Angelika/Mike Schilli |
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Michael Wenn es um politische Denkrichtungen geht, verwenden Amerikaner Begriffe, die oft das genaue Gegenteil von dem meinen, was die wörtliche Übersetzung ins Deutsche bedeuten würde, und deswegen bringe ich heute einmal Licht ins Dunkel. Erstmal das Zwei-Parteien-System, man ist entweder "Democrat" oder "Republican". Einen "Grünen", einen "Liberalen", einen "Linken" oder einen AfDler gibt es nicht, 99% aller Denkrichtungen finden ihre Heimat in einer dieser beiden Gruppierungen.
Die Übersetzung in "Demokraten" und "Republikaner" ist aber allein schon deswegen bedenklich, weil beide Parteien demokratisch sind und der Vergleich der "Republicans" mit der in den Achtzigern in Deutschland in Mode gekommenen Rechtspartei "Die Republikaner" nicht korrekt ist. Aber belassen wir es einmal dabei. Außerdem gibt es natürlich Nuancen innerhalb dieser beiden Einheitsparteien, so ist der amtierende Präsident Biden eher mitte-rechts bei den Demokraten und Sozialist Sanders weit links. Das führt dazu, dass Biden innerhalb seiner eigenen Partei von jungen Radikalen laufend dafür kritisiert wird, nicht radikal genug zu sein. Bei den Republikanern war früher John McCain einer der Moderaten, und Ex-Präsident Trump weit rechts. Seit Obama (demokratischer) Präsident war, und besonders seit Trump (republikanischer) Präsident war, muss man moderate Republikaner allerdings mit der Lupe suchen, denn die Partei hat sich stark radikalisiert. Diese beidseitige Radikalisierung der beiden Parteien hat zur Folge, dass es zwischen Demokraten und Republikanern heutzutage praktisch keine Zusammenarbeit mehr gibt. Schlagen die einen was vor, torpedieren es die anderen reflexartig.
Ein amerikanischer "Democrat" ist politisch etwa bei der SPD angesiedelt: Er unterstützt Gewerkschaften, möchte die Reichen verschärft besteuern, Geringverdienern mit staatlichen Mitteln unter die Arme greifen, ein Waffenverbot durchsetzen, und ist generell dafür, dass der Staat die Dinge in die Hand nimmt und mittels aktiver Gesetzgebung lenkt. "Democrats" werden nicht müde zu behaupten, dass alle "Republicans" hinterwältlerische Idioten sind (fast alle Staaten in der Mitte der USA, also abseits der Küstenregionen, sind in republikanischer Hand) und möchten, dass das Electoral College (das komplizierte amerikanische Wahlsystem, nachdem die Staaten Wahlmänner abstellen, was den kleineren Bundesstaaten mehr Einfluss gibt als rein nach Wählerstimmen) abgeschafft wird. Das würde auf Jahrzehnte demokratische Präsidenten garantieren.
Ein "Republican" ist dagegen etwas rechts von der CDU angesiedelt, wirtschaftlich nahe der FDP, also arbeitgeberfreundlich. Steuern möchte er möglichst keine erheben, denn der Staat sollte einen möglichst schlanken Apparat betreiben, der sich nur in Ausnahmefällen in die freie Wirtschaft einmischt. Waffen bleiben, wie von der Konstitution vorgesehen, erlaubt. Republikaner zeigen mit dem Finger auf Mega-Großstädte der USA, wie New York City, Chicago oder Los Angeles, die allesamt in demokratischer Hand sind und mit hoher Kriminalität, Arbeitslosigkeit und genereller Verlotterung der Gesellschaft kämpfen. Da Demokraten-Wähler den Republikanern zahlenmäßig überlegen sind, weil die dichtbesiedelten Küstenstaaten fast alle demokratisch regiert werden, soll das komplizierte Wahlsystem bleiben.
Nun noch zu "liberal". Wer in Deutschland "liberal" sagt, meint automatisch FDP, weil das die liberale Partei ist, im Sinne von "Freiheit des Individuums" und "Wirtschaft mal machen lassen". In Amerika bedeutet es so ziemlich das Gegenteil davon, da ist ein "Liberal" eine Person, die sich nicht einmischt, wenn andere Leute fragwürdige Dinge tun. Wenn jemand zum Beispiel auf einem Online-Portal berichtet, bei ihm sei eingebrochen und sein Laptop geklaut worden, gibt es immer einen "Liberal", der Mitleid mit dem armen Einbrecher hat, der sich anscheinend keinen eigenen Laptop kaufen kann. Ich kenne "Liberals", die sind so extrem, dass sie sich aufs Finden von Ausreden spezialisiert haben, und nicht müde werden zu begründen, warum es okay ist, dass Gesetzesbrecher Gesetze brechen. Sie werden sehr kreativ dabei und ziehen ihre Kinder konfliktfrei zu verlotterten Gestalten heran, denen keine Grenzen aufgezeigt werden. Das gilt beileibe nicht für alle, aber die Tendenz dazu besteht.
Ein "Progressive" ist nun noch eine Unterform des "Liberal", denn der "Progressive" möchte die Dinge radikal ändern, mit dem Mantra, dass Staat und Polizei bisher alles falsch gemacht haben und es Zeit ist für einen neuen Ansatz, was im allgemeinen heißt, dass der Staat sich nicht mehr mit Polizei oder Strafen einmischen darf, denn das führt ja nur zu Zwist und Zorn und unangenehmen Situationen. Dass das Fehlen staatlichen Drucks auf Missetäter unter Umständen zu mehr Kriminalität führt, sieht der Progressive nicht so. Dass mit nach dem Gießkannenprinzip ausgeteilten Geld die Motivation der Leute schwindet, für sich selbst zu sorgen, ist unbekannt. Dass er mit irren politischen Programmen normale Wähler vor den Kopf stößt, die am Ende die Rechnung mit ihren Steuern zahlen, ist ihm wurscht. Die in Amerika ausgeprägten sozialen Unterschiede sind nach Ansicht der "Progressives" der Ursprung allen Übels.
Ironischerweise sind "Progressives" aufgrund der Immobilien-Blase in San Francisco oft zu wohlhabenden Bürgern aufgestiegene Hippies. Das führt mich abschließend zu dem Begriff "Champagne-Socialist". Das ist einer, der sich (angeblich) für den kleinen Mann und für's öffentliche Schulsystem starkmacht, aber seine Kinder auf die Privatschule schickt, denn sie sollen ja was lernen. Unser Gouverneur Gavin Newsom ist so einer, und im Hippieviertel Bernal Heights wohnen praktisch lauter solche Gestalten. Na, jetzt wisst ihr Bescheid, falls mal wieder einer dieser Begriffe fällt!
Grüße aus San Francisco:
Angelika und Michael
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