, denn das Viertel wurde 1906 weder durch das schwere Erdbeben noch durch die mit dem Erdbeben einhergehenden Brände in Mitleidenschaft gezogen. Lange war das Dogpatch-Viertel ein Arbeiterviertel mit einem hohen Anteil an europäischen Immigranten, die in den umliegenden Fabriken oder in der Schiffswerft am Pier 70 arbeiteten. Die städtische Firma PG&E, die uns mit Strom und Gas versorgt, eröffnete zum Beispiel schon im Jahre 1852 eine Werksanlage im Viertel. Um 1990 herum wirkte sich der Dot-Com-Boom auch auf das Dogpatch-Viertel aus. Arbeiterfamilien wurden verdrängt und der gehobene Mittelstand zog in die wunderschönen alten kleinen Häuschen ein, die auch in anderen Vierteln den Charme von San Francisco ausmachen.
Die Eröffnung der Straßenbahnlinie T tat ein übriges, denn sie verläuft durch das Viertel. Weiter ändert sich die Stadtlandschaft in der angrenzenden Mission Bay, wo das renommierte Unikrankenhaus UCSF riesige Forschungskomplexe aus dem Boden stampfte. Nicht alle Veränderungen sind schlecht, so findet man super Restaurants im Viertel, aber auch Geschäfte, die San Francisco ausmachen und noch nicht in jeder Metropole dieser Welt zu finden sind, wie zum Beispiel das Taschengeschäft "Rigshaw Bagworks" oder "Poco Dolce" für Konfekt und Schokolade.
Auch eine gehobene Metzgerei steht dort, nämlich "Olivier’s Butchery", ein Geschäftsmodell, das fast vom Austerben bedroht ist in den USA, denn die meisten Leute kaufen ihre Fleischprodukte abgepackt im Supermarkt ein. "The Workshop Residence" ist ebenfalls interessant. Künstler erhalten dort die Möglichkeit, mit ortsansässigen Firmen zusammen zu arbeiten und ihre einzigartigen Produkte herzustellen und zu verkaufen.
Und wer noch ein wenig die alte Luft des Dogpatch schnuppern will, mache sich auf in den Dogpatch Saloon, in dem seit 1912 durstige Kehlen benetzt werden. Völlig einzigartig ist übrigens der ans Dogpatch angrenzende Pier 70, eine Ansammlung von alten verlassenen Fabrikgebäuden, ein Traum für jeden Fotografen oder Geschichtsfan. Ich liebe es ja, durch solche verlassenen Gegenden zu streunen und mir vorzustellen, wie das Ganze vor 100 Jahren ausgesehen hat.
Der Pier 70 ist übrigens nicht völlig verlassen, denn die Schiffswerft repariert immer noch Schiffe und das Noonan Gebäude beherbert Künstler. Allerdings stehen die Bagger schon in der Warteschleife, denn das brachliegende Gelände soll ab 2017 saniert werden und neue Apartmentgebäude und Geschäftskomplexe sollen entstehen, angeblich mit dem Auftrag, einige der historischen Gebäude in die neue Landschaft zu integrieren. Guckt euch die Gegend lieber noch schnell an, denn die neusten fertiggestellten Bauprojekte in San Fransisco strotzen vor Langweiligkeit und architektonischer Einfallslosigkeit.
Michael Der Amerikaner kennt das Frühstücksei ja nur gebraten, so direkt löffelt er es nicht aus der Schale wie der Deutsche. Außerdem herrscht in Amerika seit Jahrzehnten eine Geflügelseuche, die die großen Hühner-Hugos schon gar nicht mehr einzudämmen versuchen, weil's anscheinend komplett hoffnungslos ist. Deshalb schielt der Amerikaner skeptisch auf alles Hühnerartige, das nicht komplett totgekocht wurde. Zeigt sich nur ein Fitzelchen Fleisch an einem Brathähnchen, das nicht ganz durchgebraten ist, schalten die Verbraucher sofort auf Defcon 5 und werfen alles weg. Supermärkte in Amerika verkaufen Eier aus dem Kühlregal, während sie in Deutschland auf normalen Regalen liegen (Nachtrag: Unsere Leser haben berichtet, dass Eier in Deutschland mittlerweile ebenfalls nur noch in Kühlregalen gelagert werden dürfen.) Spiegeleier isst der Amerikaner gern "over-easy", mit bereits gestocktem Eigelb. Echte Spiegeleier ("sunny side up") rufen Skepsis hervor und Speisen wie das italienische Dessert Tiramisu, das rohe Eier verlangt, essen nur extrem Mutige.
