Angelika/Mike Schilli |
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Angelika Ganz Deutschland scheint im August in San Francisco zu sein, zumindest wenn wir uns auf unsere private Statistik verlassen. Und da wir immer wieder Anfragen bekommen, was in San Francisco sehenswert ist und nicht in jedem Null-Acht-Fünfzehn-Reiseführer steht, stelle ich euch heute einmal die Valencia Street bei uns um die Ecke vor.
Wenn ihr euch in den Outlet-Center und GAP-, Nike- und Levis-Geschäften müde gekauft habt und ein Einkaufserlebnis der anderen Art sucht, macht euch auf in die Valencia Street. In dieser Straße findet ihr dann neben allerlei interessanten Geschäften, die es nicht in jeder Fußgängerzone dieser Welt gibt, auch super Restaurants und Cafes, die einmal nicht Starbucks heißen, gemischt mit dem ganz besonderen San-Francisco-Flair. Nun ist die Valencia Street nicht etwa eine Prachtstraße, die hübsch zur Fußgängerzone für die Heerscharen von Touristen hergerichtet wurde. Ganz im Gegenteil, Autos brausen hin und her, parken in zweiter Reihe oder stellenweise auf dem recht breiten Mittelstreifen und auch Fahrradfahrer zischen auf dem von der Straße abgetrennten Fahrradweg ("bike path") entlang.
Vor 10 Jahren war die offiziell zum Stadtteil "Mission" gehörende Valencia Street als die Grenze bekannt, bis zu der man nachts unbedenklich spazieren konnte, bevor die etwas wüsteren, manchmal auch recht unsicheren Gegenden des Mission-Viertels begannen. Heutzutage ist die Mission allgemein ein hippes Ausgehviertel und am Freitagabend tanzt der Bär. Auf der Valencia Street öffnen zum Beispiel viele Geschäfte am Freitagabend länger ihre Tore, um dem Strom der Ausgehwütigen in diese Gegend zu locken. Auch die Obdachlosen wissen dies und positionieren sich deshalb auf der Valencia Street. Manche Einheimische trauern ein wenig den Zeiten nach, als die Valencia Street noch vorwiegend aus "Thrift Stores" (Läden, die gebrauchte Waren oft für einen guten Zweck verkaufen), Geschäften für Haushaltsgeräte und Autoreparaturwerkstätten bestand. Einige wenige dieser Geschäfte nennen die Valencia Street aber immer noch ihr zu Hause.
Wer zur Valencia Street will, fährt am besten mit der U-Bahn (BART) zur 16th Street/Mission und läuft die 16te Straße hoch bis zur Valencia. Und dann geht es immer entlang auf der Valencia Street in Richtung 24th Street. Ein Geschäft, das ihr auf keinen Fall auslassen solltet, ist das "Paxton Gate" (zwischen 19th Street und 20th Street). Mit seinen Skeletten, nicht lebenden bunten Käfern und Schmetterlingen, Fossilien und ausgestopften Tieren erinnert es mich immer an ein Naturkundemuseum. Mit dem Unterschied, dass ihr das Zeug hier auch kaufen könnt.
Gleich daneben befindet sich der sogenannte Piratenladen (offiziell 826 Valencia). Hier gibt es von Augenklappen, Totenkopfflaggen, Glasaugen alles zu kaufen, was ein guter Pirat heutzutage braucht. Ein riesiger Topf Schweinefett ("Lard"), worauf Piraten angeblich nicht verzichten können, ziert die Mitte des Geschäfts. Dieser Ausflug in die Kindheit, dient dann auch noch einem guten Zweck. Denn alles, was ihr im dem Laden ersteht, kommt der Schreibwerkstatt für Kinder zugute, die sich im hinteren Teil des Ladens befindet. Freiwillige helfen hier Kindern im Alter zwischen 6 und 18 Jahren, ihre Gedanken auf das Papier zu bringen und Freude am Schreiben zu entwickeln. Der bei San Francisco lebende Autor Dave Eggers, der durch seinen teils autobiografischen Roman "A Heartbreaking Work of Staggering Genius" (auf Deutsch erschienen als "Ein herzzerreißendes Werk von umwerfender Genialität") Berühmtheit erlangte, gründete diese gemeinnützige Einrichtung. Mittlerweile gibt es Ableger davon in Los Angeles, Chicago, Seattle, New York, Michigan und Boston.
Apropos Literatur, auf der Valencia Street gibt es eine stattliche Anzahl von unabhängigen Buchläden, die jede Unterstützung brauchen, um sich gegen die Riesen Amazon, Barnes&Noble und Borders zu behaupten. Stöbert also im "Dog Eared Books" oder "Modern Times Bookstore" und kauft etwas. Im letzteren wird sich jeder Alt-68er zu Hause fühlen. Politische Bücher der linkeren Sparte in Hülle und Fülle. Aber auch andere interessante und ungewöhnliche Bücher stehen in den Regalen. Ich entdeckte im "Modern Times Bookstore" neulich einen Erfahrungsbericht von einer Springkraft ("Dave Roche - On Subbing"), die in unterschiedlichen Sonderschulklassen gearbeitet hatte. Und auch das Buch über Amerikaner, die ihrem Land den Rücken zukehrten und im Ausland ihr Glück versuchen, war spannend zu lesen ("Mark Ehrman - Getting Out"). Eine Deutschland-Auswanderin erfreute sich zum Beispiel darüber, dass Freunde, die sie zum Feiern einlud, auch wirklich erschienen und dass das Essengehen mit Freunden in einem Restaurant sich über Stunden hinziehen kann, ohne dass der Kellner gleich mit der Rechnung angedackelt kommt.
