Angelika/Mike Schilli |
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Angelika Amerikanische Parteitage sind perfekt durchorganisierte Inszenierungen. Dort wird der Präsidentschaftskandidat offiziell nominiert, im besten Licht dargestellt und die eigene Partei gefeiert. Es herrscht ein Personenkult sondergleichen und die Reden strotzen vor Selbstbeweihräucherung. Frauen und Kinder der Kandidaten verleihen dem Ganzen noch eine persönliche Note. Sie werden auf die Bühne gezerrt und stellen heraus, warum der Kandidat sich zum Präsidenten eignet. Da lobe ich mir doch den Ehemann von Angela Merkel, der sein eigenes Ding macht und stets im Hintergrund bleibt bzw. gar nicht auftaucht.
Trotzdem habe ich mir den demokratischen und den republikanischen Parteitag auszugsweise im Fernsehen angeschaut und so manches Mal mit den Zähnen geknirscht. Traditionell hält die Partei des amtierenten Präsidenten ihren Parteitag nach dem der oppositionellen Partei ab. Da Bush der republikanischen Partei angehört, hatten Obama und die Demokraten den Vortritt und hielten ihren Parteitag in der letzten Augustwoche in Denver ab.
Hillary Clinton zeigte auch gute Miene zum bösen Spiel und ließ keinen Zweifel daran, dass der erbitterte Vorwahlkampf zwischen ihr und Barack Obama vergeben und vergessen war. Sie schmollte auch nicht mehr darüber, dass Obama den langjährigen Senator Joe Biden vom Bundesstaat Delaware und nicht sie zu seinem Vizekandidaten erhoben hat. Clinton orchestrierte sogar die informelle Abstimmung per Akklamation (per Zuruf/Beifall/Handzeichen), um Barack Obamas Nominierung zu bestätigen und den langwierigen Prozess der namentlichen Abstimmumg abzukürzen.
Ihr erinnert euch vielleicht, dass sie während der knappen Vorwahlen einige Male damit gedroht hatte, es beim Parteitag mit Hilfe der Superdelegierten darauf ankommen zu lassen, doch noch nominiert zu werden. Der Höhepunkt war dann der Auftritt des todkranken Senators Ted Kennedy, der trotz eines bösartigen Gehirntumors erschien. Er verkörpert wie kein anderer die amerikanische demokratische Partei und der Kennedy-Clan übt noch immer eine enorme Anziehungskraft auf die amerikanische Bevölkerung aus. Was für England das Königshaus, das ist für viele Amerikaner die Kennedy-Familie. Aber ich schweife ab.
Barack Obama arbeitete gekonnt die für die Demokraten wichtigen Themen wie Krankenversicherung, Energiepolitik, Bildungswesen, Wirtschaftslage und Außenpolitik plus Irakkrieg in seine Rede ein. Er vergaß auch nicht, die bessere Versorgung und Unterstützung der amerikanischen Soldaten miteinzuflechten. Ein Muss, wenn man es ins Weiße Haus schaffen will.
Auch versuchte er, das Image, elitär zu sein, abzuschütteln, das ihm die Republikaner nur allzu gerne andichten. So erzählte er von seiner alleinerziehenden Mutter, die zeitweise Essensmarken ("food stamps") bezog, um über die Runden zu kommen. Solche persönlichen Anekdoten erwartet die breite Masse in den USA, um sich mit dem Kandidaten identifizieren zu können. Das Zitieren des amerikanischen Traums (oder die "Idee Amerika", wie es Obama formulierte) durfte natürlich ebenfalls nicht fehlen. Wobei das für Barack Obama sogar zutrifft, denn er schaffte es als erster Schwarzer, die Präsidentschaftsnominierung einer der großen Parteien zu gewinnen.
Die rommäßige Säulenkulisse als Bühnenbild für seine Rede fand ich allerdings etwas merkwürdig. Die demokratische Partei badete sich noch im Erfolg ihres Parteitages und zelebrierte die historische Dimension dieser Nominierung, als John McCain ihnen die Show stahl und Alaskas Gouverneurin, Sarah Palin, zu seiner Vizepräsidentin bestimmte.
Die linker angehauchte Presse war fassungslos und die rechte in Jubelstimmung. Sarah Palin verkörpert wohl wie keine andere den Mythos der amerikanischen Kleinstadt: Mutter von fünf Kindern, äußerst religiös, erzkonservative Ansichten, wenn es um Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehen, Sexualkundeunterricht in der Schule und Darwins Lehre geht. Sie kann nicht nur mit einem Gewehr umgehen, sondern auch gleich einen Elch enthäuten und legte sich mit der Ölindustrie in Alaska an.
