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  Rundbrief Nummer 153  
San Francisco, den 29.04.2024
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Abbildung [1]: Mit der Arztrechnung kommt der Schock.

Michael Letzten Herbst hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, mir meinen beim Fußballspielen gerissenen Meniskus per Operation flicken zu lassen. In Abbildung 2 seht ihr, wieviel der Spaß gekostet hat. Das Krankenhaus hat schlappe 43.696 Dollar berechnet, allerdings hat unsere Krankenkasse einen Deal mit dem Laden und so bekamen wir einen Discount von 27.775,55 Dollar, und übrig blieben 15.275,10 Dollar, die die Krankenkasse auch bezahlt hat. Das heißt, alles außer dem sogenannten "Copay", einer Selbstbeteiligung von 645,35 Dollar, die mir als Patient aufgebürdet wurde. Wie kommt das?

Abbildung [2]: Eine teure Serviceleistung im Krankenhaus.

Krankenkassen in Amerika bieten, entweder über den Arbeitgeber oder einer staatlichen Vermittlungsstelle wie Covered California verschiedene sogenannte "Pläne" an, also unterschiedlich teure Versicherungsverträge. Meist zahlt der Versicherte eine monatliche Prämie, muss aber bei Arztrechnungen oft auch noch einen Eigenanteil beisteuern. Dieses sogenannte "Copay" beträgt bei uns zum Beispiel bei Arztbesuchen 30 Dollar, aber bei aufwändigeren Prozeduren im Krankenhausbesuchen schlappe 10% der Rechnung, bis zu einem jährlichen Höchstbetrag von 2.000 Dollar. Damit wollen die Krankenkassen die Patienten dazu motivieren, möglichst wenig zum Arzt zu gehen oder sonstige Kosten zu verursachen. Für Pläne mit weniger Selbstbeteiligung muss der Versicherte entsprechend höhere monatliche Prämien berappen.

Bis die Höchstgrenze (im Beispiel 2.000 Dollar pro Jahr) erreicht ist, kostet den Versicherten jeder Arztbesuch wie gesagt 30 Dollar. Bekommt der Arzt also zum Beispiel 400 Dollar von der Versicherung für einen 10-minütigen Besuch (in der Höhe nicht ungewöhnlich), weil das der zwischen Arzt und Versicherung ausgehandelte Satz ist, überweist die Versicherung dem Arzt später nur 370 Dollar, die restlichen 30 muss der Arzt selber vom Patienten eintreiben. Das wird meist am Empfang geregelt, da zahlt der Patient den geschuldeten Betrag normalerweise mit Kreditkarte vorab, bevor überhaupt ein Arzt auf der Bildfläche erscheint. Manchmal vergessen die Angestellten allerdings, das Geld einzutreiben, und ein paar Wochen später flattert dem erfreuten Patienten eine Rechnung über 30 Dollar ins Haus, die er ebenfalls meist per Kreditkarte begleichen kann.

Abbildung [3]: Beim Arzt zahlt der Patient sein Co-Payment erst einmal per Kreditkarte.

Bei meinem oben erwähnten Operationssaalbesuch letztes Jahr schätzten die Finanzmenschen dort rätselhafterweise die Kosten der Operation auf 9,000 Dollar, und knöpften mir schon ein paar Tage vor dem Termin 10% davon ab, also 900 Dollar, die ich per Kreditkarte zahlte, damit die Operation überhaupt stattfinden konnte. Allerdings waren in der Zwischenzeit bei der Krankenversicherung schon mehrere Rechnungen von diversen Dienstleistern eingegangen: der Röntgen-Fritze wollte Geld sehen, sowie der behandelnde Orthopäde, der nach einem ebenfalls teuren MRI zu einer Operation geraten hatte. Ruckzuck war der von mir zu entrichtende jährliche Höchstbetrag von 2.000 Dollar fast erreicht gewesen. Hurra? So kommt es jedenfalls, dass ich trotz der höher als geschätzten Operationskosten (15.275,10 statt 9000 Dollar) nicht 900, sondern nur 645,35 Dollar hätte entrichten müssen. Schlappe 254.65 Dollar zuviel gezahlt!

