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Angelika/Mike Schilli |
Angelika Im November hat San Francisco einen neuen traurigen Rekord aufgestellt. Wir hatten offiziell die schlechteste Luft der Welt, schlechter noch als Peking. Die Ursache war ein Waldbrand im Norden, in dem kleinen Städtchen Paradise. Der Ort liegt zwar satte 3 Autostunden nördlich von San Francisco, im Landkreis Butte County, aber Wind und Wetter brachten uns die schlechte Luft, die mit Rußpartikeln angefüllt war. Wir lebten mehr als eine Woche lang wie unter einer Dunstglocke. Die Sonne war eigentlich nie so richtig zu sehen, sondern verbarg sich hinter einem grauen Schleier. Es roch wie angebrannt und alle Fenster ließen wir eine Woche lang fest verriegelt. Lüften und Rausgehen war absolut tabu oder wir taten es nur, wenn es absolut notwendig war. Ich habe mich noch nie so sehr nach frischer Luft gesehnt wie in diesen Wochen.
Feuer hat es in Kalifornien schon immer gegeben, aber noch nie kamen sie so gehäuft vor oder zerstörten so viel Landschaft und Siedlungen. Ursachen gibt es dafür viele, wie zum Beispiel trockenere Winter mit nur wenig Regen durch das sich verändernde Klima. Ich erinnere mich noch gut daran, als wir Ende 1996 nach San Francisco zogen. Es schüttete wie aus Eimern und ich fühlte mich gleich heimisch, weil es wie in Norddeutschland regnete und regnete und regnete. Mitllerweile regnet es ab und zu im Winter, aber eben nicht genug, um die Vegetation genug zu durchfeuchten und die grauen Hügel in grüne Oasen zu verwandeln. Und ein Bundesstaat, in dem es in den übrigen Monaten des Jahres nicht regnet, braucht viel Winterregen und in den höheren Lagen Schnee.
Des Weiteren ist Kalifornien für amerikanische Verhältnisse sehr dicht besiedelt und menschliche Behausungen befinden sich viel zu dicht an oder in Waldgebieten. Der Ort Paradise war praktisch in den Wald hinein gebaut. Ein Funke reichte, um das Inferno zu starten. Man weiß noch nicht mit absoluter Sicherheit, was die Ursache für das Feuer in Paradise war, vermutet aber, dass sich eine Stromleitung durch den Wind löste und anfing, Funken zu sprühen.
Stromleitungen laufen hier in Kalifornien in der Regel immer noch überirdisch. Dann braucht nur ein starker Wind zu kommen und das Drama ist vorprogrammiert. Denn oft hängen die Stromleitungen dicht an Bäumen und Zweigen. Unser Stromversorger PG&E (Pacific Gas & Electric) ist mittlerweile so in der Bedrouille, dass viele munkeln, dass die Firma pleite gehen wird durch die eingereichten Klagen und die Entschädigungszahlungen, die unter Umständen auf die Firma zukommen. Das letzte Feuer in Napa Valley vor ein paar Jahren geht schon auf das Konto von PG&E und die entsprechende Klagewelle beschäftigt die Gerichte.
Auch in Paradise haben sich schon einige Betroffene Rechtsanwälte gesucht, obwohl noch nicht klar ist, was die Ursache für das Feuer war. PG&E geht mittlerweile dazu über, vorbeugend den Strom abzuschalten, wenn die Feuergefahr zu groß ist. Das Weingebiet Napa traf diese vorbeugende Maßnahme im Oktober, und kleine Geschäfte mussten sich mit den Verlusten ihrer Tageseinnhamen abfinden. In Calistoga, ein Ort den wir regelmäßig besuchen (Rundbrief 04/2006), verlor ein kleines Café, die Calistoga Roastery, die wir auch immer frequentieren, wenn wir dort sind, 3000 Dollar durch den stromlosen Tag. Aber nicht immer sind die Stromleitungen Schuld. Ein weiteres Feuer in Kalifornien entstand, weil ein Mann einen metallischen Zaunpfosten inmitten übertrockener Vegetation mit einem Hammer bearbeitete und dadurch Funken sprühten.