Nun ist Alaska ein ganz besonderer Bundesstaat: flächenmässig riesig, extrem dünn besiedelt, durch Kanada getrennt von den übrigen USA, reich an Bodenschätzen und voller Individualisten, die sich nicht gern von Regierungsbeamten vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben. Obwohl Palin aus Alaska kommt und angeblich die Naturschönheit ihres Bundesstaates über alles liebt, glaubt sie nicht daran, dass die Erderwärmung durch menschliches Verhalten enstanden ist. Und das, obwohl der Permaforst in einigen Gegenden Alaskas durch die Erderwärmung so aufgeweicht ist, dass darauf entstandene Dörfer dramatisch absacken und umgesiedelt werden müssen. Auch hätte sie keinerlei Skrupel, im geschützten Arctic Wildlife Refuge nach Öl bohren zu lassen.
McCain erkor Palin natürlich aus rein taktischen Erwägungen zur Vizepräsidentin. Zunächst einmal ist sie eine Frau, und McCain erhofft sich, dass vergrämte Hillary-Befürworter zu Palin überspringen. Allerdings haben Hillary Clinton and Sarah Palin unterschiedliche Ansichten wie Tag und Nacht, gerade wenn es um Frauenfragen geht. Und dann wollte McCain natürlich die christlich-fundamentale Basis der republikanischen Partei durch Palin auf seine Seite ziehen. McCain ist dort nicht gerade beliebt, da er in seiner langjährigen Politikerkarriere schon oft Entscheidungen getroffen hat, die deren Weltbild widersprachen.
Was ich allerdings überhaupt nicht verstehe, ist, dass seine Rechnung auch noch aufzugehen scheint. Denn seitdem er Palin an seine Seite gestellt hat, ist er in den Umfragen teilweise vor Barack Obama gerutscht. Wie einer meiner Lieblingskolumnisten, Bob Herbert von der New York Times, ganz richtig feststellte, geht es hier nicht darum, das nächste "American Idol" (in Deutschland ist das Äquivalent "Deutschland sucht den Superstar") zu wählen, sondern eine qualifizierte Vizepräsidentin zu finden, die unter Umständen als Präsidentin einspringen kann. McCain zählt ja bekanntlich nicht mehr zu den Jüngsten und hat schon einige ernsthafte Krankheiten hinter sich.
Palin hat keinerlei außenpolitische Erfahrung und soll bis vor kurzem nicht einmal einen Reisepass besessen haben. Sie findet, dass es reicht, dass Alaska nah an Kanada und Russland liegt. Ihre Plattitüden kommen aber gut an. Beim Parteitag der Republikaner betonte sie immer wieder, dass sie nicht für die Alteingesessenen in Washington steht. Nur leider gehört McCain fast seit 30 Jahren dazu. Auch der Slogan "Drill, Baby, Drill" (= nach Öl bohren, Baby, nach Öl bohren) erhob sich zu Palins und McCains Mantra. Mc Cain war übrigens vor dem Wahlkampf gegen das Bohren von Öl in den Küstenregionen der USA.
Wenn Sarah Palin nicht vorgefertigte Sätze versprüht, kommt sie allerdings des öfteren ins Schleudern. So wusste sie im Interview mit Charlie Gibson vom Sender ABC nicht, was sich hinter der Bush-Doktrin verbirgt. Ich will ja nicht angeben, aber als Zeitungsleser weiß ich, dass die Bush-Doktrin u.a. besagt, dass Länder, die eine Gefahr für die USA darstellen, präventiv angegriffen werden können. Aber wahrscheinlich lesen Sarah Palin und ich nicht die gleichen Zeitungen. Allgemein lassen die McCain-Berater Palin nur wenig Interviews geben und für die Debatten, die sie mit Joe Biden führen wird, ist ein weniger offenes Format vorgesehen, denn Biden gilt als erfahrerer Debattierer mit spitzer Zunge.
Was mich aber am meisten ärgert, ist die Scheinheiligkeit der Erzkonserativen. Kurz nachdem McCain Palin zu seiner Vizepräsidentin ernannt hatte, sickerte durch, dass ihre 17- jährige Tochter schwanger ist. Nun finde ich, dass das in der Tat nichts mit Palins Qualifikation auf ein hohes politisches Amt zu tun hat, aber keiner der religiösen Rechten regte sich über diesen "Sündenfall" auf. Das kommt ja in den besten Familien vor und solange das Mädele nur nicht abtreibt, ist ja alles in Butter. Hätte Obama eine 17-jährige schwangere Tochter, würden sich die ultrarechten Kommentatoren die Mäuler nur so zerreißen. Palin erboste sich erst, dass ihre Familie tabu sei, um gleich darauf ihre schwangere Tochter samt Freund medienwirksam beim Pateitag auf die Bühne zu stellen. Ihr behindertes Baby packte sie gleich noch dazu. Ich hoffe nur, dass mich dieses Land doch noch überrascht und den ersten schwarzen Präsidenten im November wählt. Das wäre doch mal was.
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