Nun muss man sagen, dass viele Amerikaner sich gar nicht die Mühe machen würden, dies nachzurechnen, aber ich habe ja bekanntlich schon einmal bei Ebay angerufen, um mir 10 Cent zurückerstatten zu lassen, die diese Gauner mir zuviel abgezweigt hatten. Ich rief also beim Krankenhaus an, wühlte mich durch tausend Menüpunkte und fragte, ob ich denn mein Geld zurück bekäme. Nein, sagte man mir, ich hätte noch Glück gehabt, weil die Versicherung einen günstigeren Betrag ausgehandelt hatte. Anscheinend hatte die Finanzperson am Telefon keinen Schimmer, denn meines Erachtens hatte meine Versicherung dem Krankenhaus den verlangten Betrag bis auf 645,35 Dollar exakt erstattet, und genau diesen Restbetrag war ich bereit, zuzuschießen, aber keinen Pfennig mehr. Die Krankenhausdame riet mir, bei meiner Krankenversicherung anzurufen, um den Fall zu klären.

Abbildung [4]: Der Erstattungsscheck kam mit der Post.

Ich tat wie geheißen. Da unsere Krankenversicherung noch über meinen alten Arbeitgeber läuft, sind die Angestellten dort unglaublich auf Zack, ganz anders, als man das normalerweise von Krankenversicherungen in Amerika kennt. Die Mitarbeiterin dort sah sofort das Problem und kontaktierte, noch während ich am Telefon wartete, das Krankenhaus. Anscheinend bekam die Billing-Abteilung dort nun einen Satz heißer Ohren verpasst, denn nach einigen Minuten erhielt ich die erfreuliche Nachricht, dass das Krankenhaus mir mein Geld natürlich umgehend zurückerstatten würde.

Was lernen wir daraus? Nicht einmal die Abrechnungsabteilungen der Krankenhäuser können hierzulande korrekt abrechnen. Die meisten Patienten sind mit dem Regelwerk ebenfalls überfordert oder nicht willens, sich einzulesen, und lassen aus Unkenntnis ihr schwer verdientes Geld auf dem Tisch liegen. Die Service-Provider kalkulieren dies möglicherweise sogar mit ein und spielen Mäuschen, falls der Patient zuviel zahlt, während sie im umgekehrten Fall natürlich sofort alle Hebel in Bewegung setzen, um an den Zaster zu kommen.

Also, wie immer in Amerika: Immer wieder anrufen, bis alles stimmt. Freundlich, aber bestimmt auftreten, nie schimpfen, sondern geduldig die Sachlage erklären und vielleicht auch etwas Humor einfließen lassen. Schließlich hängen am anderen Ende der Leitung auch nur Menschen, die einen öden Job machen und nach Unterhaltung lechzen. Gleichzeitig schult man so kostenlos sein Englisch und sein Verhandlungsgeschick.

Jedenfalls kam vier Wochen später ein Brief vom Krankenhaus per Schneckenpost ins Haus geflattert, mit einem Anschreiben, das trotzig behauptete, dass angeblich ein "Internal Audit" des Krankenhauses darauf gekommen sei, dass mir zuviel Geld abgezweigt worden war. Anbei lag ein Scheck über die von mir angemahnten 254.65 Dollar. Zufälle gibt's im Leben.

Amazon-Schlamassel

Abbildung [5]: Aus Malta flattern seltsame Mahnungen von Amazon.de ins Haus.

Angelika Im November 2023 flatterten mir zwei dubiose Briefe von amazon.de ins Haus mit einem Poststempel aus Malta und einem Kopfbogen mit dem Logo von Amazon, das nicht einmal farbig war. Angeblich hatte ich etwas bei Amazon bestellt, aber die Lastschrift konnte nicht eingelöst werden und ich schuldete Amazon jetzt jeweils 101 Euro, die ich doch bitte umgehend and das Kreditinstitut HSBC Trinkhaus und Burkhardt überweisen sollte.

Es war nicht aufgelistet, was ich eigentlich bestellt haben sollte. Auch war merkwürdig, dass ich gleich zwei Briefe mit der genau gleichen Forderung und dann noch an meine amerikanische Adresse erhielt. Heutzutage werden Betrüger ja immer ausgefuchster. Mittlerweile hat sich aber herumgesprochen, dass man nicht auf irgendwelche Zahlungsaufforderungen per E-Mail oder SMS reagieren soll. Und so dachte ich mir, dass das Ganze dann ja einmal eine ganz neue Masche ist, um Leute abzuzocken.

