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  Rundbrief Nummer 57  
San Francisco, den 8.12.2005


Abbildung [1]: Die Kreditkartenfirma bietet einen günstigen Zinssatz an und liefert die Schecks gleich mit

Angelika Es hält sich beharrlich die Ansicht, dass jeder Amerikaner den noch so geringsten Betrag mit seiner Kreditkarte begleicht und beim Bezahlen mit Bargeld mitleidig die Augen gerollt werden: "Guckt euch diesen armen Schlucker an, der muss die Scheine rüberschieben, weil er keine Kreditkarte bekommt". Ganz so schlimm ist es nicht. Den Kaffee im "Coffeeshop" bezahlt man in bar und keiner findet das merkwürdig. Im Gegenteil: Viele kleinere Geschäfte setzen sogar einen Minimumbetrag (zwischen 5 und 15 Dollar) fest, ab dem der Kunde mit Kreditkarten zahlen kann.

Andererseits stimmt es, dass der amerikanische Alltag ohne Kreditkarte schwer zu bewältigen ist. Versucht einmal ein Auto, Hotel oder einen Flug ohne Kreditkarte zu buchen, das ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Als ich im zarten Alter von 21 Jahren das erste Mal die USA bereiste, besaß ich keine Kreditkarte, denn deutsche Banken dachten damals noch nicht im Traum daran, mittellosen Studenten eine auszuhändigen. Meine Freundin Marianne und ich wollten dann in Las Vegas ohne Kreditkarte ein Auto buchen und mussten uns durch die Gelben Seiten von Las Vegas wählen, bis schließlich "Brooks-Rent-A-Car" zustimmte, uns ein Auto auszuhändigen, wenn wir unsere Rückflugtickets und einige "Traveller Checks" hinterlegten. Oder der Einkauf im Internet: Da Amerika das Lastschriftverfahren im deutschen Sinne nicht kennt, geht ohne Plastikkarte gar nichts.

Hinter Kreditkarten verbirgt sich in Amerika tatsächlich das, was der Name verspricht. Zahlt der Kunde mit der Kreditkarte, wird Kredit gewährt und Zinsen fallen an, nach einer gewissen Zeit, der so genannten "grace period" (in der Regel 20 bis 25 Tage). In Deutschland war es zumindest zu unseren Zeiten noch üblich, die Kreditkarte mit dem Girokonto zu verbandeln, d.h. der angefallene Betrag wird einfach vom Konto eingezogen (klärt uns auf, wenn das mittlerweile anders ist). Solche Karten gibt es in Amerika zwar auch. Die heißen aber "Debit Cards" und gelten nicht als richtige Kreditkarten, sind aber unentbehrlich für Ausländer, die sich gerade erst in den USA niedergelassen haben und noch keine Kreditkarte im traditionellen Sinne bekommen.

Solange der Kredikartenbesitzer seine Kreditkartenrechnung, die einmal im Monat ins Haus flattert, pünktlich und vollständig bezahlt, ist er fein raus, aber wehe es fallen Zinsen und Gebühren an, dann ist das Zahlen mit der Kreditkarte eigentlich das Dümmste, was man machen kann, denn die Kreditkartenfirmen nehmen es von den Lebendigen. Die Höhe der Zinsen und Gebühren und die dabei angewandten Methoden reichen durchaus Kredithaien das Wasser, neulich stand ein interessanter Artikel darüber im "Consumer Reports" (so etwas wie die Stiftung Warentest).

Zunächst gibt es unterschiedliche Zinssätze, je nachdem was der Kreditkartenbesitzer mit seiner Kreditkarte macht. Holt er Bargeld mit seiner Kreditkarte vom Automaten, fällt ein anderer, höherer Zinssatz an, als wenn er sie so zum Bezahlen benutzt. Hinzukommt, dass die "Gnadenfrist" ("grace period") bei der Bargeldabhebung wegfällt, auch wenn man seine Rechnung stets ganz bezahlt, d.h. Zinsen fallen an, wenn der Automat das Geld ausspuckt. Darüber hinaus wird dem Kunden meist noch eine Gebühr von 2-3% für die Benutzung des Geldautomaten aufgebrummt. Die Kreditkartenfirma listet auf der Rechnung auf, welcher Zinssatz für was anfällt. Bei unserer Chase Visa-Karte sind es zum Beispiel 22.74% für das Abheben von Bargeld ("cash advances" genannt) und 18.74% für sonstige Käufe. (Wir bezahlen unsere Kreditkartenrechnungen übrigens jeden Monat ganz).