Aber zurück auf die Valencia Street, im Laden "X-21 Modern" (Valencia und 20th Street) findet ihr nicht nur verrückte Möbel sondern warten auch ungewöhnliche Filmrequisiten auf euch. Michael möchte am liebsten immer die überlebensgroße Superman-Statue erwerben und bei uns in der Wohnung aufstellen. Schräg gegenüber vom "X-21 Modern" befindet sich der kleine Laden "Little Otsu", der auf den ersten Blick wie ein netter Schreibwarenladen erscheint. Aber wir würden uns nicht in San Francisco befinden, wenn hier nur ordinäre Karten und Notizbücher wie in jedem Hallmark-Kartenladen verkauft würden. Im "Little Otsu" sind die Karten aus Altpapier hergestellt oder aus Papier, für das kein Baum gefällt wurde. Die Farben für den Druck basieren häufig auf Soja. Auch T-Shirts gibt es im "Little Otsu". Ortsansässige Kunstgewerbler durch den Verkauf ihrer Produkte im Laden zu unterstützen, gehört zum guten Ton.
Falls ihr auf Designer-Kleidungsstücke steht, die nicht in China, Honduras, Indien oder dergleichen zusammen genäht wurden, geht zum "House of Hengst" (zwischen 20th und 21st Street). Mit den schlichten aber ungewöhnlichen Stücken werdet ihr in jeder deutschen Fußgängerzone auffallen. Die passende Schuhe zum Outfit findet ihr im "Shoe Biz"(877 Valencia Street), die bekannte Marken wie Adidas, Puma und Reebok führen, aber auch bequeme Freizeitschuhe von der Firma Keen, die 2003 in der Bay Area gegründet wurde und mittlerweile ihren Hauptsitz in Portland (Oregon) hat. Wenn ihr auf japanische Designertaschen von Hideo Wakamatsu steht: Der Laden mit der Hausnummer 563 ist der einzige in den USA, der die wunderbar schlichten aber teuren Stücke verkauft.
Eine San Francisco Institution seit 30 Jahren ist das "Good Vibrations" auf der Valencia (Ecke 17th Street). Wer glaubt, dass sich dahinter ein ganz gewöhnlicher Sexshop, der sich in einer schlechten Gegend in der hintersten Ecke versteckt, liegt falsch. Der Laden ist groß und freundlich und richtet sich vor allen Dingen an Frauen. Es werden auch Workshops, bei denen sich alles um Sexualität dreht, angeboten.
Wenn ihr euch dann hungrig gelaufen habt, hängt gleich noch ein Abendessen in der Valencia Street an. Es gibt eine Vielzahl von Restaurants. Und weil ich heute großzügig bin, verrate ich euch unsere persönlichen Lieblingsrestaurants. An erster Stelle steht das Yoyo (16th Street und Valencia), in dem ihr hervorragendes Sushi zu vernünftigen Preisen bekommt. Lustig ist, dass die Inneneinrichtung eher wie in einem typischen amerikanischen Diner als wie in einem japanischen Restaurant aussieht. Die Gäste können Sake schlürfend in einem "Booth" mit roten Bänken sitzen und ihren rohen Fisch genießen. Die Besitzerin vom Yoyo lacht schon immer, wenn wir kommen, weil wir meist Besuch aus Deutschland im Schlepptau haben. In unmittelbarer Nähe befindet sich das "Limon" (zwischen 16th und 17th Street), das peruanisches Essen aufkocht. Es gibt viel Fisch und absolut leckeres Ceviche. Ceviche ist in etwa ein roher Fischsalat, der mit Kräutern, Zitrone oder Limone, Tomaten und Zwiebeln angemacht wird.
Habt ihr Lust auf thailändisches Essen, geht ihr am besten zum "Osha Thai"(zwischen 19th und 20th Street). Der Laden hat dieses hippe Ambiente. Ihr wisst schon, viel Chrom und Metall und funkige Musik. Die Bedienung ist etwas lahm und abwesend, aber die Suppen sind zum Beispiel super lecker. Außerdem hat das "Osha" durchgehend auf. Spanische Tapas und gute Sangria gibt es etwas abseits von der Valencia auf der 22ten Straße im "Esperpento". Allerdings solltet ihr Knoblauch lieben, wenn ihr dort essen wollt, und am nächsten Tag keinen Termin beim Zahnarzt haben. Im "Last Supper Club" (Valencia und 23rd Street) wartet süditalienische Hausmannskost auf euch. Nach einem Essen dort müssen wir uns schon immer etwas den Hügel hochrollen.
Und wenn euch nur nach einem Eis auf die Hand zumute ist, schaut bei der "Bombay Ice Creamery" (Nähe der 16th Street) vorbei. Der kleine Laden verkauft exotische Eissorten wie Ingwer, Rose, Feige, Kardamom. Eis ist ziemlich teuer in den USA, aber die Kugeln sind riesig, sodass zumeist eine ausreicht, um pappsatt zu werden. Übrigens sollte man tunlichst vermeiden, Kugeln mit "balls" zu übersetzen, es sei denn ihr wollt euch ein Stirnrunzeln und merkwürdige Blicke einfangen. "Balls" beschreibt nämlich in ausdrucksstarker Umgangssprache zwei Körperteile der männlichen Anatomie. Eiskugel heißt "scoop". Der Eisverkäufer wird euch dann auch noch fragen, ob ihr das Eis in der Waffel ("cone") oder im Becher ("cup") wollt. Na dann, fröhliches Schlemmen.
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