Und da ich gar keinen deutschen Amazon Account sondern nur einen amerikanischen besitze, und es dort keine merkwürdigen Bestellungen gab, ignorierte ich die Sache zunächst einmal, weil Michael und ich glaubten, dass es sich um einen frechen Betrugsversuch handelte. Ich recherchierte zwar etwas im Internet und stellte fest, dass es anderen Kunden bei Amazon schon genauso ergangen war. Dabei gab es zwei Erklärungen für diese Briefe: Einmal die, dass die Briefe nicht echt waren. Als zweite, mehr besorgniserregende Variante wurde aufgeführt, dass jemand meine Daten benutzte, um damit in meinem Namen einen Account bei Amazon einzurichten, aber mit falschen Bankeinzugsdaten zum Beispiel. Mir ist zwar immer noch nicht ganz klar, wie das funktionieren soll, aber es sei hier einmal die Absurdität hervorgehoben, dass Amazon in Deutschland erlaubt, dass der Kunde sowohl per Rechnung einkaufen kann als auch per Bankeinzug und scheinbar wenig daran interessiert ist, die sich dadurch öffnende Betrugsmöglichkeiten zu schließen.

Abbildung [6]: Amazon.de erinnert an eine nie erfolgte Bestellung.

Ihr ahnt es schon, die Geschichte geht noch weiter. Im Februar kam dann per Post, wieder aus Malta, ein Brief vom Inkassobüro Riverty. Auch hier war nicht ersichtlich, ob es sich um eine sehr gute Fälschung handelte oder eine echte Forderung. Amazon arbeitet laut Internet tatsächlich mit diesem Inkassobüro zusammen. Bei Inkassofirmen hat man ja eh immer gleich den Eindruck, dass sie eigentlich ein Arm der Mafia sind. Auch der Brief strotzte nur so von Dingen, bei denen alle Alarmglocken bei mir losgingen, zum Beispiel die Aufforderung, dass ich ein SEPA-Einzugsmandat einrichten könnte und dann würde sich die Inkassofirma um alles kümmern, und ich hätte null Aufwand.

Nun soll man ja auch nicht wahllos irgendwelche Telefonnummern, die auf solchen Briefen aufgelistet sind, anrufen, da die unter Umständen auch zu Betrügern verlinken. So dachte ich mir, dann nehme ich doch erst einmal Kontakt mit amazon.de auf und schaue, ob die mir weiterhelfen können, denn eine Internetbefragung ergab, dass man solche Briefe nicht völlig ignorieren soll wegen der Möglichkeit des Identitätsbetrugs.

Gesagt, getan. Ich loggte mich also mit meinen amerikanischen Amazon-Account-Zugangsdaten auf der deutschen Amazonseite ein, und begann einen Chatverlauf, da ich gerne etwas schriftlich in der Hand haben wollte. Ich hatte mit dem amerikanischen Kundenservice von Amazon bis jetzt nur positive Erfahrungen gemacht, die sind auf zack und lösen Probleme immer umgehend. In meiner Naivität dachte ich, dass das bei Amazon Deutschland genauso wäre.

Abbildung [7]: Das Inkasso-Unternehmen Riverty nimmt die Hatz auf.

Es kostete mich zunächst einmal drei Versuche, bis überhaupt einer kapiert hatte, was mein Problem war und bereit war, mir zu helfen. Zunächst war ich mir nicht einmal sicher, ob ich mit einer Machine sprach oder einem Menschen. Die erste Info, die ich bekam, war, dass ich die Mahnung wegen eines technischen Problems erhielt und die E-Mail ignorieren sollte.

Halt, stopp, ihr aufmerksamen Leser habt es gemerkt. Ich hatte ja keine E-Mail erhalten sondern zwei Briefe mit der Post. Dann wurde mir versprochen, dass meine Anfrage an die entsprechende Abteilung weitergeleitet würde und ich sowohl eine Kopie dieser Anfrage erhalten würde und in 2-3 Stunden eine Rückmeldung erwarten könnte. Beides passierte nicht.

