03.05.2022   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 143  
San Francisco, den 03.05.2022


Abbildung [1]: Nur echt mit dem Bärensiegel: Die kalifornische Real-ID.

Angelika Die USA kennen ja bekanntlich kein Meldegesetz und auch kein Dokument wie den Personalausweis. Ausweisen muss man sich natürlich trotzdem. Dies geschieht in der Regel mit dem Führerschein, der dadurch nicht nur zum Fahren eines Autos gebraucht wird, sondern auch um zu beweisen, dass man wirklich der ist, der man vorgibt zu sein. Und für die von euch, die besonders aufmerksame Leser sind, und jetzt ins Grübeln kommen, was die armen Menschen machen, die nie gelernt haben, Auto zu fahren, die es erstaunlicherweise auch in den USA gibt, hier ist des Rätsels Lösung: Es gibt die Möglichkeit, einen Führerschein zu beantragen, der nur als Ausweis dient, aber keine Fahrerlaubnis ist.

Führerscheine bereitzustellen liegt in den USA in der Hoheit der Bundesstaaten. Die hatten bis dato recht große Freiheiten wie das Dokument auszusehen hatte bzw. welche Dokumente beizubringen waren, um einen Führerschein zu erhalten. Es gab keine einheitlichen Regeln oder Sicherheitsbestimmungen, die für alle Bundesstaaten galten. Inneramerikanisch reichte aber ein Führerschein aus, um zum Beispiel ins Flugzeug zu steigen. Wenn wir also vor der Pandemie jedes Jahr nach Hawaii flogen, war nur unser normaler kalifornischer Führerschein und kein Reisepass als Ausweisdokument mit im Gepäck.

Dies ändert sich nun aber bald. Ab 3. Mai 2023 braucht jeder Fluggast einen Führerschein mit einheitlich eingebauten Sicherheitsfunktionen, die sogenannte "Real ID", um innerhalb der USA zu fliegen. "Real ID" bedeutet dabei etwas salopp übersetzt "Echtes Ausweispapier". Natürlich kommt auch jeder mit einem gültigen Reisepass auf einen Flug. Allerdings liegt die Anzahl der Amerikaner, die im Besitz eines Passes sind, bei nur 42%, der Rest hat noch nie ein fernes Land bereist. Vor Jahren war diese Zahl übrigens noch deutlich niedriger.

Abbildung [2]: Die Führerscheinstelle DMV stellt die Real-IDs aus.

Der Name "Real ID" leitet sich von dem dazugehörigen Gesetz ab, nämlich vom "Real ID Act", der schon 2005 vom amerikanischen Kongress beschlossen wurde. Ja, ihr habt richtig gelesen, das Gesetz ist schlappe 17 Jahre alt, eine wahrlich schwere Geburt. Nach den Anschlägen am 11. September 2001, in der einige der Terroristen mit ganz normalen amerikanischen Führerscheinen, die sie eigentlich nicht hätten erhalten dürfen, in die später entführten Flugzeuge kamen, empfahl die 9/11 Kommission, die Standards raufzuschrauben und zu vereinheitlichen, wie man in den einzelnen Bundesstaaten an einen Führerschein kommt. Das führte dann zu dem besagten Gesetz im Jahr 2005, das aber viel Kritik erhielt, sowohl aus den konservativen als auch aus den liberalen Lagern. Viele argumentierten, dass durch die Hintertür ein nationales Ausweisdokument eingeführt würde, was für viele Amerikaner ein absolut rotes Tuch ist. Einige Bundesstaaten lehnten es daraufhin zunächst ab, die neuen Anforderungen umzusetzen, und das Einführen der "Real ID" wurde immer wieder verschoben: Von 2008 auf 2009, dann von 2011 auf 2013 und dann schließlich auf Oktober 2020.