Erstaunlicherweise verschlimmern sich die Feuer auch dadurch, dass sie besser und schneller gelöscht werden. Auch das liegt wieder am Menschen, denn wenn Häuser immer mehr an die Natur angrenzen, versuchen Feuerwehrleute, die Häuser zu retten und lassen das Feuer nicht einfach brennen. Kleinere Feuer sind aber wichtig für die Flurbereiningung und verbrennen Gebüsch und Gräser, die sonst größere Feuer anheizen. Auch in Kalifornien kommt immer mehr das Thema der kontrollierten Feuer auf, die größere verhindern helfen. Leider werden wir wohl noch so manches Mal schlechte Luft durch Feuer in San Francisco erleben, denn jahrzehntelang wurde das Problem einfach verdrängt und es jetzt zu lösen kostet viel Geld und Zeit.
Angelika Bedingt durch die schlechte Luft waren nicht nur Atemschutzmasken in San Francisco heiß begehrt und immer wieder ausverkauft, auch Luftreiniger für die Wohnräume erfreuten sich großer Beliebtheit. Auch wir kauften einen von der Firma Levoit, die in Anaheim in der Nähe von Los Angeles ihren Firmensitz hat. Der Luftbefeuchter LEVOIT LV-H132 sieht nicht nur gut aus, sondern soll auch schädliche Partikel in der Luft aus den Wohnräumen filtern. Wir ließen unseren auf jeden Fall ausgiebig laufen, damit auch noch die letzten feinen Russpartikel aus unseren Wohnräumen verschwanden.
Michael Wer herausfinden will, warum viele Deutsche mit furchtbarem Akzent Englisch sprechen, muss nur einmal einem Englisch-Muttersprachler genau zuhören und auf die Satzmelodie achten. Während das Deutsche kaum Tonalität aufweist, ist Englisch der reinste Singsang. Der Amerikaner hebt und senkt seine Stimme mehrmals im Satz, während der Deutsche immer auf der selben Tonhöhe weiterbrummelt. Um Englisch als Fremdsprache richtig auszusprechen, muss man sich als Deutscher richtig anstrengen und Melodien einbauen wie ein Kanarienvogel. Weil ich in der Arbeit nur Englisch spreche, habe ich mir allerdings schon so einen Singsang angewöhnt, dass ich mich regelmäßig zusammenreißen muss, wenn ich Deutsch rede, damit es nicht veramerikanisiert klingt.
Die amerikanische Jugend der letzten 10 Jahre hat es sich nun angewöhnt, diesen Singsang noch um einige Komponenten auszuweiten, sodass es engstirnige Erwachsene wie mich regelmäßig erbost, wenn ich mir hirntotes Geschwätz mit diesen Manierismen anhören muss. Die erste Unsitte ist das sogenannte "Upspeak", das Heben der Stimme am Ende des Satzes. Was bei Fragesätzen normal ist, sollte man nicht an jedem Satzende tun, aber genau das machen die Millennials heutzutage: "Also bin ich ins Cafe gegangen? Hab mir 'nen Drink bestellt? War ziemlich teuer?" Zum wahnsinnig werden.
Video: Ist Gurren doof oder ungesund? |
Video: Wissenschaftliche Erklärung des modischen Gurrens junger Amerikanerinnen. |
Die zweite Unsitte ist das sogenannte "Vocal Fry", und dazu muss ich weiter ausholen. Der Mensch verfügt über insgesamt drei sogenannte Register, die die Tonhöhe der gesprochenen (oder gesungenen) Sprache bestimmen, reguliert über den "Glottis" genannten Spalt im Rachen zwischen den Stimmbändern. Im Normalzustand dieser Ritze spricht der Mensch mit normaler Tonhöhe. Schnürt man die Stimmbänder dicht zusammen, kommt das Falsetto raus, also Obertöne. Ernstzunehmende Leute machen das nicht, aber lässt man die Stimmbänder locker, sodass Luft mit einem vibrierenden Geräusch durch den Spalt durchblubbert, ensteht der sogenannte Strohbass, auch Schnarrregister genannt. Auf Englisch nennt man es "Vocal Fry" oder auch "Creaky Voice" und dieses Register breitet sich geradezu epidemienhaft bei jungen Frauen und schwulen Männern aus.