Beim nächsten Versuch wurde mir lapidar mitgeteilt, dass ich schließlich ein sogenanntes Amazon-Kids-Abo nicht bezahlt hätte und deshalb die Mahnungen erhielt. Es versteht sich von selbst, dass ich der Dame mit dem Namen "Meri" vorher schon erklärt hatte, dass ich nichts bestellt hatte und gar keinen deutschen Amazon-Account habe. Als ich die Dame dann fragte, ob sie mir wenigstens sagen könnte, ob jemand in meinem Namen einen Account angelegt hätte, schrieb sie im Chat, dass sie mir das aus Datenschutzgründen nicht sagen könnte. Da kann man doch nur noch schreien.

Auch versprach sie mir, mein Anliegen an die Sicherheitsabteilung weiterzuleiten, und die würden sich dann bei mir melden. Darauf warte ich immer noch. Beim dritten Versuch geriet ihn an den Bearbeiter Kirtiman Singh Rajavat und der machte endlich Nägel mit Köpfen. Er wies mich an, die Mahnungen und das Schreiben von der Inkassofirma an eine spezielle E-Mail-Adresse bei Amazon zu schicken, was ich dann tat. Nicht gerade vertrauenserweckend war, dass die Anforderung voller Fehler war, aber ich bekam dann eine Nachricht, dass erst einmal kein weiterer Handlungsbedarf mehr besteht von meiner Seite aus.

Es wurde mir zwar wieder angekündigt, dass ich noch eine Rückmeldung erhalten würde, aber diese lässt bis heute auf sich warten. Der Wahnsinn! Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob die Sache jetzt abgeschlossen ist oder mir demnächst dann ein Brief von einem deutschen Gericht ins Haus flattert. Manchmal sehne ich mich sehr nach den Zeiten zurück, wo man in richtigen Läden nur bar zahlen konnte.

Anza-Borrego Desert

Abbildung [8]: Schon die Anfahrt stimmt auf die Wüstenlandschaft ein

Angelika Wer wie ich an einer Schule arbeitet, kommt in den Genuss der vielen Ferien, und das ist ein echtes Luxusgut in den USA. Und da Michael nun seit neustem freischaffender Programmierer und Surfer ist und deshalb zeitlich sehr flexibel, können wir meine Ferien zum gemeinsamen Reisen nutzen.

Um Weihnachten hatte ich gleich mehr als zwei Wochen Ferien, und eine Woche davon fuhren wir runter in die Anza-Borrego-Wüste, die sich circa 85 Kilometer nordöstlich von San Diego befindet. Dort waren wir vor vielen, vielen Jahren schon einmal gewesen, und wir hatten uns schon lange vorgenommen, dort mal wieder hinzufahren. Wir packten unseren Honda Fit, von uns liebevoll Brummi genannt, voll und düsten runter in den Süden, mit einem Zwischenstopp in Santa Barbara. Dort waren wir auch schon ewig nicht mehr gewesen.

Abbildung [9]: Verrostete Metallskulpturen mitten in der Wüste

Die "Anza-Borrego Desert" ist übrigens der größte State Park in Kalifornien. Touristen zieht es oft in die bekannteren Nationalparks wie zum Beispiel Joshua Tree in Südkalifornien, aber mir sind mittlerweile die State Parks fast lieber, weil sie meist nicht so überlaufen sind. State Parks sind Naturschutzgebiete, die von den einzelnen Bundesstaaten verwaltet und finanziert werden, wohingegen für Nationalparks die US-Regierung zuständig ist beziehungsweise der National Park Service, also eine Bundesbehörde.

Abbildung [10]: Angelika radelt auf der Landstraße durch die Wüste.

Bevor wir in die USA zogen, hatte ich eine etwas einseitige Vorstellung von Wüstenlandschaften, frei nach dem Motto: Dort ist es heiß, es gibt viel Sand, es regnet dort nie, und es wächst kaum etwas. Das stimmt natürlich so nicht ganz. Die Temperaturen sind natürlich schon brutal, vor allen Dingen in den Sommermonaten, aber die Pflanzenwelt ist reichhaltig und sehr faszinierend, weil es dort eben besonders robuste Pflanzen gibt, die der Trockenheit und den Witterungsbedingungen trotzen. Das gilt natürlich auch für die Tierwelt: In der Anza-Borrego-Wüste leben zum Beispiel Eidechsen, Berglöwen, Kojoten, Dickhornschafe.

