24.03.2002   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 37  
San Francisco, den 24.03.2002


Zur Heilerin nach Chinatown

(Angelika) Und hier eine weitere Geschichte bezüglich unkonventioneller Heilmethoden. In Amerika setzen sich erst langsam alternative Ideen wie die der Homöopathie durch. Ärzte teilen immer noch freizügig Antibiotika bei Schnupfen aus. Medikamente wie Aspirin kauft man in der Großpackung im Supermarkt. In San Francisco sind Methoden wie Akupunktur, Akupressur oder ganzheitliche Medizin allerdings kein Fremdwort. Die Einwanderer aus den verschiedensten Kulturkreisen bereichern San Francisco eben nicht nur kulinarisch. Darüber hinaus zeichnet sich San Francisco seit eh und je als Sammelbecken alternativer Strömungen aus. Für den Enthusiasten der Naturmedizin bietet der Stadtteil "Chinatown" eine wahre Fundgrube, denn die traditionelle chinesische Medizin begegnet einem hier auf Schritt und Tritt.

Ich erinnere mich noch gut an unsere Anfänge in San Francisco. Damals ging ich brav in meine Englischkurse ins City College (so etwas wie die Volkshochschule). Einer der Kursteilnehmer, ein älterer vietnamesischer Herr, klagte über Knieschmerzen, ging zu seinem normalen Doktor, der ihm gleich eine Operation am Knie verpassen wollte. Der besagte Herr eilte daraufhin nach Chinatown zur Akupunktur und die Knieschmerzen verschwanden. Das beeindruckte mich damals sehr. Auch faszinierten mich schon immer die kleinen Geschäfte, die in Chinatown die exotischten Kräuter verkaufen. Leider traute ich mich bisher nie, etwas zu kaufen, da ich erstens keine Ahnung habe, was bei welcher Erkrankung hilft und weil sich zweitens an den Kräuterbehältern nur Schilder mit chinesischen Schriftzeichen befinden. Meine Freundin Anne geht allerdings des öfteren zu einer chinesischen Heilkräuter-Spezialistin ("Chinese Herbalist") und erzählt davon stets begeistert. Und da mich schon seit geraumer Zeit ein undefinierbares Halsproblem quält, an dem sich die konventionellen Mediziner die Zähne ausbeißen, dachte ich mir, das probiere ich auch einmal aus.

Abbildung [1]: Chinesische Heilkräuter mit Rezeptur

Einen Termin zu machen, war gar nicht so einfach, da die Person, die sich am Telefon meldete, kaum Englisch sprach, ein sehr häufiges Phänomen in Chinatown. Schließlich gelang es mir aber doch. Nun müsst ihr euch das Ganze nicht etwa als Arztpraxis vorstellen. Ganz im Gegenteil, die Spezialistin saß an einem Schreibtisch im hinteren Teil des Kräuterladens. Vor ihrem Schreibtisch befanden sich ein paar Stühle für die Wartenden, d.h. jeder bekommt alles mit, auch der Kunde, der am Ladentresen steht und etwas kauft. Als ich das Geschäft betrat, reiste ich in Lichtgeschwindigkeit von San Francisco nach China. Im Laden befanden sich nur chinesische Kunden und chinesische Wortfetzen flogen mir um die Ohren. Sich in einer Umgebung zu befinden, in der man plötzlich selbst zur Minderheit zählt, ist eine äußerst interessante Erfahrung. Obwohl alle sehr freundlich zu mir waren, fühlte ich mich etwas deplaziert, da ich nichts verstand. Schließlich drang ich zu der Kräuterspezialistin vor und schilderte ihr meine Symptome. Sie stellte mir einige Fragen und schrieb in einer Affengeschwindigkeit chinesische Schriftzeichen auf ein Blatt Papier. Ich erblasste vor Neid, denn wir quälten uns ja gerade durch unsere ersten chinesischen Zeichen in unserem dritten Japanisch-Kurs. Dann maß sie meinen Puls, guckte meine Zunge an und reichte den Zettel an ihren Kollegen, der hinter dem Ladentresen stand, weiter. Der zog daraufhin alle möglichen Schubladen auf, wog Kräuter auf einer altmodischen Waage ab und verteilte alles auf fünf braune Tüten. Ich bezahlte 32 Dollar (5 Dollar für jede Kräutertüte und 7 Dollar für die Untersuchung) und ging. Zu Hause schaute ich mir erst einmal in aller Ruhe die Kräuterraritäten an. Da waren Sachen dabei, die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Aus dem Ganzen kochte ich mir dann einen Tee, indem ich die Kräuter mit vier Tassen Wasser vermengte und für ca. eine Stunde kochte. Trinken musste ich den Tee dann natürlich auch noch. Der schmeckte sogar gar nicht so schlecht. Leider nervt mein Hals immer noch, aber die Erfahrung war mir der Besuch bei der Kräuterspezialistin allemal wert.

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