Angelika/Mike Schilli |
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(Angelika) Ha, keiner hat es gemerkt, dass ich euch noch den letzten Teil in meiner Triologie "Das amerikanische Schulsystem" schuldig bin. Es fasziniert mich immer wieder, was man sich für ein Halbwissen durch den jahrelangen Genuss von amerikanischen Fernsehsendungen bezüglich amerikanischer Schulen aneignet. So weiß jeder aus der Teenie-Serie "90210", dass Verabredungen in der Highschool stets vor den obligatorischen "Lockern" getroffen werden.
"Locker" sind Stahlschränke, in denen die Schüler ihre Bücher und andere Habseligkeiten verschließen (= to lock), was ja eigentlich recht praktisch ist, denn so brauchen die Schüler nicht jeden Tag ihre schweren Bücher hin- und herzuschleppen. Auch der soziale Kalender der Highschool erscheint uns vertraut und dann irgendwie doch nicht, denn wir sind nie in den Genuss gekommen, bestimmte Aktivitäten live zu erleben.
Zwei große Ereignisse stehen jedes Jahr auf dem Highschool-Kalender: die "Prom" und das "Homecoming". Hinter "Prom" verbirgt sich ein pompöser Schulball, an dem sich die Jungs und Mädels in Festtagsroben schmeißen und das Tanzbein schwingen. In der Sendung "90210" spielten sich auf der Prom immer allerlei Dramen ab. Die Bälle (nicht Feten) stiegen dabei teilweise gar nicht im Schulgebäude sondern in Hotels oder Ähnlichem.
Das "Homecoming" hingegen findet man sowohl an amerikanischen Highschools als auch an Colleges/Universitäten. Die Footballmannschaft kommt zum ersten Heimspiel "nach Hause". Neben dem Footballspiel gibt es oft eine Parade und eine Party. Eine Schülerin und ein Schüler werden zur "Homecoming-Queen" bzw. "-King" (so etwas wie eine Schönheitskönigin bzw. ein -könig) gewählt.
Klasse gefallen mir auch die amerikanischen Schulbusse. Sie erinnern mich immer an ein Kinderbuch, das ich im zarten Alter besaß. Der Schulbus in dem Buch erlebte tausend Abenteuer und sah genauso aus wie die amerikanischen. Wenn ich hier so einen gelben Schulbus sehe, denke ich immer, gleich spricht er mit mir, denn die Vorderseite des Busses hat fast menschenähnliche Gesichtszüge. Aber ich schweife ab.
Kinder, die auf öffentliche Schulen in Amerika gehen, fahren in der Regel mit dem Schulbus. Kaum jemand gelangt zu Fuß oder gar mit dem Fahrrad zur Schule. Obwohl ich gestehen muss, dass es in sicheren Gegenden San Franciscos durchaus vorkommt, dass Kinder zur Schule laufen. Mit dem Fahrrad sieht das schon schlechter aus in dieser hügeligen Stadt. Und in dünner besiedelten Gegenden braucht es Schulbusse natürlich auch deshalb, weil der Weg zur Schule oft sehr weit ist.
Das soziale Experiment des so genannten "Bussing" kam in den 70iger Jahren auf und wird kaum noch angewendet. Hinter "Bussing" verbirgt sich die Idee, Schüler mit Hilfe der Schulbusse in andere Schulen zu karren, um die Schulen bunt gemischter zu machen. Zu verhindern galt es, dass Schulen sich hauptsächlich aus einer schwarzen oder weißen Schülerschaft zusammensetzten.
Mittlerweile steht das Konzept der "Affirmative Action" hoch in Kurs. Dahinter verbirgt sich eine ganz besondere Art der Quotenregelung zugunsten benachteiligter Minderheiten. Die Idee ist, dass Minderheiten in Amerika oft finanziell und sozial schlechter dastehen und somit ihre Bildungschancen geringer sind. Universitäten dürfen bei der Zulassung eines Studenten also deren ethnische Zugehörigkeit als einen Faktor berücksichtigen und ihn bevorzugen. Dadurch soll es mehr Chancengleichheit geben. Natürlich gibt es heftige Kritik an dieser Praxis. Die Verabschiedung der Propostion 209 in Kalifornien im Jahr 1996 schränkte die bis dahin gängige Praxis der "Affirmative Action" zum Beispiel stark ein.
Es fasziniert mich immer, dass gute Schüler in Amerika nicht gleich in die Kategorie "Streber" fallen. Denn wie könnte man sonst die Praxis der "Honor Roll" (=Ehrenliste) an amerikanischen Schulen erklären: Schüler können durch herausragende Leistungen eine Platzierung auf der Liste erhalten. Oft beobachten wir hier Aufkleber an Autos, mit denen Eltern damit protzen, dass ihr Sprössling zu den Ehrenkandidaten gehört ("My child is an honor student"). Also ich hätte mich ja zu Tode geschämt, wenn meine Eltern so einen Aufkleber an unser Auto angebracht hätten. Auch das Tragen von Schuluniformen wäre nicht mein Ding gewesen. Allerdings stopft man in Amerika nicht jeden Schüler in eine solche. Private Schulen zeichnen sich oft durch die Schuluniformpflicht aus. An vielen öffentlichen Schulen gibt es das nicht.
Und zum Schluß ein Zuckerl aus dem amerikanischen Schulalltag. In einem meiner zahlreichen Fotokurse erfuhr ich von der Institution der Militärkurse an amerikanischen Highschools. Ich hielt das erst für einen Witz, aber dann sahen wir nicht nur Fotos von Schülern in Uniformen sondern eine militärische Formationsübung. Die so genannten JROTC-Kurse (JROCT steht für Junior Reserve Officer Training Corps) lassen sich in vielen Highschools in Amerika finden. Das Verteidigungsministerium sponsort sie und stellt die Textbücher, die Uniformen und den Lehrer, in der Regel ein pensionierter Militärangehöriger, bereit. Schüler sollen in den freiwilligen Kursen Disziplin, Verantwortung und Führungsqualitäten im Militärstil erlernen. Böse Zungen behaupten dann auch, dass es sich hierbei nur um ein Rekrutierungsprogramm der amerikanischen Armee handelt, was nicht von der Hand zu weisen ist, denn 40 Prozent der Schüler, die ein JROTC-Programm durchlaufen, verpflichten sich später für das Militär. Sachen gibt's die gibt's gar nicht.
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