Abbildung [11]: Wohnhaus mitten in der Wüste.

Es stimmt zwar, dass es dort selten regnet, aber nichtsdestotrotz registrieren sie dort Niederschläge in den Wintermonaten, und zwar etwa 6 inches, also ca. 150 Millimeter, pro Jahr. An unserem Abfahrtstag nieselte es zum Beispiel. Die Anza-Borrego Desert könnt ihr euch am besten als gebirgiges Gelände mit versteckten Schluchten, aber auch grandiosen Weiten vorstellen, ein Paradies für jeden Wanderer und Naturliebhaber. Was mich in der Wüste immer am meisten fasziniert ist, wie leise es dort ist. Ein Genuss für Städter wie uns.

Abbildung [12]: Beim AirBnB war ein Pferd mit dabei.

Wir mieteten uns ein klasse Airbnb in dem Ort "Borrego Springs". Das Häuschen war nicht nur super ausgestattet, sondern für kalifornische Verhältnisse äußert preisgünstig, dass ich schon erst dachte, da müsste ein Haken dran sein. Dem war aber nicht so. Hinterm Haus lebte zwar ein Pferd. Dieses mussten wir aber nicht mit versorgen. Aber Apache Tears, so war der Name des Pferdes, freute sich immer über ein paar Streicheleinheiten und etwas Aufmerksamkeit und trug zur unserer Urlaubsidylle in der Wüste bei. Auch Fahrräder hatte unsere Unterkunft zur freien Benutzung. Da Michael, durch seine Meniskusoperation bedingt, noch nicht jeden Tag eine Mammutwanderung machen konnte, aber radeln kein Problem war, freuten wir uns über dieses Transportmittel.

Abbildung [13]: Eine gute Wirtschaft mitten in der Wüste.

Die Wüstenlandschaft hatte sich trotz der dazwischen liegenden vielen Jahre unseres letzten Besuches erfreulicher nicht verändert, und wir waren von der Anza-Borrego-Wüste genauso begeistert wie beim ersten Mal. Borrego Springs war kulinarisch etwas besser aufgestellt. Was aber wirklich ins Auge stach, waren die riesigen Metallskulpturen, die sich überall in Borrego Springs geradezu surreal gegen den blauen Himmel absetzten. Die waren bei unserem ersten Besuch noch nicht da gewesen. Rostige Dinosaurier, Adler, Pferde sowie prähistorische Tiere verteilten sich nun in der Wüstenlandschaft. 130 dieser Skulpturen gibt es. Wie kommen diese nun in die Wüste? Was steckt dahinter? Ricardo Breceda fertigt diese im Auftrag von Dennis Avery seit 2008 an. Dennis Avery war ein amerikanischer Philanthrop, dessen Vater die recht erfolgreiche Firma Avery aufgebaut hatte.

Abbildung [14]: Mit dem Radel durch endlose Weiten.

Die Marke "Avery" kennt in den USA jeder sowie in Deutschland "UHU". Avery entwickelte die ersten selbstklebenden Etiketten. Dennis Avery trat nun zwar nicht selbst in die Firma ein, verfügte aber als Erbe über einiges Geld. Da er lange mit seiner eigenen Familie in Borrego Springs gelebt hatte und die Wüstenlandschaft liebte und schützen wollte, erwarb er ziemlich viel Land dort. Dann traf er Ricardo Brecado und setzte mit ihm die Idee der Skulpturen in der Wüstenlandschaft um und stellte diese einfach auf sein privates Land, das aber für die Öffentlichkeit frei zugänglich ist.

Abbildung [15]: Angelika knipst ein Foto der Metallskulptur.

Nun kann man sich über den künstlerischen Wert dieser Metallskulpturen sicherlich streiten, aber Borrego Springs hat definitiv eine neue Touristenattraktion. Und wenn das Areal dadurch nicht mit Häusern vollgestellt wird, ist mir das recht. Dennis Avery starb übrigens schon im Jahr 2012 im Alter von 71 Jahren, aber die Skulpturen werden jetzt von einer Stiftung verwaltet. Wir klapperten die Skulpturen mit unsern Fahrrädern ab, da das Gebiet sehr weitläufig ist und kamen uns vor wie in einer Filmkulisse.