Entweder haben wir beide eiserne Saumägen, die alles wegstecken, oder sind noch nie in den Einzugsbereich des Virus gelangt, aber wir schrecken vor praktisch nichts zurück und haben uns noch nie eine von unzureichend gekochten Eiern stammende Lebensmittelvergiftung zugezogen. Und wir essen für unser Leben gerne Tiramisu! Was uns aber auffällt, ist die Qualität von Frühstückseiern, falls sie nicht im Pfannenfett schmoren, sondern in der Schale weichgekocht werden. Die Bio-Eier vom Aldi-Supermarkt Trader Joe's schmecken interessanterweise öfter mal als wie wenn jemand die Tür zum Saustall aufgelassen hätte. Wer wie ich als Kind Zeit auf einem Bauernhof verbracht hat, weiß wovon ich rede. Der Geschmack scheint jahreszeitlichen Schwankungen zu unterliegen, manches Mal habe ich schon eine Packung mit ganz gut schmeckenden Exemplaren erwischt.
Allerdings führt unser Edelbiomarkt "Whole Foods" seit neuestem Eier von glücklichen freilaufenden Hennen zu einem exorbitanten Preis, die jedesmal gleich gut schmecken. Mit fünf Dollar pro 6er-Pack sind sie allerdings gut dreimal so teuer wie andere angebliche Bio-Produkte, aber wenn man wie wir vielleicht zweimal pro Woche ein Frühstücksei isst, fällt der Mehrpreis nicht weiter auf. Der Eiersechserpack der Firma "Rainbow" (meines Wissens nicht verbandelt mit dem famosen Supermarkt "Rainbow Groceries") repräsentiert zudem typisches San Francisco Multi Kulti: Die Eier sind alle verschiedenfarbig, manche weisen sogar einen seltsamen Grünton auf. Der Osterhase ist dabei, soviel ich weiß, nicht im Spiel.
Beim eben erwähnten Hippiesupermarkt "Rainbow Groceries" fand ich neulich sogar noch teurere Eier. Für schlappe $9.75 stand das Zwölferpack im Regal und ich dachte mir, hau ich mal voll auf die Sahne: Schmeckten sehr lecker! Außerdem muss man Rainbow Groceries unterstützen, denen macht die explosionsartige Ausbreitung von Whole Foods offensichtlich zu schaffen und ich hätte gerne, dass der Laden auch noch da ist, wenn ich hier eines Tages in Rente gehe. Dort fahren nämlich noch richtige Althippies im 30 Jahre alten Volvo vor, während bei Whole Foods nur Google-Nerds und Yoga-Girls abhängen.
Michael In dem nie endenden Bestreben, den Kunden das Geld möglichst hinterrücks aus der Tasche zu ziehen, verlangen heute praktisch alle Fluggesellschaften (außer Southwest) extra Gebühren für's Gepäck, meist so $20 pro einfache Strecke. Und wehe wenn der Koffer schwerer als 23kg (oder 50 amerikanische Pfund) ist, dann wird's richtig teuer! Und manche Anbieter wie Lufthansa prüfen sogar nach, ob das Handgepäck nicht schwerer als 8kg ist! Daheim kann man Koffer auf der Personenwaage austarieren, am besten mit dem bekannten Trick, sich zuerst mit und danach ohne Koffer auf die Waage zu stellen, und die Differenz zu errechnen.
