(Michael) Vielleicht ist euch schon aufgefallen, dass der amerikanische Präsident "Bill" Clinton heißt. "Bill" ist die Abkürzung für "William". Der Mann hat also in seinem Pass "William Clinton" stehen, aber die ganze Welt nennt ihn "Bill". Gleiches gilt für Bill Gates. Der Gründer von Netscape, Jim Clark, heißt in Wirklichkeit "James". Oder nehmt den Chef von AOL, Steve Case -- der heißt in Wirklichkeit "Stephen". Oder den zweiten Mann, Bob Pittman. Der heißt richtig "Robert". Mein Kollege heißt "Chris", aber auf seinem Führerschein steht "Christopher". So ist das in Amerika. Jeder Name wird abgekürzt: Catherine wird zu "Cathy", aus Donald wird "Don", aus Joseph "Joe", aus Samantha "Sam", aus Pamela "Pam", aus Lawrence "Larry". Anders als in deutschen Landen, wo man schon mal in einer bierseligen Runde beim Spitznamen genannt wird, geht das hier viel weiter: Man unterscheidet zwischen dem Namen und dem "legalen" Namen (legal name). Der "legale" Name ist der Geburtsname. Der steht nur im Ausweis. Alle Welt kennt aber nur die Abkürzung. Aus "Michael" (auf Englisch Mei-kel ausgesprochen) kann so "Mike", "Mick", "Mikey" (sprich: "Meikie"), "Mickey" (sprich: "Mickie") werden -- ganz nach Belieben. So habe ich mir bei Netscape den Spaß erlaubt, mich "Mike" zu nennen -- und so reden mich die Leute jetzt auch an. Das Schild an meinem Cubicle lautet auf "Mike Schilli", genauso wie der Eintrag im Telefonbuch. Auch meine Visitenkarte (siehe Abbildung) kennt nur den "Mike", nicht den "Michael". Beim vollen Vornamen nennen sich nur Schnösel (Robert Redfort, nicht "Bob Redfort") oder Engländer (David Bowie, nicht "Dave Bowie").
Noch ein paar Fakten zur Namensgebung hier in Amerika: Jeder kann seinen Kindern x-beliebige Geburtsnamen geben. Anders als in Deutschland, wo's ein Buch gibt, aus dem man sich einen Namen raussuchen muss. Ich erinnere mich dunkel an einen Fall in Deutschland, in dem es Eltern nicht gestattet wurde, ihr Kind "Pumuckl" zu nennen -- vielleicht zum Vorteil des Kindes, aber das sei hier mal dahingestellt. Undenkbar in Amerika. Hier gibt es keinerlei derartige Beschränkungen. Dies resultiert in einer für deutsche Verhältnisse ungewohnten Namensvielfalt -- es kommt nicht selten vor, dass sich jemand mit einem Vornamen vorstellt, unter dem man sich nichts vorstellen kann: Ich kenne Leute, die "Rexxon" heißen. Auch "Zack" ist recht populär. Oder "Guy" (Kerl). Einen kenne ich, der heißt "Ransom" (Lösegeld). Manche Leute heißen mit Vornamen wie berühmte Schriftsteller mit Nachnamen (z.B. Bronte im Film "Greencard"). Es gibt Kinder die nur "Q" heißen. Es gibt berühmte Basketballer, die den Vornamen "Jesus" tragen. Bei Angelika im Kindergarten ist ein Kind, das auf den Namen "Rain" (Regen) hört.
Wenn einem der eigene Name nicht passt, kann man ihn jederzeit ohne große Begründungsnot umtauschen. In den 60er Jahren gab es in Deutschland mal einen Springreiter namens "Oberblödel", dem es gestattet wurde, sich in "Oberröter" umzubenennen -- eine große Aktion und eine seltene Ausnahme. Für amerikanische Staatsbürger geht das ohne großen Aufwand: Ich weiß von einem Fall, in dem ein Baghwan-Jünger seinen kompletten Namen in "Kantra" umändern ließ -- sogar seine Kreditkarten zeigten nicht mehr seinen Vor- und Nachnamen, sondern nur noch "Kantra".
Wer einen Namen hat, der sich auf amerikanisch nur schwer aussprechen lässt, legt sich einen amerikanischen zu -- viele Asiaten tun das, und die heißen dann offiziell "Bill" oder "Paul", obwohl ihr Geburtsname z.B. "Yunjji" war. Ich heiße jetzt "Mike". Mal seh'n, wie lange mir das gefällt.