Salton Sea

Abbildung [16]: Salton Sea: Ein See mit zu hohem Salzgehalt.

Angelika Gleich um die Ecke von der Anza Borrego Desert befindet sich der "Salton Sea", ein übersalzter, praktisch toter See, hinter dem sich eine große Umweltkatastrophe verbirgt. Eine unwirkliche, faszinierende, aber auch etwas gruselige Landschaft mitten in der heißen Wüste. Eine Gegend, die glorreiche Zeiten mit großen Hollywoodkünstlern hinter sich hat, und heutzutage Lebenskünstler mit interessanten, aber oft auch traurigen Geschichten anzieht.

Mich ziehen solche Gegenden ebenfalls magisch an, und so war klar, dass wir von unserem Domizil in Anza Borrego einen Ausflug nach "Salton Sea" machen würden. Was aber war mit dem See geschehen? Schon die Entstehungsgeschichte des Sees ist verrückt. Wie kommt ein so großer See in die kalifornische Wüste? Die Schlamperei eines Ingenieurs war Schuld.

Abbildung [17]: Einsames Reklameschild des einstigen Resorts

Nun müsst ihr zunächst wissen, dass ein ausgeklügeltes und mittlerweile auch sehr umstrittenes Kanalsystem, das den Colorado River anzapft, das Farmland im südkalifornischen Imperial und Riverside Valley bewässert. Ohne solche Wasserquellen würde kein Gemüse auf kalifornischen Feldern wachsen. Einer dieser Kanäle, nämlich der Alamo-Kanal, setzte sich um 1900 mit Schlamm zu, und es gelang nicht, ihn wieder flott zu machen. Die Bauern brauchten aber dringend das Wasser und protestierten und bettelten bei der zuständige Firma, der "California Development Company", das Wasser wieder fließen zu lassen.

Da die Firma eh kurz vor der Pleite stand, dachte sich ihr Ingenieur Charles Lockwood, nun ist auch schon alles egal und ich mach einfach einen Durchbruch an einer anderen Stelle am Colorado River und lass das Wasser ohne Schleusen und ungebremst über andere Kanäle zu den Höfen im Imperial Valley fließen. Das ging natürlich nicht lange gut, und als 1905 der Colorado River wegen starker Schneeschmelze einen hohen Wasserstand hatte, lief das Flusswasser bedingt durch die Überlastung des Kanalsystems und weiterer Durchbrüche einfach ungehindert zwei Jahre lang in die Salton-Senke und formte den See.

Abbildung [18]: Im einzigen Pub des Ortes sitzt man schön unter freiem Himmel.

Dieser Zufluss wurde 1907 durch Reparaturarbeiten gestoppt. Nun hat der See jetzt aber keinen natürlichen Zu- und Abfluss mehr und wurde über Jahrzehnte durch landwirtschaftliches Abwasser erhalten. Allerdings führt dieses Abwasser viele Pestizide und andere Chemikalien mit sich, sodass der See jetzt praktisch völlig versalzen ist. Der Salzgehalt ist höher als der im pazifischen Ozean. Da der Wasserpegel im See durch verschiedene Umweltfaktoren wie zum Beispiel höhere Verdunstung durch höhere Temperaturen und weniger Abwassereinleitung immer weiter absinkt, steigt der Salzgehalt weiter an und auch Chemikalien werden freigesetzt, die sich über Jahrzehnte im Schlamm des Seebettes angesammelt haben. Die Luftqualität ist in dieser Gegend deshalb oft schlecht und Erkrankungen wie Asthma und auch Krebserkrankungen häufen sich, ganz zu Schweigen von Fisch- und Artensterben. Der Staat Kalifornien versucht schon seit Jahrzehnten eine Lösung zu finden, aber die zuständigen Behörden und Politiker können sich einmal wieder nicht darüber einigen, welcher Weg der richtige ist, und dann macht man lieber gar nichts.