Aber vor der Heimreise im Hotel hat man meist keine Waage, deswegen führen wir immer die handliche digitale Kofferwaage aus Abbildung 19 mit. Sie verfügt über einen formschönen und handschmeichelnden Griff, mit dem ich mühelos einen schweren Koffer hochheben kann. Und das Beste: Am unteren Ende baumelt ein grauer Gurt mit Schnalle, der sich elegant um einen Koffergriff schlängelt. Wir hatten lange Zeit eine Waage mit einem runden Metalldings, das man nirgendwo richtig einhängen konnte, und jedesmal führte ich einen Satz Kletter-Karabiner auf Reisen mit, aber die wogen selbst ein halbes Pfund! Die Waage firmiert unter verschiedenen Marken, unsere heißt Tarriss, aber ich habe auf amazon.de schon eine unter dem Namen "Söhnle" gesehen. Ich nehme an, es handelt sich in allen Fällen um ein und dasselbe Chinesenprodukt, auf der Anbieter nur ihren Namen aufdrucken. Die Waage ist einwandfrei verarbeitet und stimmt unserer Erfahrung nach aufs Pfund genau. Sie ist federleicht und kostet etwa 15 Dollar.
Wer übrigens meint "Ich fliege Business Class, mir ist das Gepäckgewicht wurscht", dem lache ich ins Gesicht, und werfe ein: Egal ob auf Meilen oder nicht, Business Class ist reine Geldverschwendung! Und wer geschäftliche Flugmeilen privat nutzt, dem gehört eine saftige Strafsteuer aufgebrummt, wo bleibt Obama mit sinnvollen Initiativen, wenn man ihn braucht?
Angelika Netflix (Rundbrief 12/2010) gibt es ja mittlerweile auch in Deutschland und wir sind schon gespannt, ob das Streamen über Netflix genauso einschlägt wie in den USA. Michael behauptet ja nein, aber es bleibt abzuwarten. Hier in den USA ist Netflix mittlerweile so selbstverständlich wie E-Mails oder das Telefonieren mit dem Handy. Fragt man Kollegen, was sie am Wochenende gemacht haben erhält man häufig die Antwort: "Netflix geschaut."
Keiner kann sich mehr so recht daran erinnern, dass Netflix noch gar nicht so alt ist. Schließlich gibt es die kalifornische Firma erst seit 1997 und das Streaming von Videos übers Internet erst seit 2007. Auf jeden Fall hat sich das Fernsehverhalten durch Dienste wie Netflix komplett verändert. Da Netflix häufig alle Folgen einer Staffel zur Verfügung stellt, und in der monatlichen Flatrate von $7.99 alles enthalten ist, kommt es zum sogenannten Marathongucken (in den USA "Binge Watching" genannt).
Ich habe das selber schon erlebt, dass man zaghaft mit einer Folge anfängt und einfach nicht mehr aufhören kann zu schauen, denn man muss eben nicht bis zur nächsten Woche warten, bis die nächste Folge kommt. Gerüchteweise arbeitet Netflix in Deutschland ja daran, alle alten und neueren Tatortfolgen in ihrem Programm anzubieten, ist aber bis dato gescheitert. Dann müsste ich mir allerdings mehrere Jahre Urlaub nehmen, denn als eingefleischter Tatortfan wäre ich nicht mehr vom Fernseher wegzukriegen.
Michael Immer wenn von einem Deutschlandurlaub wieder zurück nach San Francisco komme, fallen mir bestimmte Prinzipien auf, die der Amerikaner kennt und der Deutsche nicht. In der neuen Serie "Amerikanische Prinzipien" gehe ich das Thema jetzt mal an.
