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Angelika/Mike Schilli |
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Im Abwassersystem von San Francisco
Die neue Geschirrspülmaschine
New York Times Zeitungs-Abo
Rauch über der Stadt
Topprodukt: Febreze Air Freshener
Jährliche Krankenkassenwahl in der Firma
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Angelika Sonntag vor vier Wochen gegen halb zwölf nachts fing es in unserem Viertel auf einmal an zu riechen, als hätten alle ihre Kamine gleichzeitig angezündet. Wir dachten echt, dass es entweder in der Nachbarschaft brennt oder in unserem Haus ein Feuer ausgebrochen wäre. Ich sorge mich eigentlich ständig, dass unser Haus einmal in Flammen aufgeht, denn in unserem Apartementkomplex wohnen ein paar Typen, die heftig Alkohol und Marihuana konsumieren und nicht immer ganz bei sich sind. Auch schleichen manchmal etwas merkwürdige Gestalten auf unserer Dach. Wir müssen also ständig auf der Hut sein, dass nichts passiert oder jemand auf die Idee kommt, ein Lagerfeuer auf unserem Dach zu entzünden. An dem besagten Sonntag machten wir also erst die Balkontüren auf, sahen aber nichts. Es wehte uns lediglich ein warmer starker Wind entgegen, was wiederum komisch war, denn der Wind hier ist nie warm. Michael befragte also das Internet, ob es in San Francisco irgendwo brennt. Seine Recherche ergab nichts. Dann stellte er die Frage auf dem Nachbarschaftsforum "Nextdoor", um herauszufinden, ob es auch anderenorts nach Rauch röche und innerhalb kürzester Zeit erhielt er trotz der späten Stunde 70 Antworten: Nicht nur unser Viertel "Noe Valley" roch wie ein offener Kamin, sondern ganz San Francisco stank nach Feuer.
Bald stellte sich heraus, dass es im anderthalb Autostunden entfernten Weingebiet in Napa, und den umliegenden Orten Sonoma, Calistoga und Santa Rosa lichterloh brannte. Feuer sind in Kalifornien im Herbst leider keine Seltenheit, denn nach Monaten ohne Regen ist die Vegetation staubtrocken und nur ein kleiner Funke kann sich schnell zu einem großem Flächenbrand entwickeln, vor allen Dingen wenn die Flammen durch den Wind angetrieben werden. Später stellten sich die Feuer im Norden Kaliforniens dieses Jahr als die schlimmsten in der Geschichte Kaliforniens heraus: über 40 Menschen starben und 8889 Gebäude brannten nieder, darunter auch viele bekannte Weingüter. Calistoga, das wir jedes Jahr an einem verlängerten Wochenende besuchen (Rundbrief 04/2006), war ebenfalls von den Flammen bedroht, konnte aber in letzter Minute gerettet werden. Das Haus einer meiner Kolleginnen, die in Santa Rosa wohnt, ging in Flammen auf. Sie konnte sich mit ihren vier Kindern in Sicherheit bringen, verlor aber sonst alles.
Die Luft in San Francisco war tagelang so schlecht wie in Peking; die Sonnenunergänge schön aber gespenstisch. Ich habe noch nie in meinem Leben solch eine knallrote Sonne gesehen. Leute liefen überall mit Mundschutz herum, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das wirklich hilft. In der East Bay, wo ich des öfteren arbeitete, hatte ich sogar Asche auf dem Auto.
Wir haben ja schon seit langem Erdbebennotkisten unterm Bett (Rundbrief 09/2005) und eine Notfallstrickleiter, über die wir uns im Ernstfall abseilen können, wenn es über das Treppenhaus nicht mehr geht. In diesen Kisten sind natürlich nur praktische Sachen und dann haben wir noch einen feuerfesten Safe mit Michaels externer Festplatte und unserem Testament. Unsere Pässe und Greencard sollten wir vielleicht noch dazu legen und meine Backups von meinem Computer, damit meine vielen Fotos, an denen ich so hänge, nicht verloren gehen. Aber was würden wir vermissen? Was wäre nicht ersetzbar? Was würden wir noch schnell einsammeln, wenn wir nur Minuten hätten, um die Wohung zu verlassen?
Unsere Antworten erscheinen jetzt vielleicht etwas klischeehaft, denn Michael würde seine Werkzeugsammlung vermissen und ich meinen Schmuck. Die Gründe ähneln sich aber: Michael hat sein Werkzeug über Jahre angesammelt und sogar einmal auf einem Deutschlandbesuch Werkzeug im Traditionsgeschäft Kustermann am Viktualienmarkt gekauft. Und bei meinen Schmuckstücken geht es auch nicht um den relativ geringen materiellen Wert, aber um den ideellen. Ich kaufe oft Schmuck, wenn wir auf Reisen sind und Michael hat mir viele wunderschöne Schmuckstücke zu Geburtstagen, Hochzeitstagen und anderen Festtagen geschenkt. Und auch gute Freundinnen haben mir über die Jahre immer wieder Schmuck geschenkt. So erzählt jedes Schmuckstück und jedes Werkzeugteil eine Geschichte.
Experten, die sich mit Katastrophen auskennen, raten dann auch, nicht nur praktische Dinge in seine Notfallkisten und den Notfallrucksack zu packen, sondern auch eine Schachtel mit persönlichen Dingen, die unersetzbar sind, dazuzulegen. Ich finde das eine interessante Übung. Was würdet ihr in so eine Erinnerungsschachtel tun?
Die Feuer werden noch lange Auswirkungen auf die ganze Bay Area haben. Vor allen Dingen die Wohnungsnot wird sich verschärfen. Schon vor den verheerenden Bränden gab es nur 1% freie Wohnungen/Häuser in Santa Rosa und im Weingebiet Napa. In Santa Rosa sind aber mindestens 5% des Wohnraumbestands verbrannt. Selbst wenn die Häuserbesitzer sich dafür entscheiden, ihre Häuser wieder aufzubauen, brauchen die Evakuierten zunächst Wohnraum, bis die Häuser bezugsfertig sind. Aber das kann dauern, denn Besitzer der verbrannten Häuser müssen sich nicht nur mit ihren Versicherungen herumschlagen, sondern auch sicherstellen, dass die Erde nicht mit Schadstoffen belastet ist. Die Asche ist also zunächst abzutragen.
Hinzu kommt, dass es nicht genug Bauarbeiter gibt. Ganz schlecht sind die dran, die ihre Mietwohnungen durch die Feuer verloren haben, denn die gehören in der Regel nicht zu den Superverdienern und die Mieten, die bereits vorher extrem hoch waren, werden durch die Wohnungsknappheit weiter steigen. Schon jetzt geben die meisten in der Bay Area 30-50% ihrer Gehälter für die Miete aus, manche sogar mehr. Das kalifornische StrafgesetzbuchAbschnitt 396 unterbindet zwar Preistreiberei zwar nach Katastrophen (Preise dürfen nicht mehr als 10% erhöht werden), aber das nützt dem Mieter auch nichts, der seine noch erschwingliche Wohnung durch die Feuer verloren hat und sich auf den überhitzten Markt etwas Neues suchen muss. Viele befürchten nun, dass noch mehr Geringverdiener aus der Bay Area abwandern. Schon jetzt fehlen Lehrer, Köche, Tellerwäscher und andere Dienstleister in der Serviceindustrie. Ohne die geht es aber nicht.
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