Angelika Auch in den USA fiebert jedes Schulkind den Sommerferien entgegen. Amerikanische Sommerferien sind länger als deutsche, sie dauern je nach Schuldistrikt zwei bis drei Monate. Für die Kinder in San Francisco war der letzte Schultag vor den Sommerferien der 31. Mai und ab 19. August müssen sie wieder die Schulbank drücken. In der Regel liegen die Sommerferien also in den Monaten Juni, Juli, August. Es hält sich dabei das Gerücht, dass die langen Sommerferien historisch zustande kamen, weil im ländlichen Amerika die Kinder in der Landwirtschaft helfen mussten. Andere behaupten wieder, dass, ganz im Gegenteil, die Metropolen in den Sommermonaten wegen Hitzewellen zu Brutkästen wurden und deshalb aus gesundheitlichen Erwägungen heraus die Schulen im Sommer ihre Tore schlossen. Wie dem auch sei, lange Sommerferien haben sich in den USA durchgesetzt.
Was machen nun aber die Kinder in den langen Sommerferien in einem Land, in dem häufig beide Eltern arbeiten und der Urlaub der Eltern oft nur zwei Wochen pro Jahr beträgt? Zunächst einmal gibt es die sogenannte Sommerschule ("summer school"), in der Stoff nachgeholt wird, um den Notendurchschnitt anzuheben. In der Regel kommt dies aber erst in höheren Klassen vor, zum Beispiel in der High School. Auch viele Universitäten bieten im Sommer Kurse an, die einge Studenten auch nutzen, um ihr Studium zu beschleunigen. Sonderschüler, auch wenn sie normalerwise in Integrationsklassen lernen, erhalten in der Regel vier Wochen zusätzlichen Unterricht und Therapie (Logopädie, Ergotherapie etc.), weil die langen Ferien unter Umständen dazu führen, dass sie erworbene Fähigkeiten verlieren. Das Ganze nennt sich dann erweitertes Schuljahr ("Extended School Year"). Die Kinder, mit denen ich arbeite, erhalten meist vier Wochen Unterricht.
Und dann gibt es noch die Camps ("Summer Camps"). Früher habe ich immer geglaubt, dass jedes amerikanische Kind im Sommer ins Camp abgeschoben wird und als Pfadfinder Feuermachen und Holzschnitzen lernt. Die Vorstellung, dass man dabei in Holzhütten neben einem Haufen Kinder schläft war mir immer ein Graus. Diese Übernachtungscamps gibt es zwar immer noch, aber meine Vorurteile entsprechen natürlich nicht der Wirklichkeit, denn im Angebot sind Surfcamps, Sprachreisen, Abenteuercamps oder Camps, in denen der Schüler lernt, Filme zu machen, und zwar in den Straßen von New York oder Paris. Viele Kinder, gerade jüngere, besuchen aber sogenannte Tagescamps, d.h., sie sind tagsüber im Camp und schlafen aber zu Hause. Auch hier gibt es eine bunte Auswahl von den unterschiedlichsten Camps. Im Sommer bin ich häufiger mit einem meiner autistischen Kinder von der Arbeit im Camp mit dabei, um bei der Integration in die Campgruppe zu helfen. In San Francisco und der Bay Area hat zum Beispiel das Camp Galileo einen guten Ruf, bei dem ich gerade letzte Woche mit einem meiner betreuten Kinder war. Jede Woche nimmt das Camp Galileo einen anderen Themenschwerpunkt durch. Themen sind zum Beispiel Raumfahrt, Safari, Mittelalter und die Kinder machen Spiele, Bastelangebote und kleine naturwissenschaftliche Experimente. Die Eltern können ihre Kinder entweder nur für eine Woche anmelden oder gleich für mehrere. Der Spaß ist allerdings nicht ganz billig. Eine Woche Galileo Camp von 9 bis 15 Uhr kostet $360-380 pro Woche, wird aber pro Woche billiger, wenn das Kind mehrere Wochen mit dabei ist. Man kann schon auch günstigere Camps finden, aber die sind oft von der Qualität her nicht so gut. Die Camp-Mitarbeiter sind in der Regel enthusiastische Studenten, die sich in den Semesterferien Geld dazu verdienen wollen. So einfach stelle ich mir den Job allerdings nicht vor, da man sich ja ständig auf neue Rabauken einzustellen hat.