Angelika Neulich flatterte uns der jährliche Versicherungsverlauf der deutschen Rentenversicherung ins Haus. Genauer gesagt, das Ganze ging an unsere deutsche Kontaktadresse, denn angeblich schickt die eben erwähnte Behörde solche Sachen nicht ins Ausland. Da ein gewitzter Beamter bei der deutschen Rentenversicherung aber wissen wollte, warum Michael seit zehn Jahren nichts mehr in die deutsche Rentenkasse eingezahlt hat, schickte uns Michaels Mutter die auszufüllenden Formulare nach San Francisco.
Wir schickten sie dann postwendend wieder nach Deutschland, mit dem Hinweis, dass wir in den USA leben und arbeiten und Michael somit Pflichtbeiträge in die amerikanischen Rentenversicherung (hier Social Security genannt) abführt. Prompt kam ein weiterer Brief, der dieses Mal sogar gleich nach San Francisco geschickt wurde. Die deutschen Behörden baten Michael, ihnen zu erlauben, bei der amerikanischen Social Security Administration Auskünfte über Michaels bereits geleisteten Beiträge einzuholen. Der Brief war übrigens erstaunlicherlicherweise sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache abgefasst. Michael schnaubte erst ein wenig ob des Bürokratismus, aber willigte schließlich zum Datenaustausch zwischen beiden Behörden ein.
Warum wollen die Deutschen nun wissen, wieviel Michael bereits in Amerika in die Rentenkasse eingezahlt hat? Das liegt an dem 1979 in Kraft getretenen deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommen. Da die staatliche Rentenversicherung eine der wenigen Pflichtversicherungen in den USA ist, konnte ein Abkommen zustande kommen. Das Abkommen regelt, wie deutsche und amerikanische Beitragszeiten für die Rente zusammen gerechnet werden. Allerdings geht es nicht soweit, dass die in Amerika geleisteten Beiträge die spätere deutsche Rente erhöhen. Aber amerikanische Versicherungszeiten können dazu genutzt werden, um deutsche Wartezeiten aufzufüllen. In Deutschland muss man ja bekanntlich mindestens fünf Jahre Beiträge leisten, um einen Rentenanspruch zu erwirken. Wenn aber zum Beispiel Lieschen Müller, nachdem sie schon vier Jahre in München bei Karstadt geschuftet hat, in Amerika ihr Glück versucht, muss sie ihren Traum auf eine deutsche Rente nicht gleich aufgeben. Der Zeitraum, in dem sie in Amerika in die amerikanische Rentenversicherung einzahlt, wird zu den vier deutschen Jahren hinzugerechnet, und nach einem Jahr hat sie ihre fünf Jahre voll und ist bezugsberechtigt.
Da Michael bereits einen deutschen und einen amerikanischen Rentenanspruch erworben hat, wird er also einmal eine deutsche und eine amerikanische Rente bekommen. Wenn die Bevölkerungsentwicklung so weiter geht vielleicht erst mit 90, und viel ist es auch nicht, aber immerhin. Um eine amerikanische Rente zu erhalten, muss man im Schnitt mindestens 10 Jahre in das System eingezahlt haben.
Auch Michael kommt das Abkommen noch zugute, denn für die anderen Wartezeiten im deutschen System von zum Beispiel 35 Jahren (Altersrente für langjährige Versicherte) zählen unsere amerikanischen Jahre mit. Der Ami mag es allerdings nicht, wenn man eine zusätzliche Rente bezieht, für die man nicht in den allgemeinen Social-Security-Topf eingezahlt hat. Er kürzt deswegen ganz frech mit Hilfe der sogenannten "Windfall Elimination Provision" die amerikanische Rente, wenn man nebenbei auch eine deutsche bezieht. "Windfall" bedeutet in etwa "unerwartete Geldeinnahme", ein etwas schieflastiger Begriff, wenn ihr mich fragt. Übrigens gilt die "Windfall Elimination Provision" auch für jeden Amerikaner und hat nichts damit zu tun, dass wir Ausländer sind. Es gibt zum Beispiel Amerikaner, die für Behörden arbeiten und in deren eigene Pensionskassen einzahlen (die amerikanische Post praktizierte dies jahrelang) oder Amerikaner, die einen deutschen Rentenanspruch erworben haben. Auch in diesen Situationen wird gnadenlos der Rotstift angesetzt.