Angelika/Mike Schilli |
Angelika Auch dieses Jahr stand Weihnachten zu schnell vor der Tür und ihr werdet stöhnen: "Was schon wieder ein Rundbrief? Ich habe den anderen noch gar nicht gelesen!" Aber mit der Tradition des Weihnachtsrundbriefs will ich nicht brechen und über die Feiertage ist ja vielleicht ein wenig Zeit zum Lesen zwischen Verwandtenbesuch und Weihnachtsbraten.
Lange habe ich überlegt, welche Themen sich dieses Jahr für den besonderen Rundbrief eignen, denn im Jahr 2014 ist wieder viel passiert. Aber ich wollte schon lange einmal über den Mutterschaftsurlaub in den USA schreiben und dazu eignet sich Weihnachten ja besonders gut, denn es geht ja schließlich nicht nur um Geschenke und Weihnachtsbaum, sondern um die Geburt eines Kindes. Die USA ist die einzige Industrienation der Welt, in der es keinen gesetzlich geregelten bezahlten Mutterschaftsurlaub gibt. Präsident Clinton führte zwar 1993 den sogenannten "Federal Family Leave and Medical Act" (FMLA) für die USA ein. Das Gesetz erlaubt dem Arbeitnehmer aber nur eine unbezahlte Auszeit von 12 Wochen mit Arbeitsplatzgarantie zu nehmen, um sich zum Beispiel um ein neugeborenes oder auch schwer krankes Kind zu kümmern oder auch den kranken Ehepartner zu versorgen, oder sich selbst von einer schweren Krankheit zu erholen.
Allerdings ist dieses Gesetz nur für Firmen und Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern bindend. Es gibt immer wieder mal Vorstöße, bezahlte Elternzeit amerikaweit einzuführen, aber richtig vorwärts gegangen ist da in den letzten Jahren eigentlich nichts. Was Sozialleistungen angeht, lebt man hier manchmal wie im Mittelalter. Wie so oft in den USA waren einige Bundestaaten das Warten auf Washington leid und haben großzügigere Regelungen zur Elternzeit verabschiedet. Zum Beispiel haben viele Bundestaaten die Grenze der 50 Mitarbeiter runtergesetzt oder erlauben längere unbezahlte Auszeiten. In ungefähr einer Handvoll von Bundesstaaten gibt es Bestimmungen, die einen teilweise bezahlten Mutterschaftsurlaub oder eine Elternzeit ermöglichen. Eher ein Armutszeugnis bei 50 Bundestaaten.
Wer schwanger wird und in Kalifornien lebt, kann sich glücklich schätzen, denn der Bundesstaat Kalifornien hat eine der umfangreichsten Absicherungen. Die schwangere Frau kann nämlich Zahlungen aus der kalifornischen kurzfristigen Berufsunfähigkeitsversicherung ("Short Term Disability Insurance") in Anspruch nehmen. Sie erhält zwar nur ungefähr 55% ihres Gehaltes, aber bei einer normalen Schwangerschaft können Frauen in der Regel 4 Wochen vor der Geburt and 6 Wochen nach der Geburt diese Zahlungen erhalten, vorausgesetzt, dass sie in die Versicherung einbezahlt haben, was in Kalifornien Pflicht ist, wenn man angestellt ist. Jeder kalifornische Arbeitnehmer zahlt nämlich einen Prozentsatz von seinem Gehalt in die Versicherung ein. Der Betrag wird, wenn es Gehalt gibt, jedes Mal automatisch abgezogen und betrug 2014 1% des Bruttogehalts.
Die gleiche Versicherung finanziert ebenfalls den sogenannten "Paid Family Leave" (bezahlte Familenauszeit) in Kalifornien, die seit 2004 existiert. Es gibt sechs Wochen lang 55% vom Gehalt (bis zu einem bestimmten Höchtbetrag, der in Kalifornien zur Zeit bei ungefähr $1.000 pro Woche liegt) vom Bundestaat Kalifornien, um nach der Geburt zu Hause beim Baby zu bleiben oder auch um sich um schwerkranke Familenangehörige zu kümmern. Sowohl Vater als auch Mutter (gleichgeschlechtliche Eltern oder Adoptiveltern sind ebenfalls eingeschlossen) stehen die sechs Wochen zu. Beide Eltern können die sechs Wochen gemeinsam oder getrennt nehmen. Die sechs Wochen brauchen die Eltern nicht am Stück zu nehmen. Allerdings gewährt Kalifornien die bezahlten sechs Wochen nur einmal in 12 Monaten, was heißt, dass der Kalifornier, der sich um ein Neugeborenes gekümmert hat in dieser Zeitspanne nicht nochmal freinehmen kann, zum Beispiel um ein anderes Familienmitglied zu pflegen.
Der größte Nachteil dieses Programms ist, dass es keine Jobsicherheitsklausel beinhaltet. Wer allerdings bei großen Firmen wie Yahoo, Google, Facebook undsoweiter arbeitet, kann sicher sein, dass die Firmen gute Konditionen (für amerikanische Verhältnisse) bezüglich Elternzeit aufbieten. Bei Google erhalten Mütter 5 Monate bezahlten Mutterschaftsurlaub, bei Yahoo gibt es für jeden Elternteil 8 Wochen bezahlt, und die Mutter kann, wenn sie das Kind geboren hat, 16 Wochen bei vollem Gehalt daheim bleiben, mit Jobgarantie.
Ich hingegen bekäme bei meinem Arbeitgeber nichts, sondern müsste auf die oben erwähnten Programme von Kalifornien zurückgreifen. Und das ist eben genau das Problem, wenn es keine einheitlichen bundesweiten Gesetze gibt. Gerecht wäre eben, dass jeder, egal in welchem Bundestaat er lebt oder für welche Firma er arbeitet, Elternzeit in Anspruch nehmen kann.
In diesem Sinne wünschen wir euch allen schöne Weihnachten.
Angelika & Michael
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