Vor dem Stichtag im Oktober 2020 begann schon viele Monate vorher das große Rennen, Real-IDs zu ergattern, zumindest hier in Kalifornien. Denn wenn man das erste Mal eine "Real ID" beantragt, muss man zwingend persönlich bei der Führerscheinbehörde, dem DMV (= Department of Motor Vehicles), erscheinen, was dazu führte, dass es damals keine Termine mehr gab und völliges Chaos bei einer der eh unbeliebtesten Behörden in Amerika herrschte. Der DMV gibt sich zwar mittlerweile modern, und man kann viele Dinge über das Online-Portal erledigen. Allerdings raufte ich mir so manches Mal die Haare, denn es war äußerst umständlich, an das richtige Formular zu gelangen, das man vor dem persönlichen Termin beim DMV aber online ausfüllen sollte, damit der Prozess schneller vonstatten ging. Angeblich konnte der Antragsteller auch schon seine Dokumente hochladen, aber weder Michael noch mir gelang das, und so scannte dann der Angestellte bei unseren Terminen die Dokumente ein. Ich muss gestehen, dass ich inständig hoffe, dass Hacker nicht auf die Idee kommen, die Daten beim DMV zu stehlen, denn ich habe das Vertrauen etwas verloren, dass dort die digitale Sicherheit gewährleistet ist. Ich erhielt meine erste "Real ID" übrigens schon im Dezember 2019. Michael einige Monate später, während die Pandemie an Fahrt aufnahm. Corona war dann auch der Grund, dass der Stichtag noch einmal verschoben wurde, von Oktober 2020 auf jetzt Mai 2023.

Welche einheitlichen Bestimmungen gelten nun aber, um eine "Real ID" zu erhalten? Jeder muss zunächst ein offizielles Dokument vorlegen, das den legalen Namen und das Geburtsdatum bestätigt, wie zum Beispiel eine Geburtsurkunde, einen Pass (amerikanisch, oder von einem anderen Land ausgestellt), oder eine Einbürgerungsurkunde. Weiter braucht man eine amerikanische Sozialversicherungsnummer ("Social Security Number"), sowie zwei Dokumente, die die Wohnadresse plus den Namen enthalten (zum Beispiel Strom- oder Telefonrechnungen, Versicherungsverträge, Mietvertrag, Bankunterlagen). Desweiteren gilt es, nachzuweisen, dass man sich legal im Land aufhält, was der Antragsteller zum Beispiel durch Vorlegen einer Greencard beweisen kann. In Kalifornien können Greencardbesitzer und Bürger mit Arbeits- oder Studentenvisa eine "Real ID" erhalten. Die "Real ID" gilt dann allerdings nur solange, wie das Visum oder die Greencard gültig sind. Einige wenige Bundesstaaten (z.B. Washington) geben die "Real ID" übrigens nur an amerikanische Staatsbürger aus. Das liegt in Washington allerdings daran, dass es an der Grenze zu Kanada liegt und dort der Führerschein auch als Ausweis zum Grenzübertritt nach Kanada taugt, was noch einmal strengere Bestimmungen mit sich bringt.

Abbildung [3]: Einfahrt zum Department of Motor Vehicles

Zu erkennen ist die "Real ID" an dem Stern in der rechten oberen Ecke des Führerscheins. In Kalifornien ist dieser Stern Teil des kalifornischen Bären, der auch die kalifornische Flagge ziert. Man muss übrigens weiterhin keine "Real ID" haben, um in Kalifornien Auto zu fahren, sondern es reicht aus, die alte Standardversion, die immer noch beantragt werden kann, mit sich zu führen. Nur aufs Flugzeug oder in Gebäude wie Gerichte kommt man ab Mai 2023 nicht mehr damit. Dieser Standardführerschein hat keinen Stern in der rechten oberen Ecke, sondern es heißt dort "Federal Limits Apply" in Kalifornien. Somit können Einwanderer ohne gültige Papiere weiterhin einen kalifornischen Führerschein als Fahrerlaubnis erhalten, was seit 2013 durch Gouverneur Jerry Brown erlaubt ist. Die kalifornische "Real ID" hat neben dem Stern und dem Bären auch Merkmale eingebaut, die Fälschungen verhindern sollen.

Alle "Real IDs" müssen maschinenlesbar sein. Auf der kalifornischen ist das Geburtsdatum auf dem Lichtbild eingraviert, sodass die Zahlen leicht erhöht sind. Das Gleiche gilt für die Unterschrift. Beleuchtet man die kalifornische "Real ID" mit ultraviolettem Licht, erscheint die Golden Gate Bridge und der Coit Tower, der sich ebenfalls in San Francisco befindet. Mit bloßem Auge erkennt man diese Wahrzeichen allerdings nicht auf dem Führerschein, was ich ein bisschen schade finde. Jetzt sind wir gespannt, ob der Stichtag im Mai nächsten Jahres endlich eingehalten wird.

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Letzte Änderung: 18-May-2022