Abbildung [19]: Eine Kunst-Skulptur am Strand

Verrückterweise war Salton Sea in den 50er und 60er Jahren, als der Salzgehalt des Sees noch nicht so hoch war, ein beliebtes Ausflugs- und Badeziel mit Resorts mit solch schillernden Namen wie Bombay Beach. Die Ausflügler kamen von Los Angeles und Palm Springs angereist und badeten in dem See und fuhren Motorboot und fischten sogar. Heutzutage eine etwas absurde Vorstellung.

Abbildung [20]: Am Salton Sea wohnen nur noch Lebenskünstler.

Heute wohnen in der Regel Lebenskünstler und Menschen am Salton See, die günstigen, bezahlbaren Wohnraum brauchen. Diese enthusiastischen Bewohner kämpfen dafür, dass der Landstrich nicht in Vergessenheit gerät. So gibt es jedes Jahr ein Kunstfestival in Bombay Beach mit vielen Kunstobjekten am Strand, die dann einfach stehen bleiben. Teile erinnern an alte Geisterstädte mit vielen verlassenen und eingefallenen Gebäuden. Ein Paradies für jeden Fotografen. Trotz der harschen und toxischen Umweltbedingungen leben dort viele Vögel wie zum Beispiel Schneegänse, die sich am See ansiedeln. Und auch eine nette Kneipe mit dem lustigen Namen "Ski Inn" mit super schönem Garten, in die wir einkehrten und leckere deftige Burger verzehrten. An solchen Orten wie "Salton Sea" komme ich immer ins Philosophieren über das Leben im Allgemeinen und im Besonderen.

Neue Stadtwanderseite: hikethiscity.com

Abbildung [21]: Die neue Webseite hikethiscity.com zeigt alle unsere Stadtwanderwege.

Michael Während der Covid-Lockdowns hatten wir es uns angewöhnt, jeden Tag eine Stunde spazieren zu gehen, und damals konnte wir ja oft die Stadt nicht verlassen aber wollten Wanderungen machen, also begann ich, mit Hilfe von Websites wie Google Maps und Komoot.com, verzwickte Stadtwanderwege auszubaldowern. San Francisco bietet ja nicht nur die allgemein bekannten Attraktionen für Touristen, und auch wer schon 20 Jahre hier gelebt hat, kennt noch nicht jedes versteckte Treppchen, Stadtgebirge, Miniparks mit atemraubenden Ausblicken, ob in rustikalen Arbeiterwohngegenden oder mit Old Money gebauten Luxusvierteln.

Abbildung [22]: Jedem Stadtwanderweg liegen Fotos und eine Karte bei.

Und so stellte ich eine Weile lang hinter verschlossenen Türen fast täglich neue Stadtrundwanderwege zusammen, die wir dann tatsächlich komplett abwanderten, aufzeichneten und bewerteten. Aus den allerbesten, die durch verwinkelte Gassen führten, die Autobahn auf Fußgängerbrücken kreuzten oder auf denen man schöne alte pompöse Villen bestaunen oder einfach einen erhöhten Rundblick über die ganze Stadt genießen konnte, baute ich ein sogenanntes Coffe-Table-Book namens "San Francisco Urban Hikes" zusammen, einen kiloschweren prächtigen Hochglanz-Fotoband mit Kartenmaterial für die Routen.

Abbildung [23]: Auf komoot.com lassen sich die aufgezeichneten Strecken abwandern.

Aber meine Produktionsmühle steht ja bekanntlich niemals still und so fiel es mir neulich ein, den gesammelten Schatz auf einen Schlag der Öffentlichkeit vor die Füße zu werfen und unter hikethiscity.com ins Web zu stellen. Zack-bumm, schon stehen 57 der besten Wanderwege San Franciscos im Netz! Wenn ihr also mal in der Stadt seid, könnt ihr euch ein paar aussuchen und dann mit der kostenlosen Komoot-App, auf die die Wege auf der Webseite durchlinken, durchnavigieren. Ihr werdet staunen!

Abbildung [24]: Der werte Erzähler auf einem unserer Stadtwanderwege.

Nun dürft ihr noch raten, wo das Titelbild in Abbildung 24 geschossen wurde. Offensichtlich in einer eher urbanen Gegend San Franciscos, mit einer Fußgängerbrücke über eine stark befahrenen Straße, aber mit einem weiten Ausblick auf die Stadtteile Bernal Heights und Portrero Hill. Da hat sich noch kein Tourist hinverirrt!

