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  Rundbrief Nummer 50  
San Francisco, den 18.05.2004


Abbildung [1]: Die unabhängige Zeitschrift "Consumer Reports" berichtet über "Identity Theft"

05/2004
Michael: In den USA werden die finanziellen Aktivitäten jedes Bürgers genauestens von drei privaten Firmen überwacht: Equifax, Trans Union und Experion. In Rundbrief 05/2001 habe ich das schon einmal kurz angerissen. Eröffnet man ein Bankkonto, beantragt eine Kreditkarte, oder nimmt ein Darlehen für's Haus auf -- zack! geht eine Meldung an die drei. Bewirbt man sich andererseits bei einer Firma um eine Stelle oder zeigt Interesse, eine neue Wohnung anzumieten -- zack! fragen die Firma oder der Vermieter bei den dreien nach, wie es denn so um die finanziellen Verhältnisse steht.

Außerdem erfahren die drei von jedem kleinen Fehltritt: Wenn man nur einmal vergisst, die monatlich erforderliche Zahlung an die Kreditkartenfirma zu überweisen, steht's sofort groß und breit im "Credit Report". Hat man wie der Durchschnittsamerikaner 10 Kreditkarten, zwei geleaste Autos und über die letzten 10 Jahre 3 Häuser finanziert, wird dieser Bericht schnell unübersichtlich.

Da es der Amerikaner gerne unkompliziert mag, generieren Finanzfirmen wie "Fair Isaac" einen sogenannten "Credit Score", eine Zahl zwischen 300 und 850, die die Kreditwürdigkeit einer Person angibt. Je höher die Punktzahl, desto besser: 300 deutet auf einen notorischen Bankrotteur hin, dem würde niemand trauen. Ab 720 umschwirren die Banken den Kunden allerdings wie Motten das Licht, dieser Wert zeichnet sorgfältig operierende Leute aus, deren Transaktionen schon einige Zeit erfasst wurden und nie Unregelmäßigkeiten zeigten.

Will man ein Haus kaufen und beantragt ein Darlehen, geht der Bankmensch zum Computer, holt den Score ein und bietet dem Kunden dann entsprechend einer hausinternen Tabelle, ähnlich wie folgender, den Zinssatz an:

Credit Score Zinssatz
720-850 5.73%
700-719 5.83%
675-699 6.39%
620-674 7.30%
560-619 8.66%
500-559 9.10%

Es zahlt sich also aus, seinen "Credit Report" in Ordnung zu halten und seinen "Score" zu kennen, das könnte in bare Münze umschlagen. Bei frisch in die USA umgezogenen Deutschen ist der Credit Report schlicht leer, und es ist nicht so einfach, eine Kreditkarte zu beantragen oder eine Wohnung anzumieten.

Der "Credit Report" wird unter der Sozialversicherungsnummer ("Social Security Number", SSN) einer Person geführt. Jeder Amerikaner hat so eine. Sie besteht aus 9 Ziffern, im Format XXX-XX-XXXX. Sie begleitet einen durchs ganze Leben, fast jeder kennt sie auswendig. Als Einwanderer kriegt man eine SSN zugewiesen, wenn man sich in den USA mit gültigem Arbeitsvisum bei der Social Security Administration meldet (siehe Rundbrief 01/1997).

Sie sollte geheim gehalten werden, denn sie dient auch zur Identifikation einer Person. Frage ich zum Beispiel mein Konto bei der Bank telefonisch ab, fragt mich die Automatenstimme nach den letzten vier Nummern meiner SSN, bevor sie die Kontodaten vorliest. Schickt man einen Antrag für eine neue Kreditkarte ab, muss die SSN drauf.

Abbildung [2]: Ein Lastwagenfahrer im Schönheitssalon? Da stimmt was nicht! Die citi-Bank wirbt für eine Kreditkarte mit Schutz vor Identity-Theft.