"Give me a break" sagt der Amerikaner, wenn sich alles staut, weil er mal wieder mit eingeschaltetem Warnblinker in zweiter Reihe parken muss. Und wer im Stau steckt, denkt sich, das arme Hascherl muss sicher in zweiter Reihe parken, weil es keinen Parkplatz gefunden hat, und um die Ecke parken und 30 Sekunden zu Fuß zu gehen wär ja wirklich eine Zumutung, da lass ich gerne Fünfe grade sein! Wer einen Parkplatz sucht, schleicht mit 20km/h herum wo 50km/h erlaubt sind, die nachfolgenden Fahrer zuckeln in Karawanenformation ohne zu murren hinterher.
Auch ist es in ganz Kalifornien gesetzlich verboten, Hunde mit in Geschäfte mitzunehmen, in denen Lebensmittel verkauft werden, nur Führhunde für Blinde sind gestattet. Aber ich habe im Supermarkt Costco schon oft Leute mit Hunden gesehen. Der Deutsche würde da sagen: "Sie gell, Hunde sind hier nicht erlaubt, das geht so nicht!" aber der Amerikaner sagt: "Ach, das ist ja schnuckliger Hund, wie heißt der denn? Ist das eigentlich ein Bernhardiner oder ein Sennhund?". Nur Restaurants sind streng, die setzen das Hundeverbot immer durch, und nur wer draußen sitzt, darf einen Hund dabeihaben. Der Grund: Die Besitzer würden ihre Lizenz verlieren, falls es publik würde, dass ein Wirt in den Schankräumen Hunde duldet. Leinenpflicht für Hunde am Strand oder in Parks? Amis Fiffi braucht nicht angeleint zu werden, der will bloß spielen! Kommt der Ranger und macht Rabatz, gibt man sich kleinlaut und keiner hat das Schild gelesen.
Muss man als Autofahrer bremsen, weil irgendein Penner gemächlich bei Rot über die Fußgängerampel schlurft, wäre in Deutschland ein langgezogenes belehrendes Hupsignal angesagt. Der kalifornische Autofahrer bremst einfach, und weicht dem Konflikt aus. Sicher ankommen ist ihm wichtiger als Recht behalten. Wer mich kennt, weiß, dass ich darüber anders denke! Diese Wurstigkeit variiert auch je nach Gegend, ganz extrem sind die Hawaiianer, die den Klang ihrer Hupen oft gar nicht kennen. Wer auf Hawaii egal aus welchem Grund hupt, den sehen die Einheimischen nur verachtungsvoll an. Auch die restlichen Amerikaner reagieren extrem abweisend auf belehrendes Hupen, und es kommt nicht selten vor, dass ein Hupsignal den Auftakt zu einer verbalen Auseinandersetzung mit reichlich Handgesten und anschließender Schießerei führt. Ich hupe natürlich trotzdem weiter. Außer natürlich ich bin auf Hawaii im Urlaub.
Angelika Das amerikanische Telefonsystem kommt mir von jeher etwas zusammengestückelt vor. Dass man die Zahl 1 vor der eigentlichen Vorwahl eines Ortes vorwählen muss, hat mich schon immer gewundert. Wie in Deutschland auch, steht die Vorwahl für die Stadt oder den Ort, und Einwohner identifizieren sich mit der Vorwahlnummer ihrer Stadt. In San Francisco sehen wir immer wieder T-Shirt-Designs mit der Zahl 415.
415 ist nämlich die Vorwahl von San Francisco. Aber leider reichten die nachfolgenden 7 Ziffern nicht mehr für alle Teilnehmer der stetig wachsenden Stadt und seit Februar 2015 gilt eine zweite Vorwahlnummer für San Francisco. Jeder, der in San Francisco in Zukunft eine neue Telefonnummer braucht, muss sich an die Vorwahl 628 gewöhnen. Die alten Nummern bleiben natürlich bestehen, sodass unsere Nummer immer noch mit der Vorwahl 415 beginnt. Allerdings müssen wir jetzt an unserem Festnetzanschluss selbst dann, wenn wir eine andere Telefonnummer mit der Vorwahl 415 anwählen, die ominöse 1 mitsamt der Vorwahl hinzufügen. Bisher galt das nur, wenn die Vorwahl anders war und wir konnten die Vorwahl innerhalb der gleichen Stadt, wie in Deutschland auch, weglassen. Ein Durcheinander!
