Angelika Ich habe nun die schwierige Aufgabe, euch zu erklären, warum Trump wieder zum Präsidenten gewählt wurde. Ich wollte dieses Thema eigentlich unter den Tisch fallen lassen, aber Michael meinte das ginge nicht. Ehrlich gesagt waren wir nicht überrascht, dass Trump der Wahlsieger war. Mir war eigentlich ziemlich schnell klar, dass Kamala Harris nicht die Person war, die Trump schlagen könnte. Allerdings wurde ich immer ziemlich schnell in meine Schranken gewiesen, wenn ich dies aussprach. Nur wenige sind ja heutzutage bereit, sich offen und ehrlich auszutauschen oder überhaupt daran interessiert, sich auch nur leicht abweichende Meinungen von der eigenen anzuhören. Auch sollte man nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass man für Trump ist, wenn man Kamala Harris für eine schwache Kandidatin hielt.
Ich hatte ja schon in unserem letzten Rundbrief erwähnt (Rundbrief 10/2024), dass es darum ging, die unabhängigen Wähler zu erreichen, denn die Basiswähler sowohl der demokratischen als auch der republikanischen Partei hatten ihre Entscheidung bereits getroffen, als Kamala Harris ins Rennen ging. Harris enge Verbindung zu Biden schwächte ihre Position von Anfang an. Themen wie die illegale Einwanderung verbunden mit der desolaten und chaotischen Situation an der mexikanische Grenze, die weiterhin hohen Lebenshaltungskosten und die steigende Kriminalität in den Großstädten standen für viele noch unentschiedene Wähler im Mittelpunkt. Statistiken über sinkende Inflation oder Kriminalität, die viele Demokraten immer wieder zitierten, überzeugten diese Wähler nicht, da ihre Alltagserfahrungen sich nicht mit den Statistiken deckten. Dass die demokratische Partei nun ausgerechnet Harris ins Rennen schickte, die von Biden beauftragt worden war, die Ströme von Migranten an den Grenzen einzudämmen, was nicht gelang, zeugt schon von einer gewissen Betriebsblindheit. Die demokratische Führung schien jedoch darauf zu setzen, dass die Betonung der Gefahren einer zweiten Amtsperiode Trumps allein zum Wahlsieg der Demokraten führen sollte. Diese Strategie war allerdings schon 2016 gescheitert. Es reicht dann doch nicht aus zu sagen, wählt mich, denn ich bin nicht Trump.
Viele unentschlossene Wähler suchten nach klareren Antworten von Kamala Harris und mehr Charisma, ein wirklich nicht zu unterschätzender Faktor im amerikanischen Wahlkampf. Trump nutzte gnadenlos die Ängste der Wähler aus und positionierte sich als Retter der Arbeiterklasse und des kleinen Mannes und gewann viele Stimmen von Wählergruppen hinzu, die einst eher demokratische Kandidaten gewählt hatten, zum Beispiel Latinos und Schwarze. Dieses Mal erzielte Trump sogar die Mehrheit aller direkten Wählerstimmen, und auch im Senat und im Repräsentantenhaus verschoben sich die Mehrheiten zu Gunsten der Republikaner. Was mir besonders Sorgen macht bezüglich Trump als Präsident ist seine mangelnde Impulskontrolle, seine Selbstverliebtheit und ein Kabinett, das voller Leute sitzt, die keine Ahnung von den Ressorts haben, die sie leiten. Wann hat das eigentlich angefangen, dass sich Leute ständig selbst überschätzen und meinen, ohne jegliche Erfahrung wichtige Positionen bekleiden zu können? Ich würde mich ja auch nicht auf eine Gehirnchirurgenstelle bewerben. Uns stehen vier interessante Jahre bevor.
Und zum Schluss noch eine lokalpolitische Nachricht aus San Francisco: Daniel Lurie ist der neue Bürgermeister (Rundbrief 10/2024) geworden und hat die bisherige Bürgermeisterin London Breed und den linken Aaron Peskin aus dem Rennen geworfen.
Grüße aus Trumpistan:
Angelika und Michael