In Punkto Datenschutz kommt einem allerdings das nackte Grausen. Manche Krankenversicherungen übernehmen die SSN als Mitgliedsnummer und drucken sie auf die Karte drauf, so dass jede Arzthelferin sie sehen kann. Jedesmal, wenn ich für irgendeinen amerikanischen Verlag etwas schreibe und dafür Geld kassiere, muss ich meine SSN übermitteln, damit das steuerlich richtig abgerechnet wird. Neulich wollte eine Sekretärin sogar, dass ich ihr die SSN per Email schicke -- worauf ich einen länglichen Vortrag halten musste, dass der Text jeder normalen Email jedem zugänglich ist, der an einen Computer irgendwo zwischen Sender und Empfänger sitzt. Und sogar das Anmeldeformular für das Costco-Einkaufsparadies fragt nach der SSN, man hält's im Kopf nicht aus!

Diese totale Entwertung der SSN hat dazu geführt, dass man sehr genau überlegen muss, wem man seine SSN tatsächlich gibt. Auch wenn danach gefragt wird, muss man manchmal echt "Nein!" sagen. In den letzten Jahren registrierten die Behörden einen drastischer Anstieg von "Identity Theft"-(Identitäts-Klau)-Verbrechen. Weiß man jemandes SSN und kennt auch noch Namen und Adresse, ist es sehr einfach, Konten zu eröffnen, Kreditkarten zu beantragen und allerlei Schindluder zu treiben. Die Betroffenen merken das dann oft jahrelang nicht, bis eines Tages das böse Erwachen kommt, wenn überraschend hohe Rechnungen ins Haus flattern und der Ruf ruiniert ist. Es dauert oft Jahre, bis die Betroffenen den Schaden repariert haben.

Deswegen raten Verbraucherverbände und die unabhängige Zeitschrift "Consumer Reports" (ähnlich der Stiftung Warentest in Deutschland), man solle seinen "Credit Report" mindestens einmal pro Jahr bei den drei Kreditwächterfirmen abfragen. Das kostet $12.95 pro Firma (also insgesamt $38.85) und kann schnell übers Internet bei Firmen wie MyFico erledigt werden. Dort gibt man nicht nur seine SSN und die Nummer seines Führerscheins an, sondern muss auch eine Reihe trickreicher Fragen beantworten, damit sichergestellt ist, dass man auch wirklich derjenige ist, der man vorgibt zu sein.

Dort sieht man dann pro Kreditwächterfirma seinen Credit Score und alle Konten, Kreditkarten und Darlehen, die man je beantragt hat. Außerdem zeigt die Website eventuelle Unregelmässigkeiten an und gibt Tipps, wie man seinen Credit Score erhöhen kann.

Hat man zum Beispiel noch nie einen Kredit aufgenommen, sollte man einfach mal zum Spaß einen kleinen beantragen, ordnungsgemäss zurückzahlen und schon erhöht sich der Score. Frägt man den Credit-Report allerdings zu oft ab, verringert dies den Score, also Vorsicht!

Da die drei Firmen unabhängig voneinander arbeiten, ist es wichtig, alle drei abzufragen, um sicherzustellen, dass sich auch wirklich nirgends ein Fehler eingeschlichen hat, den man dann bei den entsprechenden Firmen reklamieren kann. Tilgen tun die Firmen Fehler übrigens meistens nicht, aber Kommentare dazu kann man anbringen.

Neuerdings werben sogar Kreditkartenfirmen damit, dass sie einen gegen Identitätsklau schützen, indem sie elektronisch überwachen, was man alles kauft und Alarm schlagen, falls das Verhaltensmuster sich abrupt ändert. Zeitungsanzeigen wie die in Abbildung 2 zeigen groteske Situationen: ein Lastwagenfahrer sitzt in Unterhosen und mit Getränkedose in der Hand im Friseursalon unter der Trockenhaube. Der Anzeigentext beginnt mit "Es kam uns auch komisch vor" und erläutert, dass auf der Kreditkarte eines Truckers plötzlich $5000 für einen Schönheitssalon abgebucht wurden und die Kreditkartenfirma einschritt. Im Fernsehen kommen Werbespots, in denen eine Oma im Liegestuhl mit der schrillen Stimme eines Teenagers redet, die erzählt, dass sie gerade einen Haufen Geld für Klamotten ausgegeben hat.

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