29.04.2024   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 153  
San Francisco, den 29.04.2024


Abbildung [1]: Salton Sea: Ein See mit zu hohem Salzgehalt.

Angelika Gleich um die Ecke von der Anza Borrego Desert befindet sich der "Salton Sea", ein übersalzter, praktisch toter See, hinter dem sich eine große Umweltkatastrophe verbirgt. Eine unwirkliche, faszinierende, aber auch etwas gruselige Landschaft mitten in der heißen Wüste. Eine Gegend, die glorreiche Zeiten mit großen Hollywoodkünstlern hinter sich hat, und heutzutage Lebenskünstler mit interessanten, aber oft auch traurigen Geschichten anzieht.

Mich ziehen solche Gegenden ebenfalls magisch an, und so war klar, dass wir von unserem Domizil in Anza Borrego einen Ausflug nach "Salton Sea" machen würden. Was aber war mit dem See geschehen? Schon die Entstehungsgeschichte des Sees ist verrückt. Wie kommt ein so großer See in die kalifornische Wüste? Die Schlamperei eines Ingenieurs war Schuld.

Abbildung [2]: Einsames Reklameschild des einstigen Resorts

Nun müsst ihr zunächst wissen, dass ein ausgeklügeltes und mittlerweile auch sehr umstrittenes Kanalsystem, das den Colorado River anzapft, das Farmland im südkalifornischen Imperial und Riverside Valley bewässert. Ohne solche Wasserquellen würde kein Gemüse auf kalifornischen Feldern wachsen. Einer dieser Kanäle, nämlich der Alamo-Kanal, setzte sich um 1900 mit Schlamm zu, und es gelang nicht, ihn wieder flott zu machen. Die Bauern brauchten aber dringend das Wasser und protestierten und bettelten bei der zuständige Firma, der "California Development Company", das Wasser wieder fließen zu lassen.

Da die Firma eh kurz vor der Pleite stand, dachte sich ihr Ingenieur Charles Lockwood, nun ist auch schon alles egal und ich mach einfach einen Durchbruch an einer anderen Stelle am Colorado River und lass das Wasser ohne Schleusen und ungebremst über andere Kanäle zu den Höfen im Imperial Valley fließen. Das ging natürlich nicht lange gut, und als 1905 der Colorado River wegen starker Schneeschmelze einen hohen Wasserstand hatte, lief das Flusswasser bedingt durch die Überlastung des Kanalsystems und weiterer Durchbrüche einfach ungehindert zwei Jahre lang in die Salton-Senke und formte den See.

Abbildung [3]: Im einzigen Pub des Ortes sitzt man schön unter freiem Himmel.

Dieser Zufluss wurde 1907 durch Reparaturarbeiten gestoppt. Nun hat der See jetzt aber keinen natürlichen Zu- und Abfluss mehr und wurde über Jahrzehnte durch landwirtschaftliches Abwasser erhalten. Allerdings führt dieses Abwasser viele Pestizide und andere Chemikalien mit sich, sodass der See jetzt praktisch völlig versalzen ist. Der Salzgehalt ist höher als der im pazifischen Ozean. Da der Wasserpegel im See durch verschiedene Umweltfaktoren wie zum Beispiel höhere Verdunstung durch höhere Temperaturen und weniger Abwassereinleitung immer weiter absinkt, steigt der Salzgehalt weiter an und auch Chemikalien werden freigesetzt, die sich über Jahrzehnte im Schlamm des Seebettes angesammelt haben. Die Luftqualität ist in dieser Gegend deshalb oft schlecht und Erkrankungen wie Asthma und auch Krebserkrankungen häufen sich, ganz zu Schweigen von Fisch- und Artensterben. Der Staat Kalifornien versucht schon seit Jahrzehnten eine Lösung zu finden, aber die zuständigen Behörden und Politiker können sich einmal wieder nicht darüber einigen, welcher Weg der richtige ist, und dann macht man lieber gar nichts.

Abbildung [4]: Eine Kunst-Skulptur am Strand

Verrückterweise war Salton Sea in den 50er und 60er Jahren, als der Salzgehalt des Sees noch nicht so hoch war, ein beliebtes Ausflugs- und Badeziel mit Resorts mit solch schillernden Namen wie Bombay Beach. Die Ausflügler kamen von Los Angeles und Palm Springs angereist und badeten in dem See und fuhren Motorboot und fischten sogar. Heutzutage eine etwas absurde Vorstellung.

Abbildung [5]: Am Salton Sea wohnen nur noch Lebenskünstler.

Heute wohnen in der Regel Lebenskünstler und Menschen am Salton See, die günstigen, bezahlbaren Wohnraum brauchen. Diese enthusiastischen Bewohner kämpfen dafür, dass der Landstrich nicht in Vergessenheit gerät. So gibt es jedes Jahr ein Kunstfestival in Bombay Beach mit vielen Kunstobjekten am Strand, die dann einfach stehen bleiben. Teile erinnern an alte Geisterstädte mit vielen verlassenen und eingefallenen Gebäuden. Ein Paradies für jeden Fotografen. Trotz der harschen und toxischen Umweltbedingungen leben dort viele Vögel wie zum Beispiel Schneegänse, die sich am See ansiedeln. Und auch eine nette Kneipe mit dem lustigen Namen "Ski Inn" mit super schönem Garten, in die wir einkehrten und leckere deftige Burger verzehrten. An solchen Orten wie "Salton Sea" komme ich immer ins Philosophieren über das Leben im Allgemeinen und im Besonderen.

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Letzte Änderung: 13-Jun-2024