Prominente Modepüppchen schnarren und gurren heutzutage, dass es einem gleich ganz anders wird. Das Geräusch ist nicht ganz einfach zu beschreiben, wenn man es noch nie bewusst wahrgenommen hat, hört es euch am besten mal auf den referenzierten Youtube-Videos an und achtet darauf! Klingt völlig idiotisch, diese Schnarrerei. Aber sitzt eine ungebildete junge Frau in irgendeiner Talkshow, könnt ihr mit der Stoppuhr darauf warten, bis sie losschnarrt. Was denken diese jungen Leute sich heutzutage eigentlich? Mir bleibt auch nichts erspart.
Michael Wir wohnen ja nicht gerade auf großem Fuß in einer kleinen Stadtwohnung, müssen daher Platz sparen und stets darauf achten, dass alter Krempel, den wir nicht mehr nutzen, zügig verschwindet. So alle halbe Jahre gehen wir deshalb durch unseren Kleiderschrank und sortieren gnadenlos aus. Das alte T-Shirt, das im Stapel immer weiter nach unten rutscht und seit sechs Monaten nicht mehr getragen wurde? Weg damit. Die Hose zu eng? Und tschüß. Oder der alte Computermonitor, der zwar noch gut ist, aber halt durch neuere Technologie ersetzt wurde? Muss alles raus.
Doch wohin damit? Für Gebrauchtkleidung oder Haushaltsgegenstände gibt's keinen Markt auf Ebay und auch das Verscherbeln über lokale Internet-Foren wie Craigslist oder einem selbst organisierten "Garage-Sale" ist oft mehr Arbeit als geplant. So bietet es sich an, nicht mehr benötigte Dinge an einer der vielen Stellen für "Donations" abzugeben. Sogenannte Thrift-("Treibholz")-Stores nehmen die Sachen als Spenden an und verkaufen sie nachher gewinnbringend im Laden. Je nach Organisation gehen die Erlöse dann an einen guten Zweck.
Goodwill ist einer der professionellsten Thrift-Stores mit mehr als 3200 Zweigstellen weltweit. Mir gefällt besonders an dem Laden, dass er mit eiserner Hand geführt wird. Die Angestellten sind auf Zack. Kommt man mit Krempel an, spurtet gleich einer her, nimmt ihn entgegen und das Formular zum Absetzen auf der Steuererklärung liegt auch schon bereit. Man schreibt einfach rein, wieviel die einzelnen Teile noch wert sind und fertig ist der Lack. Ich habe noch nie länger als 5 Minuten an der Abgabe gestanden.
Außerdem achtet Goodwill extrem auf Sauberkeit, die Läden sind blitzeblank wie Boutiquen und es hängen auch keine Penner rum, die den Laden als ihr Wohnzimmer betrachten. Dass Goodwills Führungsriege wegen hoher Einkünfte laut Wikipedia Kritik erntet, finde ich lachhaft, gutes Führungspersonal kostet eben. Außerdem werfen sie die Erlöse nicht einfach irgendwelchen aggressiven Nichtsnutzen in den Rachen, die damit nur schnell zum nächsten Drogendealer rennen, sondern fördern Projekte, die sozial unglücklich Gestrandete wieder ins Berufsleben integrieren. Das ist in San Francisco nicht selbstverständlich, dort wird nach dem Motto "Viel Geld hilft viel" das Steuergeld mit der Gießkanne planlos auf die Obdachlosen ausgeschüttet, aber es geht seit Jahrzehnten immer weiter bergab.
