Angelika/Mike Schilli |
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(Angelika) Trotz der hartnäckigen Propaganda der Bush-Administration, dass Amerika sich im Aufschwung befindet, finden immer noch Entlassungen bzw. kaum Neueinstellungen in San Francisco und im Silicon Valley statt. Der neuste Trend ist, dass Firmen nicht nur ihre Produktionen in Billigländer auslagern sondern auch ihre Entwicklungsabteilungen, denn in Indien zahlen die Firmen den Programmierern einen Bruchteil des Gehalts, was hier berappt werden müsste. Viele Firmen, durchaus finanzkräftige große, streichen ihre Krankenkassenprogramme zusammen.
Aber auch die mittelständischen Betriebe bluten. Gehen wir die 24te Straße, die Haupteinkaufsstraße in unserem Viertel, hoch, begegnen uns auf Schritt und Tritt Schilder in den Schaufenstern, die Räumungsverkauf und Geschäftsaufgabe ankündigen. Obwohl wir hier nun schon über sieben Jahre leben, begreife ich nicht, warum es in Amerika nicht zur Revolution kommt. Da gibt es Leute, die zwei oder drei Jobs haben, nur um über die Runden zu kommen und trotzdem sich keine Krankenversicherung leisten können. Gleichzeitig senkt Bush die Steuern für die Superreichen. Die Staatsverschuldung wächst täglich und dann kündigt der oberste Finanzguru Greenspan letzte Woche an, dass auf lange Sicht mit der Kürzung der Renten ("social security benefits") zu rechnen ist, um das Haushaltsloch zu stopfen, was natürlich die Geringverdiener am härtesten trifft. Der amerikanische Traum "vom Tellerwäscher zum Millionär" stirbt einfach nicht in den Köpfen der Leute. Der Optimismus (einschließlich Michaels) ist ungebrochen.
Ende des letzten Jahres spürte ich gleich am eigenen Leib die Auswirkungen der Wirtschaftsmisere. Die "University of California Berkeley Extension" beschloss, ihren Gebäudekomplex an der Laguna Street wegen Finanzschwierigkeiten zu schließen. Renovierungen standen an, um den großen, aber schon in die Jahre gekommenen Gebäudekomplex erdbebensicher und behindertengerecht zu machen. Das Geld fehlte in der Kasse, denn UC Berkeley Extension hatte in den Boomjahren fleißig expandiert und sich verkalkuliert.
Außerdem gingen die Kurseinschreibungen zurück, denn viele konnten sich die teuren Kursgebühren nicht mehr leisten. Das Extension-Programm, was sich grob als Erwachsenenbildung definieren lässt, ist zwar mit der renommierten Uni Berkeley verbandelt, muss aber eigenständig Profit abwerfen.
Der aufmerksame Rundbriefleser weiß, dass das Gebäude an der Laguna Street wie mein zweites Zuhause war, denn hier besuchte ich nicht nur unzählige Fotokurse sondern es befand sich dort auch "meine" Dunkelkammer. Wegrationalisiert! Es werden zwar noch Kurse in einem anderen Gebäude in der Stadt und in Berkeley angeboten, aber das Fotografieprogramm und Kunstangebote im allgemeinen schrumpften erschreckend zusammen und für die Dunkelkammer gibt es keinen Ersatz. "Brotlose Künste", befand der Dekan. Wir protestierten, sammelten Unterschriften, schrieben Briefe, diskutierten mit dem Dekan. Es half alles nichts. Jetzt steht das Gebäude traurig und verlassen da und wartet auf den Abriss. Man munkelt, dass Investoren neue Wohnungen auf dem heißbegehrten Grund bauen wollen.
Im Februar begab ich mich also auf die Suche, um eine neue Dunkelkammer zu finden. Das "Harvey Milk Photo Center" kam als Retter in der Not. Es handelt sich um eine große Gruppendunkelkammer, die die Stadt San Francisco betreibt. Man zahlt einen geringen Obolus, um die Dunkelkammer zu nutzen. Ich kannte das Zentrum schon, weil wir uns in deren anderen Räumlichkeiten mit meinem Fotokollektiv regelmässig treffen. Nun hoffe ich nur, dass Harvey Milk erhalten bleibt, denn San Franciscos Haushalt fehlt es auch an allen Ecken und Enden.
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