Michael Die Manie, an Wänden mit künstlichen Griffen hochzuklettern muss wohl aus Deutschland stammen, denn das habe ich in den 90er Jahren schon im Klettergarten in München Thalkirchen gemacht. Der Sport heißt in Amerika "Indoor Climbing" und in San Francisco und Umgebung betreibt die Mini-Kette "Planet Granite" mehrere Fitnessstudios mit Kletterwänden. Man sieht dort nach Feierabend besonders Angestellte der Software-Industrie im Silicon Valley und lustigerweise auch oft deutsch sprechende Immigraten. Mit unseren Freunden Bettina, Miguel, Chris und Tranquilla bin ich dort fast jeden Mittwoch zugange.
In München fiel man damals einfach mit Kletterschuhen, einem Seil und Haken bewaffnet im Klettergarten Thalkirchen ein und schon ging's rauf auf die Wand. In Amerika ist das Ganze wegen Millionenklagen etwas strenger reguliert. Als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal im Planet Granite auftauchte, wollten die Betreiber mir glatt einen kostenpflichtigen Kletterkurs aufschwatzen, um die einfache Seiltechnik zu lernen, die ich schon seit Jahren im Schlaf beherrschte. Zum Glück ließen sie sich dazu überreden, mich in einem kostenlosen Test zu zertifizieren und ich musste Seilknoten knüpfen und Abseiltechniken demonstrieren.
Klettern ist ja nicht schwierig und die notwendigen paar Knoten und Seiltechniken lernt man in ein paar Minuten. Da ich es aber etwas anders machte als die heilige Verordnung des Kletterzentrums es vorschrieb, fiel ich beim ersten Mal durch, bestand aber beim zweiten Versuch. Seit dem hängt an meinem Klettergürtel eine rote Karte, die mich zum Sichern von Kletterern autorisiert. Sie gilt für das sogenannte Top-Rope-Verfahren, bei dem das Kletterzentrum bereits ein Seil in die Wand eingehängt hat, das einen immer straff nach oben zieht, wenn der Sicherer richtig arbeitet, und man nie weiter als einen halben Meter oder so fällt, wenn man ausrutscht. Vorsteigen darf ich mit der einfachen Lizenz nicht (und auch niemanden im Vorstieg sichern), dazu benötigt man eine weitere Zertifizierung und eine dazu passende grüne Karte. Lächerlich, aber bitte. Außerdem hängt an jedem installierten Seil ein Grigri genanntes Bremsgerät, sodass der Sicherer nicht mal einen Halbmastknoten knüpfen muss. Patroullierende Angestellte achten darauf, dass die "Belayer" genannten Sicherer das aus dem Grigri herauskommende Seilende immer straff in der Hand halten, tut man es nicht, weisen sie einen freundlich aber bestimmt darauf hin, dass das nicht "safe" sei.
Interessant ist auch das amerikanische System für Schwierigkeitsgrade beim Klettern. Aus Deutschland kannte ich das "UIAA" genannte System, nach dem ein "Vierer" eine einfache Route mit Griffen ist, an denen man sich wie an einer Leiter hochhangeln kann. Beim "Fünfer" sind die Griffe dann kleiner und beim "Sechser" muss man schon Technik einsetzen, um überhaupt hochzukommen. Wie man aus der Klettergradvergleichstabelle auf Wikipedia entnehmen kann, sind die entsprechenden amerikanischen Bewertungen 5.4 bis 5.6 für den Vierer, 5.7 bis 5.9 für den Fünfer und 5.10a, 5.10b, 5.10c, 5.10d und 5.11a für den Sechser. Die Tabelle geht noch weiter, aber diese Schwierigkeitsgrade schaffen dann nur noch Spinnenmenschen. Ich bewege mich seit Jahren so um die 5.10a bis 5.10c, an einem guten Tag schaffe ich vielleicht auch mal eine 5.10d. Das Kletterzentrum scheint interessanterweise auch als Anbandelbetrieb zu dienen, denn hin und wieder veranstaltet es Singleabende, an dem sich offensichtlich Paare finden können!