Allerdings nimmt Goodwill bei weitem nicht alles an Spenden an. Alte Haushaltsgeräte wie Kühlschränke oder Trockner verstellen wohl die kostbare Verkaufsfläche und auch Matratzen und große Möbelstücke weisen sie zurück. Ich hatte sogar schon mal Probleme, ein paar noch gut aussehende Ikea-Regale loszuwerden, musste ein bisschen rumfahren, aber schließlich erbarmte sich ein Thrift-Store im Mission-Distrikt, sie mir zum Nulltarif abzunehmen.
Nun kostet Ladenfläche in San Francisco Unsummen von Geld, und das ist mit einem Trödelladen kaum wieder reinzuholen. Allerdings steht auch manches kommerzielle Gebäude vorübergehend leer, während sich die Eigentümer einen neuen Mieter suchen, und da springt Goodwill dann kurzfristig in die Bresche und richtet einen sogenannten Pop-Up ein, so eine Art wie aus einem Aufklappbuch hochschnellendes temporäres Verkaufsareal, mit einer Verkaufsfläche, die nur Vorhänge von baufälligen Gebäudeteilen trennen. Zum Beispiel ging in San Franciscos Viertel SoMa vor einem Jahr der Laden des Sportaustatters "Sports Authority" auf der Folsom-Street pleite. Er hatte ein riesiges Kaufhaus betrieben, und schwupps, kam ein Goodwill-Popup rein, der jetzt schon seit einem halben Jahr dort brummt. Wir haben dort schon zweimal Sachen abgegeben. Der Laden ist stets voll, die Sachen werden so schnell verkauft, wie sie ankommen, es ist eine reine Freude, dem Treiben zuzusehen. Wir haben sogar in der Abteilung mit kleinen Möbeln rumgeschnuppert, einige fast schon antik anmutende schöne Teile gesehen, aber leider, wie gesagt, ist kein Platz in unserem Zuhause, vielleicht in einem anderen Leben!
Michael Wie ein guter Amerikaner lege ich mittlerweile forsch meine Kreditkarte vor, wenn ich im Supermarkt Semmeln für $2.50 kaufe, auch wenn Angelika später Tango tanzt, wenn sie die Buchung auf der Kreditkartenabrechung wie immer mit einem Kassenbon vergleicht, der dann oftmals fehlt. Aber bar bezahlt in den USA kaum jemand, höchstens Leute, die keine Kreditkarte bekommen. In Rundbrief 07/2010 habe ich schon mal vom sinnlosen amerikanischen Kleingeld berichtet, und seit dem hat sich nicht viel geändert.
Video: Der Coinstar-Automat nimmt 1-Cent-Stücke entgegen und stellt Gutscheine aus. |
Zahle ich doch mit einem Schein, kriege ich Kleingeld zurück, das ich nie im Leben wieder ausgebe, denn ich trage keine Münzen mehr mit mir herum, nur noch Scheine in der Hosentasche für absolute Notfälle, wie wenn mal das Finanzsystem zusammenbricht und in einer apokalyptischen Welt wie in den Mad-Max-Filmen nur noch harte Währung das Überleben sichert. Erhaltene Münzen deponiere ich deshalb sofort wenn ich heimkomme in einem kleinen dafür vorgesehenen Becher. Einmal im Vierteljahr leere ich den Becher aus, und werfe Nickels, Dimes, und Quarters (5er, 10er, 25-Cent-Stücke) in einen Ziplock-Beutel, den ich dann zum Kartenspielen in unserer Schafkopfrunde mitnehme. Dabei versuche ich, den Mitspielern möglichst viele Münzen anzudrehen und hauptsächlich Scheine einzukassieren. Die 1-Cent-Stücke, auch Pennies genannt, erlauben die Kartenbrüder und -schwestern nicht, also sammle ich sie in einer weiteren Ziplock-Tüte und wenn sich etwa 500 angesammelt haben, gehe ich damit zum Coinstar-Automaten im Safeway-Supermarkt.