Hinter dem Prozentsatz verbirgt sich der jährliche Zinssatz ("annual percentage rate" = APR) und dieser schwankt eben von Kunde zu Kunde. Dabei regiert der freie Markt, es gibt nämlich kein Gesetz, das besagt, wie hoch dieser Zinzsatz maximal sein darf. Zahlt man seine Rechnungen zu spät oder geht über seinen Kreditrahmen ("credit limit") hinaus, gibt es nicht nur Strafgebühren, sondern auch der jährliche Zinssatz wird gleich mit nach oben angepasst. Glaubt also nicht den Fernsehfilmen, in denen der Ober freundlich und diskret die Kreditkarte zurückbringt, weil die Karte ausgereizt ist und die Buchung nicht mehr erfolgte. Im realen Leben knöpft die Kreditkartenfirma dem Kunden für dieses Vergehen lieber im Schnitt 30 Dollar ab und erlaubt das weitere Belasten der Karte.

Die Höhe des gewährten Kreditrahmens legt die Kreditkartenfirma individuell für den Kunden fest. Nutzen wir bestimmte Karten viel, erhöht sich wundersamer Weise nach einiger Zeit unser Kreditrahmen. Viele Kreditkartenfirmen erhöhen übrigens sogar dann den jährlichen Prozentsatz, wenn der Kunde eine Rechnung einer anderen Kreditkarte zu spät zahlt oder eine neue Kreditkarte beantragt, mit der Begründung, dass das Verhalten des Kunden auch für sie ein erhöhtes Risiko darstellt. Er könnte ja in Geldschwierigkeiten sein und nur deshalb eine neue Kreditkarte brauchen. Die Informationen über die Zahlungsmoral des einzelnen Kunden erhalten die Firmen, in dem sie den schon viel beschriebenen "Credit Report" (Rundbrief 05/2004) abfragen.

Bei unserer Chase-Karte würde uns das zu späte Zahlen des vorgeschriebenen Minimalbetrages ("minimum payment") bis zu 39 Dollar kosten. Der Minimalbetrag ist der Anteil des gewährten Kredites, den man, komme was da wolle, im Monat abbezahlen muss, in der Regel 2% des offenen Saldos, eine nicht gerade riesige Summe. Viele Finanzberater und Verbraucherverbände beklagen dies bitter, denn zahlt man nur den minimal vorgeschriebenen Betrag und nicht mehr, braucht es unter Umständen Jahre, bis die Weihnachtsgeschenke, die alle mit der Kreditkarte gekauft wurden, abbezahlt sind.

Viele Kreditkartenfirmen versuchen auch Kunden zu gewinnen, in dem sie ihnen günstige Einführungszinssätze (oder sogar Zinsfreiheit) für einige Monate gewähren. Besonders interessiert sind sie daran, dass man Salden von Karten der Konkurrenz auf die neue Karte transferiert. Uns flattern ständig solche Angebote ins Haus: "0% Introductory Rate". Das hört sich für viele zunächst gut an, aber der Zinssatz steigt natürlich nach Ablauf der Einführungsmonate. Und vielfach gilt die günstige Rate nur für den transferierten Betrag und nicht die neuen Einkäufe.

Abbildung [2]: Michaels liebste Kreditkarte: Die mit dem Pinguin

Obwohl jeder denkt, dass es unzählige Firmen gibt, die Kreditkarten anbieten, dominieren die fünf größten, nämlich JPMorgan Chase, American Express, MBNA, Bank of America und die Citigroup -- laut dem Consumer-Reports-Heft im November 2005 -- 65% des Marktes. Die Kreditkarten kommen natürlich trotzdem in zig verschiedenen Aufmachungen daher. Michael liebt besonders die Karten, die irgendwelche Bonusprogramme haben, wie zum Beispiel, dass wir am Ende des Jahres 2% auf bestimmte Einkäufe wieder bekommen oder er E-Bay- Punkte sammeln kann, wenn er die Karte benutzt. Am meisten Aufsehen erregen wir aber immer mit unser Linux-Mastercard (übrigens von MBNA), die den Pinguin von Linux auf der Karte abbildet. Alle kommentieren immer, wie nett der aussieht, wissen aber in der Regel nicht, dass sich hinter Linux Michaels Lieblingsbetriebssystem für den Computer verbirgt.

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Letzte Änderung: 26-Nov-2012