Toppprodukt: Das flexible Kabelrückgrat

Abbildung [25]: Ist die Tischplatte oben, streckt sich das Rückgrat.

Michael Ich tippe ja noch immer viel am Computer herum, schreibe Artikel, mache Open-Source-Software, verfasse scharfzüngige Emails und Posts auf Social Media. Im hohen Alter habe ich jetzt auch noch den Stehschreibtisch für mich entdeckt. Beziehungsweise einen einstellbaren Tisch, der motorgetrieben nach oben oder unten fährt, je nachdem, ob ich bei der Arbeit gerade sitzen oder stehen will.

Abbildung [26]: Ist der Schreibtisch unten, windet es sich.

Das Problem bei dieser flexiblen Einstellung ist allerdings, dass die Kabel, die von der Steckdose zum Schreibtisch führen, für Monitor- und Rechnerstrom, Netzwerkkabel, USB-Anschluss zum Scanner undsoweiter, sich nun im runtergefahrenen Zustand des Schreibtischs recht lose auf dem Boden ringeln, aber sich am Stehschreibtisch straffen müssen. Außerdem sollte man um den Schreibtisch herumgehen beziehungsweise mit dem Staubsauger schnell mal durchsaugen können, und bei meinem bisherigen Setup hatten sich mangels Kabelmanagement unter dem chaotischen Verhau schon dicke Staubmullen gebildet. Unschön!

Abbildung [27]: Sogar der Staubsauger kann drunter durch.

Durch Zufall entdeckte ich auf Amazon diese "Vertebrae" (Rückgrat) genannten Kabelführungen, die, ähnlich wie eine Wirbelsäule, eine gebogene Form annehmen ohne zu knicken, wenn man sie staucht. Die Glieder sind wie Wirbel frei aneinander gehängt und erlauben die Rotation um eine Achse (nicht wie die Wirbelsäule in zwei Dimensionen!). Das reicht aber, damit bis zu einem halben Dutzend Kabel schön aufgeräumt innerhalb der Wirbel bleiben und bei Amazon gibt's das Produkt von mehreren Anbietern so um 35 Dollar. Ich hab's bei Ebay bei einem Chinesenversand für etwas mehr als 20 bekommen. Jeden Cent wert, so sauber war mein Arbeitszimmer noch nie, seit ich mit unserem ebenfalls brandneuen Dyson-Staubsauger durchflitze. Toppprodukt!

Greta übertüncht

Abbildung [28]: Noch wacht Greta strengen Auges über das Tenderloin-Viertel.

Michael Was Klimakleber angeht, wisst ihr in Deutschland sicher besser Bescheid als wir hier in den USA, aber die Greta kennen wir natürlich auch. Deswegen musste ich doch sehr lachen, als ich vor etwa einem halben Jahr dieses Wandportrait von ihr, ein sogenanntes "Mural" mitten in der Stadt entdeckte, direkt um die Ecke von meinem Zahnarzt. Das Bild hatte irgendwas Gruseliges, wie eine Puppe, die im Regal sitzt und einen anstarrt.

Abbildung [29]: Im Januar 2024 wurde das Mural übermalt

Jetzt ist Greta aber in Ungnade gefallen wegen ihrer politischen Äußerungen, und neulich berichteten Passanten aus San Franciscos Innenstadt, dass das Gemälde, das meines Wissens auch nicht offiziell dort aufgepinselt worden war, nun breitflächig mit einem beigen Farbton übertüncht ist, ebenfalls anscheinend in einer von jugendlichen Rebellen durchgeführten Nacht- und Nebelaktion. Nun ja, mir soll's egal sein, ich fand's nur interessant, wie schnell die Fans heutzutage ihre Idole hochputschen und dann fallen lassen, nur weil sie irgendeinen Schmarrn daherreden. Mit zunehmendem Alter stelle ich auch fest, dass ich früher viel Schmarren geredet habe, aber mei, so ist das halt wenn man jung ist, Schmarren reden gehört zum Lernprozess! Zum Glück hat mich niemand gecancelt, sowas gab's damals nicht.

Grüße aus Deutschlands Zukunft:

Angelika und Michael

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Letzte Änderung: 13-Jun-2024