Dort schlürft die Maschine Münzen klaglos ein, zählt sie laut ratternd, und stellt dann nach Abzug von 12% Gebühren Gutscheine aus, die man an der Supermarktkasse einlösen kann. Das ist ganz schön happig, aber das dumme Kleingeld mit mir herumzuschleppen ist mir echt zu doof. Münzen sind als Bargeld nicht wegzudenken, obwohl man schon darüber diskutieren könnte, die Cents abzuschaffen und auf 5-Cent auf- oder abzurunden. Bargeld an sich ist als anonymes Zahlungsmittel ja keine schlechte Sache, wird aber, das sage ich voraus, bald eh abgeschafft, und das sowohl in Europa als auch in Amerika. Der Staat ist einfach zu sehr daran interessiert, wer wann was wo bezahlt.
Michael Unsere Besucher aus Deutschland schockt es regelmäßig, dass in San Francisco so viele Penner rumhängen. Es ist mittlerweile normal, dass sie mitten auf dem Gehweg Zelte aufschlagen, sodass normale Fußgänger auf die Straße ausweichen. Und die Polizei kommt schon gar nicht mehr, wenn wieder einer wahllos Autoscheiben einschlägt, um im Innern nach Verkaufbarem zu stöbern, das gehört mittlerweile so zum Stadtbild wie das Cable Car. Neulich sahen wir einen mitten in der Stadt, der aus seinem Anorak heraus einen ganzen Stapel luftdicht verpacktes Fleisch aus dem Supermarkt verhökerte.
Dabei gibt San Francisco jährlich 305 Millionen Dollar für die geschätzten 7.500 Obdachlosen aus. Nun werden linksliberale Stimmen nicht müde, zu betonen, dass man das keineswegs dividieren solle, um die alarmierende Verpulverung von mehr als 40.000 Dollar pro Obdachlosem pro Jahr festzustellen, sondern mit einzurechnen, dass die Stadt das Geld auch dazu hernimmt, die Mieten von Leuten zu zahlen, die sonst in die Obdachlosigkeit abrutschen würden.
Meiner Ansicht ist das Problem aber, dass die Verantwortlichen keinerlei Rechenschaft darüber ablegen müssen, dass dass Problem jedes Jahr schlimmer wird. Warum legen sie trotz jährlicher Ausgaben in Millionenhöhe jedes Jahr höhere Obdachlosenzahlen vor? Es fehlt einfach daran, dass Fehlverhalten aufgedeckt wird und Leute zur Rechenschaft gezogen werden, sowohl die Versager in der Stadtverwaltung als auch Obdachlose, die trotz angebotener Hilfe weiter ihren Lebensunterhalt durch Einbrüche verdienen wollen.
Das Thema wird natürlich endlos diskutiert, und letztes Jahr kam jemand auf die brandheiße Idee, noch mehr Geld auf das Problem auszuschütten, vielleicht wird's ja doch besser! Im Stadtsäckel war allerdings nichts, aber in der Innenstadt haben sich in den letzten Jahren doch reiche Internetfirmen wie Salesforce und Twitter niedergelassen, die schwimmen doch im Geld! Wie immer in solchen Fällen von Geldknappheit lässt man in San Francisco die Bürger entscheiden, und deren Stimmverhalten ist 100% vorhersagbar, wenn's darum geht, wohlhabendenden Leuten oder Firmen Geld wegzunehmen, Hauptsache es kostet sie persönlich nichts.
Badda-bing-badda-bum, am 6. November wurde (parallel zu den Midterm-Wahlen) in San Francisco über Prop C abgestimmt, und etwa 60% der Wahlbeteiligten stimmten mit "Ja". Ab sofort müssen also Firmen mit über 50 Millionen Umsatz zwischen 0.175% und 0.69% ins Obdachlosensäckel abdrücken, und Großfirmen mit über 1 Milliarde Umsatz 1.5% ihrer Lohnkosten spenden. Wer sich jetzt denkt "Den Umsatz zu besteuern ist doch Wahnsinn, warum nicht den Gewinn?", dem gebe ich übrigens unumwunden recht.
