Angelika/Mike Schilli |
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Michael Die Geschichte des Brauwesens in Amerika lässt sich in drei zeitliche Abschnitte einteilen. Bis circa 1985 herrschte die wässrige Periode, in der es landauf landab nichts anderes gab als das Dünnbier der großen Hersteller. Joe Schmoe trank Budweiser oder Coors, während europäische Touristen und ortsansässige Feinschmecker mexikanische oder holländische Exporte wie Corona oder Heineken bestellten. Dann begann Ende der 1980er der Umbruch, und trendige Jungunternehmer machten sich daran, den Biermarkt von unten her aufzurollen mit sogenannten "Microbrews". Mit viel Liebe und fast hobbymäßig betriebene Brauereien stellten kleine Mengen Spezialbier für Kennerkehlen her.
Heutzutage führt jede Dorfwirtschaft ein Microbrew, und in San Francisco könnte man Budweiser wahrscheinlich nur noch in einer Sportsbar bestellen ohne ausgelacht zu werden. Der Kampf ist nunmehr ausgefochten, zog sich aber über Jahrzehnte hin. Da in Amerika der Biervertrieb seit Prohibitionszeiten strengen staatlichen Kontrollen unterliegt, ist es bis heute gar nicht so einfach für kleine Firmen, ihr Gebräu in die Supermarktregale zu bringen. Großhändler, die die Läden beliefern, genießen eine vom Bundesstaat vorgeschriebene Monopolstellung, und bevor so ein Megavertrieb, der hunderte von Millionen Liter Budweiser verscherbelt, eine Microbrewery ins Programm nimmt, die ein paar tausend Liter absetzt, muss schon ein mittleres Wunder geschehen. Die Dokumentation Beer Wars zeigt diesen oft aussichtslosen Kampf David gegen Goliath eindrucksvoll.
Aber der Amerikaner macht ja bekanntlich niemals halt und treibt die Dinge gerne auf die Spitze, auch wenn's vielleicht nicht immer so schlau ist. Ein Reinheitsgebot kennt er natürlich nicht und so experimentiert heutzutage so ziemlich jede Brauerei mit den irrwitzigsten Zutaten herum und panscht teilweise Zeug zusammen, das kein Mensch mehr trinken kann.
Im Urlaub auf Hawaii trinke ich zum Beispiel immer Bier der ortsansässigen "Kona"-Brauerei, die ähnlich wie Gordon Biersch klassische Sorten komponiert. Allerdings war in dem im Costco-Supermarkt in Honululu erworbenen Sparpack "Big Kahuna" letztes mal ein Sixpack der Sorte "Koko Brown" dabei, das so absurd nach Kokosnuss schmeckte, dass ich nicht mehr als einen Schluck runterbrachte, den verbleibenden Flascheninhalt wortlos weggoss, und die restlichen fünf Flaschen im Kühlschrank für den nächsten Mieter des Ferienhauses zurückließ.
Deutsche Winzer machen sich ja bekanntlich gerne über amerikanische Weine lustig, die sie "Coca-Cola-Weine" nennen, weil der Amerikaner pragmatisch zu neumodischen Geschmacksverfeinerungsmethoden greift, die in Deutschland verboten sind. Im Napa Valley baut zum Beispiel jeder Winzer seine schweren Rotweine mit in den Fässern eingelagerten Holzchips verschiedener Geschmacksrichtungen aus. Die neuen Hipster-Biere, die trendige Brauereien heute skrupellos mit Hollunder, Grapefruit, Kürbisgeschmack oder chemischem Firlefanz anreichern, kann man beim besten Willen nicht mehr einfach zum Essen trinken, sondern vielleicht nur noch wie bei einer Weinprobe mit Crackern und Käse degustieren. Außerdem kostet eine Literflasche dieser Micky-Maus-Biere oft 10 Dollar und mehr. Restaurants schielen gierig auf die neuen Biersorten, denn endlich können sie die Halbe für 15 Dollar verkaufen! Aber nicht mit mir, diese Verweinisierung der Bierkultur mache ich aus Protest nicht mit.
Vor 20 Jahren kostete die amerikanische "Pint" (also 0,47 Liter) Bier im Pub noch $3, heutzutage sind eher $6 üblich. Die typischen amerikanischen Pint-Gläser (Abbildung 5) haben keinen Eichstrich und der Schankwart muss sie ganz bis zum oberen Rand füllen, so dass man sie oft kaum noch von der Theke heben kann, ohne einen Tropfen zu verschütten. Da schaumlose Ales mittlerweile vielerorts schäumenden Bieren gewichen sind, ist oft weniger im Glas als man annimmt. Viel schlimmer aber noch zocken Speiselokale die Biertrinker ab: Nachdem sie herausgefunden hatten, dass sich niemand aufregt, wenn das Glas Wein $6, $10 oder gar $20 kostet, schraubten sie auch die Bierpreise über die Jahre langsam in die Höhe. Neulich rieb ich mir verwundert die Augen, als mir der Kellner in meinem Lieblingsrestaurant "Chow" ein Bierglas für $4.50 vorsetzte, das etwa 0,2 Liter fasste. So nicht, Freunde der Sonne!
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