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School Board Recall
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Angelika Dass es in San Francisco brodelt und die Bürger immer frustrierter werden, merkt man auch an der steigenden Anzahl der eingeleiteten Abberufungsverfahren aus politischen Ämtern. Ich habe ja schon vom Rückrufverfahren gegen Staatsanwalt Chesa Boudin berichtet (Rundbrief 11/2021). Letzte Woche flatterte uns dann eine Broschüre ins Haus, die uns über den nächsten Recall in San Francisco informierte: Dieses Mal sind 3 von 7 "School-Board-Mitgliedern" dran. Was verbirgt sich hinter einem "School Board"? Selbst die Übersetzung ins Deutsche ist nicht so einfach.
Die Übersetzungen "Schulvorstand" oder "-ausschuß" eines öffentlichen Schulbezirks kommen der Sache wahrscheinlich am nächsten. Schulpolitik ist in den USA sehr dezentralisiert, stärker noch als in Deutschland. Zwar müssen auch in den USA bestimmte Vorgaben des Bundesstaates oder des Staates erfüllt werden, aber die einzelnen Schuldistrikte mit den dazu gehörigen School Boards verfügen über weitreichende Befugnisse. So sind sie zum Beispiel verantwortlich für die Finanzen, wieviel für was ausgegeben wird, den Lehrplan, Einstellungen von Personal usw. In San Francisco setzt sich das School Board aus 7 Mitgliedern zusammen, die jeweils für 4 Jahre gewählt werden. Sie machen Schulpolitik für 130 Schulen mit 54.452 Schülern (Stand Oktober 2019). Allerdings gingen die Zahlen für eingeschriebene Schüler während der Pandemie stark zurück, was auch mit der Schulpolitik des School Boards zu tun hat. In Prinzip kann sich jeder Erwachsene, der in San Francisco wohnt, zur Wahl aufstellen lassen. Im School Board sitzen aber oft Lehrer oder Eltern mit schulpflichtigen Kindern.
Am 15. Februar findet die Wahl statt. Wenn ich wählen dürfte, würde ich alle drei zum Abruf gelisteten Mitglieder abwählen. Allerdings sind nur Erziehungsberechtigte, die ein Kind in einer öffentlichen Schule in San Francisco haben, wahlberechtigt. In San Francisco dürfen übrigens auch die Eltern an der School-Board-Wahl teilnehmen, die keine amerikanischen Staatsbürger sind.
Wieso sind viele Eltern aber in San Francisco so aufgebracht, dass sie das halbe School Board entfernen wollen? Vieles hat mit den Schulschließungen durch Corona zu tun. Die öffentlichen Schulen waren in San Francisco fast ein Jahr zu, und auch dann noch, als die Infektionszahlen in der Stadt längere Zeit sehr niedrig waren. Zwischenzeitlich hatten alle privaten Schulen in San Francisco wieder Präsenzunterricht angeboten, genau wie die öffentlichen Schulen in den Nachbarstädten. Was das Fass dann aber zum Überlaufen brachte, war, dass das School Board sich monatelang mit der Umbenennung der Schulen von San Francisco beschäftigte, aber keinen Plan ausarbeitete, die Kinder endlich aus dem Distanzunterricht zu holen. Was war passiert? Die Mitglieder des School Boards hatten die glorreiche Idee, 44 Schulen in San Francisco einen neuen Namen zu geben, weil die Persönlichkeiten, nach denen die Schulen benannt sind, sich nicht einwandfrei verhalten hatten und schwarze Flecken auf der weißen Weste hätten nach heutigen Standards.
Betroffen waren sogar solche Schulen, die die Namen bislang hoch verehrter Persönlichkeiten trugen: "Lincoln High", benannt nach Abraham Lincoln, der die Sklaverei abgeschafft hat, und "Dianne Feinstein Elementary School", benannt nach der noch amtierenden demokratischen Senatorin aus Kalifornien, Dianne Feinstein. Lincoln, so war die Begründung, war 1862 für die Exekution von 38 Dakota Indianern mitverantwortlich. Und Feinstein hat angeblich 1984, als Bürgermeisterin San Franciscos, eine "Confederate Flag" (Fahne der konföderierten Staaten), die vor dem Rathaus gestohlen worden war, ersetzen lassen. Die Fahne gilt heute als Symbol für Rassismus.
Allerdings ging das School Board recht willkürlich vor, denn die "Cesar Chavez Elementary School" kam nicht auf die Liste, obwohl Cesar Chavez dafür bekannt war, nicht gerade freundliche Ausdrücke für illegale Mexikaner zu benutzen. Das School Board musste dann auch so einige Häme auf lokaler und nationaler Ebene einstecken, weil ebenfalls bekannt wurde, dass die Entscheidungen teilweise aufgrund von Wikipedia-Einträgen gefallen waren, und keine Historiker befragt worden waren. Prompt kam Gegenwind von der lokalen Presse, und sogar von intellektuellen überregionalen Tageszeitungen wie der New York Times. Als dann noch unsere Bürgermeisterin London Breed auf Twitter einen Wutanfall bekam und das School Board dazu aufforderte, sich endlich darauf zu konzentrieren, die Schulen wieder zu öffnen, weil dies gerade benachteiligten Familien hilft, legte das School Board die Umbenennung der Schulen erst einmal auf Eis.
Die Recall-Maschienerie stoppte dies allerdings nicht mehr. Ihr wundert euch vielleicht, warum nur 3 der 7 Mitglieder um ihr Amt bangen müssen. Vier der 7 Mitglieder waren noch nicht 6 Monate dabei, als das Abberufungsverfahren eingeleitet wurde, und dürfen deshalb nach den Recall-Regeln noch nicht abberufen werden. Die drei, um die es geht, heißen: Gabriela López, Alison Collins und Faauuga Moliga. Alison Collins ist dabei eine besonders kontroverse Person. Sie setzte nämlich vor einigen Jahren ein paar bitterböse Tweets ab, die asiatische Mitbürger auf sehr unschöne Weise angriff, und war dann so dumm, diese nicht zu löschen, bevor sie ihr Amt antrat. Sie verlor deshalb ihren Vizevorsitz auf dem Board, als einige schlaue Füchse diese alten Tweets ausgruben, trat allerdings nicht zurück wie gefordert. Dann strebte sie eine völlig absurde 87-Millionen-Dollar-Klage gegen den Schuldistrikt an. Die wurde zwar sofort niedergeschlagen, und es kam gar nicht zum Rechtsverfahren, aber das Ganze ist in seiner Absurdität wirklich nicht zu überbieten.
Und jetzt droht auch noch der Staat Kalifornien die Finanzaufsicht über den Haushalt des Schuldistrikts zu übernehmen. Der San Francisco Schuldistrikt hat nämlich ein Defizit von über 125 Millionen Dollar und muss nun einen Plan erstellen, wie das Loch zu stopfen ist, wenn er seine Entscheidungsfreiheit, wie das Geld verteilt wird, behalten möchte.
Und als ob das nicht schon peinlich genug wäre, hat unsere Bürgermeisterin London Breed noch eins drauf gesetzt und angekündigt, dass die Stadt eine stärkere Aufsichtsposition einnehmen will und u.a. Gelder zurückhalten wird, wenn das School Board sich nicht auf seinen eigentlichen Auftrag konzentriert, die Schüler der Stadt zu beschulen. Die bleiben bei diesem ganzen politischen Theater nämlich auf der Strecke.
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