Das ist allerdings noch nicht das Ende der Geschichte, denn kaum war die Abstimmung durch, kamen prompt juristische Bedenken auf den Plan. Laut Kaliforniens Grundgesetz benötigen durch Bürgerentscheid entschiedene Steuererhöhungen nämlich eine Zweidrittelmehrheit. Prompt legte ein Steuerverein Klage vor dem kalifornischen Verfassungsgericht ein und nun liegt die Sache erstmal auf Eis. Die Firmen müssen den Obulus, der zusammen immerhin 250 bis 300 Millionen Dollar ins Obdachlosensäckel spülen soll, zwar bezahlen, die Stadt darf davon allerdings solange nichts ausgeben, bis die Sache juristisch entschieden ist. Meinen Atem würde ich so lange nicht anhalten.
Angelika Nach fast zwölf Jahren Dienst bei der verhaltenstherapeutischen Frühförderungseinrichtung mit autistischen Kindern habe ich doch noch die Kurve gekriegt und die Arbeitsstelle Ende August gewechselt. Nach zwölf Jahren kommt man ja etwas in den Trott. Man kennt sich aus und weiß wie der Laden läuft und hat tausend Bedenken, etwas Neues anzufangen, denn niemand kann genau vorhersagen, was kommt. Ich bin ja auch kein junger Spund mehr und habe zudem noch damit zu kämpfen, dass keiner hier so richtig meine Ausbildung kennt. Ich bin ja Diplom-Heilpädagogin und habe oben drauf noch an einer Fachhochschule studiert. Zu meinen Zeiten gab es gar kein anderes Angebot, aber das Studium an der Fachhochschule ist oft schneller, wenn die diversen Praktikas, die der Student in der Regel absolvieren muss und das Anerkennungsjahr nicht mit einbezogen werden. Beim Umsetzen der Abschlüsse in das amerikanische System zählen aber in der Regel nur die Jahre an der Hochschule und Fachhochschulabschlüsse werden oft nur mit dem amerikanischen Bachelor-Abschluss gleichgesetzt und gelten nicht als höherer Abschluss, hier "Masters" genannt. Eine etwas schieflastige Bewertung, denn das Bachelor-Studium in Amerika ist mehr wie eine Kombination aus deutschem Abitur und dem Vordiplom. So muss der amerikanische Bachelor-Student noch allgemeinbildende Fächer wie zum Beispiel Englisch, Mathe und Geschichte belegen und spezialisiert sich kaum. Das Problem war nun, dass ich zwar nach deutschen Kriterien gut ausgebildet bin, mit super viel Erfahrung, nach amerikanischen mir aber der Masters-Abschluss fehlt und die Positionen, für die man nur einen Bachelor braucht, hier oft untergeordnet und schlecht bezahlt sind.
In meiner Branche geht es nämlich oft sehr bürokratisch zu. Viele Einrichtungen bekommen staatliche Gelder. Die Autismustherapie, die ich mache, wird seit geraumer Zeit von den Krankenkassen fianziert. Da wiehert dann der Amtsschimmel, während es in anderen Branchen wie in der Softwareindustrie etwas lockerer zugeht und Leute mit ungewöhnlicheren Lebensläufen oder Abschlüssen sich durchaus in gute Positionen katapultieren können, wenn sie das nötige Talent oder Wissen haben.
Aber ich schweife ab, denn ich wollte ja eigentlich berichten, wie und was ich für eine neue Stelle an Land gezogen habe. Ich hatte schon seit längerer Zeit immer mal wieder auf dem Portal craigslist.org nach interessanten Stellen geschaut. Und eines Sonntag abends fand ich dann ein Stellenangebot, dass wie Faust aufs Auge auf mich zugeschnitten war. Also schnell noch die Bewerbung überarbeitet, ein ordentliches Anschreiben dazu gepackt, und die Bewerbung per E-Mail abgeschickt. Am nächsten Tag bekam ich bereits die Einladung zum Vorstellungsgespräch, das gut verlief, und noch am selben Tag lag das Angebot auf dem Tisch.