Es gibt übrigens eine lustige Seinfeld-Episode, in der Elaine eine neue Telefonnummer in New York City braucht, eine neue Vorwahl zugeteilt bekommt, und daran völlig verzweifelt, weil niemand mehr erkennt, dass sie tatsächlich noch in Manhattan wohnt.
Michael Bekanntlich kennt der Amerikaner keinen TÜV, was man unter anderem daran sieht, dass auch noch die letzten Schrottmühlen auf dem Freeway herumbrausen. Oft funktioniert nur ein Frontscheinwerfer, oder beide strahlen das Licht in unterschiedliche Richtungen ab, gerne auch blendend nach oben in den Rückspiegel des Vordermanns gerichtet. Zwar schreiben die staatlichen Automobilämter die maximal zugelassenen Dezibelzahlen bei der Lärmentfaltung von Kraftfahrzeugen vor, doch kein staatliches Organ prüft diese je nach. Röhrende Autos und knatternde Motorräder zuhauf sind die Folge.
Die Polizei hat nicht mal Geräuschmessgeräte auf ihren Streifenfahrten dabei und macht normalerweise absolut nichts, wenn ein unterbelichteter Halbstarker sich nach dem Kneipenbesuch nachts um zwei Uhr auf sein Harley-Holzkopfmotorrad schwingt und lautstark durch die Wohnviertel knattert, auf dass gleich reihenweise die Alarmanlagen in den geparkten Autos losgehen. Nicht zuletzt könnte es sich ja um einen Kollegen im Feierabendrausch handeln!
Auch die Fahrer sogenannter Muscle-Cars lassen ihre Motoren gerne röhren, dabei klingen die hubraumstarken Wuchtbrummen amerikanischer Bauart bei höheren Drehzahlen oft so metallisch, dass ich mir jedesmal denke, dass deren Getriebe sich wohl bald zu einem unförmigen Metallkunstwerk verheddern. Bemerkt allerdings eine Polizeistreife, dass jemand beim Anfahren den Motor aufheulen lässt und mit den Reifen quietscht, kann es vorkommen, dass der Polizist den Fahrer rauszieht, ihm ein gesalzenes Ticket wegen "Exhibition of Speed" (wörtlich: "Zurschaustellung von Geschwindigkeit") verpasst oder sogar vom Fleck weg verhaftet.
Die Straßenverkehrsordnung Kaliforniens, der "California Vehicle Code", schreibt nämlich in Paragraph 23103 vor, dass sich derjenige, der andere durch seine Fahrweise gefährdet, egal ob auf dem Highway oder auf einem Parkplatz, sich des Strafbestands des "Reckless Driving" schuldig macht. Weiter schreibt Paragraph 23109 vor, dass man auf Highways keine Wettrennen fahren darf ("Speed Contest"). Falls die Polizei dahinterkommt und der Staatsanwalt den Fall vor dem Verkehrsrichter durchboxt, wandern der Fahrer, andere Teilnehmer oder sogar bloße Rennhelfer teilweise sogar für einige Tage ins Gefängnis des Landkreises! Allerdings scheint sich kaum jemand um die Vorschriften zu scheren, wie das Youtube-Video eines Donut-drehenden Camaro auf der Golden Gate Bridge zeigt. Organisierte Straßenrennen mit aufgemotzten Autos sind gang und gäbe in Kalifornien. Wir fahren übrigens zwei Autos, die die Motorfreunde besonders gern klauen und frisieren, und nicht umsonst stehen beide Modelle auf der Top-10-Liste der meistgestohlenden Autos Amerikas. Wie ihr wisst, wurde unser 24 Jahre alter Perly Perlman schon mal von Halbstarken gestohlen (Rundbrief 03/2012), und seit dem parken wir ihn nicht mehr auf der Straße, sondern nur noch in der Garage!
Grüße aus dem Land der Gesetzlosen:
Angelika & Michael
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