Also wagte ich in den Sprung und arbeite jetzt an einer privaten Schule als verhaltenstherapeutische Spezialistin in San Mateo, etwa 30km südlich von San Francisco. Die Schule ist noch im Aufbau und relativ klein, sozusagen eine Start-up-Schule. Zur Zeit gibt es Klassen vom Kindergarten bis zur sechsten. Einige Klassen sind noch kombiniert, weil die Schülerzahl noch relativ gering ist. So haben wir zum Beispiel eine dritte/vierte Klasse, in der die Kinder zusammen unterrichtet werden. Die Kinder in der Schule haben in der Regel Verhaltensauffälligkeiten wie zum Beispiel Hyperaktivität oder Angstzustände; einige in meiner Klasse haben Autismus. Die Schüler in unserer Schule sind normal oder sogar überdurchschnittlich intelligent, haben aber oft große Schwierigkeiten in regulären Schulen gehabt aufgrund ihres Sozialverhaltens. Die Klassen sind sehr klein bei uns, und wir sind zu zweit in einer Klasse, immer ist ein Grundschullehrer und ein verhaltenstherapeutischer Spezialist anwesend.
Ich habe eine zweite Klasse mit meiner Kollegin zusammen, und wir haben zur Zeit sechs Schüler. Meine Kollegin ist für den Schulstoff zuständig und ich für das Verhalten. Ich unterrichte jeden Tag eine Stunde, die sich um positives Sozialverhalten dreht, genannt SEL (= Social Emotional Learning), was mir sehr viel Spaß macht. Die Kinder in der Klasse sind nicht ganz einfach und ich habe schon so manche Blessur davon getragen, weil einige meiner Schüler auch aggressiv sind. Aber mir gefällt die neue Herausforderung und das Konzept unserer Schule sehr, denn ansonsten herrscht hier das Modell vor, dass Kinder bei Bedarf eine Hilfskraft zur Seite gestellt bekommen, damit sie den Stoff bewältigen und sich in die Klasse integrieren.
In diesem Berufszweig gibt es hier kaum gut ausgebildete Kandidaten, und die Bezahlung ist normalerweise auch nicht gut. Aber unsere Schule folgt der Philosophie des Team-Unterrichts und meine Kollegin und ich stehen auf gleicher Stufe. Da die Schule privat ist, gibt es weniger staatliche Reglementierungen, was in der Praxis bedeutet, dass wir auch in der Klasse mehr Freiheiten haben. Ich bin jedenfalls froh, dass ich nochmal den Mut hatte, etwas Neues zu wagen!
Michael Bekanntlich hege ich einen schon lange währenden Groll gegen den in unseren Breiten dominierenden Kabel-Monopolisten Comcast. Wir haben sicher schon vor zehn Jahren unseren Kabelanschluss gekündigt und ich habe keinerlei Absichten, diesen Sauladen jemals wieder zu unterstützen.
Aus diesem Grund schlagen wir uns mit Dritte-Welt-Internet durchs Telefonkabel herum (15mbit/1mbit), sehen Antennenfernsehen und holen uns Spielfilme mit HBO Now (via Internet), Netflix und dem TV-Service Sling herein. Letzteres kostet $25 im Monat und bringt Sender wie AMC (für Serien wie "Walking Dead") oder Spiele der Fußball-WM letztes Jahr auf den Schirm, natürlich voll mit Werbung.
Fürs Antennenfernsehen hatte ich noch bis vor kurzem eine Riesen-Antenne mit einem Metallrechen, die man eigentlich aufs Dach montiert, hinter den Fernsehkasten montiert, aber die Sender kamen mehr schlecht als recht rein und der digitale Rekorder TiVo nahm öfter Mal Angelikas Lieblingssendung "Dancing with the Stars" nur halb auf, worauf am Abend dicke Luft vorprogrammiert war. Dann sah ich beim Riesensupermarkt Costco neulich diese neuartige Flachantenne, die ich nach einigem Rumprobieren einfach mit Gaffer-Tape hoch oben an die Wand pappte, und schwupps, kommt das Digitalsignal der lokalen Antennensender fehlerlos rein -- ein Riesenfortschritt, wer hätte das gedacht, dass ich das auf meine alten Tage noch erleben darf!
Grüße aus der nun wieder gut durchlüfteten Bay Area:
Angelika und Michael
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